BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2024 - III ZR 175/23

12.11.2024

BUNDESGERICHTSHOF

vom

10. Oktober 2024

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


Eigenjagdbezirk, Wert der Beschwer


BJagdG § 7; ZPO §§ 2, 3, 9, 544 Abs. 2 Nr. 1

Ist die Zugehörigkeit von Grundstücken (hier: als Eigenjagdbezirk) zu einem Jagdpachtbezirk streitig und ist der Wert der Beschwer gemäß den §§ 2, 3 Hs. 1 ZPO festzusetzen, ist als Berechnungsfaktor hierfür der auf die streitige Fläche entfallende anteilige Jahrespachtzins zugrunde legen. Außerdem ist die in § 9 ZPO zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung zu berücksichtigen (Bestätigung von Senat, Beschluss vom 24. Februar 2000 - III ZR 270/99, Jagdrechtliche Entscheidungen XVIII Nr. 76).


BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2024 - III ZR 175/23 - OLG Brandenburg, LG Neuruppin


Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richterin Dr. Böttcher sowie die Richter Prof. Dr. Kessen, Dr. Herr und Liepin

beschlossen:

Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) wird auf bis 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

[1] I. Die Beklagte erhielt auf ihren Antrag von der Unteren Jagdbehörde mit Bescheid vom 19. November 2020 die Anerkennung des Eigenjagdbezirks "F. ? -B. " mit einer Größe von etwa 86 ha. Die Behörde wies in dem Bescheid darauf hin, dass die Grundflächen dieses Bezirks zurzeit noch Bestandteil des Jagdpachtvertrags über den Gemeinschaftlichen Jagdbezirk "F. ? B. " seien und eine eigenständige Jagdausübung in dem Eigenjagdbezirk erst nach Ablauf dieses Pachtvertrags mit Beginn des Jagdjahres 2030/2031 möglich sei. Nachdem die Beklagte vorprozessual die Unwirksamkeit dieses Jagdpachtvertrages, der auf Verpächterseite die klagende Jagdgenossenschaft und auf Pächterseite den Zeugen G. W. ausweist, behauptet hatte, wird sie von der Klägerin auf Feststellung in Anspruch genommen, dass dieser im Jahre 2013 geschlossene Pachtvertrag (JagdPV) wirksam ist. Der verpachtete Jagdbezirk umfasst nach § 2 JagdPV eine Größe von 260 ha und nach § 4 JagdPV beträgt der Pachtpreis 15 € pro Hektar und Jahr, die Jahrespacht beläuft sich mithin auf 3.900 €.

[2] Das Landgericht, an das das zunächst angerufene Amtsgericht den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin verwiesen hatte, hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf "bis 30.000 €" festgesetzt. Das Oberlandesgericht, das auf die Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben und die von der Klägerin begehrte Feststellung getroffen hat, hat den Wert des Berufungsverfahrens mit 28.080 € angegeben.

[3] Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Nach Zulassung der Revision möchte sie ihr Prozessziel aus der Berufungsinstanz, die Abweisung der Klage, weiterverfolgen.

[4] II. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist auf bis 5.000 € festzusetzen.

[5] 1. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses hat das Revisionsgericht selbst zu bewerten; an die Wertfestsetzung durch das Berufungsgericht ist es nicht gebunden (stRspr, vgl. zB Senat, Beschlüsse vom 4. Mai 2017 - III ZR 615/16, juris Rn. 3 und vom 27. Mai 2021 - III ZR 351/20, K&R 2021, 810 Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 2014 - VI ZR 145/14, juris Rn. 3; vom 28. Juni 2022 - XI ZR 554/21, juris Rn. 3 und vom 12. Juli 2022 - II ZR 97/21, NJW-RR 2022, 1223 Rn. 2).

[6] 2. Im vorliegenden Fall kann nicht von einem Wert der Beschwer ausgegangen werden, der 5.000 € übersteigt.

[7] a) Die Beklagte hat in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen, die mit der Revision geltend zu machende Beschwer übersteige 20.000 €. Der Wert der Beschwer sei, da § 8 ZPO mangels begehrter Feststellung der Wirksamkeit des Jagdpachtvertrags im Verhältnis von dessen Parteien nicht anwendbar sei, gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Die Vorinstanzen hätten diesen Wert - wirtschaftlich: den Wert des noch neun Jahre mit der Beklagten konkurrierenden Jagdausübungsrechts des Zeugen W. ? im Wert von 3.900 € p.a. - richtig mit bis zu 30.000 € (Landgericht) beziehungsweise 28.080 € (Berufungsgericht) bemessen. Das entspreche den von der Beklagten hingenommenen vorinstanzlichen Wertangaben der Klägerin.

[8] b) Diesen Ausführungen der Beklagten kann nicht uneingeschränkt zugestimmt werden.

[9] Im Ausgangspunkt zutreffend ist allerdings, dass sich der Wert der Beschwer hier nicht nach § 8 ZPO bemisst, sondern gemäß den §§ 2, 3 Hs. 1 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen ist, weil der streitige Jagdpachtvertrag nicht zwischen den Prozessparteien geschlossen worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 2000 - III ZR 270/99, Jagdrechtliche Entscheidungen XVIII Nr. 76, juris Rn. 6 ff). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass sich das Feststellungsbegehren der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten nicht auf das gesamte von dem Pachtvertrag über den Gemeinschaftlichen Jagdbezirk "F. ? B. " erfasste Areal erstreckt, sondern sich nur auf eine Teilfläche von etwa 86 ha des insgesamt 260 ha großen Pachtgebiets bezieht. Daher ist maßgeblich für den Wert der Verurteilung der Beklagten (materielle Beschwer) der Jagd-pachtzins, der anteilig auf die Grundstücke entfällt, die künftig den Eigenjagdbezirk "F. -B. " bilden (vgl. Senat aaO Rn. 8). Legt man somit der Schätzung nach § 3 ZPO den Jahrespachtzins von 3.900 € (260 ha x 15 €/ha) anteilig als Berechnungsfaktor zugrunde und berücksichtigt man überdies die in § 9 ZPO zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wertung, die Kosten für die Durchsetzung eines Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen zu begrenzen (Senat aaO), so ist es angemessen, im Streitfall den Wert der Beschwer mit etwa 4.515 € (ca. 86 ha x 15 €/ha x 3,5) zu bemessen und somit nicht auf mehr als 5.000 € festzusetzen.

Herrmann Herr

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