BGH, Beschluss vom 13. November 2019 - XII ZB 382/19

02.01.2020

BUNDESGERICHTSHOF

vom

13. November 2019

in dem Rechtstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


ZPO §§ 3, 8, 9, 511 Abs. 2 Nr. 1


Bei einem Rechtsstreit über die Berechtigung des Mieters, die Mietsache in einer bestimmten Art und Weise nutzen zu dürfen, bei dem der Bestand des Mietverhältnisses zwischen den Parteien unstreitig ist, bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstands nach § 3 ZPO.


BGH, Beschluss vom 13. November 2019 - XII ZB 382/19 - LG Karlsruhe, AG Pforzheim


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2019 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.

Beschwerdewert: bis 500 €

Gründe:

[1] I. Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag, der sich auch auf einen Tiefgaragenstellplatz erstreckt, auf dem die Klägerin zwei Mülltonnen abgestellt hatte. Die Klägerin wurde durch die Hausverwaltung der Beklagten aufgefordert, die Mülltonnen zu entfernen.

[2] Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie im Verhältnis zur Beklagten berechtigt ist, eine Mülltonne und die Tonne für die gelben Säcke auf ihrem Stellplatz abzustellen. Das Amtsgericht hat die Feststellungsklage abgewiesen und den Streitwert für das Verfahren auf bis zu 500 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landgericht nach vorangegangenem Hinweis auf das Nichterreichen der Berufungssumme verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

[3] II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

[4] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Rechtssache entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keine Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) und der Klägerin durch den Beschluss des Berufungsgerichts der Zugang zur Rechtsmittelinstanz auch nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert wird. Der Beschluss verletzt sie deshalb nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip).

[5] 1. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss vom 21. Januar 2019 zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Berufung sei unzulässig, weil der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands in Höhe von mehr als 600 € nicht erreicht sei. Das Interesse der Klägerin an der Feststellung, dass sie zur Aufstellung der Mülltonnen berechtigt sei, sei gemäß § 3 ZPO nach dem Jahresbetrag zu bemessen, der von ihr durchschnittlich für die Anmietung eines anderen Stellplatzes aufgewendet werden müsste. Nach dem Mietspiegel der Stadt P. betrage die durchschnittliche monatliche Miete für einen nicht abschließbaren Stellplatz in einer Tiefgarage oder einem Parkhaus 48,80 €. Damit werde der für die Statthaftigkeit der Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht, zumal aufgrund der Feststellungsklage noch ein Abschlag von 20 % auf den Wert der Jahresmiete vorzunehmen sei. Selbst wenn man der Auffassung der Klägerin folge und der Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstands § 9 ZPO zugrunde lege, werde die erforderliche Beschwer von über 600 € nicht erreicht. Bei einer üblichen Größe eines Tiefgaragenstellplatzes von 15 Quadratmetern könne die für das Abstellen der Mülltonnen benötigte Fläche drei Quadratmeter nicht überschreiten. Deshalb sei das Feststellungsbegehren der Klägerin lediglich mit einem Fünftel der monatlichen Miete von 48,80 € für einen Stellplatz zu bewerten, d.h. mit 9,76 €. Der Wert der Beschwer betrage demnach auch bei Anwendung des § 9 ZPO lediglich 409,92 € (42 x 9,76 €).

[6] 2. Diese Ausführungen halten sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht wird.

[7] a) Die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nach

§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO richtet sich grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an dem Erfolg seines Rechtsmittels (vgl. BGHZ 128, 85, 88 = NJW 1995, 664). Die Beschwer der in der ersten Instanz unterlegenen Partei am Erfolg ihres Rechtsmittels hängt dabei maßgebend von ihrem wirtschaft-

lichen Interesse ab (vgl. BGH Urteil vom 19. November 2014 ­ VIII ZR 79/14 ­ NJW 2015, 873 Rn. 16 mwN). Bei einem Kläger, dessen Klage in erster Instanz abgewiesen worden ist und der sein Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt, ist sein wirtschaftliches Interesse am Erfolg seines Rechtsmittels regelmäßig identisch mit dem Wert seiner Klage.

[8] b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bestimmt sich im vorliegenden Fall der Wert des Beschwerdegegenstands nicht nach §§ 8, 9 ZPO. Diese Vorschriften sind nach der Rechtsprechung des Senats dann für die Berechnung des Rechtsmittelstreitwerts heranzuziehen, wenn das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig und der Beendigungszeitpunkt ungewiss ist oder sich die streitige Zeit nicht ermitteln lässt. Für die Bemessung der Beschwer ist in diesen Fällen der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Entgelts anzusetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 ­ XII ZR 6/17 ­ WuM 2017, 724 mwN). Streiten die Parteien ­ wie im vorliegenden Fall ­ jedoch nur über die Berechtigung des Mieters, die Mietsache in einer bestimmten Art und Weise nutzen zu dürfen, und ist hierbei der Bestand des Mietverhältnisses zwischen den Parteien unstreitig, ist für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands allein § 3 ZPO maßgeblich.

[9] c) Das vom Berufungsgericht bei der Bemessung des Werts der Beschwer gemäß § 3 ZPO ausgeübte tatrichterliche Ermessen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2018 ­ XII ZB 82/18 ­ FamRZ 2018, 1529 Rn. 8 mwN). Derartige Ermessensfehler vermag die Rechtsbeschwerde nicht aufzuzeigen.

[10] Dass das Berufungsgericht im Rahmen des ihm durch § 3 ZPO eingeräumten Ermessens die Beschwer der Klägerin nach dem Jahresbetrag bemessen hat, der von ihr durchschnittlich für die Anmietung eines anderen Stellplatzes aufgewendet werden müsste, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch die Rechtsbeschwerde erhebt hiergegen keine Einwände. Schon deshalb liegt der Wert der Beschwer jedenfalls nicht höher als (48,80 € x 12 =) 585,60 €, wobei im Rahmen des Feststellungsantrags noch ein weiterer Abschlag zu berücksichtigen ist.

[11] Soweit die Rechtsbeschwerde meint, dem Berufungsgericht sei ein Ermessensfehler zur Last zu legen, weil es bei der Berechnung des Werts der Beschwer nur die Größe der Stellfläche berücksichtigt habe, die für die Mülltonnen erforderlich sei und hierfür kein realer Vermietungsmarkt existiere, verhilft ihr das nicht zum Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu §§ 8, 9 ZPO sind ersichtlich nur eine Hilfserwägung im Hinblick auf die im Beschwerdeverfahren von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung, der Wert des Beschwerdegegenstands bestimme sich vorliegend nach den §§ 8, 9 ZPO. Maßgeblich hat sich das Berufungsgericht jedoch in dem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss vom 21. Januar 2019 auf § 3 ZPO gestützt und insoweit die für die Ermittlung des Beschwerdewerts maßgeblichen Erwägungen angestellt.

Dose Klinkhammer Schilling

Günter Botur

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