BAG: Betriebsrente ab vereinbarter fester Altersgrenze auch ohne vorab bindend festgelegtes Ende des Arbeitsverhältnisses

06.02.2009

BetrAVG §§ 1, 2, 7

Betriebsrente ab vereinbarter fester Altersgrenze auch ohne vorab bindend festgelegtes Ende des Arbeitsverhältnisses

BAG, Urt. v. 17. 9. 2008 – 3 AZR 865/06

Leitsatz des Gerichts:

Die feste Altersgrenze bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem nach der Versorgungszusage im Regelfall – und zwar unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 BetrAVG – mit einer Inanspruchnahme der Betriebsrente und dem altersbedingten Ausscheiden aus dem Berufs- und Erwerbsleben zu rechnen ist. Nicht erforderlich ist, dass das Ende des Arbeitsverhältnisses von vornherein bindend festgelegt wird.

Tatbestand:

[1]

 Die Parteien streiten darüber, ab wann der Beklagte (Pensions- Sicherungs-Verein – PSV) zur Zahlung der Betriebsrente des Klägers verpflichtet ist sowie damit einhergehend über deren Höhe.

[2]

 Der am 29. Dezember 1940 geborene Kläger war seit dem 3. Oktober 1967 bei verschiedenen Unternehmen der A.- und der B.-Gruppe beschäftigt. Bei seiner letzten Arbeitgeberin, der E. GmbH, ist er aufgrund Aufhebungsvertrags vom 26. Juni 2002 mit Ablauf des 30. September 2002 ausgeschieden. Seit dem 1. Oktober 2003 bezieht er eine gesetzliche Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit.

[3]

 Der Kläger hat von seinen Arbeitgeberinnen verschiedene Versorgungszusagen erhalten.

[4]

 Unter dem 30. Oktober 1989 war ihm durch die A. AG eine einzelvertragliche Pensionszusage erteilt worden. Diese sieht für den Bezug der Pension u.a. Folgendes vor:

„1. Wenn Sie nach mindestens 10-jähriger Dienstzeit in unserem Unternehmen oder dessen Rechtsvorgängerin ausscheiden,

a) nachdem Sie die feste Altersgrenze von 65 Jahren oder die vorgezogene Altersgrenze von 60 Jahren erreicht haben oder...“

[5]

 In der Folgezeit übernahm die B. GmbH die Magnetbandaktivitäten der A. AG und trat in die Verpflichtungen aus den Direktzusagen dieser Gesellschaft ein. Wegen der Unterschiede in den Versorgungsordnungen erhielt der Kläger unter dem 18. Februar 1991 von der B. GmbH im Rahmen der „Ausgleichsregelung zur betrieblichen Altersversorgung“ eine weitere Zusage. In dem Schreiben der B. GmbH an den Kläger heißt es: „... Vergleicht man die betriebliche Altersversorgung der A. AG und der B. GmbH miteinander, finden sich viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige Unterschiede: ... Wir freuen uns, Ihnen zum teilweisen Ausgleich dieses Unterschieds einen Besitzstandsbetrag von 355 DM/Monat zusagen zu können, der bei Pensionierung im Alter 60 zusammen mit der aufrechterhaltenen Anwartschaft aus Dienstzeiten bis zum 31.12.1990 bei der A. AG und den Leistungen nach der B.-Versorgungsordnung für Dienstzeiten ab dem 1.1.1991 fällig wird. Im vorzeitigen Versorgungsfall wird diese zusätzliche Leistung im Verhältnis von ab 1.1.1991 bis zum Eintritt des Versorgungsfalls zurückgelegten B.-Dienstzeiten und der ab 1.1.1991 bis Alter 60 maximal möglichen Dienstzeit bei B. gewährt. ...“

[6]

 Zusätzlich dazu erhielt er im Juni 1993 die Zusage auf Gewährung einer sog. Vertragspension. In dieser Zusage der B. GmbH heißt es u.a.: „... wir freuen uns, Ihnen eine Vertragspension nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zusagen zu können, die Sie zusätzlich zu den Rentenbezügen nach der B.-Versorgungsordnung erhalten, soweit Sie die nachstehenden Bedingungen erfüllen: ...

