BGH: Anfechtbarkeit des Pfandrechts an einer künftigen Mietforderung des Insolvenzschuldners nur bei Beginn des Nutzungszeitraums in anfechtungsrelevanter Zeit

18.01.2010

InsO §§ 129, 140; BGB §§ 163, 535, 1123, 1124, 1192; ZPO §§ 829, 865

Anfechtbarkeit des Pfandrechts an einer künftigen Mietforderung des Insolvenzschuldners nur bei Beginn des Nutzungszeitraums in anfechtungsrelevanter Zeit

BGH, Urt. v. 17. 9. 2009 – IX ZR 106/08 (OLG Schleswig)

Leitsätze des Gerichts:

1. Pfändet ein Gläubiger eine künftige Mietforderung des Schuldners gegen einen Dritten, richtet sich der für die Anfechtung des Pfändungspfandrechts maßgebliche Zeitpunkt nach dem Beginn des Nutzungszeitraums, für den die Mietrate geschuldet war (Bestätigung von BGH, Urt. v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513 für den Anwendungsbereich der InsO).

2. Ist das durch Pfändung der Mietforderung entstandene Pfandrecht anfechtbar, weil der Nutzungszeitraum, für den die Mieten geschuldet sind, in der anfechtungsrelevanten Zeit begonnen hat, führt es nicht zur Annahme eines masseneutralen Sicherheitentauschs, dass die Mietforderung zugleich in den Haftungsverband einer Grundschuld fällt.

Tatbestand:

[1]  Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom 7. Juli 2006 am 12. Dezember 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Die Schuldnerin war Eigentümerin eines Grundstücks, welches im Jahre 1998 zu Gunsten der beklagten Sparkasse mit einer Buchgrundschuld über 1 Mio. DM belastet wurde. Die Schuldnerin unterwarf sich durch notarielle Urkunde vom 22. Januar 1998 wegen des Grundschuldkapitals nebst Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in das belastete Pfandobjekt. Das Grundstück war an die Drittschuldnerin vermietet. Auf der Grundlage der Zwangsvollstreckungsunterwerfung erwirkte die Beklagte gegen die Schuldnerin über einen Teilbetrag von 200.000 € einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, welcher der Drittschuldnerin am 31. August 2005 zugestellt wurde. Durch diesen ließ die Beklagte u.a. alle künftig fälligen Ansprüche der Schuldnerin aus dem Mietvertrag mit der Drittschuldnerin pfänden. Seit Mai 2006 ist die Schuldnerin zahlungsunfähig. Die Beklagte zog die Miete für den Monat September 2006 am 24. Oktober 2006 und Miete für den Monat Oktober 2006 am 1. Dezember 2006 jeweils i.H. v. 2.639 €, insgesamt 5.278 €, ein.

[2]  Das LG hat der auf Insolvenzanfechtung gestützten Klage auf Rückgewähr dieser Zahlungen stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

[3]  Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.

[4]  I. Das Berufungsgericht hat gemeint, der Kläger könne die Rückgewähr der von der Beklagten eingezogenen Mieten nach §§ 130, 131 ZIP 2010, 39InsO nicht verlangen, weil es an der nach § 129 Abs. 1 InsO hierfür erforderlichen Gläubigerbenachteiligung fehle. (Wird ausgeführt.)

[5]  II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Kläger hat die streitigen Zahlungen der Drittschuldnerin an die Beklagte gem. § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO als inkongruente Deckung wirksam angefochten; die Beklagte hat sie deshalb nebst Zinsen an den Kläger zurückzugewähren, § 143 Abs. 1 InsO.

