Schultze & Braun: Kliniken in der Krise – ein Dilemma ohne Ausweg?

30.09.2008

Schultze & Braun

Deutsche Krankenhäuser und Kliniken laufen Gefahr, ihre Leistungsfähigkeit zu verlieren, stagnierende Umsätze und steigende Kosten bestimmen zunehmend ihren Alltag. Über 2.000 Krankenhäuser in Deutschland mit mehr als vier Millionen Beschäftigten in über 800 Berufen stehen vor der Krise oder sind schon mittendrin. Die Bundesregierung plant drei Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, laut Krankenhausgesellschaft wird aber mindestens das Doppelte benötigt. Vielen Einrichtungen droht die Insolvenz, wenn keine einschneidenden Maßnahmen ergriffen werden. Sanierungsberater Volker Beissenhirtz, Schultze & Braun, Berlin, und Insolvenzverwalter Tilo Kolb, Schultze & Braun, Leipzig, im Gespräch über die Möglichkeiten, wie das Management einer Klinik oder eines Krankenhauses die finanzielle Krise abwenden kann.

Frage: Wann spricht man von einer Krise?

Beissenhirtz: Juristisch gesehen befindet sich ein Unternehmen in der Krise, wenn es nicht mehr zu marktüblichen Bedingungen Kredite erhält, also kreditunwürdig ist. Droht Zahlungsunfähigkeit oder besteht bereits eine Überschuldung des Unternehmens, dann liegen so genannte Insolvenzgründe vor. Die Geschäftsleitung ist dann in aller Regel verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Macht sie das nicht, kann sie sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen.

Frage: Gilt das genauso auch für Krankenhäuser und deren Management?

Beissenhirtz: Ja, es besteht insoweit kein Unterschied zu jedem anderen Unternehmen. Wird die Krise oder Insolvenz erkannt, so muss als erstes die Entscheidung darüber getroffen werden, ob ein Insolvenzverfahren beantragt werden muss oder ob noch Spielraum für eine außergerichtliche Lösung besteht.

Frage: Wie erkennt man frühzeitig, dass sich eine Krise anbahnt?

Beissenhirtz: Typischerweise durchläuft eine Unternehmenskrise drei Stadien, nämlich die Strategiekrise, die Ertragskrise und die Liquiditätskrise. Methoden der Krisenfrüherkennung sind ständige Beobachtung des Marktes und der Wettbewerber sowie der dauernde Kontakt mit den eigenen Mitarbeitern, die – je nach Arbeitsgebiet – einen viel besseren Einblick in mögliche Fehlentwicklungen haben. Spätestens im Bereich der Ertragskrise ist ein gut funktionierendes Insolvenz-Controlling für die Anzeige der Krisenindikatoren unverzichtbar.

Frage: Was genau hat man sich unter einem Insolvenz-Controlling vorzustellen?

Kolb: Neben den normalen Controllingaufgaben, wie das Erstellen und Auswerten von Daten, Schaffen der entsprechenden Steuerungsmöglichkeiten usw., sollten im Rahmen einer Prophylaxe mögliche Insolvenzgefahren rechtzeitig anhand bestimmter Faktoren aufgezeigt werden und damit zur Vermeidung des Entstehens eines Krisenszenarios helfen. Ferner soll das Controlling die Basis dafür bereiten, dass im Fall des Vorliegens der Insolvenzgründe Strategien für deren Beseitigung entwickelt und damit die Insolvenzgefahr wieder beseitigt werden kann. Es sollte daher ein fester Bestandteil des Risikofrüherkennungssystems in einer Klinik oder auch in einem Pflegeheim sein.

Frage: Was sind die ersten Schritte, wenn eine Krise festgestellt ist?

Beissenhirtz: Die Prüfung, ob für die nächsten Wochen noch genügend Liquidität vorhanden ist, sprich die Zahlungsfähigkeit gewährleistet werden kann. Ist dies der Fall, kann man sich der nächsten Frage zuwenden, nämlich der Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit. Oft wird der zweite vor dem ersten Schritt getan und den Beteiligten geht das Geld mitten im Sanierungsprozess aus: Ein handwerklicher Fehler mit gravierenden Folgen! Danach müssen die für das gewählte Sanierungsverfahren geeigneten und erforderlichen Maßnahmen unverzüglich getätigt werden. Möglichkeiten sind hier zum Beispiel ein außergerichtlicher Sanierungsvergleich, die Änderung der Gesellschafts- oder Betriebsstruktur, Sanierungsbeiträge Dritter, insbesondere von Banken, oder andere Kapitalmaßnahmen. Ist eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich, bleibt nur noch die Stellung eines Insolvenzantrages.