4. Alterspension

Die Vertragspension wird gezahlt, wenn Sie nach Vollendung des 60. Lebensjahrs aus der B. GmbH ausscheiden.“

[7]

 Durch die B. GmbH war ihm zudem eine Pensionskassenrente und eine Zusatzversorgung II zugesagt worden. In einem mit „Allgemeine Leistungsvoraussetzungen“ überschriebenen allgemeinen Teil definiert die B.-Versorgungsordnung die Voraussetzungen für die Gewährung der in der Ordnung geregelten Versorgungsbezüge, also der Pensionskassenrente, der rechnerischen Pensionskassenrente und der sog. Zusatzversorgung II. Hier heißt es unter Ziff. 4: „Die Rentenhöhe bei Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrente richtet sich nach den Bestimmungen des BetrAVG vom 19.12.1974. Als Altersgrenze gilt die Vollendung des 65. Lebensjahrs.“

[8]

 In dem Pensionsabkommen mit seiner letzten Arbeitgeberin, der E. GmbH, vom 14./20. März 1997 (im Folgenden: PA 97) ist Folgendes geregelt:

„1. Ergänzend zu Ihren betrieblichen Versorgungszusagen aus Ihrer A.-Dienstzeit bis zum 31.12.1990 sowie Ihren B.- und E.-Dienstzeiten ab dem 1.1.1991 erhalten Sie die Vertragspension nach Maßgabe der nachfolgenden Bedingungen:

2. a) Mit Vollendung des 60. Lebensjahrs und 35 anrechenbaren pensionsfähigen Dienstjahren erhalten Sie im Fall Ihrer Pensionierung eine Vertragspension i.H. v. 50 % der unter Ziffer 2 b) beschriebenen Bemessungsgrundlage. Die Pensionsanwartschaft vermindert sich für jedes an 35 Dienstjahren fehlende Jahr um 1,5 %. Pensionsfähig sind die von der E. GmbH anerkannten Dienstzeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahrs. Als Beginn der pensionsfähigen Dienstzeit für die Vertragspension gilt der 3.10.1967. ...

3. Die Auszahlung der vertraglichen Firmenpension erfolgt zusammen mit der Zahlung aus der E.-Versorgungsordnung sowie den A.-Besitzständen. ...

Die Vertragspension ersetzt Ihre bisherige Vertragspension (VPF) i.H. v. 1.500 DM/a.“

[9]

 Unter dem 26./27. Juni 2002 schlossen der Kläger und die E. GmbH eine Aufhebungsvereinbarung, in der es u.a. heißt: „Wir beziehen uns auf die mit Ihnen geführten Gespräche und unser Schreiben vom 10.9.2001 und bestätigen Ihnen, dass wir übereingekommen sind, Ihren Anstellungsvertrag auf unsere Veranlassung vorzeitig zum 30.9.2002 auslaufen zu lassen, wobei Sie ab 1.10.2001 von Ihren Dienstpflichten freigestellt sind. Ab 1.10.2002 erhalten Sie betriebliche Pensionsbezüge, die sich nach unseren vorläufigen Berechnungen wie folgt zusammensetzen:

1. Rechnerische Pensionskassenrente incl. 5 % Ehegattenzulage 2.900,56 €

2. Zusatzversorgung II 5.035,71 €

3. A.-Versorgungsordnung 6.590,55 €

4. Differenzausgleich A.-VO zu B.-VO 2.178,10 €

5. Vertragspension E. GmbH 7.439,30 €

Betriebspension brutto 24.144,22 p.a. €

Ihre BfA-Rente i.H. v. brutto 18.327,77 € sowie Ihre B.-Pensionskassenrente incl. 5 %iger Ehegattenzulage i.H. v. brutto 4.128,17 € erhalten Sie ab 1.1.2004. ... Die Angestelltenversicherungsrente ist von Ihnen zum frühestmöglichen Termin zu beantragen. ... Beigefügt erhalten Sie einen Vordruck zur Beantragung Ihrer betrieblichen Renten bei der E. GmbH zum 1.10.2002. ...“

[10]

 Mit Schreiben vom 11. Oktober 2002 teilte die B. GmbH namens und in Vollmacht der E. GmbH dem Kläger mit, dass dieser ab dem 1. Oktober 2002 monatliche Pensionsbezüge i.H. v. ZIP 2009, Seite 2382.056,78 € erhalte, und bat ihn um Übermittlung einer Kopie des Rentenbescheids der BfA, sobald dieser ihm vorliegen sollte. Tatsächlich zahlte die E. GmbH an den Kläger bis einschließlich Dezember 2002 den monatlichen Betrag i.H. v. 2.056,78 €. Danach stellte sie die Zahlungen ein.

