BGH, Beschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22

23.05.2023

BUNDESGERICHTSHOF

vom

1. März 2023

in der Betreuungssache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


FamFG §§ 26, 68 Abs. 3 Satz 2, 278 Abs. 1 Satz 1; BGB § 1816 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3


a) Holt das Beschwerdegericht in einem Betreuungsverfahren ein neues Sachverständigengutachten ein, kommt ein Absehen von der persönlichen Anhörung gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht in Betracht (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 227, 161 = FamRZ 2021, 138).

b) Zu den Voraussetzungen, unter denen die Beschwerdekammer im Betreuungsverfahren eines ihrer Mitglieder mit der Anhörung des Betroffenen beauftragen kann (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22. März 2017 ­ XII ZB 358/16 ­ FamRZ 2017, 996).

c) Zum Umfang der Amtsermittlungspflicht in Fällen, in denen das Betreuungsgericht statt eines vom Betroffenen vorgeschlagenen Angehörigen einen Berufsbetreuer auswählt.


BGH, Beschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22 - LG Ravensburg, AG Riedlingen


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2023 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger und die Richterin Dr. Pernice

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 31. Mai 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Eine Festsetzung des Beschwerdewerts (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

Gründe:

[1] I. Die Betroffene und ihre Tochter (Beteiligte zu 1) wenden sich gegen die Einrichtung einer Betreuung und die Bestellung der Beteiligten zu 3 zur Berufsbetreuerin.

[2] Für die Betroffene wurde zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung die Beteiligte zu 4 zur Betreuerin bestellt. Auf deren Anregung wurde der Aufgabenkreis nachträglich um die Befugnis zum Widerruf etwa erteilter Vollmachten erweitert. Am 30. Januar 2020 legte die Beteiligte zu 1 eine ihr von der Betroffenen am 4. Februar 2018 erteilte Vorsorgevollmacht vor, die eine Betreuungsverfügung enthält, nach der die Tochter zur Betreuerin bestellt werden soll, wenn eine gesetzliche Betreuung erforderlich werden sollte. Die Beteiligte zu 4 widerrief die Vollmacht.

[3] Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Bestellung einer Verfahrenspflegerin hat das Amtsgericht die Beteiligte zu 4 zur Betreuerin in der Hauptsache mit umfassendem Aufgabenkreis bestellt. Die Betroffene und die Beteiligte zu 1 haben Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt. Das Amtsgericht hat die Betroffene im Abhilfeverfahren persönlich angehört, der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landgericht vorgelegt. Das Landgericht hat am 22. November 2021 einen Anhörungstermin durchgeführt, an dem die Betreuerin, die Beteiligte zu 1 sowie die Verfahrenspflegerin teilgenommen haben. Am 16. Dezember 2021 hat die beauftragte Richterin der Kammer die Betroffene persönlich angehört. Mit Beschluss vom 3. Januar 2022 hat das Landgericht ein schriftliches neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten zu den Voraussetzungen und dem Umfang einer Betreuung eingeholt, das die Sachverständige am 11. Januar 2022 vorgelegt hat.

[4] Mit Beschluss vom 31. Mai 2022 hat das Landgericht die Entlassung der bisherigen Berufsbetreuerin angeordnet und die Beteiligte zu 3 zur neuen berufsmäßigen Betreuerin bestellt. Im Übrigen hat es die Beschwerden zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Betroffene und die Beteiligte zu 1 mit ihren Rechtsbeschwerden.

[5] II. Die Rechtsbeschwerden haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

[6] 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:

[7] Nach den Ausführungen der Sachverständigen im Gutachten vom 11. Januar 2022 leide die Betroffene an einer schwergradigen Demenz vom Alzheimer-Typ und benötige deshalb für sämtliche Angelegenheiten des täglichen Lebens eine rechtliche Betreuung. Diese Ausführungen der Sachverständigen würden durch den persönlichen Eindruck gestützt, den sich die Berichterstatterin in der persönlichen Anhörung der Betroffenen habe verschaffen können. Der Betreuungsbedarf sei nicht aufgrund der von der Betroffenen erteilten Vorsorgevollmacht entfallen, weil diese von der Betreuerin wirksam widerrufen worden sei. Die Beschwerde sei jedoch begründet, soweit sie sich gegen die Bestellung der Beteiligten zu 4 als Betreuerin richte. Diese habe bei der Veräußerung des Hauses der Betroffenen gegen deren Interessen gehandelt, indem sie das Haus an einen Dritterwerber veräußert habe, obwohl die Beteiligte zu 1 die Absicht geäußert hatte, das Haus zu erwerben. Überwiegende Gründe für einen Verkauf des Hauses an einen Dritterwerber habe die Beteiligte zu 4 nicht dargelegt.

