BGH, Beschluss vom 11. März 2020 - XII ZB 578/19

19.05.2020

BUNDESGERICHTSHOF

vom

11. März 2020

in der Familiensache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


FamFG § 61


Zur Berücksichtigung von Übersetzungskosten im Rahmen der Beschwer eines zur Auskunftserteilung und Belegvorlage verpflichteten Unterhaltsschuldners.


BGH, Beschluss vom 11. März 2020 - XII ZB 578/19 - OLG Frankfurt am Main, AG Frankfurt am Main


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. November 2019 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Wert: 500 €

Gründe:

[1] I. Die Antragstellerin macht im Wege des Stufenantrags Kindesunterhalt geltend.

[2] Die Eltern der Antragstellerin stammen aus dem Iran. Der Antrags-

gegner ist ihr Vater, der in den USA lebt und als Chirurg arbeitet. Nach Trennung und Scheidung der Eltern siedelte die Antragstellerin mit ihrer Mutter nach Deutschland über. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner in der ersten Stufe antragsgemäß zur Erteilung von Auskünften über sein Vermögen und über sein Einkommen der letzten zwölf Monate sowie zur Vorlage geeigneter Belege verpflichtet. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde verworfen. Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde.

[3] II. Die gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, § 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.

[4] 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass der Antragsgegner keinen Vortrag dazu gehalten habe, warum es ihm nicht möglich sei, die geschuldete Auskunft in seiner Freizeit zu erbringen. Es könne für seinen Aufwand deshalb nur ein Stundensatz von 3,50 € angesetzt werden. Bei einem geschätzten Zeitaufwand von 20 Stunden und zusätzlichen Kosten in Höhe von 167,50 € für das Kopieren von 1.000 Belegen sei für Auskunftserteilung und Belegvorlage kein höherer Aufwand als 237,50 € anzusetzen. Zusätzliche Übersetzungskosten seien nicht zu berücksichtigen. Eine Übersetzung der vorzulegenden fremdsprachigen Belege schulde der Antragsgegner nicht. Selbst wenn die Antragstellerin dies hätte verlangen können, sei eine solche Verpflichtung nicht tituliert worden und könne auch nicht im Wege der Auslegung in den amtsgerichtlichen Beschluss hineingelesen werden.

[5] 2. Dies lässt keine Rechtsfehler erkennen.

[6] a) Im Ausgangspunkt hat das Beschwerdegericht zutreffend erkannt, dass sich der Wert des Beschwerdegegenstands nach dem Interesse des Rechtsmittelführers richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen (vgl. BGHZ [GSZ] 128, 85, 87 ff = FamRZ 1995, 349, 350 f.). Die Rechtsbeschwerde stellt dies ebenso wenig in Frage wie die tatrichterlichen Feststellungen zu dem mit der Erteilung der Auskunft verbundenen eigenen Zeitaufwand des Antragsgegners von voraussichtlich 20 Stunden, zur Bewertung dieses Zeitaufwands mit einem Stundensatz von 3,50 € und zur Höhe der voraussichtlich anfallenden Kosten für das Kopieren der vorzulegenden Belege.

[7] b) Es ist aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht keine zusätzlichen Übersetzungskosten berücksichtigt hat, und zwar weder für die zu erteilende Auskunft noch für die vorzulegenden Belege.

[8] aa) Wegen der Anforderungen an die Erfüllung der Auskunftspflicht verweist § 1605 Abs. 1 Satz 3 BGB auf die entsprechende Anwendung von §§ 260, 261 BGB, so dass von dem auskunftspflichtigen Unterhaltsschuldner eine in sich geschlossene, schriftliche und systematische Aufstellung der erforderlichen Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorzulegen ist, die es dem Unterhaltsberechtigten ermöglicht, seinen Unterhaltsanspruch ohne übermäßigen Arbeitsaufwand zu berechnen (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 ­ XII ZB 385/13 ­ FamRZ 2015, 127 Rn. 16 mwN). Im Übrigen ist die geschuldete Auskunft von dem Unterhaltspflichtigen nach Form und Inhalt so zu erteilen, wie es Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebieten. Dem Gesetz lässt sich dabei aber nicht entnehmen, dass die vorzulegende Auskunft zwingend in deutscher Sprache verfasst oder dahin übersetzt sein müsste. Ist der Unterhaltsschuldner der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, darf er die Auskunft deshalb auch in einer fremden Sprache erteilen, wenn der Unterhaltsberechtigte über ein genügendes Leseverständnis in dieser Sprache verfügt.

