M\S\L Maier\Rechtsanwälte Stuttgart: Haftung der Bank für Verluste; Prospekthaftungsansprüche

22.09.2008

M\S\L Maier\Rechtsanwälte Stuttgart

Zu den Voraussetzungen von Schadenersatzansprüche aus Beratungsverschulden und Prospekthaftung

Nicht erst seit den Turbulenzen bei den sog. "New Economy-Werten" und der anhaltenden Rezession der Weltwirtschaft mußten viele Kapitalanleger erhebliche Verluste bei ihren Vermögensanlagen (z.B. Aktien, Anleihen, Genuß- und Optionsscheine u.a.) hinnehmen.

Bundesweit Schlagzeilen haben in diesem Zusammenhang die Schadenersatzklagen wegen Ungereimtheiten anlässlich diverser Börsengänge (z.B. bei der Telekom) oder fehlerhafter ad-hoc-Mitteilungen (OLG München, Urteil vom 01.10.2002 für Informatec) gemacht.

Nahezu täglich findet man in den Medien Berichte über Klagen gegen Vertriebsgesellschaften wie z.B. den Firmen Allgemeiner Wirtschaftsdienst (AWD), FG Finanz-Service AG u.v.m., in denen die geschädigten Anleger den Mitarbeitern dieser Firmen Falschberatung vorwerfen (siehe hierzu weitere Artikel auf dieser homepage). Größtenteils handelt es sich bei diesen Anlagen um Kapitalanlagen des sog. Grauen Kapitalmarkts, also Vermögensanlagen außerhalb des geregelten Marktes.

Weitaus weniger bekannt ist, dass auch die Bank für ein Beratungsverschulden ihrer Mitarbeiter einzustehen hat (bei einer sog. direkten Anlageberatung).

In weiteren Fällen ist es zusätzlich möglich, gegen die kapitalsuchende Gesellschaft, den Prospektherausgeber, den Initiator oder andere Verantwortliche aus den Grundsätzen der sog. Prospekthaftung zivilrechtlich vorzugehen.

Nachfolgend wollen wir Ihnen einen kurzen Überblick über die Ansatzpunkte diverser Haftungsansprüche geben. Wir weisen allerdings ausdrücklich darauf hin, dass ein evtl. Schadenersatzanspruch in jedem Einzelfall geprüft werden muß und keine pauschalen Aussagen getroffen werden können.

Nach dem Leitbild des Gesetzgebers ist der Privatanleger, der sein Geld auf dem Kapitalmarkt mit der Hoffnung auf Rendite einsetzt, grundsätzlich auch alleine für sein Handeln verantwortlich und muß dementsprechend selbst das mit der Kapitalanlage verbundene Risiko tragen.

Das Kapitalanlagerecht kennt daher keinen so weitreichenden Schutz wie z.B. das Verbraucherschutzrecht. Anders als im Bereich des Verbraucherschutzes geht es beim Handel mit Wertpapieren und anderen Anlageformen nicht um Verbrauchsgüter und Anschaffungen, die jeder Mensch im Rahmen normaler Lebensführung erwerben kann. Auch in der Höhe der Beträge unterscheidet sich der Bereich der Kapitalanlagen vom Anwendungsbereich des Verbraucherschutzes teilweise in erheblichem Umfang.

Der Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass der Anleger dementsprechend wohlüberlegt handelt, bevor er eine Anlageentscheidung trifft, sich also umfassend vorher informiert und sich fachkundig beraten lässt.

Da der Anleger somit das Risiko seiner Geldanlage zunächst selbst trägt, muß er - im Umkehrschluss - auch in die Lage versetzt werden, die jeweiligen Risiken der angepriesenen Anlage anhand der verfügbaren Informationen auch richtig einschätzen zu können.

Werden ihm Informationen vorenthalten oder sind die Informationen missverständlich, unvollständig oder gar falsch, dann kann dies zu Schadenersatzansprüchen des Beraters führen. Daher stellt die richtige und vollständige Information des Anlegers einen wichtigen Schwerpunkt in der Haftungssystematik des Kapitalanlagerechts dar.

