BGH, Beschluss vom 14. November 2022 - NotZ(Brfg) 2/22

17.01.2023

BUNDESGERICHTSHOF

vom

14. November 2022

in dem Rechtsstreit

 

wegen notarieller Fachprüfung


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BNotO § 7g Abs. 4; NotFV § 3 Abs. 1 und 2


a) Zur Besetzung der Aufgabenkommission.

b) Eine möglicherweise fehlerhafte Besetzung des Verwaltungsrats oder der Aufgabenkommission haben keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Prüfungsverfahrens der notariellen Fachprüfung (Anschluss an und Fortführung von OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 2 ME 634/19).


BGH, Beschluss vom 14. November 2022 - NotZ(Brfg) 2/22 - Kammergericht


Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat am 14. November 2022 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richterinnen Dr. Roloff und Dr. Böttcher, die Notarin Dr. Brose-Preuß sowie den Notar Dr. Hahn

beschlossen:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Kammergerichts - Senat für Notarsachen - vom 25. November 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe:

[1] I. Die Klägerin verlangt die Aufhebung der ihre schriftlichen Leistungen betreffenden Prüfungsentscheidung des Beklagten. Damit strebt sie im Ergebnis eine Wiederholung der Prüfung an.

[2] Die Klägerin nahm im September 2015 am schriftlichen Teil der von dem Beklagten durchgeführten notariellen Fachprüfung teil. Zwei der vier schriftlichen Aufsichtsarbeiten wurden mit weniger als vier Punkten bewertet. Mit dem angefochtenen Bescheid stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen sei und die notarielle Fachprüfung nicht bestanden habe. Den von der Klägerin fristgerecht eingelegten Widerspruch wies der Beklagte zurück.

[3] Mit der daraufhin erhobenen Klage hat die Klägerin unter anderem beanstandet, sowohl der Verwaltungsrat als auch die Aufgabenkommission seien fehlerhaft besetzt gewesen, weshalb die Auswahl der nicht bestandenen Klausuren (F20-59 und F20-58) verfahrensfehlerhaft erfolgt sei. Die von der Klägerin parallel zu dem erstinstanzlichen Verfahren bei der zuständigen Verwaltungsbehörde verfolgte Einsicht in die Akten zur Entsendung von Mitgliedern des Verwaltungsrats wurde ihr verwehrt.

[4] Das Kammergericht hat die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Das Verfahren zur Auswahl der in Rede stehenden Klausuren sei nicht zu beanstanden. Die erforderlichen Beschlüsse seien von der Aufgabenkommission mit der hierfür erforderlichen Mehrheit gefasst worden. Bedenken hinsichtlich der Besetzung der Aufgabenkommission bestünden nicht. Deren Mitglieder seien von dem Leiter des Prüfungsamts im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat - unter Einhaltung des erforderlichen Verfahrens und der nötigen Mehrheit - bestellt worden. Die Aufgabenkommission sei im Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung auch nicht "überbesetzt" gewesen. Ebenso wenig gebe es Anlass zu Zweifeln an der ordnungsgemäßen Bestellung der Mitglieder des Verwaltungsrats. Weitere Ermittlungen dazu seien nicht veranlasst und auch deshalb nicht erforderlich, weil allein eine fehlerhafte Besetzung des Verwaltungsrats an der Wirksamkeit der Bestellung der Mitglieder der Aufgabenkommission nichts ändere und keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der von diesen getroffenen Auswahl der Klausuren habe. Gegen die Auswahl der Klausur F20-59 bestünden keine Bedenken.

[5] Das Kammergericht hat die Berufung nicht zugelassen. Mit ihrem Antrag begehrt sie die Zulassung des Rechtsmittels durch den Senat.

[6] II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO iVm § 111d Abs. 1 Satz 2 BNotO) liegt nicht vor. Sonstige Zulassungsgründe sind nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

[7] 1. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung setzt voraus, dass der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat, was zudem die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen muss (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom 16. November 2020 ­ NotZ(Brfg) 6/20, NJW-RR 2021, 564 Rn. 5; vom 23. April 2018 ­ NotZ(Brfg) 6/17, NJW 2018, 2567 Rn. 11 und vom 20. Juli 2015 ­ NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872 Rn. 19; jew. mwN).

