mzs Rechtsanwälte: EuGH verhandelt über die Widerrufsmöglichkeit geschädigter WGS-Immobilienfondsanleger

10.10.2007

mzs Rechtsanwälte

Am 20.09.2007 fand vor dem Europäischen Gerichtshof die mündliche Verhandlung in einem Verfahren statt, dessen Ausgang für viele deutsche geschädigte Fondsanleger von großer Bedeutung sein dürfte (Rechtssache C-412/06).

In diesem Verfahren geht es um die Vereinbarkeit einer bis zum 1.1.2002 geltenden Regelung des deutschen Haustürwiderrufsgesetzes mit höherrangigem europäischen Recht. Diese umstrittene deutsche Rechtsvorschrift sieht vor, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach vollständiger beiderseitiger Leistungserbringung innerhalb eines Monats erlischt, selbst wenn der Verbraucher – wie die Klägerin des Ausgangsverfahren vor dem OLG Stuttgart (Az.: 6 U 8/06) - über sein Widerrufsrecht nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist. Aufgrund dieser Vorschrift können daher viele geschädigte Fondsanleger ihre Darlehensverträge nicht mehr widerrufen, die sie zur Finanzierung ihrer Fondsbeteiligungen zu Hause abgeschlossen haben. Denn haben Fondsanleger ihre Darlehen – in Unkenntnis des ihnen zustehenden Widerrufsrechts - bereits getilgt, um den finanziellen Schaden für sich zu reduzieren, lehnen diverse deutsche Gerichte eine Widerrufsmöglichkeit nach Ablauf der Monatsfrist ab.

Diese Befristung des Widerrufsrechts steht nun auf dem europäischen Prüfstand. In der mündlichen Verhandlung wurde die Zulässigkeit der Befristung kontrovers diskutiert. Der Rechtsanwalt der klagenden Anlegerin sowie der Vertreter der Europäischen Kommission vertraten ganz klar die Auffassung, dass eine wie auch immer ausgestaltete zeitliche Begrenzung des Widerrufsrecht mit europäischen Recht nicht vereinbar ist, wenn der Verbraucher nicht bzw. nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist. Demgegenüber argumentierten die Vertreter der beklagten Bank und der Bundesregierung, dass das europäische Recht kein absolutes Ausschlussverbot vorsehe. Aus Praktikabilitätsgründen sowie aus Gründen des Rechtsfriedens müsse es dem nationalen Gesetzgeber möglich sein, eine zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts bei beiderseitiger vollständiger Leistungserbringung vorzuschreiben. „Hiermit argumentieren die Vertreter der Bank und der Bundesregierung allerdings gegen die aktuelle Rechtslage in Deutschland“, meint Rechtsanwältin Vera Treitschke von mzs Rechtsanwälte, die bei der mündlichen Verhandlung in Luxemburg war. Denn als Folge der so genannten Heininger-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2001 (Rechtssache C-481/99) und der daran anschließenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Gesetzgeber ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht bei nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung eingeführt. „Diesen Widerspruch in der Argumentation konnten die Vertreter der Bank und der Bundesregierung nicht nachvollziehbar aufklären“, so Rechtsanwältin Treitschke weiter.

Trotz der aktuellen Rechtslage in Deutschland ist der Streit vor dem Europäischen Gerichtshof nicht bloß akademischer Natur. Denn die Zahl derjenigen geschädigten Fondsanleger, für die die alte Rechtsvorschrift noch zur Anwendung kommt, wird von dem Bundesverband für Verbraucherschutz auf zigtausende geschätzt.

Aber können die Verbraucher eine für sie günstige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erwarten? Diese Frage lässt sich nach der heutigen mündlichen Verhandlung noch nicht beantworten. Die Richter ließen nicht erkennen, welcher der vertretenen Auffassungen sie derzeit zu folgen gedenken. Nach dem Verhandlungsverlauf erscheint aber möglich, dass sie eine Art „Mittelweg“ wählen. Danach wäre die einmonatige Ausschlussfrist zwar nicht mit europäischem Recht vereinbar. Allerdings könnte im nationalen Recht die Möglichkeit weiterbestehen, den Widerruf im Einzelfall auszuschließen, etwa wenn mehrere Jahre zwischen Ablösung des Darlehens und des Widerrufs liegen (so genannte Verwirkung). „Dies wäre eine für die geschädigten Fondsanleger denkbar schlechte Lösung“ findet Rechtsanwältin Treitschke von mzs Rechtsanwälte. Denn der Europäische Gerichtshof dürfte die Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss nicht konkret festlegen. Es wäre vielmehr Aufgabe der deutschen Gerichte zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen. Eine uneinheitliche Handhabung der Gerichte erschiene damit vorprogrammiert.

Mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs kann frühestens im Frühjahr 2008 gerechnet werden.

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