[11]

 Am 1. April 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. GmbH eröffnet. Der Beklagte, der die Zahlungen für die Zeit ab Januar 2003 zunächst vorläufig in der bisherigen Höhe fortgeführt hatte, teilte dem Kläger mit Schreiben vom 19. März 2004 mit, für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 30. September 2003 habe keine Leistungspflicht seinerseits bestanden. Die Beträge seien demnach ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2003 werde die Verpflichtung zur Zahlung einer Betriebsrente anerkannt. Unter dem 4. August 2004 bezifferte der Beklagte den monatlichen Versorgungsanspruch des Klägers für die Zeit ab dem 1. Oktober 2003 schließlich auf 1.882,27 €. Der Kläger sei vor dem Versorgungsfall ausgeschieden, weshalb sein Anspruch ratierlich zu kürzen sei.

[12]

 Der Beklagte hat mit den aus seiner Sicht in der Zeit von Januar 2003 bis September 2003 ohne Rechtsgrund erbrachten Zahlungen i.H. v. 9 x 2.056,78 € = 18.511,02 € gegenüber der seiner Auffassung nach bestehenden Forderung des Klägers i.H. v. monatlich 1.882,27 € für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis Juli 2004 die Aufrechnung erklärt, so dass es im Juli 2004 lediglich zur Auszahlung eines Differenzbetrags i.H. v. 311,68 € gekommen ist. Seit dem 1. August 2004 erbringt der Beklagte an den Kläger monatliche Zahlungen i.H. v. 1.882,27 €.

[13]

 Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung der in der Zeit von Oktober 2003 bis Juni 2004 einbehaltenen 18.511,02 €, weiterer 1.745,10 € für den Monat Juli 2004 sowie für die Zeit von August 2004 bis Januar 2005 auf Zahlung der monatlichen Differenz zwischen der ihm seiner Auffassung nach zustehenden Versorgung i.H. v. 2.056,78 € und der ihm von dem Beklagten gezahlten Versorgung i.H. v. 1.882,27 €, mithin monatlich 174,51 € in Anspruch genommen.

[16]

 ArbG und LAG haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein bisheriges Begehren nach Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

[17]

 Die Revision des beklagten Pensions-Sicherungs-Vereins (PSV) hat keinen Erfolg. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der eingeklagten Beträge nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Er war zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Versorgungsempfänger.

[18]

 I. Das LAG hat seine die Berufung des PSV zurückweisende Entscheidung darauf gestützt, die E. GmbH habe dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung versprochen. Die Leistungen dienten nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrem Zweck der Altersversorgung. Sie würden auch durch ein biologisches Ereignis, nämlich das Erreichen des Mindestalters von 60 Jahren, ausgelöst. Zudem habe der Kläger die weitere Voraussetzung, die „Pensionierung“ erfüllt, denn er sei aus dem Arbeitsverhältnis mit der E. GmbH ausgeschieden. Die Parteien hätten in dem Pensionsabkommen vom 14./20. März 1997 (PA 97) das 60. Lebensjahr als vorgezogene feste Altersgrenze vereinbart.

[19]

 Das LAG hat zwar bei seiner Auslegung des in dem PA 97 enthaltenen Begriffs der Pensionierung den allgemeinen Sprachgebrauch nicht berücksichtigt; auch ist es nicht darauf eingegangen, ob das PA 97 auch die von früheren Arbeitgebern gemachten Pensionszusagen umfasst. Gleichwohl erweist sich die Auslegung des PA 97 durch das LAG auch bei voller Überprüfung im Ergebnis als zutreffend. Es kann daher dahinstehen, ob es sich bei dem PA 97 um einen typisierten Vertrag handelt, oder ob ein nicht typisierter Vertrag vorliegt, dessen Auslegung vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (BAG v. 18.2.1992 – 9 AZR 611/90, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 115 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 98, zu II 2 c der Gründe).