[8] 2. Daran fehlt es hier. Das Kammergericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Eine Aufhebung der Prüfungsentscheidung und Wiederholung der Prüfung durch die Klägerin ist nicht veranlasst. Die von ihr vorliegend allein noch gerügten Fehler im Prüfungsverfahren liegen nicht vor. Das Verfahren zur Auswahl der ihr gestellten nicht bestandenen Klausuren ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Besetzung der Aufgabenkommission oder des Verwaltungsrats.

[9] a) Die für die Auswahl der Klausuraufgaben zuständige Aufgabenkommission war ordnungsgemäß besetzt.

[10] aa) Die beim Prüfungsamt eingerichtete Aufgabenkommission bestimmt die Aufgaben für die schriftliche Prüfung, entscheidet über die zugelassenen Hilfsmittel und erarbeitet Vorschläge für die mündlichen Prüfungen (§ 7g Abs. 4 Sätze 1 und 2 BNotO). Die Mitglieder der Aufgabenkommission werden von der Leitung des Prüfungsamts im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat bestellt (§ 7g Abs. 4 Satz 4 BNotO). Die Aufgabenkommission besteht gemäß § 3 Abs. 1 der aufgrund der Ermächtigungen in § 7g Abs. 2 Satz 2 und § 7i BNotO erlassenen Verordnung über die notarielle Fachprüfung vom 7. Mai 2010 (NotFV; BGBl. I S. 576) aus mindestens acht und höchstens zehn Mitgliedern, wovon mindestens sechs Mitglieder Notarin oder Notar sein sollen (§ 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NotFV). Sie fasst ihre Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder (§ 3 Abs. 4 Satz 1 NotFV).

[11] bb) Die Aufgabenkommission bestand im maßgeblichen Zeitpunkt der Klausurauswahl aus insgesamt zehn Personen (vier Anwaltsnotaren, vier hauptberuflichen Notaren, einer davon im Ruhestand, einem Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und einem Richter am Oberlandesgericht) und umfasste damit die von der Verordnung vorgesehene Maximalstärke. Sie fasste die Beschlüsse zur Verwendung der Klausuren F20-59 und F20-58 am 9. Februar und 29. Juni 2015 mit den Stimmen der neun in den jeweiligen Sitzungen anwesenden Mitglieder und damit mit der notwendigen Mehrheit.

[12] (1) Dass die Zahl der Mitglieder der Aufgabenkommission von der Verordnung nicht fest vorgegeben ist und sich innerhalb eines dort vorgesehenen - geringfügigen - Spielraums bewegen darf, sie folglich acht, neun oder zehn Personen betragen kann, ist weder rechtlich bedenklich noch hätte sich eine zahlenmäßig abweichende Besetzung auf die getroffene Auswahlentscheidung auswirken können.

[13] § 3 Abs. 1 Satz 1 NotFV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) oder das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung ergeben sich aus §§ 7g Abs. 2 Satz 2 und 7i BNotO. Der gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 NotFV eröffnete - begrenzte - Spielraum hat den - sachlich begründeten - Zweck, auf die wechselnden Anforderungen (etwa den Arbeitsanfall) flexibel reagieren zu können (vgl. BR-Drs. 202/10 S. 16). Abweichende gesetzliche Vorgaben ergeben sich aus den §§ 7a ff BNotO nicht.

[14] Der der Leitung des Prüfungsamts eingeräumte Spielraum bei der Bestellung der Mitglieder der Aufgabenkommission hätte sich ungeachtet dessen auch nicht nachteilig auf das prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 12 Abs. 1 GG) auswirken können. Wie ausgeführt, fasst die Aufgabenkommission ihre Beschlüsse mit der (einfachen) Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder. Ihre absolute Zahl - acht, neun oder zehn Personen - hat mithin im Ergebnis auf die Mehrheitsverhältnisse keinen maßgeblichen Einfluss. An dem einstimmigen Abstimmungsergebnis hätte sich vorliegend bei einer geringeren Anzahl von Mitgliedern der Aufgabenkommission nichts geändert.

