BFH: Umsatzsteuer für nach Insolvenzeröffnung im Rahmen der Istbesteuerung vereinnahmte Entgelte als Masseverbindlichkeit

03.06.2009

InsO §§ 55, 38; UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b

Umsatzsteuer für nach Insolvenzeröffnung im Rahmen der Istbesteuerung vereinnahmte Entgelte als Masseverbindlichkeit

BFH, Urt. v. 29. 1. 2009 – V R 64/07

Leitsatz des Gerichts:

Vereinnahmt der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Istbesteuerung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG Entgelte für Leistungen, die bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht wurden, handelt es sich bei der für die Leistung entstehenden Umsatzsteuer um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Gründe:

[1]

 I. Über das Vermögen des Unternehmers A., der ein Gewerbe im Baubereich betrieb und der seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG versteuerte, eröffnete das AG am 16. August 2004 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zum Insolvenzverwalter. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinnahmte der Kläger in den Streitjahren 2004 und 2005 Entgelte für Leistungen, die A. vor Verfahrenseröffnung erbracht hatte.

 

[2]

 Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA) davon aus, dass es sich bei den nach Insolvenzeröffnung vereinnahmten Entgelten aus zuvor erbrachten Leistungen um Masseverbindlichkeiten handele, und setzte mit dem Umsatzsteuerbescheid 2004 und dem Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das I. Quartal 2005 vom 9. März 2006 Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

 

[3]

 Nach Klageerhebung erließ das FA am 23. Januar 2007 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2005, der gem. § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde. Nachdem das AG mit Beschluss vom 18. April 2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des A. zunächst aufgehoben hatte, ordnete es mit Beschluss vom 11. Juli 2007 die Nachtragsverteilung gem. § 203 Abs. 1 InsO an.

 

[4]

 Das FG gab der Klage statt, da es sich um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO, nicht aber um eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 InsO gehandelt habe.

 

[5]

 Das Urteil des FG ist in EFG 2007, 1737 veröffentlicht.

 

[6]

 Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und stützt dies auf das Senatsurteil vom 4. Juli 1957 – V 199/56 U (BFHE 65, 131 = BStBl III 1957, 282).

[12]

 II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das Urteil des FG verletzt § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da es sich bei den nach Verfahrenseröffnung im Rahmen der Istbesteuerung vereinnahmten Entgelten um Masseverbindlichkeiten handelt.

 

[13]

 1. Insolvenzgläubiger können gem. § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner „begründeten“ Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 AO Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese Einschränkungen gelten aber nicht für Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind und die der Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO aus der Insolvenzmasse zu bezahlen hat (BFH, Urt. v. 29.8.2007 – IX R 4/07, BFHE 218, 435 = BFH/NV 2007, 2429 = ZIP 2007, 2081 = ZVI 2007, 616, dazu EWiR 2007, 723 (von Spiessen)). Zu den Masseverbindlichkeiten gehören gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die „durch Handlungen des ZIP 2009, Seite 978Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören“.

 

[14]

 Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist (vgl. allgemein BFH, Urt. v. 13.11.1986 – V R 59/79, BFHE 148, 346 = BStBl II 1987, 226 = ZIP 1987, 119, dazu EWiR 1987, 177 (Weiß); BFH, Urt. v. 9.4.1987 – V R 23/80, BFHE 149, 323 = BStBl II 1987, 527 = ZIP 1987, 723, dazu EWiR 1987, 607 (Onusseit), und BFH, Urt. v. 21.12.1988 – V R 29/86, BFHE 155, 475 = BStBl II 1989, 434 = ZIP 1989, 384, dazu EWiR 1989, 385 (Frotscher)). Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung (vgl. BFHE 148, 346 = BStBl II 1987, 226 = ZIP 1987, 119, und BFHE 155, 475 = BStBl II 1989, 434 = ZIP 1989, 384; vgl. auch BFH, Urt. v. 29.3.1984 – IV R 271/83, BFHE 141, 2 = BStBl II 1984, 602; BFH, Beschl. v. 30.4.2007 – VII B 252/06, BFHE 217, 212 = BFH/NV 2007, 1395 = ZIP 2007, 1277 = ZVI 2007, 420; BFH, Beschl. v. 1.4.2008 – X B 201/07, BFH/NV 2008, 925 = ZIP 2008, 1780 = ZVI 2008, 441, jew. m.w.N.). Welche Anforderungen im Einzelnen an die somit erforderliche vollständige Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach dem Insolvenzrecht (vgl. BFHE 218, 435 = BFH/NV 2007, 2429 = ZIP 2007, 2081 = ZVI 2007, 616). Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Verfahrenseröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor.

