BAG: Ausspruch einer Kündigung nach Anzeige der Massenentlassung auch während der Sperrfrist des § 18 KSchG

24.03.2009

KSchG §§ 17, 18

Ausspruch einer Kündigung nach Anzeige der Massenentlassung auch während der Sperrfrist des § 18 KSchG

BAG, Urt. v. 6. 11. 2008 – 2 AZR 935/07

Leitsatz des Gerichts:

Die Entlassungssperre nach § 18 Abs. 1 KSchG hindert weder den Ausspruch einer Kündigung nach Anzeige der Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit während des Laufs der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG noch verlängert die Sperrfrist die gesetzlichen Kündigungsfristen.

Tatbestand:

[1]

 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

[2]

 Die Beklagte betreibt ein Fuhrunternehmen, das Transporte im nationalen und internationalen Fernverkehr durchführt. Gesellschafter der Beklagten sind K.S. sowie die Erbengemeinschaft nach F.S. Die ihr übertragenen Fahraufträge erledigte die Beklagte mit 17 von der Firma F.S. GmbH & Co. angemieteten Lastkraftwagen und Sattelzugmaschinen. Die Fahraufträge wurden der Beklagten ausschließlich von der Firma F.S.S.L. GmbH in L., deren Gesellschafter mit denen der Beklagten personenidentisch sind, über eine Datenfernleitung elektronisch in das Büro in D. erteilt.

[3]

 Der am 19. Januar 1949 geborene, geschiedene Kläger war bei der Beklagten seit dem 27. April 1992 als Kraftfahrer zu einem Bruttomonatsgehalt von durchschnittlich 1.800 € beschäftigt. Neben dem Kläger beschäftigte die Beklagte zuletzt noch 23 Kraftfahrer sowie drei Mitarbeiter im kaufmännischen Bereich.

[4]

 Am 25. April 2006 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten die Stilllegung des Betriebs zum 30. September 2006 und beauftragten den Geschäftsführer der Beklagten D.S., die dazu erforderlichen Maßnahmen durchzuführen und allen Mitarbeitern fristgerecht zu kündigen.

[5]

 Die Beklagte vereinbarte mit der Eigentümerin der Fahrzeuge die schrittweise Rückgabe der angemieteten Kraftfahrzeuge. Am 26. April 2006 informierte der Geschäftsführer der Beklagten ihren Auftraggeber von dem nunmehr eingeschränkten Fuhrangebot und teilte ihm weiter mit, spätestens zum 30. September 2006 werde der Betrieb eingestellt. Von den 17 Fahrzeugen gab die Beklagte bis zum 20. Juli 2006 acht Fahrzeuge zurück. Die Rückgabe der weiteren neun Fahrzeuge erfolgte am 18. und 19. August 2006.

[6]

 Am 26. April 2006 zeigte die Beklagte bei der Arbeitsagentur Dessau die beabsichtigte Massenentlassung von insgesamt 27 Mitarbeitern an. Mit Bescheid vom 24. Mai 2006 teilte die Agentur für Arbeit der Beklagten mit, die gem. § 18 Abs. 1 KSchG festgesetzte Monatsfrist beginne am 27. April 2006 und ende am 26. Mai 2006. Mit Schreiben vom 27. April 2006 kündigte die Beklagte die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter – mit Ausnahme zweier Schwerbehinderter – unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist. Der Kläger erhielt am 27. April 2006 sein Kündigungsschreiben zum 30. September 2006.

[7]

 Mit Schreiben vom 17. August 2006 stellte die Beklagte alle Kraftfahrer unwiderruflich von der Arbeitsleistung ab dem 21. August 2006 frei. Danach fanden lediglich noch Abwicklungsarbeiten statt. Zum 1. September 2006 meldete die Beklagte ihr Gewerbe ab. Spätestens seit diesem Zeitpunkt beschäftigt sie keine Mitarbeiter mehr.

[8]

 Der am 29. November 2007 gestellte Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist vom AG Dessau-Roßlau mangels Masse abgelehnt worden.

[9]

 Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt.

[12]

 Das ArbG hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision hat es für den Kläger beschränkt auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 18 KSchG) zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren insgesamt weiter.

Entscheidungsgründe:

[13]

 Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.

[14]

 A. (Ausführungen des LAG.)

[16]

 B. Die Revision des Klägers ist nur zum Teil zulässig.

[17]

 Die Revision ist nur beschränkt auf die Feststellung des Zeitpunkts des Wirksamwerdens der Kündigung vom 27. April 2006 vom LAG zugelassen worden und auch nur insoweit zu-ZIP 2009, Seite 488lässig. Die weitergehende Revision des Klägers ist gem. § 72 Abs. 1 ArbGG nicht statthaft. Sie wurde weder im Urteil des LAG noch in einem Beschluss des BAG gem. § 72a Abs. 5 ArbGG zugelassen.