[9] bb) Für die Erforderlichkeit der Übersetzung fremdsprachiger Belege gelten keine grundlegend anderen Maßstäbe.

[10] Der Beleganspruch soll den Unterhaltsberechtigten in die Lage versetzen, die Angaben des Unterhaltsschuldners zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nachprüfen zu können. Nur dann, wenn der Unterhaltsberechtigte keine ausreichenden Sprachkenntnisse besitzt, um die ihm überlassenen und in einer ausländischen Sprache verfassten Belege ohne größeren Arbeitsaufwand auswerten zu können, kann er nach Treu und Glauben deren Übersetzung von dem Unterhaltsschuldner verlangen (vgl. OLG Koblenz FamRZ 1990, 79, 80; BeckOGK/Winter BGB [Stand: Februar 2020] § 1605 Rn. 159).

[11] Verfügt der Unterhaltsberechtigte dagegen über hinreichende Sprachkunde, muss der Unterhaltsschuldner nicht schon deshalb eine Übersetzung

der von ihm geforderten fremdsprachigen Belege beibringen, weil der Unterhaltsberechtigte darauf angewiesen sein könnte, diese Belege als Beweismittel in

der Leistungsstufe des Unterhaltsverfahrens vorzulegen und die Gerichtssprache gemäß § 184 GVG deutsch ist (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2016 ­ XII ZB 53/16 ­ FamRZ 2016, 1681 Rn. 11; BeckOGK/Winter BGB [Stand: Februar 2020] § 1605 Rn. 159). Fremdsprachige Urkunden können auch ohne deutsche Übersetzung im Verfahren berücksichtigt werden, wenn ­ was gerade bei englischsprachigen Urkunden häufig der Fall sein wird ­ das Gericht über ausreichende Kenntnisse in der Urkundssprache verfügt (vgl. Senatsbeschluss vom 2. März 1988 ­ IVb ZB 10/88 ­ FamRZ 1988, 827, 828; BGH Beschluss vom 16. Januar 2007 ­ VIII ZR 82/06 ­ NJW-RR 2007, 1006 Rn. 19). Im Übrigen ist es Sache des Unterhaltsberechtigten, auf Verlangen des Gerichts nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 142 Abs. 3 ZPO eine deutschsprachige Übersetzung der von ihm vorgelegten Belege beizubringen; ist der Unterhaltsberechtigte dazu aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, wird das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen die Anfertigung einer Übersetzung anordnen (vgl. BVerfG NVwZ 1987, 785).

[12] cc) Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass die Mutter der Antragstellerin der englischen Sprache mächtig ist. Auch die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass die Mutter der Antragstellerin für eine sachgerechte Beurteilung von Grund und Höhe der Kindesunterhaltsansprüche auf eine deutsche Übersetzung der von dem Antragsgegner zu erteilenden Auskunft oder der vorzulegenden englischsprachigen Belege angewiesen sein könnte. Unter diesen Umständen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Beschwerdegericht die amtsgerichtliche Beschlussformel dahingehend auslegt, dass weder die zu erteilende Auskunft noch die geforderten Einkommensbelege von dem Antragsgegner auf eigene Kosten in die deutsche Sprache übersetzt werden müssten. Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht gleichwohl eine Übersetzungsverpflichtung aussprechen wollte, lassen sich auch den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung nicht entnehmen.

Dose Klinkhammer Günter

Botur Krüger

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