Frage: Ist der Insolvenzantrag immer gleichbedeutend mit dem Ende des jeweiligen Krankenhauses oder der Klinik?

Kolb: Nein, auf keinen Fall, das Insolvenzverfahren eröffnet gerade neue Möglichkeiten zur Restrukturierung und damit zum Erhalt des Hauses bzw. des Geschäftsbetriebes, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht möglich sind.

Frage: Welche Chancen hat ein Krankenhaus noch im Insolvenzverfahren und auf welche Veränderungen müssen sich etwa die stationären Patienten einstellen?

Kolb: Nach der Insolvenzantragstellung ergeben sich ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Voraussetzung für eine Fortführung des Hauses durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter ist zunächst die Feststellung, ob das Haus künftig kostendeckend geführt werden kann. Das erfolgt im Rahmen einer so genannten Planrechnung. Wird voraussichtlich keine Kostendeckung erreicht, kann der Klinikbetrieb zumindest auf Dauer so nicht fortgesetzt werden. Dann wird der Insolvenzverwalter nach möglichen Partnern oder Investoren suchen, die am Erwerb des Krankenhauses Interesse haben.

Soweit sich aus der Planrechnung des Insolvenzverwalters positive Prognosen für den wirtschaftlichen Bestand des Krankenhauses ergeben, kann auch über die Möglichkeit des Insolvenzplanverfahrens am Ziel des Fortbestandes des Krankenhauses und des wesentlichen Teils der Arbeitsplätze gearbeitet werden. Die Kunst besteht dann darin, alle Beteiligten – dazu zählen als Insolvenzgläubiger insbesondere die Lieferanten und im Falle von offenen Löhnen und Gehältern auch die Mitarbeiter des Krankenhauses, der Krankenhausträger, die Krankenkassen und natürlich auch die Patienten – davon zu überzeugen, dass ein Fortbestand des Krankenhauses mit seinem medizinischen Angebot tatsächlich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Der Charme des Insolvenzplanverfahrens liegt dabei im Fortbestand des Rechtsträgers, im Erhalt zumindest eines Teils der Arbeitsplätze und in einer erheblich kürzeren Dauer des Insolvenzverfahrens als im Falle eines Regelinsolvenzverfahrens. Bei einer guten Vorbereitung und Vorlage eines Planentwurfs zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung kann das Insolvenzplanverfahren bereits sechs Monate nach seiner Eröffnung erfolgreich beendet und ein entschuldetes und leistungsfähiges Krankenhaus hinterlassen werden.

Frage: Ein Blick in die Zukunft: Sehen Sie auch Chancen für die Krankenhäuser nach dem Ende der Konvergenzphase am 1. Januar 2009?

Kolb: Nach den bisherigen Erfahrungen in der Konvergenzphase haben Krankenhäuser auch unter den geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen ein erhebliches Entwicklungspotenzial. Dies gilt insbesondere im Bereich der verschiedenen medizinischen Leistungsangebote für die Patienten, des Images und insoweit auch des Marketings der Krankenhäuser. Wenn diese Chancen gesehen und ergriffen werden, bestehen gute Möglichkeiten, auch künftig am Markt zu bestehen und Krankenkassen wie Patienten von der eigenen Leistungsfähigkeit als Krankenhaus zu überzeugen. Viele Krankenhäuser haben sich bereits im Rahmen der Konvergenzphase auf die Veränderungen eingestellt und dürften deshalb auch gute Aussichten haben, künftig am Markt erfolgreich zu bestehen und kostendeckend arbeiten zu können.

In Gebieten, wo dafür keine Aussicht besteht, etwa weil eine Überversorgung mit medizinischen Leistungen besteht oder aufgrund einer Bevölkerungsabwanderung immer weniger potenzielle Patienten im Einzugsbereich des Krankenhauses leben, sollten die Möglichkeiten eines Insolvenz- bzw. eines Insolvenzplanverfahrens von der Klinikleitung erkannt und in die Strategie einbezogen werden.

Kontakt:

Rechtsanwältin und Pressesprecherin Ronja Sebode, Schultze & Braun, Niederlassung Achern, RSebode@schubra.de, Tel.: 07841/708-0

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