Zinswende wird Insolvenzen treiben und Asset Deals einschränken

27.02.2023

27. Februar 2022. München. Die Unternehmensinsolvenzen haben im vierten Quartal 2022 zum zweiten Mal in Folge zugenommen. Mit 39 Großinsolvenzen zeichnet sich zudem eine Trendwende bei den Antragszahlen ab, so der Insolvenzreport der Unternehmensberatung Falkensteg. Gegenüber dem dritten Quartal erhöhten sich die Fallzahlen um vier – ein leichtes Plus von 11,4 Prozent, nachdem sie bereits im dritten Quartal 2022 um fast 74 Prozent von 19 auf 35 geklettert war. Dagegen fielen die Verfahrensausgänge im vierten Quartal 2022 auf 15, dem niedrigsten Dreimonatsstand seit fünf Jahren. Die Auswirkungen der Polykrisen und vor allem die verteuerten Finanzierungen wirken als Bremsklotz für eine erfolgreiche Umsetzung einer Sanierung oder eines Verkaufs innerhalb eines Insolvenzverfahrens. Als Großinsolvenzen zählt der Insolvenzreport Verfahren von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Mio. Euro.

„Nach der längeren Talfahrt ist zum Jahresende eine leichte Erhöhung zu sehen. Dennoch bewegen sich die Zahlen auf dem niedrigen Niveau von 2019. In 2023 werden die Insolvenzen weiter ansteigen – auch geprägt von der Zinswende und den damit einhergehenden steigenden Finanzierungskosten“, erklärt Studienautor und Falkensteg Partner Jonas Eckhardt.

Deutliche Zunahme in der höchsten Umsatzklasse

Eine deutliche Zunahme gab es im vierten Quartal bei den Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 100 Mio. Euro. 22 Anträge registrierten die Amtsgerichte im gesamten Jahr in der höchsten Umsatzklasse – neun Anträge davon entfielen auf den Zeitraum zwischen Oktober und Dezember. Darunter befanden sich der Handelskonzern Galeria Kaufhof Karstadt und der Automobilzulieferer Borgers, die auch die Jahresstatistik anführen.

In der Branchenauswertung bleiben die Autozulieferer mit zehn Verfahren weiterhin an der Spitze. Bereits im Vorquartal waren es sechs. In der Rangliste folgen die Einzelhändler (8), Elektrotechniker (6) sowie die Hersteller von Maschinen (5), Nahrungsmitteln (5) und Metallwaren (5). Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Unternehmen nutzten die Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument. Dieser Trend hält seit Mitte des Jahres an. Im Vorquartal lag die Quote sogar bei 63 Prozent.

Zurückhaltung bei Investoren

Die Verfahrensausgänge gingen dagegen im vierten Quartal 2022 weiter auf Talfahrt. Lediglich 15 Insolvenzen konnten einer Lösung zugeführt werden. Im Vorquartal waren es zu diesem Zeitpunkt bereits nur 19. Die Jahresstatistik zeigt ein noch deutlicheres Bild: Erst 28 Unternehmen (22 Prozent), die 2022 einen Insolvenzantrag stellten, wurden bisher erfolgreich fortgeführt. Im Vergleich zu den Winterzahlen der Vorjahre ein Minus von fast elf Prozent.

„Der Zinsanstieg verteuert die Finanzierung von Unternehmenskäufen erheblich. Für Risikokapitalgeber oder strategische Investoren rechnet sich ein Distressed M&A-Deal deshalb kaum mehr. Wir beobachten zudem, dass viele Käufer sehr früh aus den Verhandlungen aussteigen, weil die Umsatzprognosen immer wieder nach unten korrigiert werden mussten“, erklärt Eckhardt.

Die Widrigkeiten, denen die Unternehmen durch die Polykrisen ausgesetzt sind, lassen darüber hinaus die Akzeptanz der Gläubiger für einen Insolvenzplan immer mehr schwinden. Seit März 2022 wurde keine Planinsolvenz mehr umgesetzt, die nicht gleichzeitig einen Verkauf vorsah. Bei der Finanzierung von Sanierungen oder Asset Deals müssen die Insolvenzverwalter künftig verstärkt kreative Lösungen finden und harte Sanierungseinschnitte proaktiv umsetzen, ansonsten werden die gescheiterten Insolvenzverfahren deutlich zunehmen, so der M&A-Experte.

Lars Feld: Standort Deutschland wird unattraktiver

Daran dürften auch die verbesserten Konjunkturerwartungen nichts ändern, die sich um die Nulllinie einpendeln. Der im Sommer befürchtete massive Einbruch scheint vom Tisch zu sein, dennoch sieht Prof. Lars P. Feld, Direktor des Walter-Eucken-Instituts und Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Interview mit dem Insolvenzreport keine Entwarnung. Die Kerninflation steige weiter, während hohe Energiekosten, Überregulierung und eine fehlgeleitete Industriepolitik den Standort Deutschland unattraktiver machten. Die Investitionsbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert. Feld befürchtet, dass kaum noch private Investitionen getätigt werden, die das Land benötigt, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Über den Insolvenzreport „5 nach 12“

Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenzreport alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzzahlen auswerten, konzentriert sich der Insolvenzreport auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenzreport als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.

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