SKW Schwarz erreicht für Stührk Aufhebung der Geldbuße vor dem EuG

18.07.2018

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat die von der EU-Kommission gegen den inzwischen insolventen Fisch- und Garnelenhändler Stührk verhängte Geldbuße in Höhe von 1,132 Mio. Euro aufgehoben (Urteil von 13. Juli 2018, Rs. T-58/14). Die von Stührk mit Unterstützung durch SKW Schwarz Rechtsanwälte erreichte Entscheidung könnte Folgen für die künftige Berechnung von Kartellbußen auch in anderen Fällen haben.

Im November 2013 verhängt die EU-Kommission gegen vier Unternehmen eine Gesamtgeldbuße von knapp 29 Mio. Euro. Nach den Feststellungen der Kommission hatten die Unternehmen auf dem Markt für Nordseegarnelen in Belgien, Deutschland, Frankreich und Niederlanden knapp neun Jahre lang Ein- und Verkaufspreise abgesprochen und sensible Geschäftsinformationen ausgetauscht. Stührk reichte im Januar 2014 Klage gegen den Beschluss der Kommission ein, musste aber nach einem erfolglosen ITP-Antrag („inability to pay“) im Mai 2016 Insolvenz anmelden.

In seiner Klage rügte Stührk unter anderem die Rechtmäßigkeit der Bußgeldleitlinien der EU-Kommission sowie Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bei Bemessung der Geldbuße. Nach der Berechnungsmethode der Kommission entfiel auf alle Kartellanten ein Bußgeld von weit über zehn Prozent des Jahresgesamtkonzernumsatzes, der die gesetzliche Obergrenze der Geldbuße darstellt. Die Geldbußen wären daher entsprechend gekappt und so gegen alle Beteiligten das höchstmögliche Bußgeld verhängt worden. Die Kommission setzte indessen bei der Berechnung des Bußgeldes die Schwere des Kartellverstoßes im mittleren Bereich an. Trotz des nur mittelschweren Verstoßes hätten somit alle Kartellanten das gesetzlich höchstmögliche Bußgeld erhalten.

Die EU-Kommission machte daher von Ziffer 37 der Bußgeldleitlinien Gebrauch. Hiernach kann sie von der allgemeinen Methode der Berechnung des Bußgeldes abweichen, wenn es „die besonderen Umstände eines Falles“ rechtfertigen. Nach Auffassung der Kommission lag der besondere Umstand des Falles darin, dass alle Kartellanten hauptsächlich auf einem Markt tätig (Mono-Produktunternehmen) und über einen relativ langen Zeitraum am Kartell beteiligt waren. Im Ergebnis senkte die EU-Kommission die Geldbußen um 70 bis 80 Prozent. Hierbei fiel die Stührk gewährte Reduktion am geringsten aus. Die Höhe der prozentualen Nachlässe für die einzelnen Unternehmen begründete die Kommission allgemein mit den vom Kartellverstoß betroffenen Produkten erzielten Anteilen am Gesamtumsatz der Kartellanten, der unterschiedlichen Beteiligung am Kartell und der Notwendigkeit einer abschreckenden Geldbuße.

Der EuG stellte in seinem Urteil zunächst erneut klar, dass die Bußgeldleitlinien, die es der EU-Kommission erlauben, Zwischenbeträge zu errechnen, die über der Zehn-Prozent-Grenze liegen, nicht gegen europäisches Recht verstoßen. Die gegenteilige BGH-Rechtsprechung („Grauzement“) zum deutschen Kartellrecht sei unbeachtlich. Bei der Anwendung von Ziffer 37 der Bußgeldleitlinien habe die Kommission aber den Grundsatz der Gleichbehandlung missachtet sowie gegen ihre gesetzliche Begründungspflicht verstoßen.

Das EuG wies bereits die Annahme der Kommission zurück, es hätte ein „besonderer Fall“ im Sinne der Leitlinien vorgelegen, der ein Abweichen von der üblichen Berechnungsmethode rechtfertige. Weiter blieben Zweifel, wie die von der Kommission herangezogenen Kriterien zu verstehen seien, weshalb sich das Gericht nicht in der Lage sah, abschließend zu beurteilen, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt wurde.

Ferner stelle die Begründung eines Rechtsaktes ein wesentliches Formerfordernis dar. Gegenüber dem Betroffenen müsse die Kommission klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, auf welchen Überlegungen der Rechtsakt beruht. Dies gelte umso mehr, wenn sie von der Berechnungsmethodik der Leitlinien, mit denen sie ihr Ermessen selbst gebunden hat, abweicht.

„Das Urteil könnte nicht unerhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Bußgeldpraxis der EU-Kommission und die Anwendung der Leitlinien haben“, erklärt Dr. Jürgen Sparr, Partner bei SKW Schwarz in Hamburg, der das Urteil gemeinsam mit Dr. Philipp Asbach für Stührk erstritten hat. „Durch die strengen Vorgaben des EuG hinsichtlich der Begründungspflicht der EU-Kommission bei Anpassung des Bußgeldes nach Ziffer 37 der Leitlinien ist zu erwarten, dass die EU-Kommission von diesem Instrument in Zukunft noch seltener Gebrauch machen wird. Daher drohen auch in Zukunft für nur mittelschwere Verstöße in bestimmten Konstellationen regelmäßig Bußgelder in Höhe der Zehn-Prozent-Grenze.“

Vertreter EU-Kommission

Inhouse: Henning Leupold, Felix Ronkes Agerbeek und Piet Van Nuffel (alle juristischer Dienst)

Vertreter Stührk

SKW Schwarz (Hamburg): Dr. Jürgen Sparr und Dr. Philipp Asbach

Gericht der Europäischen Union Luxemburg, Vierte Kammer

H. Kanninen (Präsident); L. Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín und I. Reine

Ergänzender Hinweis: SKW Schwarz betreute Stührk bis zur Anmeldung der Insolvenz umfassend. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte die Kanzlei das Verfahren für den Insolvenzverwalter weiter. Die Marke „Stührk“ wurde im April 2016 verkauft.

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