Für die Haftung für Schäden im Zusammenhang mit Wertpapieren und anderen Anlageformen kommen verschiedene Haftungsgrundlagen und Anspruchsgegner in Betracht. Nachfolgend ein kurzer Überblick:

1. Prospekthaftung

Gibt die kapitalsuchende Gesellschaft einen Emissionsprospekt heraus, um Anleger und / oder Investoren zu gewinnen, müssen die Angaben in diesem Emissionsprospekt richtig und vollständig sein (BGH, Urteil vom 24.04.1978, AZ: II ZR 172/76 und seitdem ständige Rechtsprechung).

Die von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätze finden auch auf Prospekte Anwendung, mit denen für den Erwerb von Aktien außerhalb der geregelten Aktienmärkte geworben wird (BGH, Urteil vom 05.07.1993, AZ: II ZR 194/92).

Falls sich nach Herausgabe eines Anlageprospekts Umstände oder Bedingungen, welche zu einer Verzögerung des Projekts oder zu einer Verminderung der für einen Abschreibungszeitraum in Aussicht gestellten Verlustzuweisung führen können, ändern, sind die Prospekthaftungsverantwortlichen sogar verpflichtet, durch eine Prospektergänzung oder einen Warnhinweis beitrittswillige Anleger jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Annahme der Beitrittserklärung zu unterrichten (BGH, Urteil vom 15.12.2003, AZ: II ZR 244/01).

Hinsichtlich der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds (in der Rechtsform einer KG) hat der BGH erst kürzlich seine bisherige Rechtsprechung bestätigt (Urteil vom 01.03.2004, AZ: UU ZR 88/02) und insoweit ausgeführt:

Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung des Anlageobjekts, so ist in dem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende Umstände und die sich hieraus für die Anleger ergebenden Risiken hinzuweisen (BGH, a.a.O., Leitsatz Ziffer 1).

Für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts haften nach ständiger Rechtsprechung die Gründer, Initiatoren und Gestalter der Gesellschaft sowie als sogenannte Hintermänner alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf deren Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Modells entscheidenden Einfluss ausüben. Des weiteren haften aufgrund dieses Anspruchs nach außen hervorgetretene sogenannte Garanten (Vertrauenstatbestand).

Diese Prospekthaftungsansprüche verjähren in sechs Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem der Gesellschafter von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts Kenntnis erlangt, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Beitritt zur Gesellschaft (BGH, Urteil vom 22.03.1982, AZ: II ZR 114/81 für einen Beitritt zu einer Anlagen-Kommanditgesellschaft).

Diese kurze Verjährungsfrist betrifft allerdings nur sogenannte Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne (typisierte Vertrauenshaftung). Weitergehende Ansprüche verjähren weiterhin erst nach 30 Jahren, nach der zum 01.01.2002 in Kraft getretenen BGB-Reform wurde die Verjährungsfrist für diese sogenannten Altfälle aber auf 3 Jahre begrenzt. Diese weitergehenden Ansprüche verjähren demnach grundsätzlich zum 31.12.2004. Die Rechtsprechung hat hierbei folgende Fallkonstellationen herausgearbeitet:

- Initiator als Mitgesellschafter der Fondsgesellschaft (Vertragspartner der Anleger)

- Vertragliche Haftung der Gründerkommanditisten gegenüber Treuhandkommanditisten

- Sachwalterhaftung/persönliche Vertrauenswerbung

2. Schadenersatzanspruch wegen Verletzung eines Auskunftsvertrags

Ein Anlagevermittler, der wie ein Makler auftritt und Kapitalanlagen für die kapitalsuchende Gesellschaft vertreibt und anbietet, ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dazu verpflichtet, den Erwerber/Kapitalanleger richtig und vollständig über diejenigen Umstände zu unterrichten, die für diese Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung sind. Insbesondere sind über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck gefährden oder vereiteln können und die daher für den anderen Teil von erheblicher Bedeutung sind oder sein können. Diese Grundsätze gelten auch ohne ausdrückliche Nachfragen des zukünftigen Geschäftspartner (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH NJW 1982, 1095, BGH WM 1985, 381; BGH WM 1987, 531; BGH NJW 1979, 2243; BGH WM 1987, 1562).

Im Gegensatz zum Anlageberater verpflichtet der mit der Aufnahme der Gespräche stillschweigend geschlossene Auskunftsvertrag den Anlagevermittler lediglich zur richtigen und vollständigen Information der von ihm angepriesenen Kapitalanlage. In der Regel geht es bei diesen Fallkonstellationen nur um eine vom Vermittler angebotene Vermögensanlage, ohne vorher im Detail die Anlageinteressen und -wünsche des Anlegers zu eroieren.

