BGH: Auskunftspflicht des Facharztes für Psychiatrie über privatärztliche Honorarforderungen im Insolvenzverfahren

03.06.2009

InsO § 289 Abs. 2 Satz 1, § 290 Abs. 1 Nr. 5

Auskunftspflicht des Facharztes für Psychiatrie über privatärztliche Honorarforderungen im Insolvenzverfahren

BGH, Beschl. v. 5. 2. 2009 – IX ZB 85/08

Leitsatz des Gerichts:

Die Verpflichtung, dem Insolvenzverwalter die für die Durchsetzung privatärztlicher Honorarforderungen erforderlichen Daten über die Person des Drittschuldners und die Forderungshöhe mitzuteilen, besteht auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse.

Gründe:

[1]

 I. Auf Antrag des Schuldners wurde über sein Vermögen am 1. Dezember 2002 das Regelinsolvenzverfahren eröffnet, in dem er Restschuldbefreiung begehrt. Der Schuldner ist Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse. Die von ihm unterhaltene Facharztpraxis wurde zunächst vom Insolvenzverwalter fortgeführt. Im März 2006 erfolgte die Freigabe des Praxisbetriebs. In seinem Schlussbericht teilte der Verwalter mit, der Schuldner sei während des gesamten Verfahrens nicht zur uneingeschränkten Mitwirkung bereit gewesen. Er habe sich geweigert, Auskünfte zu seinen Einnahmen aus der Behandlung von Privatpatienten zu erteilen und ihm entsprechende Unterlagen zur Überprüfung zur Verfügung zu stellen. Außerdem habe er eine Krankentagegeldzahlung i.H. v. 4.908,48 € nicht angegeben. Vielmehr habe er diese Zahlung erst an die Masse abgeführt, nachdem der Verwalter von dritter Seite von ihr Kenntnis erlangt habe. Im Hinblick auf diesen Bericht hat die Gläubigerin im Schlusstermin die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt.

 

[2]

 Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und Ankündigung der Restschuldbefreiung gem. § 291 InsO.

[3]

 II. Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

 

[4]

 1. Privatärztliche Honorarforderungen sind grundsätzlich pfändbar und unterliegen dem Insolvenzbeschlag (BGHZ 162, 187, 190 = ZIP 2005, 722 = ZVI 2005, 200, dazu EWiR 2005, 571 (Bork); BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170 = WM 2003, 980, 983, dazu EWiR 2003, 593 (Tetzlaff)). Der Schuldner ist im Insolvenzverfahren verpflichtet, dem Insolvenzverwalter die für die Durchsetzung des Insolvenzbeschlags erforderlichen Daten über die Person des Drittschuldners und die Forderungshöhe mitzuteilen. Zwar unterliegen auch diese Daten dem Arztgeheimnis; aufgrund des Zurücktretens der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber vorrangigen Belangen Dritter – im Insolvenzverfahren der Insolvenzgläubiger – ist die eingeschränkte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Patienten aber hinnehmbar (BGHZ 162, 187, 194 = ZIP 2005, 722 = ZVI 2005, 200).

 

[5]

 Diese für die Mitwirkungspflichten eines Internisten im Insolvenzverfahren über sein Vermögen aufgestellten Grund-ZIP 2009, Seite 977sätze gelten auch für den Schuldner und dessen Mitwirkungspflichten im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Hierzu ist eine weitere Sachentscheidung des Senats nicht geboten. Wird die Tatsache, dass ein Patient eine Facharztpraxis für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse aufgesucht hat, den Gläubigern des betreffenden Arztes bekannt, belastet dies den Patienten nicht mehr, als wenn es sich um eine sonstige Facharztpraxis gehandelt hätte. Das Bedürfnis nach Offenlegung der Patientendaten gegenüber dem Insolvenzverwalter hat Vorrang vor dem Anspruch des Patienten auf Schutz seiner Daten. Dies folgt aus dem vorrangigen Interesse der Insolvenzgläubiger an der Transparenz der Einnahmen ihres Schuldners (BGHZ 162, 187, 194 = ZIP 2005, 722 = ZVI 2005, 200). Folgte man demgegenüber der Ansicht des Schuldners, könnte über das Vermögen eines Arztes, der ausschließlich Privatpatienten behandelt, überhaupt kein Insolvenzverfahren durchgeführt werden.

 

[6]

 2. Das Beschwerdegericht hat ohne Zulässigkeitsrelevanz vorsätzliches Handeln i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO angenommen. Das hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des BGH zum zivilrechtlichen Vorsatzbegriff (BGHZ 151, 337, 343; weitere Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 276 Rz. 10 f.). Das Beschwerdegericht hat weder ausdrücklich noch stillschweigend einen Leitsatz des Inhalts aufgestellt, Vorsatz setze nicht das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit voraus. Es hat vielmehr angenommen, der Schuldner habe dieses Bewusstsein gehabt, weil er auch noch in Kenntnis der Entscheidung des Senats zur Verpflichtung der Bekanntgabe der Daten seiner Privatpatienten – soweit dies für Zwecke des Insolvenzverfahrens erforderlich ist – entsprechende Auskünfte durchgängig verweigert habe. Im Übrigen wäre für § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO auch schon grobe Fahrlässigkeit ausreichend, von der hier zumindest auszugehen ist.

 

[7]

 3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts verstößt nicht gegen das Verfahrensgrundrecht des Schuldners auf rechtliches Gehör. Das Gericht hat den Vortrag des Schuldners zum „Buchungsfehler“ zur Kenntnis genommen, jedoch ersichtlich deshalb für unerheblich gehalten, weil der Schuldner den Insolvenzverwalter nicht von sich aus über den bestehenden Anspruch auf das Krankentagegeld informiert hatte.

 

[8]

 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen. Sie wäre nicht geeignet, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 4 InsO, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

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