[8] Es sei allerdings eine Berufsbetreuerin und nicht die Beteiligte zu 1 oder ein von ihr benannter ehrenamtlicher Betreuer zu bestellen. Zwar sei gemäß § 1896 Abs. 4 BGB den Wünschen des Betreuten hinsichtlich der Auswahl der zum Betreuer zu bestellenden Person grundsätzlich Folge zu leisten. Die Beteiligte zu 1 habe sich in der Vergangenheit jedoch nicht ausreichend um das Wohl der Betroffenen gekümmert, weshalb Bedenken hinsichtlich einer angemessenen Führung der Betreuung durch sie bestünden. Aus dem Sozialbericht der Stadt U. ergebe sich, dass die Betroffene bei einer Klinik-Notfallaufnahme am 15. Januar 2020 in einem gesundheitlich schlechten Allgemeinzustand gewesen sei, der auf eine Vernachlässigung der pflegerischen und medizinischen Versorgung der Betroffenen in der Zeit davor schließen lasse. Außerdem sei die Beteiligte zu 1 nicht in der Lage gewesen, sich durch Vorlage ihrer Vorsorgevollmacht gegenüber den behandelnden Ärzten zu legitimieren und den dringend notwendigen medizinischen Untersuchungen zuzustimmen. Darüber hinaus sei sie aggressiv und handgreiflich gegenüber dem Pflegepersonal gewesen. Hinzu komme, dass die Beteiligte zu 1 die Betroffene im Jahr 2018 beim Einwohnermeldeamt ins Ausland abgemeldet habe, was zu einem finanziellen Verlust der Betroffenen geführt habe, weil sämtliche Pensions- und Rentenzahlungen an sie eingestellt worden seien.

[9] 2. Diese Ausführungen halten bereits den von den Rechtsbeschwerden erhobenen Verfahrensrügen nicht stand.

[10] a) Zu Recht machen die Rechtsbeschwerden geltend, dass das Landgericht nicht von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen nach Eingang des im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens absehen durfte.

[11] aa) Die persönliche Anhörung nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG sichert zum einen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Zum anderen soll durch sie auch sichergestellt werden, dass sich das Gericht vor der Entscheidung einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, durch den es in die Lage versetzt wird, das eingeholte Sachverständigengutachten zu würdigen. Diese Zwecke kann die Anhörung des Betroffenen regelmäßig nur dann erfüllen, wenn das Sachverständigengutachten dem Gericht zum Zeitpunkt der Anhörung vorliegt und es dem Betroffenen rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen wurde, um diesem Gelegenheit zu geben, sich zu dem Sachverständigengutachten und den sich hieraus ergebenden Umständen zu äußern. Die nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Anhörung des Betroffenen ist daher grundsätzlich durchzuführen, nachdem das nach § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG einzuholende Sachverständigengutachten vorliegt. Für ein Beschwerdegericht, das im Beschwerdeverfahren ein neues Sachverständigengutachten einholt, gilt insoweit nichts anderes (vgl. § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG). In derartigen Fällen kommt daher ein Absehen des Beschwerdegerichts von der persönlichen Anhörung gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 227, 161 = FamRZ 2021, 138 Rn. 18 mwN und vom 22. Juli 2020 ­ XII ZB 228/20 ­ FamRZ 2020, 1671 Rn. 8 f. mwN).

[12] bb) Im vorliegenden Fall ist die Betroffene zwar durch die beauftragte Richterin der Beschwerdekammer angehört worden. Diese Anhörung fand jedoch vor Eingang des im Beschwerdeverfahren eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachtens statt. Daher hätte das Landgericht die Betroffene vor Erlass der Beschwerdeentscheidung nochmals persönlich anhören müssen.

