Orrick erwirkt Vorlage der NRW-Mindestlohnregelungen für öffentliche Aufträge an den EuGH

07.10.2013

Berlin – Die Mindestlohnregelungen des nordrhein-westfälischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (TVgG NRW) sollen dem europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung vorgelegt werden. Das ist Ergebnis eines Beschlusses der Vergabekammer Arnsberg vom 26. September 2013 (Az.: VK 18/13), den das Vergaberechtsteam der Kanzlei Orrick, Herrington & Sutcliffe erstritten hat. Geprüft werden soll, ob die Gesetzesregelung, wonach öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die ihren Mitarbeitern bei der Auftragsausführung einen Mindestlohn von € 8,62 pro Stunde zahlen und auch ihre Subunternehmer auf eine entsprechende Mindestentlohnung verpflichten, mit dem EU-rechtlichen Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar ist.

Der Streit entzündete sich an einer Auftragsvergabe der Stadt Dortmund für die elektronische Aktenarchivierung. Ein Anbieter von Dokumentenmanagementleistungen, der einen in Polen ansässigen Subunternehmer einsetzen wollte, hatte beanstandet, dass die Mindestlohnregelung einen solchen Einsatz wegen des anderen Lohnniveaus in Polen faktisch unmöglich macht und daher gegen den unionsrechtlichen Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs verstößt. Nachdem die Stadt mit Blick auf den Gesetzeswortlaut auf einer Geltung des Mindestlohns auch für ausländische Subunternehmer bestand, hatte der Bieter die Vergabekammer angerufen. Diese teilte die EU-rechtlichen Bedenken des Unternehmens. Sie legte die Frage der Vereinbarkeit der Regelung mit dem EU-Recht daher gemäß Artikel 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Sollte der EuGH die Mindestlohnregelung des TVgG NRW als Verstoß gegen das EU-Recht beurteilen, dürfte das nicht für Auftragsvergaben in Nordrhein-Westfalen, sondern auch für die gleichlautenden Mindestlohnregelungen anderer Bundesländer weitreichende Konsequenzen haben. Eine Reihe von Ländern hat im Anschluss an die sog. „Rüffert“-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2008 (Rechtssache C-346/06), mit der eine Tariftreueregelung des früheren niedersächsischen Landesvergabegesetzes für EU-rechtwidrig erklärt worden war, für die Vergabe öffentlicher Aufträge einen Mindest-Stundenlohn zwischen € 8,50 und € 9,18 vorgeschrieben. Gegen die Regelungen, die politisch umstritten sind, waren in Rechtsprechung und Praxis jedoch schon seit einiger Zeit EU-rechtliche Bedenken laut geworden.

Die Entscheidung der Vergabekammer Arnsberg ist auch insofern bedeutsam, als es das erste Mal ist, dass eine deutsche Vergabekammer direkt den EuGH anruft. In der Vergangenheit hatten Vergabekammern EuGH-Vorlagen meist unter Berufung auf den im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatz abgelehnt. Folge war, dass die Parteien zunächst in die Beschwerde zum Oberlandesgericht gehen mussten, um eine Vorlage an den EuGH zu erwirken. Die Vergabekammer Arnsberg folgte demgegenüber der Argumentation des Bieters, dass es den Entscheidungsprozess verlängert, wenn die Parteien zunächst das Oberlandesgericht einschalten müssen, um eine EU-rechtliche Frage durch den EuGH klären zu lassen, so dass gerade unter Beschleunigungsgesichtspunkten eine direkte Vorlage durch die Kammer geboten ist.

Prozessvertreter Stadt Dortmund:

Inhouse: Städt. Oberrechtsrat Bäcker (Städtisches Rechtsamt)

Prozessvertreter Bieter:

Orrick, Herrington & Sutcliffe (Berlin): Dr. Wolfram Krohn; Associate: Dr. Tobias Schneider

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