[18]

 I. Die Beschränkung eines Rechtsmittels muss sich aus Gründen der Rechtsmittelklarheit eindeutig aus dem angefochtenen Urteil ergeben (BAG v. 19.3.1959 – 2 AZR 402/55, BAGE 7, 290, 294; BAG v. 28.5.1998 – 2 AZR 480/97, BAGE 89, 43, dazu EWiR 1998, 823 (Walker)). Aufgrund des Tenors der Entscheidung und der Ausführungen des Berufungsgerichts in den Entscheidungsgründen ist dies ohne Weiteres der Fall.

[19]

 II. Das LAG hat die Revision im Urteilstenor für den Kläger beschränkt zugelassen, „soweit der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung gem. § 18 KSchG in Streit steht“. Damit ist entgegen der Ansicht des Klägers die Nachprüfung der angefochtenen landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung wirksam auf diese Streitfrage beschränkt worden. (Wird ausgeführt.)

[23]

 C. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie jedoch unbegründet. Das LAG hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27. April 2006 fristgemäß zum 30. September 2006 und nicht erst einen Monat später beendet worden ist. Die Entlassungssperre nach § 18 Abs. 1 KSchG hindert nämlich weder den Ausspruch einer Kündigung nach Anzeige der Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit noch verlängert die Sperrfrist die gesetzlichen Kündigungsfristen.

[24]

 1. Nach § 18 Abs. 1 KSchG werden Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige nur mit Zustimmung der Agentur für Arbeit wirksam. Bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist kann eine vom Arbeitgeber erklärte Kündigung keine Wirkung entfalten. Die Kündigung nach Anzeigenerstattung bleibt aber als Rechtsgeschäft grundsätzlich wirksam; sie beendet das Arbeitsverhältnis, sofern dieses Ende vor dem Ende der Sperrfrist liegen sollte, nur nicht zu dem in der Kündigungserklärung genannten Zeitpunkt (vgl. BAG v. 13.4.2000 – 2 AZR 215/99, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9; BAG v. 18.9.2003 – 2 AZR 79/02, BAGE 107, 318 = ZIP 2004, 677, dazu EWiR 2004, 873 (Ingenfeld); Kiel, in: Erfurter Komm. z. ArbR, 8. Aufl., § 18 KSchG Rz. 11; APS/Moll, 3. Aufl., § 18 KSchG Rz. 33; KR/Weigand, 8. Aufl., § 18 KSchG Rz. 2b und 29; BBDK/Dörner, KSchG, Stand: Mai 2007, § 18 Rz. 20; AnwK-ArbR/Dreher/Schmitz-Scholemann, § 18 KSchG Rz. 8).

[25]

 2. Nach der gesetzlichen Formulierung des § 18 Abs. 1 KSchG kann eine Kündigung schon unmittelbar nach Erstattung (Eingang) der Anzeige bei der Agentur für Arbeit ausgesprochen werden. Die Gesetzesfassung verbietet den Ausspruch der Kündigung vor dem Ablauf der Sperrfrist nicht, auch wenn man unter „Entlassung“ im Sinne der Norm die Kündigung versteht (vgl. BAG v. 23.3.2006 – 2 AZR 343/05, BAGE 117, 281 = ZIP 2006, 1644; siehe auch BAG v. 1.2.2007 – 2 AZR 15/06; BAG v. 21.9.2006 – 2 AZR 284/06; BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 219/06 zum Begriff der Entlassung, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 24 sowie auch EuGH v. 27.1.2005 – Rs C-188/03, EuGHE I 2005, 885 = ZIP 2005, 230 – Junk, dazu EWiR 2005, 213 (Grimm/Brock); vgl. weiter v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl., § 18 Rz. 18; Stahlhacke/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 1589; KFA-ArbR/Leschnig, § 18 KSchG Rz. 4; Lembke/Oberwinter, NJW 2007, 721, 726; LAG Berlin-Brandenburg v. 23.2.2007 – 6 Sa 2152/06, BB 2007, 2296). Aus dem Gesetzeswortlaut lässt sich lediglich entnehmen, dass die Entlassung – auch bei ordnungsgemäßer Anzeige – grundsätzlich nicht ohne Einhaltung einer Mindestfrist von einem Monat vollzogen werden kann. Geregelt wird insoweit der Vollzug der Entlassung. Das Wirksamwerden i.S.v. § 18 KSchG bezieht sich damit auf den Eintritt der Rechtsfolgen der Kündigung. Diese treten mit Ablauf der Kündigungsfrist ein. Der Gesetzeswortlaut umschreibt nur einen „Mindestzeitraum“, der zwischen der Anzeigenerstattung und der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegen muss.