 

[15]

 2. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung nach vereinnahmten Entgelten („Istbesteuerung“) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wird. Für die bei der Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten maßgebliche vollständige Tatbestandsverwirklichung kommt es dabei auf die Vereinnahmung des Entgelts an.

 

[16]

 a) Entscheidendes Merkmal der Istbesteuerung ist nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG die Vereinnahmung des Entgelts, nicht aber die Leistungserbringung. Dementsprechend ist der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand in diesem Fall erst mit der Entgeltvereinnahmung vollständig verwirklicht und abgeschlossen. Hierdurch wird entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht auf den für die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten unerheblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung abgestellt. Denn der Steueranspruch entsteht im Rahmen der Istbesteuerung erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wird, nicht aber bereits mit der Vereinnahmung des Entgelts.

 

[17]

 b) Bestätigt wird die Maßgeblichkeit der Entgeltvereinnahmung durch die bei der Umsatzbesteuerung bestehenden Besonderheiten, die diese von anderen Steueransprüchen dadurch unterscheidet, dass der Unternehmer – und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers für diesen der Insolvenzverwalter – „als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates tätig“ ist und dabei „öffentliche Gelder“ im Interesse der Staatskasse vereinnahmt (EuGH, Urt. v. 20.10.1993 – Rs C-10/92, Slg. 1993, I-5105, Rz. 25 – Balocchi, und EuGH, Urt. v. 21.2.2008 – Rs C-271/06, BFH/NV Beilage 2008, 199, Rz. 21 – Netto Supermarkt). Als „Steuereinnehmer“ ist der Unternehmer für die Vereinnahmung einer vom Endverbraucher zu tragenden Verbrauchssteuer zuständig (EuGH BFH/NV Beilage 2008, 199, Rz. 21 – Netto Supermarkt). Dem wird auch im Zivilrecht Rechnung getragen. Veräußert z.B. der Insolvenzverwalter unberechtigt einen der Aussonderung nach § 47 InsO unterliegenden Gegenstand, gehört zwar die Umsatzsteuer zivilrechtlich als untrennbarer Preisbestandteil zur vereinbarten und geschuldeten Leistung; zugleich ist jedoch die Umsatzsteuer von vornherein zur Weiterleitung an das Finanzamt bestimmt, so dass der Aussonderungsberechtigte nicht die Herausgabe des im Preis enthaltenen Steueranteils verlangen kann (BGH, Urt. v. 8.5.2008 – IX ZR 229/06, BFH/NV Beilage 2008, 318 = ZIP 2008, 1127, dazu EWiR 2008, 469 (Gundlach/Schmidt)).

 

[18]

 Insolvenzrechtlich ist weiter die in § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO zugrunde liegende Wertung zu berücksichtigen, nach der Verbindlichkeiten aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse sonstige Masseverbindlichkeiten sind. Hierfür reicht es aus, dass der Masse etwas nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne rechtlichen Grund zugeflossen ist (z.B. BGH, Urt. v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 = ZVI 2008, 69 = NJW-RR 2008, 295 m.w.N., dazu EWiR 2008, 213 (Mitlehner)). Dem liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass es durch den Zweck des Insolvenzverfahrens nicht gerechtfertigt ist, den zur Herausgabe Berechtigten bei einem nach Insolvenzeröffnung erfolgenden Vermögenszufluss, der dem Insolvenzschuldner nicht zusteht, auf das Prinzip der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger und damit auf die Verteilungsquote zu verweisen. Ist die nach Insolvenzeröffnung vereinnahmte Umsatzsteuer von vornherein nur zur Weiterleitung an das Finanzamt bestimmt, steht sie daher dem Insolvenzschuldner und der Masse zur allgemeinen Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht zu.