Falsche oder unvollständige Informationen können aber auch hier einen Schadenersatzanspruch begründen. Auch Mitarbeiter einer Bank (oder Versicherung) werden als Anlagevermittler eingestuft, sofern die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen.

Beispielsweise verletzt der Bankmitarbeiter seine Pflichten aus diesem Auskunftsvertrag, wenn er den Kunden/Anleger nicht ausreichend über die Risiken der von ihm selbst vorgeschlagenen Investition aufklärt (BGH, Urteil vom 07.05.2002, AZ: XI ZR 197/01).

3. Schadenersatzanspruch wegen Verletzung eines (stillschweigend geschlossenen) Beratungsvertrags

Ein Beratungsvertrag, der weitergehende Pflichten des Anlagevermittlers/-beraters begründet, kommt zustande, wenn dieser Anlageberater (dies können wiederum auch Mitarbeiter einer Bank oder einer Versicherung sein) dem Interessenten eine Kapitalanlage empfiehlt, die dessen besondere Bedürfnisse berücksichtigt. Im Gegensatz zum Anlagevermittler tritt der Anlageberater dem Kunden gegenüber nicht wie ein Verkäufer auf, der lediglich sein jeweiliges Anlageprojekt oder -objekt anpreist. Der Anlageberater tritt vielmehr als selbständiger und unabhängiger Ratgeber auf, der dem Kunden bei der Auswahl der richtigen Kapitalanlage behilflich ist.

Der Anlageberater ist nicht nur zur vollständigen und richtigen Information verpflichtet. Er muß darüber hinaus prüfen, ob die empfohlene Kapitalanlage für den Anleger geeignet ist. Hierzu muß er zunächst den Wissensstand des Anlegers, seine Risikobereitschaft und das Anlageziel erfragen. Die Kapitalanlage, die der Berater dem Anleger letztendlich empfiehlt, muß diese Kriterien berücksichtigen.

Entspricht die empfohlene Kapitalanlage nicht den Bedürfnissen des Anlegers, dann haftet der Anlageberater auf Schadenersatz wegen Verletzung der Pflichten aus dem Beratungsvertrag.

Insbesondere auf die speziellen Risiken der angebotenen Kapitalanlage muss der Anlageberater auf jeden Fall hinweisen. Ist ein solcher Hinweis unterblieben, dann kann dies zu einem Schadenersatzanspruch des Anlegers führen.

Gerade im Wertpapierbereich sind die Risiken so vielfältig wie die Anlageformen.

Die zu berücksichtigenden Grundsätze hat der BGH in seinem legendären Bond-Urteil vom 06.07.1993 (AZ: XI ZR 12/93) wie folgt festgelegt (seitdem ständige Rechtsprechung):

Der Bankmitarbeiter hat bei der Beratung den Wissensstand des Kunden und dessen Risikobereitschaft zu berücksichtigen (sog. anlegergerechte Beratung) und die von ihm danach empfohlene Kapitalanlage muss diesen Kriterien Rechnung tragen (sog. objektgerechte Beratung).

Nach diesem Urteil ist die Bank sogar verpflichtet, die empfohlene Kapitalanlage vorher zu überprüfen.

Da die heutigen Vermögensanlagen in der Regel weltweit gehandelt bzw. in ausländische Kapitalgesellschaften oder ausländischen Börsen investiert werden, sind zusätzliche Risiken vorhanden wie z.B.

das Währungs-, Bonitäts- und Inflationsrisiko des jeweiligen Staates

neben den üblichen Risiken der möglichen Insolvenz, Kurs- oder Zinsänderungen, der Anlegerhaftung (Nachschusspflicht !) oder des Totalverlustes.

Wenn Sie durch eine Vermögensanlage, die Ihnen ein Berater oder Vermittler angepriesen hat, einen Verlust erlitten haben und im Vorfeld der Anlageentscheidung nicht hinreichend über die Risiken aufgeklärt wurden oder gar falsche oder unvollständige Informationen erhalten haben, könnten Ihnen Schadenersatzansprüche zustehen.

Da solche Ansprüche in recht kurzer Zeit verjähren, sollten Sie mit einer fachkundigen Überprüfung nicht zu lange warten.

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt / Fachanwalt

für Bank- und Kapitalmarktrecht

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