[6]  1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine während der „kritischen“ Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen (BGHZ 136, 309, 311 ff. = ZIP 1997, 1929, dazu EWiR 1998, 37 (Gerhardt); BGHZ 167, 11, 14 f. = ZIP 2006, 916 = ZVI 2006, 248, Rz. 9, dazu EWiR 2006, 537 (Eckardt); BGH, Urt. v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, ZIP 2008, 1488 = ZVI 2008, 392 (m. Bespr. Riedel, S. 420), Rz. 8, dazu EWiR 2008, 569 (Koza)). Daher begründet ein nicht früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder danach wirksam gewordenes Pfandrecht in der Insolvenz kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO, wenn der Schuldner zur Zeit der Rechtshandlung zahlungsunfähig war. Ist das Pfandrecht hingegen vorher entstanden und ist es auch aus sonstigen Gründen nicht anfechtbar, kann die anschließende Befriedigung durch Zahlung nicht mehr angefochten werden, weil sie die Gläubiger nicht i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt (BGHZ 157, 350, 353 = ZIP 2004, 513 = ZVI 2004, 188; BGHZ 162, 143, 156 = ZIP 2005, 494 = ZVI 2005, 204, dazu EWiR 2005, 607 (Eckardt); BGH, Urt. v. 21.3.2000 – IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898, dazu EWiR 2000, 687 (Huber); BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35, 36 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804), Rz. 8, dazu EWiR 2007, 83 (Neußner); BGH ZIP 2008, 1488, 1489, Rz. 8).

[7]  2. Nach diesen Maßstäben liegt hier eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor.

[8]  a) Das Pfandrecht der Beklagten an den Mietansprüchen für die Monate September und Oktober 2006 ist nach dem hier maßgeblichen § 140 Abs. 1 InsO erst im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Nutzungszeitraum entstanden (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 514). Beide Nutzungszeiträume fallen in den von § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO geschützten Zeitraum.

[9]  aa) Die Bestimmung des Zeitpunkts der Vornahme einer Rechtshandlung regelt § 140 InsO. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem die rechtlichen Wirkungen der Handlung eintreten. Die Norm bringt den Rechtsgedanken zum Ausdruck, dass der Zeitpunkt entscheiden soll, in dem durch die Handlung eine Rechtsposition begründet worden ist, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste (BGHZ 157, 350, 353 f. = ZIP 2004, 513). Bei bedingten oder befristeten Rechtshandlungen bleibt demzufolge der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht (§ 140 Abs. 3 InsO); denn bedingte oder befristete Forderungen werden im Insolvenzverfahren berücksichtigt (§§ 41, 42, 191 InsO; vgl. BGHZ 157, 350, 354 = ZIP 2004, 513; BGHZ 159, 388, 396 = ZIP 2004, 1558 = ZVI 2004, 741). Eine Forderungspfändung ist grundsätzlich zu dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt wird, weil damit ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 829 Abs. 3 ZPO). Soweit sich die Pfändung jedoch auf eine künftige Forderung bezieht, wird ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung begründet, so dass auch anfechtungsrechtlich auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist (BGHZ 157, 350, 354 = ZIP 2004, 513; BGH ZIP 2008, 1488, 1489, Rz. 10).

[10]  bb) Bei Forderungen lässt sich zwischen befristeten und betagten Ansprüchen unterscheiden. Befristete Forderungen sind in ihrem Bestehen, betagte nur hinsichtlich ihrer Fälligkeit vom Ablauf einer Frist abhängig. Der Anspruch aus § 535 Abs. 2 BGB auf Entrichtung der Miete entsteht – ähnlich wie der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste (vgl. hierzu BGH ZIP 2008, 1488, 1489, Rz. 13) – erst zum Anfangstermin des jeweiligen Zeitraums der Nutzungsüberlassung. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 111, 84, 93 f. = ZIP 1990, 646, dazu EWiR 1990, 559 (Eckert); BGHZ 170, 196, 200 = ZIP 2007, 191 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804) = ZVI 2007, 72, Rz. 12, dazu EWiR 2007, 185 (Gundlach/Frenzel); BGH ZIP 1997, 513, 514; BGH ZIP 2007, 35, 36, Rz. 9; BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 7/06, ZIP 2007, 239 = ZVI 2007, 71, Rz. 13, dazu EWiR 2007, 381 (Beutler); BGH, Urt. v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, ZIP 2007, 1507, 1509, Rz. 17, dazu EWiR 2008, 83 (Eckert); MünchKomm-Ganter, InsO, 2. Aufl., vor §§ 49 – 52 Rz. 24; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2003, § 163 Rz. 2). Die Gegenauffassung, nach der es sich bei Mietforderungen insolvenzrechtlich um betagte Forderungen handeln müsse, die bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entständen, weil es ansonsten im Blick auf § 91 InsO der Regelung des § 110 Abs. 1 InsO nicht bedurft hätte (vgl. Flöther/Bräuer, NZI 2006, 136, 140), überzeugt nicht. Nach richtigem Verständnis beschränkt § 110 Abs. 1 InsO – ebenso wie die Parallelvorschrift des § 114 Abs. 1 InsO – nicht die Wirksamkeit von Vorausverfügungen über Mietzinsforderungen, sondern verdrängt in seinem Anwendungsbereich § 91 InsO (BGHZ 170, 196, 201 = ZIP 2007, 191, Rz. 12; für § 114 InsO ebenso BGHZ 167, 363, 367 f. = ZIP 2006, 1254 = ZVI 2006, 300, Rz. 9 ff.).

