Skandal um Brustimplante: TÜV und Brenntag wehren sich mit Hogan Lovells und FGvW

15.11.2012

Der Skandal um die Silikon-Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Impact Prothèse (PIP) beschäftigt seit heute die deutsche Justiz. Eine betroffene Frau will bis zu 30.000 Euro Schmerzensgeld vor dem Landgericht Karlsruhe durchsetzen. Sie belangt unter anderem den TÜV Rheinland und PIP-Zulieferer Brenntag. (Az. 2 O 25/12)

Soweit bekannt beschäftigt sich erstmals ein deutsches Gericht mit dem PIP-Skandal, das zu den größten Produkthaftungsfällen der letzten Jahre gehört. Von dem Karlsruher Verfahren kann Signalwirkung auf zahlreiche andere Klagen ausgehen. Wie schnell die Richter zu ihrer Entscheidung kommen, hängt vom Umfang der Beweisaufnahme in dem individuellen Fall ab.

Die 40-jährige Iris Herold macht geltend, wegen der Implantate an anhaltenden Brustschmerzen, Taubheits- und Angstgefühlen sowie Schlafstörungen zu leiden. Außerdem fürchtet sie die Gesundheitsfolgen, die durch das Entfernen der Implantate entstehen könnten. Verklagt hat sie unter anderem ihren Arzt, der sie bei Auswahl der Implantate beraten und die Operation 2007 vorgenommen hat.

Zudem nimmt sie den Bund in Amtshaftung, weil er den Hersteller der Brustprothesen nicht sorgfältig genug kontrolliert haben soll. Ähnlich geht sie gegen den TÜV Rheinland vor, der die Zertifizierung der PIP-Produkte verantwortete und seine Kontrollpflichten verletzt haben soll. Weiterhin verklagt ist der Chemiedistributor Brenntag. Er hat das für die Implantate unzulässige Industriesilikon an PIP geliefert und laut Klageschrift nicht die Verwendung kontrolliert.

Außerdem ist die französische Allianz-Tochter verklagt, die zwischen 2005 und 2010 Haftpflichtversicherer von PIP war. Der Versicherer hatte in diesem Sommer bereits eine empfindliche Niederlage vor einem französischen Gericht einstecken müssen. Ein Handelsgericht wies die Allianz-Klage ab, mit der der Versicherungskonzern die Haftpflichtpolice mit PIP für ungültig erklären lassen wollte. Gegen den PIP-Firmengründer läuft derweil in Frankreich ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Tobias Lenz

Die Firma PIP verkaufte jahrzehntelang Brustimplantate mit Industriesilikon, das eigentlich auf Baustellen genutzt wird. In Deutschland setzten Ärzte mindestens 5.200 Frauen PIP-Silikon ein. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfahl eine Entfernung der Implantate. Nach Bekanntwerden des Skandals sah sich PIP auf ihrem Heimatmarkt einer massiven Klagewelle ausgesetzt und ging schließlich 2010 in die Insolvenz. Daher ist PIP in dem Karlsruher Verfahren und in anderen, bereits anhängigen Schmerzensgeldverfahren nicht verklagt.

Vertreter Iris Herold

Zierhut & Graf (München): Christian Zierhut, Michael Graf

Vertreter Arzt

Wende Erbsen (Stuttgart): Dr. Andreas Wende (Medizinrecht)

Vertreter Bund/ BfArM

Meyer-Köring (Bonn): Dr. Dirk Webel

Vertreter TÜV Rheinland

Hogan Lovells (München): Ina Brock; Associates: Dr. Matthias Schweiger, Benjamin Schulte (alle Produkthaftungsrecht)

Vertreter Brenntag

Friedrich Graf von Westphalen (Köln): Prof. Dr. Tobias Lenz; Associate: Mike Weitzel (beide Produkthaftpflicht)

Vertreter Allianz IARD

Grooterhorst & Partner (Düsseldorf): Ralf-Thomas Wittmann, Isabel Strecker (beide Versicherungs-/Haftungsrecht)

2. Zivilkammer, Landgericht Karlsruhe

Eberhard Lang (Vorsitzender Richter)

Hintergrund: Die Münchner Kanzlei Zierhut & Graf ist auf Seiten zahlreicher Geschädigter positioniert. Die Anwälte agieren auch unter dem Namen Patientenanwalt AG und haben eine Sammelklage für betroffene Frauen ohne Rechtsschutzversicherung initiiert.

Meyer-Köring hat an ihren beiden Standorten in Berlin und Bonn einen medizin- und krankenhausrechtlichen Beratungsschwerpunkt aufgebaut. Mit einem Team von Leinen & Derichs gewann die Praxis vor einigen Jahren erheblich an Schlagkraft (mehr…). Auch Junior-Partner und BfArM-Vertreterin Webel gehörte seinerzeit zu den Wechslern.

Obwohl TÜV und Brenntag beide nicht Produzenten der Brustimplantate sind, greifen sie auf hoch anerkannte Produkthaftungspraxen zurück. Sowohl Hogan Lovells als auch Friedrich Graf von Westphalen haben immense Erfahrung bei der Betreuung internationaler Großschadensfälle.

Hogan Lovells-Partnerin Brock leitet eines der größten deutschen Produkthaftungsteams, das Schwerpunkte in den Branchen Pharma und Life Science herausgebildet hat. So koordinierte die Anwältin bereits zu Lovells-Zeiten von München aus für die Merck-Tochter MSD Sharp & Dohme die Abwehr einer internationalen Klagewelle (mehr…). Dem Vernehmen nach gab es zum TÜV bereits zuvor eine Mandatsbeziehung. Für dieses Verfahren setzte sich Hogan Lovells dennoch erst in einem Pitch gegen Wettbewerber durch.

Brenntag-Vertreter Lenz leitet den Fachbereich Produkthaftung- und Versicherungsrecht bei Friedrich Graf von Westphalen. Seit der Abspaltung der Büros in Köln und Freiburg (mehr…) gewinnt die Praxis kanzleiintern deutlich an Bedeutung und ist in diverse Haftungs- und Versicherungskomplexe wie im Fall SachsenLB eingebunden (mehr…). (Marcus Jung)

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