[15] (2) Ebenso wenig bestehen Bedenken gegen die konkrete Zusammensetzung der Aufgabenkommission. Insbesondere führte die Bestellung eines Nachfolgers für Richter am Oberlandesgericht H. im Jahr 2013 nicht zu deren (Über-)Besetzung. Der Richter war wirksam aus der Kommission ausgeschieden.

[16] Gemäß § 7g Abs. 4 Satz 4 BNotO werden die Mitglieder der Aufgabenkommission für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Ihre Bestellung kann von der Leitung des Prüfungsamts im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat aus wichtigem Grund widerrufen werden (§ 3 Abs. 2 NotFV). Dies bedeutet aber nicht, dass die Amtszeit - vom Fall des Widerrufs abgesehen - nicht vorzeitig beendet werden darf. Aus der Begründung des Verordnungsgebers folgt vielmehr, dass § 3 Abs. 2 NotFV entgegen der Annahme der Klägerin nicht abschließend zu verstehen ist, sondern allein die Widerrufsmöglichkeit regelt (BR-Drs. 202/10 S. 16). Dies schließt aber gerade nicht aus, dass es - über den Tod eines Kommissionsmitglieds hinaus - Gründe geben kann, die Amtsperiode vorzeitig zu beenden. Dementsprechend hat der Verordnungsgeber in dem (freiwilligen) Rücktritt ohne weiteres einen Grund für die Beendigung der Mitgliedschaft gesehen, ohne dass er deswegen eine ausdrückliche Regelung für erforderlich gehalten hat (BR-Drs. aaO).

[17] Richter am Oberlandesgericht H. hat rund zwei Jahre vor der von der Klägerin angegriffenen Auswahlentscheidung um die Entbindung von seinem Amt gebeten, was die damalige Leiterin des Prüfungsamts schriftlich bestätigt hat. Dies ist ohne weiteres als Rücktritt zu verstehen. Einer "förmlichen Abberufung" in Gestalt eines dem Widerruf der Bestellung vergleichbaren Akts durch die damalige Leiterin des Prüfungsamts - gegebenenfalls unter Einbeziehung der Mitglieder des Verwaltungsrats - bedurfte es, anders als die Klägerin sich dies vorstellt, bei einer solchen freiwilligen Rückgabe des Amtes nicht. Es genügte, dass die Amtsleitung, wie vorliegend geschehen, den Rücktritt akzeptierte und dies aktenkundig machte. Dies war zugleich Anlass, für eine Nachbesetzung der Stelle zu sorgen, was hier zeitnah erfolgt ist. Anderes erforderte auch "die Sicherung der Stabilität des Gremiums und seiner Aufgabenerfüllung" nicht. Soweit die Klägerin zu bedenken gibt, es könne gleichzeitige Rücktritte zur Unzeit geben, ist diesem - eher unwahrscheinlichen Umstand - hinreichend durch den bestehenden Spielraum bei der Anzahl der Kommissionsmitglieder Rechnung getragen.

[18] cc) Die Besetzung der Aufgabenkommission ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Klägerin eine (theoretisch) mögliche fehlerhafte Benennung der Verwaltungsratsmitglieder geltend macht.

[19] (1) Gemäß § 7g Abs. 4 Satz 4 BNotO werden die Mitglieder der Aufgabenkommission von der Leitung des Prüfungsamts im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat bestellt. Der beim Prüfungsamt eingerichtete Verwaltungsrat übt die Fachaufsicht über dessen Leitung und die Aufgabenkommission aus (§ 7g Abs. 5 Sätze 1 und 2 BNotO). Er besteht aus einem vom Bundesministerium der Justiz, einem von der Bundesnotarkammer und drei einvernehmlich von den Landesjustizverwaltungen, in deren Bereich Anwaltsnotare bestellt werden, benannten Mitgliedern (§ 7g Abs. 5 Satz 3 BNotO).

[20] (2) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats nicht den oben genannten Grundsätzen entsprechend bestimmt worden sind, ergeben sich aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Klägerin stützt sich vielmehr auf die rein theoretische Möglichkeit, dass der Verwaltungsrat nicht gesetzmäßig besetzt sein könnte. Die Vorinstanz ist insoweit im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass eine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 86 VwGO) nicht bedeutet, auf bloße von einem Beteiligten geäußerte allgemeine Zweifel hin in eine Fehlersuche einzutreten (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1997, 82, 83).