[13] b) Die Rechtsbeschwerden rügen ebenfalls zutreffend, dass das Landgericht die Betroffene im Beschwerdeverfahren rechtsfehlerhaft nur durch ein beauftragtes Mitglied der Beschwerdekammer angehört hat.

[14] aa) Die Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren muss zwar nicht zwangsläufig durch alle Mitglieder der Beschwerdekammer erfolgen. Dies folgt bereits aus § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, wonach das Beschwerdegericht im Regelfall von einer Anhörung absehen kann, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Beschwerdekammer hat im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlung nach § 26 FamFG darüber zu befinden, ob es für ihre Entscheidung wegen der Besonderheiten des Falles darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, oder ob der Kammer durch eine vom beauftragten Richter durchgeführte Anhörung eine ausreichende Grundlage für die zu treffende Entscheidung vermittelt wird. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Anhörung durch den beauftragten Richter nur in ihrem objektiven Ertrag durch die Kammer verwertet werden darf (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2017 ­ XII ZB 358/16 - FamRZ 2017, 996 Rn. 12 mwN).

[15] bb) Gemessen hieran ist es vorliegend mit § 26 FamFG unvereinbar, dass das Landgericht die Betroffene lediglich durch die beauftragte Richterin angehört hat. Über Art und Umfang der vorzunehmenden Ermittlungen entscheidet zwar grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat jedoch unter anderem nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat, ferner, ob es von zutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 ­ XII ZB 72/18 - FamRZ 2018, 1594 Rn. 4 mwN).

[16] Dieser Nachprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Denn das Landgericht hat dem in dieser Anhörung gewonnenen Eindruck von der Betroffenen ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, um in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Sachverständigen anzunehmen, dass "die Betroffene hochgradig hilfebedürftig ist und für sämtliche Angelegenheiten des täglichen Lebens nicht nur pflegerische Versorgung, sondern auch rechtliche Betreuung benötigt". Mithin war der in der Anhörung gewonnene persönliche Eindruck für die Beschwerdeentscheidung ein maßgebliches Kriterium, so dass es zwingend des persönlichen Eindrucks aller Kammermitglieder von der Betroffenen bedurft hätte.

[17] c) Zudem unterliegt es durchgreifenden verfahrensrechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht die Bestellung einer Berufsbetreuerin mit Zweifeln an der Eignung und Redlichkeit der Beteiligten zu 1 begründet hat.

[18] aa) Dabei kann dahinstehen, ob die Tatsachen, auf die das Landgericht seine Zweifel stützt, bereits einen Schluss auf die mangelnde Eignung und Redlichkeit der Beteiligten zu 1 zulassen. Denn das Landgericht hat ­ wie die Rechtsbeschwerden zu Recht rügen ­ bei der Feststellung dieser Tatsachen jedenfalls seine Amtsermittlungspflicht gemäß § 26 FamFG verletzt.

[19] bb) Nach § 1816 Abs. 2 Satz 1 BGB (bis 31. Dezember 2022: § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB aF) hat das Betreuungsgericht dem Wunsch des Betroffenen, eine Person zum Betreuer zu bestellen, zu entsprechen, es sei denn, die gewünschte Person ist zur Führung der Betreuung nicht geeignet. Ein solcher Wunsch erfordert in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Vorschlag des Betroffenen ernsthaft, eigenständig gebildet und dauerhaft ist. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2021 ­ XII ZB 151/20 ­ FamRZ 2021, 1822 Rn. 7 mwN zu § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB aF; vgl. auch

Grüneberg/Götz BGB 82. Aufl. § 1816 Rn. 4).

[20] Nach § 1816 Abs. 3 BGB (bis 31. Dezember 2022: § 1897 Abs. 5 BGB aF) sind, wenn der Betroffene niemanden als Betreuer vorgeschlagen hat, bei der Auswahl des Betreuers die familiären Beziehungen des Volljährigen, insbesondere zum Ehegatten, zu Eltern und zu Kindern, seine persönlichen Bindungen sowie die Gefahr von Interessenkonflikten zu berücksichtigen. Die bevorzugte Berücksichtigung der Angehörigen dient dem Schutz von Ehe und Familie. Die Vorschrift kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Betroffene einen Angehörigen als Betreuer benannt hat. Denn der Angehörige ist nach Maßgabe dieser Vorschrift "erst recht" zu bestellen, wenn der Betroffene selbst diesen Angehörigen ausdrücklich als Betreuer seiner Wahl benannt hat (Senatsbeschluss vom 18. August 2021 ­ XII ZB 151/20 ­ FamRZ 2021, 1822 Rn. 9; vgl. auch BVerfG FamRZ 2021, 1055 Rn. 24).