[20]

 II. Der Kläger hat aufgrund des PA 97 mit seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der E. GmbH ab dem 1. Oktober 2002 gegen diese einen Anspruch auf die monatliche Betriebsrente erworben. Der Versorgungsfall war eingetreten. Im PA 97 haben die Parteien als feste Altersgrenze die Vollendung des 60. Lebensjahrs vereinbart. Die Vereinbarung bezieht sich auf alle Bestandteile der Altersversorgung des Klägers. Bei den vorgesehenen Leistungen handelt es sich nicht um eine Übergangsversorgung.

[21]

 1. Die Vereinbarung der festen Altersgrenze im PA 97 bezieht sich nicht nur auf die darin erstmals zugesagten Leistungen, sondern auch auf die anderen Bestandteile der Altersversorgung, nämlich die rechnerische Pensionskassenrente, die Zusatzversorgung II sowie die Ansprüche aus der einzelvertraglichen Pensionszusage der A. AG vom 30. Oktober 1989 und aus den Zusagen der B. GmbH vom 18. Februar 1991 und Juni 1993.

[22]

 Die B.-Versorgungsordnung und die Pensionszusage der A. AG vom 30. Oktober 1989 sahen als „Altersgrenze“ bzw. „feste Altersgrenze“ das 65. Lebensjahr vor. In der Pensionszusage der B. GmbH vom 18. Februar 1991 heißt es, dass der „Besitzstandsbetrag von 355 DM/Monat ... bei Pensionierung im Alter 60 zusammen mit der aufrechterhaltenen Anwartschaft aus Dienstzeiten bis zum 31.12.1990 bei der A. AG und den Leistungen nach der B.-Versorgungsordnung für Dienstzeiten ab dem 1.1.1991 fällig wird“. Auch die Zusage der B. GmbH vom Juni 1993 nennt die Vollendung des 60. Lebensjahrs als Voraussetzung für die Zahlung der Pension. Aus dem Eingangssatz und Nr. 3 des PA 97 ergibt sich, dass die dort vorgesehene Altersgrenze für alle Bestandteile gelten sollte. Alleinige Schuldnerin der Altersversorgung des Klägers war die E. GmbH. Auch aus diesem Grund scheidet die Annahme aus, dass für die unterschiedlichen Bestandteile der Altersversorgung unterschiedliche Altersgrenzen gelten.

[23]

 2. Der Kläger kann Insolvenzsicherung nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 BetrAVG verlangen. Er hat vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte eines Versorgungsempfängers erlangt und von der späteren Insolvenzschuldnerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erhalten.

[24]

 a) Arbeitnehmer, die von der Insolvenz ihres Arbeitgebers oder einem vergleichbaren Sicherungsfall i.S. d. § 7 Abs. 1 BetrAVG betroffen sind, genießen einen unterschiedlich ausgestalteten Versicherungsschutz. Versorgungsempfänger i.S. v. § 7 Abs. 1 BetrAVG haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Arbeitnehmer, die bei Eintritt des Sicherungsfalls – hier Eröffnung des Insolvenzverfah-ZIP 2009, Seite 239rens – noch keinen Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, sondern nur eine nach § 1b BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, erhalten später bei Eintritt des Versorgungsfalls vom PSV die zeitanteilig bis zum Eintritt des Sicherungsfalls erdiente Betriebsrente (§ 7 Abs. 2 Satz 1, 3 BetrAVG). Beide Anspruchsgrundlagen schließen einander aus. Ein Arbeitnehmer fällt entweder unter die Regelung des § 7 Abs. 1 BetrAVG oder er erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BetrAVG. Die Arbeitnehmer, die bei Eintritt des Sicherungsfalls nur im Besitz einer Anwartschaft sind, haben die schwächere Rechtsposition. Sie genießen auch einen entsprechend geringeren Insolvenzschutz. Sie haben die von ihnen erwarteten Voraussetzungen für den Erwerb der Ansprüche noch nicht erfüllt.

