Patentstreit zwischen Daimler und Nokia richtungsweisend für Umgang mit Standardessentiellen Patenten im Bereich IoT

07.12.2020

Düsseldorf, 4. Dezember 2020 – Zehn Jahre nach dem „Patentkrieg“ um Smartphone-Technik sind zuletzt vor allem die Automobilhersteller zur Zielscheibe zahlreicher Patentklagen geworden. Im Patentstreit zwischen dem Netzwerkausrüster Nokia und dem Automobilhersteller Daimler vor dem Düsseldorfer Landgericht hat das Gericht nun entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen.

Im Kern dreht sich der Streit darum, wie sogenannte standardessentielle Patente (SEPs) auf Kommunikationstechnik wie 5G zur Verfügung gestellt werden. Nach geltendem Recht brauchen Hersteller, die von SEPs Gebrauch machen wollen, Lizenzen für die relevanten Technologien. Wer etwa ein autonom fahrendes Auto bauen will oder ein eCall-Notrufsystem im Fahrzeug verbaut, kommt kaum darum herum. Andersherum sind Inhaber von standardessentiellen Patenten verpflichtet, diese auch zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen (FRAND: Fair, Reasonable and Non-Discriminatory) an potentielle Nutzer des Standards zu lizensieren. Umstritten ist dabei jedoch nicht nur die Höhe der Lizenzbeiträge, sondern auch die Frage, wer eine Lizenz für SEPs erwerben muss.

Im konkreten Fall vertritt Nokia die Auffassung, die Lizenzgebühren am Wert des Fahrzeugs bemessen zu können. Nach dieser Auffassung wäre Daimler als Autobauer in der Pflicht. Daimler sieht sich wiederum nicht verantwortlich und meint, dass seine Zulieferer, die für die Bereitstellung der Kommunikationsmodule verantwortlich sind, auch das Recht auf eine Lizenz haben sollten. Für beide Unternehmen steht je nach Ausgang des Patentstreits viel auf dem Spiel: Für Nokia geht es um Patenteinnahmen in Millionenhöhe, für Daimler gar um Milliardenschäden, sollte der Streit im schlimmsten Fall die Produktion lahmlegen.

„Dass es sich die Gerichte bei dem Patentstreit nicht leicht machen, dürfte auch an den wirtschaftspolitischen Dimensionen liegen“, erklärt Matthias Rößler, Patentanwalt und Mitgründer von karo IP. Eine nicht unbedeutende Rolle könne demnach etwa spielen, dass die SEPs aus der Kommunikationstechnik oder Datenverarbeitung in immer komplexeren und damit teureren Produkten benötigt werden, damit sicherheitsrelevante Funktionen erfüllt werden können – z.B. eine Voraussetzung für autonomes Fahren. Die Verfügbarkeit solcher Produkte im Markt könnte damit verzögert oder für die Endkunden deutlich verteuert werden. Andersherum brauche man in der Europäischen Union und insbesondere in Deutschland generell einen starken Innovationsschutz für Patentinhaber, erst recht, wenn diese sich wie Nokia bei der Entwicklung und beim Aufbau wichtiger Kommunikationsinfrastrukturen hervorgetan haben und noch werden. „Vor diesem Hintergrund wird es jetzt vor allem darum gehen, einen gleichsam effektiven als auch flexiblen Weg der Durchsetzung für SEPs in Europa zu etablieren, der auch in diesen Situationen eine faire Lizenzierung erlaubt“, sagt Rößler.

Die übergeordnete Dimension des Patentstreits werde daher auch Auswirkungen über die beiden Unternehmen hinaus haben, weil sich die Probleme bei der Lizenzierung von SEPs nicht auf den Automobilsektor beschränken, sondern künftig auch in anderen IoT-Bereichen wie Energie, Gesundheit, und Maschinenbau auftreten werden.

„Der Umgang mit standardessentiellen Patenten kann einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklungsaktivitäten haben. Ohne eine grundsätzliche Vorgabe zu den FRAND Lizenzbedingungen herrscht Unsicherheit, inwieweit Unternehmen wie LG, Samsung und Huawei, die Mobilfunkstandards entwickeln und schützen, auch maßgeblich die Verfügbarkeit und den Preis für politisch und von Endverbrauchern gewünschten Zukunftstechnologien (Smart Home, Smart Manufacturing, Smart City, etc.) mitbestimmen, was sicher auch Investitionen in diese Technologien in Europa gefährdet“, erklärt Matthias Rößler. Das könne nicht im Interesse der innovationsgetriebenen Unternehmen sein – weder auf deutscher, noch auf europäischer Ebene.

Über karo IP

karo IP ist eine unabhängige Fachkanzlei für Patent- und Markenrecht sowie Intellectual Property, die in Deutschland, Europa, USA sowie China und Japan tätig ist. Die Sozietät wurde 2018 an ihrem heutigen Hauptstandort in Düsseldorf gegründet, dem Sitz des derzeit wichtigsten Patentverletzungsgerichtes in Europa. Die Kanzlei hat einen weiteren Standort in München, unweit vom Europäischen Patentamt und vom Deutschen Patent- und Markenamt. Insgesamt beraten 10 Patentanwälte bei karo IP in- und ausländische Unternehmen mit dem Fokus auf den Technologien Fahrzeugtechnik, Maschinenbau, Software/IT, Physik, Medizintechnik und Biotechnologie.

Weitere Informationen finden Sie unter www.karo-ip.de.

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