[21] In Würdigung der in § 1816 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BGB getroffenen Wertentscheidungen wird ein Kind des Betroffenen, das zum Betroffenen persönliche Bindungen unterhält und das der Betroffene wiederholt als Betreuer benannt hat, deshalb bei der Betreuerauswahl besonders zu berücksichtigen sein und nur dann zugunsten eines Berufsbetreuers übergangen werden können, wenn gewichtige Gründe des Wohls des Betreuten einer Bestellung seines Kindes entgegenstehen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2010 ­ XII ZB 165/10 ­ FamRZ 2011, 285 Rn. 16; vgl. auch BVerfG FamRZ 2021, 1055 Rn. 34).

[22] cc) Diese rechtliche Gewichtung stellt auch an die tatrichterliche Ermittlungspflicht besondere Anforderungen. Der Tatrichter wird solche Gründe, die möglicherweise in der Person des vom Betroffenen als Betreuer benannten Kindes liegen, verlässlich nur feststellen können, wenn er dem Kind Gelegenheit gegeben hat, zu diesen Gründen Stellung zu nehmen. Es verstößt gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, wenn der Tatrichter in seiner Entscheidung ausdrücklich die Eignung des benannten Kindes zum Betreueramt oder die Redlichkeit des Kindes gegenüber dem Elternteil in Zweifel zieht und sich hierbei auf Mitteilungen Dritter beruft, ohne zuvor das als Betreuer vorgeschlagene Kind ­ bei derart gravierenden Vorwürfen sogar regelmäßig persönlich ­ zu den von Dritten mitgeteilten Tatsachen anzuhören. Eine solche Verfahrensweise wäre schon allgemein als Grundlage einer Betreuerauswahl, bei der ein Berufsbetreuer einem möglichen ehrenamtlichen Betreuer ­ aufgrund dessen angeblich fehlender Eignung und mangelnder Redlichkeit ­ vorgezogen wird, bedenklich. Als tatrichterliche Basis einer Entscheidung, durch die ein Kind des Betroffenen, obschon mit diesem persönlich verbunden und von diesem wiederholt als Betreuer benannt, als Betreuer übergangen wird, ist eine solche Verfahrensweise jedoch jedenfalls rechtsfehlerhaft (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2010 ­ XII ZB 165/10 ­ FamRZ 2011, 285 Rn. 17).

[23] dd) So aber liegen die Dinge hier. Die Überzeugungsbildung, dass die Beteiligte zu 1 als ungeeignet für die Übernahme des Betreuungsamts anzusehen ist, setzt verfahrensrechtlich voraus, dass sie zunächst mit den Mitteilungen Dritter, auf die das Landgericht seine Zweifel an der Eignung und Redlichkeit der Beteiligten zu 1 stützen will, konfrontiert wird und Gelegenheit erhält, sich hierzu persönlich vor Gericht zu äußern. Eine solche Gelegenheit ist der Beteiligten zu 1 ­ soweit aus den Akten ersichtlich ­ nicht eingeräumt worden. Zwar wurde sie vor Erlass der Beschwerdeentscheidung vom Landgericht angehört. Ausweislich des Anhörungsprotokolls bezog sich diese Anhörung jedoch lediglich auf den von der Betreuerin beabsichtigten Hausverkauf und auf die vorgelagerte Frage, ob für die Betroffene überhaupt eine Betreuung einzurichten ist. Die Vorwürfe Dritter, auf die das Landgericht seine Entscheidung im Wesentlichen gestützt hat, waren nicht Gegenstand dieser Anhörung. Damit sind die an eine ermessensfehlerfreie amtswegige Tatsachenermittlung zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt.

[24] 3. Die Beschwerdeentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FamFG). Dieses wird nunmehr die unterbliebenen Anhörungen der Betroffenen und der Beteiligten zu 1 nachzuholen haben.

[25] Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Guhling Klinkhammer Günter

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