[25]

 Ein Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Altersrente erfüllt hat, ist Versorgungsempfänger i.S. d. § 7 Abs. 1 BetrAVG. Er hat die vom Arbeitgeber erwartete Arbeitsleistung und Betriebstreue für die zugesagte Betriebsrente bereits erbracht (vgl. auch BAG v. 26.1.1999 – 3 AZR 464/97, BAGE 91, 1 = ZIP 1999, 1018, zu I 2 der Gründe, dazu EWiR 1999, 769 (Reichold)).

[26]

 b) § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG bestimmt, was unter Altersgrenze bei der Berechnung des Zeitwertfaktors zu verstehen ist: Nach der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden alten Fassung wurde an die Vollendung des 65. Lebensjahrs oder das Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen früheren „festen Altersgrenze“ angeknüpft. Nach der ab dem 1. Januar 2008 geltenden neuen Fassung des § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ist an die Stelle des 65. Lebensjahrs die „Regelaltersgrenze“ getreten. Das Gesetz erlaubt, ein geringeres Lebensalter als „feste Altersgrenze“ vorzusehen (BAG v. 24.6.1986 – 3 AZR 645/84, BAGE 52, 226 = ZIP 1987, 393, zu III 1 b der Gründe, dazu EWiR 1987, 115 (Blomeyer)). Sie ist von der flexiblen Altersgrenze des § 6 Satz 1 BetrAVG zu unterscheiden.

[27]

 Die „feste Altersgrenze“ bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem nach der Versorgungszusage im Regelfall – und zwar unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 BetrAVG – mit einer Inanspruchnahme der Betriebsrente und einem altersbedingten Ausscheiden aus dem Berufs- und Erwerbsleben zu rechnen ist. Nicht erforderlich ist, dass das Ende des Arbeitsverhältnisses von vornherein bindend festgelegt wird (BAG v. 12.11.1985 – 3 AZR 606/83, BAGE 50, 130 = ZIP 1986, 999, zu I 1 der Gründe).

[28]

 Es ist unschädlich, wenn der Arbeitnehmer über diese Altersgrenze hinaus weiter arbeiten und sogar noch zusätzliche Steigerungsraten erdienen kann (BAGE 50, 130 = ZIP 1986, 999, zu I 1 der Gründe). Für den gesetzlichen Insolvenzschutz ist die in der Versorgungsordnung vorgesehene feste Altersgrenze allerdings nur verbindlich, soweit die vorgesehenen Leistungen als Altersversorgung i.S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG anzusehen sind. Das ist der Fall, wenn sie dazu dienen sollen, die Versorgung des Arbeitnehmers nach dessen Ausscheiden aus dem Berufs- und Erwerbsleben zu sichern oder zu verbessern (BAGE 52, 226 = ZIP 1987, 393, zu III 1 c der Gründe; BAG v. 8.5.1990 – 3 AZR 121/89, ZIP 1990, 1496 = AP BetrAVG § 7 Nr. 58 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 35, zu I 2 b der Gründe, dazu EWiR 1990, 1157 (Matthießen/Rühmann)). Gegen die Festlegung einer festen Altersgrenze von 60 Jahren bestehen regelmäßig keine Bedenken (BAGE 52, 226 = ZIP 1987, 393, zu III der Gründe).

[29]

 Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob es sich um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung handelt, ist die Versorgungszusage und nicht die spätere tatsächliche Entwicklung. Es kommt also nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer, wenn er denn gesetzlich versichert ist, zum vorgesehenen Zeitpunkt die gesetzliche Altersrente in Anspruch nimmt oder Arbeitslosengeld beantragt oder aber weiter arbeitet (BAGE 50, 130 = ZIP 1986, 999, zu I 1 der Gründe). Nur für den hier nicht vorliegenden Fall der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente nach § 6 BetrAVG ist der Bezug der gesetzlichen Altersrente Voraussetzung.