[26]

 3. Entgegen der Auffassung des Klägers steht dem auch nicht die RL 98/59/EG vom 20. Juli 1998 (Massenentlassungsrichtlinie – MERL) entgegen. Nach Art. 3 Abs. 1 MERL hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen. Nach Art. 4 MERL (Entlassungssperre) gelten die der zuständigen Behörde angezeigten beabsichtigten Massenentlassungen frühestens dreißig Tage nach Eingang der in Art. 3 Abs. 1 MERL genannten Anzeige als wirksam; die im Fall der Einzelkündigung für die Kündigungsfrist geltenden Bestimmungen bleiben unberührt. Die Mitgliedstaaten können der zuständigen Behörde jedoch die Möglichkeit einräumen, die Frist des Unterabs. 1 zu verkürzen. Nach Art. 4 Abs. 2 MERL muss die Frist des Abs. 1 von der zuständigen Behörde dazu genutzt werden, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen. Dementsprechend hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 27. Januar 2005 (EuGHE I 2005, 885 = ZIP 2005, 230 – Junk) zur Frage des vorlegenden Gerichts, ob der Arbeitgeber Massenentlassungen vornehmen darf, bevor das Anzeigeverfahren nach Art. 3 und 4 MERL beendet ist, ausgeführt: „Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie besteht der Zweck der Anzeige darin, es der zuständigen Behörde zu ermöglichen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen. Weiter muss die zuständige Behörde nach dieser Bestimmung die Frist des Art. 4 Abs. 1 für die Suche nach solchen Lösungen nutzen. ... Nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie werden die Massenentlassungen, d.h. die Kündigungen der Arbeitsverträge, erst mit dem Ablauf der geltenden Frist wirksam“ (Rz. 47 bis 50). Nach der Rechtsprechung des EuGH entspricht diese Frist „folglich dem Mindestzeitraum, der der zuständigen Behörde für die Suche nach Lösungen zur Verfügung stehen muss (Rz. 51). Da nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie die im Fall der Einzelkündigung für die Kündigungsfrist geltenden Bestimmungen ausdrücklich unberührt bleiben, muss sich diese Bestimmung zwangsläufig auf den Fall bereits ausgesprochener Kündigungen beziehen, die eine solche Frist in Gang setzen“ (vgl. Rz. 52 der genannten Entscheidung). Aus der Entscheidung des EuGH folgt somit, dass die Art. 3 und 4 MERL einer Kündigung von Arbeitsverhältnissen während des durch sie geregel-ZIP 2009, Seite 489ten Verfahrens nicht entgegenstehen, sofern diese Kündigung nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung bei der zuständigen Behörde erfolgt. D.h., eine Kündigung kann nach Anzeigenerstattung erfolgen, die betroffenen Arbeitnehmer dürfen nur nicht vor Ablauf der Monatsfrist des § 18 Abs. 1 KSchG – oder im Fall des § 18 Abs. 2 KSchG der längstens zweimonatigen Frist – aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Dementsprechend werden von der „Sperrfrist“ nur solche Kündigungen unmittelbar erfasst, deren Kündigungsfrist kürzer als die Sperrfrist sind (vgl. zum Ganzen v. Hoyningen-Huene/Linck, a.a.O., § 18 Rz. 18; MünchKomm-Hergenröder, BGB, 5. Aufl., § 18 KSchG Rz. 14; KR/Weigand, a.a.O., § 18 KSchG Rz. 5; Lembke/Oberwinter, NJW 2007, 721, 726; Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, 445, 447; Dornbusch/Wolff, BB 2007, 2297, 2998; Reinhard, RdA 2007, 207, 210; LAG Hamm v. 24.10.2007 – 2 Sa 922/07).

[27]

 4. Etabliert demnach § 18 Abs. 1 KSchG lediglich einen Mindestzeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so verlängert die gesetzliche Regelung die Kündigungsfrist nicht über diesen Mindestzeitraum hinaus oder verschiebt gar den Beginn der Kündigungsfrist (so im Ergebnis zutreffend: APS/Moll, a.a.O., § 18 KSchG Rz. 33).