[11]  cc) Der Anspruch auf eine künftige Mietforderung kann eine Sicherung erst bewirken, wenn er werthaltig wird. Dies ist frühestens mit Erreichen des Nutzungszeitraums der Fall, für den die Mietrate geschuldet wird.

[12]  (1) Der BGH hat für die Anfechtung im Anwendungsbereich der GesO bereits entschieden, dass bei einer vor Beginn des Anfechtungszeitraums erfolgten Abtretung von innerhalb des Anfechtungszeitraums fällig werdenden Mietansprüchen des Schuldners auf den jeweiligen Nutzungszeitraum abzustellen ist, weil der Schuldner und mit ihm der Zessionar bei einem „normalen Mietvertrag über Grundstücke“ bis zum Heranrücken dieses Zeitraums keine gesicherte Rechtsposition auf die jeweilige Rate erlangt (BGH ZIP 1997, 513, 514). Diese rechtliche Beurteilung ist auf den hier zu entscheidenden Fall einer Pfändung künftiger Mietforderungen zu übertragen.

[13]  Im Anwendungsbereich der InsO gelten gegenüber der GesO insoweit keine anderen Wertungen. Soweit in dem Ur-ZIP 2010, 40teil vom 11. November 2004 (IX ZR 237/03, ZIP 2005, 181, 182), das sich zu der Frage der Unwirksamkeit einer Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO verhält, auf den (früheren) Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages abgestellt und zur Begründung auf § 140 Abs. 3 InsO verwiesen wird, gibt der Senat diese Rechtsprechung auf. In den Fällen der Vorausabtretung einer künftigen Forderung, deren Verpfändung oder Pfändung ist § 140 Abs. 3 InsO nicht einschlägig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt die Entstehung der Forderung keine Bedingung der Pfändung dar (BGHZ 157, 350, 354 = ZIP 2004, 513; BGHZ 167, 363, 365 = ZIP 2006, 1254, Rz. 6; BGHZ 170, 196, 201 = ZIP 2007, 191, Rz. 14; BGH, Urt. v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, ZIP 2003, 808, 809, dazu EWiR 2003, 533 (Hölzle); BGH, Urt. v. 8.1.2009 – IX ZR 217/07, ZIP 2009, 380, 382, Rz. 27, dazu EWiR 2009, 317 (Schulz/Schröder); Jaeger/Henckel, InsO, § 140 Rz. 20). Bei Vollstreckungsmaßnahmen, die sich auf eine künftige Forderung beziehen, ist die Anwendung von § 140 Abs. 3 InsO auch deshalb ausgeschlossen, weil die Vorschrift nur Fälle rechtsgeschäftlicher Bedingungen oder Befristungen betrifft. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen als solche fallen deshalb nicht unter diese Vorschrift (BGHZ 167, 11, 17 = ZIP 2006, 916, Rz. 14; BGH ZIP 2008, 1488, 1489, Rz. 14).

[14]  Im Übrigen setzt § 140 Abs. 3 InsO voraus, dass die Rechtshandlung, an die angeknüpft werden soll, dem Gläubiger bereits eine gesicherte Rechtsposition verschafft hat (BGHZ 156, 350, 356 f. = ZIP 2003, 2307 = ZVI 2003, 657, dazu EWiR 2004, 1099 (Neußner); BGH, Urt. v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, ZIP 2007, 1507, 1509, Rz. 17). Dies ist bei der Pfändung künftiger Mietforderungen, die einen weit in der Zukunft liegenden Nutzungszeitraum betreffen, nicht der Fall (vgl. MünchKomm-Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 140 Rz. 9b, 50b; Kreft, in: HK-InsO, 5. Aufl., § 140 Rz. 4, 13; Flöther/Bräuer, NZI 2006, 136, 139). Der Zessionar oder Pfandgläubiger einer künftigen Mietzinsforderung kann bei „normalen Mietverhältnissen“ zu keinem Zeitpunkt sicher sein, dass am Fälligkeitstag die Zahlung vom Mieter geschuldet wird (BGH ZIP 1997, 513, 514; Dobmeier, NZI 2006, 144, 147; Flöther/Bräuer, NZI 2006, 136, 139). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass ein Mietvertrag vorliegt, bei dem dies ausnahmsweise anders beurteilt werden könnte. Die Beklagte hat insoweit keine Gegenrüge erhoben.