 

[19]

 Unerheblich ist im Hinblick auf die Besonderheiten der Umsatzbesteuerung und die darüber hinaus zu beachtenden insolvenzrechtlichen Wertungen, ob der Insolvenzverwalter Entgelte für Leistungen vereinnahmt, die vor oder nach Verfahrenseröffnung erbracht wurden. Denn der Insolvenzverwalter hat mit der ab Verfahrenseröffnung bestehenden Aufgabe, die Insolvenzmasse zu verwerten, hinsichtlich der Vereinnahmung der Gegenleistungen für umsatzsteuerpflichtige Umsätze auch die dem Unternehmer zugewiesene Aufgabe des „Steuereinnehmers“ übernommen (vgl. auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 18 Rz. 829). Denn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist es der Insolvenzverwalter (§ 56 InsO), der die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu er-ZIP 2009, Seite 979füllen hat, die diesem obliegen würden, wäre das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden (vgl. § 34 Abs. 1 und 3; z.B. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 34 AO Rz. 13, 25, m.w.N.; z.B. BFH, Urt. v. 16.1.2007 – VII R 7/06, BFHE 216, 390 = BStBl II 2007, 745 = ZIP 2007, 490 = ZVI 2007, 377, dazu EWiR 2007, 311 (Beck)). Hierzu gehört die vollständige Versteuerung der nach Verfahrenseröffnung vereinnahmten Entgelte.

 

[20]

 c) Dass eine erst nach Verfahrenseröffnung im Rahmen der Istbesteuerung erfolgende Entgeltvereinnahmung eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet, führt im Übrigen nicht zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Steuergläubigers gegenüber anderen Gläubigern des Insolvenzschuldners.

 

[21]

 aa) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, steht dem Fiskus kein Steuerprivileg im Sinne einer mit Vorrechten versehenen Sonderstellung zu. Dem FG ist auch insoweit zu folgen, als dem Unternehmer eine zivilrechtliche Forderung gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung des Bruttoentgelts zusteht, während das Finanzamt den Steueranspruch nur gegen den Leistenden geltend machen kann und dementsprechend das Insolvenzrisiko des Leistenden als Steuerschuldner zu tragen hat. Dementsprechend trifft den Steuergläubiger das Insolvenzrisiko für den Fall, dass der Unternehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz vereinnahmt, diesen aber nicht ordnungsgemäß versteuert und die in der Gegenleistung neben dem Entgelt enthaltene Umsatzsteuer nicht an das für ihn zuständige Finanzamt abführt. Es handelt sich dann um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO.

 

[22]

 bb) Aus dem Fehlen eines Insolvenzprivilegs für vor Verfahrenseröffnung entstandene Steueransprüche, wie es § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO unter der Geltung der KO vorsah, folgt aber nicht, dass der Steuergläubiger auch insoweit das Insolvenzrisiko zu tragen hat, als der Insolvenzverwalter eine Gegenleistung bestehend aus Entgelt und Umsatzsteueranteil nach Verfahrenseröffnung vereinnahmt. Denn insoweit sind für die Frage, zu welchem Zeitpunkt und durch welchen Vorgang der Steueranspruch i.S.d. §§ 38, 55 InsO begründet wird, die bei der Umsatzbesteuerung bestehenden Besonderheiten (s. oben b) zu berücksichtigen.

 

[23]

 3. Es liegen auch die weiteren Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor, da die Umsatzsteuer durch die Verwaltung und Verwertung der Masse entstanden ist. Der Senat hält insoweit auch unter der Geltung der InsO an seiner bereits zur KO ergangenen Rechtsprechung fest, wonach die Einziehung von Forderungen der Masse zur Verwertung der Masse gehört und es sich bei der Umsatzsteuer, die im Rahmen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten anlässlich der Verwertung durch Forderungseinzug zur Entstehung gelangt, um Massekosten (§ 58 Nr. 2 KO; jetzt § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) handelt (BFHE 65, 131 = BStBl III 1957, 282; ebenso Eckert, UVR 1999, 305, 307). Soweit demgegenüber im Schrifttum zum Teil davon ausgegangen wird, dass bei einer nach Verfahrenseröffnung erfolgenden Entgeltvereinnahmung für zuvor erbrachte Leistungen eine bloße Insolvenzforderung, nicht aber eine Masseverbindlichkeit vorliege (vgl. z.B. MünchKomm-Ehricke, InsO, 2. Aufl., 2007, § 38 Rz. 87 und § 55 Rz. 71; Onusseit, ZInsO 2006, 516; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Aufl., 2007 Rz. 1595; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Aufl., 2005, S. 177 f.), schließt sich der Senat dem aus den dargelegten Gründen für den Fall der hier allein zu entscheidenden Istbesteuerung nicht an.