[30]

 Die in der Versorgungszusage enthaltene feste Altersgrenze kann auch nicht durch aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffene Vereinbarungen geändert werden. So ist anerkannt, dass die feste Altersgrenze durch einen Aufhebungsvertrag nicht mehr herabgesetzt werden kann (BAG v. 14.12.1999 – 3 AZR 684/98, ZIP 2000, 2220 = AP BetrAVG § 7 Nr. 97 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 63, zu II 2 a der Gründe, dazu EWiR 2000, 1095 (Reichold); BAG v. 20.11.2001 – 3 AZR 28/01, AP BetrAVG § 3 Nr. 12 = EzA BetrAVG § 3 Nr. 8, zu II 2 d der Gründe). Ebenso wenig können aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffene Vereinbarungen dahin ausgelegt werden, dass die feste Altersgrenze heraufgesetzt wird oder nunmehr das 65. Lebensjahr bzw. die gesetzliche Regelaltersgrenze maßgebend sein soll.

[31]

 3. a) Die Auslegung des PA 97 ergibt, dass die Arbeitsvertragsparteien als feste Altersgrenze die Vollendung des 60. Lebensjahrs vereinbart haben. Nach Nr. 2a dieses Abkommens erhält der Kläger „mit Vollendung des 60. Lebensjahrs und 35 anrechenbaren pensionsfähigen Dienstjahren ... im Fall der Pensionierung eine Vertragspension i.H. v. 50 % der ... Bemessungsgrundlage“. Im PA 97 wird keine andere Altersgrenze als 60 genannt und auch nicht auf die damalige Regelaltersrente von 65 Jahren Bezug genommen. Andere Zwecke als die Versorgung nach dem Ausscheiden aus dem Berufs- und Arbeitsleben sind nicht ersichtlich. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die vorgesehenen Leistungen etwa der Überbrückung der Arbeitslosigkeit oder der Erleichterung eines Wechsels des Arbeitsplatzes oder als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes dienen sollten (vgl. BAG v. 18.3.2003 – 3 AZR 315/02, DB 2004, 1624, zu I 3 c der Gründe).

[32]

 Nr. 6c PA 97 enthält eine Regelung für den Fall der „Übernahme bzw. den Wechsel einer anderweitigen beruflichen Tätigkeit“. Das steht der Auslegung, dass die Vollendung des 60. Lebensjahrs die feste Altersgrenze bildet, nicht entgegen. Entscheidend ist, dass die Arbeitsvertragsparteien die Weiterarbeit nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht als „Normal“- oder Regelfall angesehen haben. Es handelt sich, wie auch der Zusammenhang mit Nr. 6a, b PA 97 zeigt, um eine vorsorgliche Regelung.

[33]

 b) Die Auslegung des PA 97 ergibt weiter, dass mit dem Begriff „Pensionierung“ das Ausscheiden aus dem Arbeitsver-ZIP 2009, Seite 240hältnis bei der E. GmbH „mit Vollendung des 60. Lebensjahrs“ gemeint ist. Es kann dahinstehen, ob Pensionierung allgemein als Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verstanden wird. Denn im PA 97 wird der Begriff i.S. d. konzernspezifischen Sprachgebrauchs verwendet. Die im PA 97 von der E. GmbH zugesagten Leistungen sollten die „bisherige Vertragspension“, also die im Juni 1993 von der B. GmbH zugesagte Vertragspension ersetzen. Diese Zusage sah unter Nr. 4 die Zahlung der Pension bei „Ausscheiden“ aus dem Arbeitsverhältnis „nach Vollendung des 60. Lebensjahrs“ vor. Die 1993 zugesagten Leistungen sollten zusätzlich „zu den bisher zugesagten Leistungen“ erfolgen.

[34]

 Bereits die Versorgungszusage der B. GmbH vom 18. Februar 1991 sah die Zahlung eines „Besitzstandsbetrags“ bei „Pensionierung im Alter von 60 Jahren“ vor, und zwar zusammen mit den zuvor zugesagten Leistungen. Die darin enthaltene Formulierung, dass „im vorzeitigen Versorgungsfall“ diese Leistungen im Verhältnis der tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit zu der „bis Alter 60 maximal möglichen Dienstzeit“ gewährt werden, macht deutlich, dass bereits zu diesem Zeitpunkt 60 als feste Altersgrenze vereinbart und mit „Pensionierung“ das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gemeint war.