[15]  (2) Die möglicherweise hiervon abzugrenzende Fallgestaltung, dass ein (unbedingtes) Sicherungsrecht an einem schon bestehenden Recht eine künftige Forderung besichert (siehe hierzu BGHZ 170, 196, 201 ff. = ZIP 2007, 191, Rz. 14 ff.; Kreft, a.a.O., § 140 Rz. 4; KPB/Ehricke, InsO, § 140 Rz. 5), wobei die gesicherte Forderung unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung steht, ist hier nicht gegeben. Deshalb greifen auch die in BGHZ 170, 196, 202 = ZIP 2007, 191, Rz. 15 ff. ausgeführten Gründe nicht ein, die in dem dort entschiedenen Fall dafür ausschlaggebend waren, auf den (früheren) Zeitpunkt der Einbringung der Pfandgegenstände durch den Schuldner abzustellen.

[16]  b) Nicht benachteiligend wirkt der bloße Austausch gleichwertiger Sicherheiten, der Tausch völlig gleichwertiger Gegenstände, die Ablösung eines vollwertigen Pfandrechts, solange der Pfandgegenstand beim Schuldner verbleibt, oder dessen Zahlung auf ein insolvenz- und anfechtungsfestes Pfändungspfandrecht (BGHZ 147, 233, 239 f. = ZIP 2001, 885, dazu EWiR 2001, 883 (Wagner); BGH, Urt. v. 28.2.2008 – IX ZR 177/05, ZIP 2008, 650, 651, Rz. 12, dazu EWiR 2008, 503 (Hofmann/Würdinger); BGH, Urt. v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435, 1436 = ZVI 2008, 389, Rz. 14, dazu EWiR 2008, 689 (Eckardt)). Vorliegend ist zwar ein Fall doppelter Kreditsicherung, zunächst durch Grundpfandrecht und später durch Pfändung künftiger Mietforderungen, gegeben. Dies führt jedoch nicht zur Vorverlegung des für die Insolvenzanfechtung maßgeblichen Zeitpunkts in die von §§ 130, 131 InsO nicht mehr geschützte Zeit, weil beide Kreditsicherheiten hinsichtlich der hier in Rede stehenden Mieten zugleich – und zwar innerhalb der anfechtungsrelevanten Zeit – wirksam wurden.