 

[24]

 4. Dem Entstehen einer Masseverbindlichkeit bei einer im Rahmen der Istbesteuerung nach Verfahrenseröffnung erfolgten Entgeltvereinnahmung für eine vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung steht die Rechtsprechung des VII. Senats zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren nicht entgegen. Zum Aufrechnungsverbot nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO (zuvor § 55 Nr. 1 KO), wonach die Aufrechnung unzulässig ist, „wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist“, hat der VII. Senat im Zusammenhang mit Steuervergütungen entschieden, dass diesbezügliche Ansprüche des Steuerpflichtigen insolvenzrechtlich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens „begründet“ sind, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt, der zu der Entstehung der Steueransprüche führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (BFH, Urt. v. 5.10.2004 – VII R 69/03, BFHE 208, 10 = BStBl II 2005, 195 = ZIP 2005, 266, dazu EWiR 2005, 475 (Onusseit); BFH, Urt. v. 16.11.2004 – VII R 75/03, BFHE 208, 296 = BStBl II 2006, 193 = ZIP 2005, 628, dazu EWiR 2005, 477 (Onusseit), und BFH, Urt. v. 31.5.2005 – VII R 74/04, BFH/NV 2005, 1745).

 

[25]

 Diese Rechtsprechung bezieht sich, wie der VII. Senat im Urteil vom 16. Januar 2007 – VII R 4/06, (BFHE 216, 385 = BStBl II 2007, 747 = ZIP 2007, 829) ausdrücklich betont, auf das insolvenzrechtliche Aufrechnungshindernis des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO (zuvor § 55 Nr. 1 KO) und die Frage, welcher Zeitpunkt maßgebend dafür ist, ob ein aufrechnender Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Insoweit geht der VII. Senat des BFH insbesondere davon aus, dass das FA den Anspruch auf Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bereits mit dem Bezug der Leistung und nicht erst mit „Erstellung der Rechnung“ schuldig wird (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 17.12.1998 – VII R 47/98, BFHE 188, 149 = BStBl II 1999, 423 zu § 55 Nr. 1 KO = ZIP 1999, 714, dazu EWiR 2000, 37 (Gerhardt); BFHE 208, 10 = BStBl II 2005, 195 = ZIP 2005, 266; BFHE 208, 296 = BStBl II 2006, 193 = ZIP 2005, 628; BFHE 216, 385 = BStBl II 2007, 747 = ZIP 2007, 829 und BFHE 216, 390 = BStBl II 2007, 745 = ZIP 2007, 490 = ZVI 2007, 377; BFH, Urt. v. 4.3.2008 – VII R 10/06, BFHE 220, 295 = BStBl II 2008, 506 = ZIP 2008, 886 zu § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dazu EWiR 2008, 661 (von Spiessen)). Demgegenüber geht es im Streitfall weder um die Auslegung insolvenzrechtlicher Aufrechnungsverbote noch um den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch des Unternehmers auf Vorsteuerabzug begründet ist, sondern um die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten im Hinblick auf die durch den Insolvenzverwalter vereinnahmten Leistungsentgelte.

 

[26]

 5. Das Urteil des FG, das von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben und die Klage abzuweisen. Auf ZIP 2009, Seite 980der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.

 

[27]

 Das FA war berechtigt, die Umsatzsteuer 2004 und 2005 durch Steuerbescheid festzusetzen. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz liegen Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor, da der Kläger als Insolvenzverwalter des A. in den Streitjahren Entgelte für Leistungen, die A. vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hatte, nach Verfahrenseröffnung im Rahmen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 UStG vereinnahmte. Das FA hat daher die Umsatzsteuer 2004 und 2005 zu Recht gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festgesetzt.

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