BGH, Beschluss vom 13. November 2019 - XII ZB 248/19

02.01.2020

BUNDESGERICHTSHOF

vom

13. November 2019

in der Familiensache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


FamFG §§ 111 Nr. 10, 113 Abs. 1 Satz 2, 266 Abs. 1; ZPO § 156


a) In einer Familienstreitsache ist die Ablehnung eines Antrags auf Wiedereröffnung einer mündlichen Verhandlung nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 156 ZPO nicht selbstständig anfechtbar.

b) Auch im Fall der Zulassung durch das Beschwerdegericht ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft, wenn die angegriffene Entscheidung von Gesetzes wegen nicht anfechtbar ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 ­ XII ZB 417/11 ­ FamRZ 2012, 1204).


BGH, Beschluss vom 13. November 2019 - XII ZB 248/19 - OLG Bamberg, AG Kitzingen


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats ­ Familiensenat ­ des Oberlandesgerichts Bamberg vom 18. April 2019 wird auf Kosten der Antragsgegner verworfen.

Wert: 100.000 €

Gründe:

[1] I. Die Antragstellerin hatte zunächst gegen die Antragsgegner, ihre Tochter und ihren Schwiegersohn, Zahlungsansprüche aufgrund eines von den Antragsgegnern als Mieter und der Antragstellerin und ihres Ehemanns als Vermieter im Jahr 2014 abgeschlossenen Mietvertrags geltend gemacht. Dazu hatte die Antragstellerin behauptet, dass es sich bei dem vermeintlichen Mietvertrag um eine Vereinbarung über die Rückzahlung eines Darlehens über 100.000 € gehandelt habe, für welches man das Formular eines Einheitsmietvertrags benutzt habe. Die Antragsgegner hatten beantragt, den Zahlungsantrag zurückzuweisen und, im Wege einer "unbedingten Widerklage" gegen den Ehemann der Antragstellerin als Drittwiderantragsgegner, festzustellen, dass auch diesem keine Ansprüche aus einem Darlehensvertrag aus dem Jahre 2014 über 100.000 € gegen die Antragsgegner zustehen.

[2] Nach Rücknahme des Antrags der Antragstellerin hat das Amtsgericht dem Drittwiderantrag der Antragsgegner gegen den Ehemann der Antragstellerin stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat der Ehemann der Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren haben die Antragsgegner mit einer gegen die Antragstellerin gerichteten "isolierten Drittwiderklage" die Feststellung beantragt, dass dieser keine Ansprüche aus dem Vertrag aus dem Jahr 2014 über 100.000 € gegen die Antragsgegner zustehen. Nachdem der Ehemann der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht seine Beschwerde zurückgenommen hat, hat das Oberlandesgericht diesen als Beschwerdeführer seines Rechtsmittels für verlustig erklärt und ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Mit einem noch am gleichen Tag beim Oberlandesgericht eingegangen Schriftsatz haben die Antragsgegner beantragt, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen und über die "isolierte Drittwiderklage" zu entscheiden. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegner.

[3] II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.

[4] 1. Nach § 70 Abs. 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. Nach § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist das Rechtsbeschwerdegericht an die Zulassung gebunden. Etwas anderes gilt indessen für Entscheidungen, die von Gesetzes wegen nicht anfechtbar sind. Entsprechend der Regelung in §§ 574 ff. ZPO, an welcher das Rechtsbeschwerderecht des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit orientiert worden ist (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 209), eröffnet die Zulassung keine Rechtsbeschwerde gegen eine unanfechtbare Entscheidung des Beschwerdegerichts (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2012 ­ XII ZB 417/11 ­ FamRZ 2012, 1204 Rn. 4 und BGHZ 159, 14, 15 = FamRZ 2004, 1191, 1192 mwN).

[5] 2. Danach ist der Senat an die Zulassungsentscheidung des Oberlandesgerichts nicht gebunden. Die Ablehnung eines Antrags auf Wiedereröffnung einer mündlichen Verhandlung nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 156 ZPO ist nicht selbstständig anfechtbar (Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 156 Rn. 2 a; Stein/Jonas/Roth ZPO 23. Aufl. § 156 Rn. 19; Wieczorek/Schütze/Smid ZPO 4. Aufl. § 157 Rn. 24 ff.; Thomas/Putzo/Seiler ZPO 40. Aufl. § 156 Rn. 8; BeckOK ZPO/Wendtland [Stand: 1. März 2019] § 156 Rn. 16; Saenger/

Wöstmann ZPO 8. Aufl. § 156 Rn. 7). Eine fehlerhafte Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kann nur im Rahmen eines Rechtsmittels in der Hauptsache zur Überprüfung gestellt werden. Findet gegen eine die Instanz abschließende Entscheidung kein weiteres Rechtsmittel statt, verbleibt dem antragstellenden Beteiligten die Möglichkeit der Anhörungsrüge nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 321 a ZPO.

[6] 3. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung, die der angefochtenen Entscheidung beigefügt ist, ausgeführt wird, gegen die Ziffer 1 des Beschlusstenors sei die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO statthaft. Durch eine insofern unrichtige Angabe in einer Rechtsbehelfsbelehrung wird ein unstatthaftes Rechtsmittel nicht statthaft (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juli 2011 ­ XII ZB 445/10 ­ FamRZ 2011, 1728 Rn. 16 mwN).

Dose Klinkhammer Schilling

Günter Botur

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