[17]  aa) Die erforderliche Masseneutralität des Sicherheitentauschs ist nicht gegeben, wenn der Schuldner als Eigentümer eines mit einem Grundpfandrecht belasteten Grundstücks über die Miet- oder Pachtzinsen zu Gunsten des Grundpfandgläubigers verfügt oder – wie hier im Wege einer vom Grundpfandgläubiger veranlassten Zwangsvollstreckung – auf die Miete zugegriffen wird (Mitlehner, ZIP 2007, 804, 806; a.A. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 29 Rz. 62; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 129 Rz. 121; MünchKomm-Kirchhof, a.a.O., § 129 Rz. 158; siehe ferner RGZ 64, 339, 343 für die Gläubigeranfechtung). Insbesondere wird infolge der durch die Pfändung bewirkten endgültigen Enthaftung des Grundstücks in Bezug auf die von der Pfändung erfassten Mietforderungen gem. §§ 1123, 1124 BGB die Zugriffslage der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger nicht entsprechend verbessert. Vor dem Wirksamwerden eines von dem Grundpfandgläubiger ausgebrachten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unterliegen die Mietforderungen dem Haftungsverband des Grundpfandrechts, hier dem der Grundschuld (§ 1192 Abs. 1, § 1123 Abs. 1 BGB). Die Haftung ist jedoch nur eine vorläufige, weil die Mietansprüche weder der Verfügung des Schuldners noch dem wirksamen Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen sind (vgl. § 1123 Abs. 2, § 1124 BGB). Dieser Zustand, der vom Senat als „potenzielle Haftung“ bezeichnet worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1988 – IX ZR 12/88, NJW-RR 1989, 200), hält so lange an, bis der Grundpfandgläubiger die Beschlagnahme des Grundstücks im Wege der Zwangsverwaltung herbeiführt. Erst durch die Anordnung der Zwangsverwaltung erstarkt diese „potenzielle Haftung“ zu einer voll wirksamen (vgl. § 146 Abs. 1, § 20 Abs. 1, 2, § 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG), was bewirkt, dass die erfassten Mietforderungen für die Insolvenzgläubiger als Zugriffsobjekt nunmehr endgültig ausscheiden. Dies wird von den Anhängern der Gegenansicht durchaus anerkannt. Ihr Argument, wonach Maßnahmen, die in ihrem Erfolg nur die gesetzliche Haftung und Rangfolge aufrechterhielten, keine die Anfechtbarkeit rechtfertigende Benachteiligung der persönlichen Gläubiger darstellten (vgl. Jaeger/Henckel, a.a.O.), trägt nicht. Die objektive Gläubigerbenachteiligung ist stets nach dem realen Geschehen zu beurteilen; für fiktive oder hinzugedachte Ereignisse (Aufrechterhaltung der gesetzlichen Haftung und Rangfolge) ist kein Raum (BGHZ ZIP 2010, 41104, 355, 360 = ZIP 1988, 1060, dazu EWiR 1988, 847 (Brehm); BGHZ 123, 320, 326 = ZIP 1993, 1653, dazu EWiR 1994, 373 (Henckel); BGH, Urt. v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1523 = ZVI 2005, 431, dazu EWiR 2006, 21 (Beutler/Weissenfels); BGH, Urt. v. 19.4.2007 – IX ZR 199/03, ZIP 2007, 1164, 1166 = ZVI 2007, 371, Rz. 19). Die Rechtsstellung des Grundpfandgläubigers ist in Bezug auf künftige Mietansprüche nicht sicherer als die eines Mobiliarpfandgläubigers. Eine Gläubigerbenachteiligung ist daher bei Zahlung der Miete an den Grundpfandgläubiger vor der Beschlagnahme des Grundstücks gegeben, weil die in anfechtbarer Zeit getilgte Mietforderung dem Gläubigerzugriff unterlag (vgl. § 865 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und den Insolvenzgläubigern die Möglichkeit endgültig abgeschnitten worden ist, sie aus dem Haftungsverband zu lösen.

[18]  bb) In dem Senatsurteil vom 9. November 2006 (ZIP 2007, 35, 36, Rz. 11) wird aus den sachenrechtlichen Wirkungen der Grundschuldhaftung, die nach allgemeiner Meinung ein gegenwärtiges Pfandrecht an den Mietzinsforderungen begründet, der insolvenzrechtliche Schluss gezogen, dass der persönliche Gläubiger keinen Anspruch auf vorrangige Befriedigung habe, wenn der dingliche Gläubiger vor einer Pfändung durch den persönlichen Gläubiger sich zum Schutz seines dinglichen Rechts eine dem Erfolg der Zwangsverwaltung gleichkommende Sicherungszession habe geben lassen. Soweit aus dem damit umschriebenen Rangverhältnis auf die Masseneutralität einer Pfändung durch den Grundschuldgläubiger in Bezug auf künftige Forderungen geschlossen werden könnte (kritisch neben Mitlehner, ZIP 2007, 804, 806 auch MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 49 Rz. 28 a.E.), hält der Senat hieran aus den vorstehenden Gründen nicht fest. Eine andere Sicht führte zudem zu einem Widerspruch. Wenn für den Rückgewähranspruch aus einer Sicherungszession, einer Verpfändung oder – wie hier – aus der Pfändung von Mietforderungen nach § 140 Abs. 1 InsO auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Schuldner als Vermieter die jeweilige Leistung erbracht hat, also den Gebrauch der Mietsache gewährt, kann es für die Anfechtung des Absonderungsrechts, welches sich aus dem Grundpfandrecht ergibt, auch nur auf diesen Zeitpunkt ankommen.

[19]  III. Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

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