[35]

 Das Tatbestandsmerkmal der „Pensionierung“ schiebt nur den Beginn der Zahlungspflichten hinaus. Der Pensionsanspruch ist nach dem PA 97 zwar „mit Vollendung des 60. Lebensjahrs“ entstanden, löst aber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Zahlungspflichten aus. Im Ergebnis handelt es sich damit um einen Ruhenstatbestand zur Vermeidung von Doppelzahlungen (vgl. BAGE 91, 1 = ZIP 1999, 1018, zu I 3 c der Gründe).

[36]

 c) Mit dem Aufhebungsvertrag vom 26./27. Juni 2002 konnten die Parteien die im PA 97 vorgesehene feste Altersgrenze nicht mehr verändern. Es kommt daher nicht darauf an, dass dort von einem „vorzeitigen Auslaufen“ des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2002 die Rede ist, ein Teil der Rente nicht wie die anderen Teile bereits ab 1. Oktober 2002, sondern erst zeitgleich mit der BfA-Rente ab 1. Januar 2004 gezahlt werden sollte und der Kläger bis dahin Arbeitslosengeld in Anspruch nahm.

[37]

 Der Beklagte kann sich auch nicht auf die Formulierung im PA 97 stützen, dass sich die nach 35 anrechenbaren pensionsfähigen Dienstjahren zu zahlenden Leistungen für jedes an 35 Dienstjahren fehlende Jahr um 1,5 % „vermindern“. Zwar heißt es in den Senatsurteilen vom 22. Februar 1983 (3 AZR 546/80, BAGE 41, 414 = ZIP 1983, 1487, zu 4 b der Gründe) und vom 12. November 1985 (BAGE 50, 130 = ZIP 1986, 999), eine feste Altersgrenze i.S. d. § 2 Abs. 1 BetrAVG sei nur dann gegeben, wenn die Versorgungszusage vorsieht, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Vollendung des 65. Lebensjahrs „mit einer ungekürzten Betriebsrente“ in den Ruhestand treten soll. Damit sind jedoch nicht alle Berechnungsvorschriften gemeint, die bei kürzerer Betriebszugehörigkeit eine geringere Rente vorsehen, sondern nur solche Änderungen, die die Versorgungszusage „für die vorzeitige Rentenzahlung“ vorsieht (BAGE 50, 130 = ZIP 1986, 999, zu I 1 der Gründe; BAG v. 2.6.1987 – 3 AZR 585/85, zu I 2 b der Gründe).

[38]

 Das PA 97 enthält aber weder Bestimmungen zum vorzeitigen Ausscheiden noch solche zur maßgeblichen Berechnung. Die Klausel besagt ausschließlich, wie die Rente in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 60. Lebensjahrs, d.h. nach Erreichen der festen Altersgrenze, zu berechnen ist. Die meisten Versorgungsordnungen machen die Höhe der bis zur festen Altersgrenze erreichbaren Betriebsrente von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig. Die Berechnung kann auch in der Weise dargestellt werden, dass von der höchsten erreichbaren Betriebsrente ausgegangen wird und sich die bei kürzerer Betriebszugehörigkeit zu zahlende Rente aufgrund einer Subtraktion von diesem Höchstbetrag errechnet. Der Umstand, dass die Regel zur Berechnung der zu zahlenden Betriebsrente in demselben Abschnitt 2a des PA 97 geregelt ist wie die feste Altersgrenze, ändert daran nichts.

[39]

 III. Da nach alledem mit dem Ausscheiden des Klägers bei der E. GmbH der Versorgungsfall entsprechend dem Pensionsabkommen eingetreten ist, ist der Kläger entgegen der Auffassung des Beklagten als Versorgungsempfänger und nicht als Anwärter ausgeschieden. Sein Anspruch unterliegt mithin nicht der ratierlichen Kürzung nach § 7 Abs. 2 i.V. m. § 2 Abs. 1 BetrAVG. Zugleich stellt sich damit die zwischen dem Kläger und der E. GmbH abgeschlossene Aufhebungsvereinbarung entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht als Verbesserung der Versorgungszusage dar, so dass die Regelung des § 7 Abs. 5 BetrAVG nicht zum Tragen kommt.

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