[28]

 a) Die entgegenstehende Auffassung des Klägers lässt sich weder aus dem Wortlaut noch dem Zweck der in Rede stehenden Regelung ableiten. Den Rechtsauffassungen, die in § 18 KSchG eine „aufschiebende Rechtsbedingung“ sehen oder eine „schwebende Unwirksamkeit der Kündigung“ mit der Folge annehmen, dass die Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist in Gang gesetzt wird (vgl. bspw. Ferme/Lipinski, NZA 2006, 937, 939; Wolter, AuR 2005, 135, 138; LAG Berlin-Brandenburg BB 2007, 2296), folgt der Senat nicht. Sinn und Zweck der Regelung des § 18 Abs. 1 KSchG erfordern eine solche Verlängerung der individualrechtlichen Kündigungsfrist oder ein Hinausschieben des Kündigungsfristbeginns nicht. Die Sperrfrist des § 18 KSchG dient nämlich primär arbeitsmarktpolitischen Zwecken und soll der Arbeitsverwaltung die Möglichkeit verschaffen, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige Beschäftigung der Entlassenen zu sorgen (vgl. insbes. BAG ZIP 2006, 1644 = NJW 2006, 3161, 3164 m.w.N.; zusammenfassend: KR/Weigand, a.a.O., § 18 KSchG Rz. 3; zu dem Zweck der Regelungen der Massenentlassungsrichtlinie, vgl. Art. 4 Abs. 2 MERL, siehe auch EuGHE I 2005, 885 = ZIP 2005, 230, Rz. 47 – Junk). Hiervon ausgehend besteht kein Bedürfnis, die Monatsfrist des § 18 Abs. 1 KSchG der – individuellen – Kündigungsfrist des betroffenen Arbeitnehmers – sofern diese über einem Monat liegt – noch hinzuzuaddieren (so im Ergebnis auch APS/Moll, a.a.O., § 18 KSchG Rz. 33; Reinhard, RdA 2007, 207, 210). Der Agentur für Arbeit steht die insoweit gesetzlich geregelte Frist für die Erfüllung ihrer arbeitsmarktpolitischen Aufgaben ohne Weiteres und hinreichend zur Verfügung.

[29]

 b) Der vorstehenden Lösung widerspricht auch nicht die Regelung zur sog. Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG. Ob § 18 Abs. 4 KSchG nach der neuen Auffassung vom Begriff der „Entlassung“ überhaupt noch anwendbar und nicht teleologisch zu reduzieren ist, kann letztlich dahingestellt bleiben (vgl. bereits BAG ZIP 2006, 1644 = NJW 2006, 3161, 3164; vgl. auch KR/Weigand, a.a.O., § 18 KSchG Rz. 34; BBDK/Dörner, a.a.O., § 18 Rz. 19; Kiel, a.a.O., § 18 KSchG Rz. 14). Aus der Regelung lässt sich jedenfalls das gegenteilige Ergebnis nicht begründen. Nach § 18 Abs. 4 KSchG bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG einer erneuten Anzeige, wenn die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach den Abs. 1 und 2 zulässig sind, „durchgeführt“ werden. Das Gesetz spricht insoweit nicht von einem „Wirksamwerden“ oder gar von einem Ablauf der Kündigungsfrist, sondern nur von einer „Durchführung der Entlassung“. Damit ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein aktives Handeln, nämlich das „Umsetzen in die Tat“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl., „Durchführung“), bspw. die „Verwirklichung, die Ausführung oder die Bewerkstelligung“ (Duden, Das Synonymwörterbuch, 4. Aufl., „Durchführung“) gemeint. Die Regelung lässt sich deshalb auch dahin verstehen, dass der Arbeitgeber – nach Anzeige der möglichen Entlassung bei der Agentur für Arbeit – verpflichtet wird, die Kündigungen innerhalb der 90-Tage-Frist „in die Tat umzusetzen“, also zu erklären (so auch HaKo/Pfeiffer, 3. Aufl., § 18 KSchG Rz. 19; BBDK/Dörner, a.a.O., § 18 Rz. 19; Appel, DB 2005, 1002, 1004; Bauer/Krieger/Powietzka, BB 2006, 2023, 2026; anders: LAG Baden-Württemberg v. 25.3.2008 – 16 Sa 83/07 – „Durchführung“ meint die „rechtliche Beendigungswirkung“; HWK/Molkenbur, 3. Aufl., § 18 KSchG Rz. 13 m.w.N.). Auch insoweit behielte die gesetzliche Regelung noch einen hinreichenden, wenn auch beschränkten Anwendungsbereich. Sie würde sog. „Vorratsmeldungen“ verhindern helfen und der Agentur für Arbeit eine entsprechende Planbarkeit garantieren.

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