[21] Ob dies vorliegend deswegen anders zu bewerten ist, weil der Klägerin, der die Einsicht in die entsprechenden Verwaltungsvorgänge versagt worden ist, die Besetzung des Verwaltungsrats und deren Zustandekommen unbekannt sind, kann indessen dahinstehen. Denn selbst wenn man unterstellt, es habe bei der Besetzung des Verwaltungsrats Fehler gegeben, hätte dies auf die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Prüfungsentscheidung keinen Einfluss.

[22] (a) Ernennungs- und Besetzungsfehler lassen grundsätzlich die Wirksamkeit einer Verwaltungsentscheidung eines - möglicherweise - fehlerhaft gebildeten Organs oder eines fehlerhaft berufenen Amtsträgers unberührt, ohne dass es dafür einer besonderen gesetzlichen Regelung im Sinne einer "Erhaltensvorschrift" bedürfte (vgl. BVerwG, NJW 1988, 219 und BeckRS 1986, 5975 Rn. 5; OVG Lüneburg, BeckRS 2019, 33376 Rn. 5 f; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Juni 2012 - 14 B 371/12, juris Rn. 23 und BeckRS 1999, 20906 Rn. 20). Eine Regel, nach der ein Staatsakt allein deshalb, weil das kollegiale Organ, das ihn erlassen hat, falsch zusammengesetzt ist, unwirksam ist, gibt es nicht (BVerfGE 31, 47, 53). Etwas anderes wäre mit dem Prinzip der Rechtssicherheit, die ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit ist, auch nur schwer zu vereinbaren.

[23] (b) Im Prüfungsverfahren führt ein Verfahrensfehler grundsätzlich nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn er wesentlich ist und somit ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann (Bay.VGH, Beschluss vom 18. Mai 2016 - 7 CE 15.2806, juris Rn. 22). Mit Blick auf die Aufgabenvielfalt des Verfahrensrechts muss überdies ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verfahrensfehler und der geltend gemachten Rechtsverletzung bestehen, der nur dann anzunehmen ist, wenn im Gefüge der Verfahrenshandlungen gerade die einschlägige Verfahrensbestimmung eine Schutzaufgabe für die materiell-rechtliche Position des Klägers hat (vgl. zB VGH Mannheim, BeckRS 2014, 47666 [S. 9] m.zahlr.w.N.).

[24] Beides ist nicht der Fall.

[25] (aa) Bei der Bestellung der Verwaltungsratsmitglieder handelt es sich um einen weit im Vorfeld einer konkreten Prüfungssituation liegenden Akt. Der mit der Gestaltung der Prüfung nicht befasste Verwaltungsrat ist ein reines Verwaltungs- bzw. Kontrollorgan, das keinen unmittelbaren Einfluss auf die von der Aufgabenkommission ausgewählten Prüfungsaufgaben geschweige denn auf das konkrete Klausurergebnis hat. Daran ändert es nichts, dass der Verwaltungsrat durch seine Aufsichtsfunktion die Möglichkeit hat, den Mitgliedern der Aufgabenkommission im Einzelfall Weisungen zu erteilen, die gegebenenfalls auch die Auswahl der Klausuren betreffen können. Über eine entfernte mittelbare Wirkung geht dies nicht hinaus. Der Verwaltungsrat nimmt nicht unmittelbar am Prüfungsverfahren der einzelnen Prüflinge teil, er beurteilt nicht ihre Leistungen und nimmt dementsprechend ihnen gegenüber keinen Beurteilungsspielraum in Anspruch (OVG Lüneburg aaO Rn. 7).

[26] (bb) Es ist ferner nichts dafür ersichtlich, dass die vom Verwaltungsrat ausgeübte Fachaufsicht dem Schutz des einzelnen Prüflings dient. Der Verwaltungsrat soll maßgeblichen Einfluss auf die Ordnungsmäßigkeit des Prüfungswesens und das Niveau der notariellen Fachprüfung nehmen können (BT-Drs. 16/4972 S. 13). Ihm obliegt mithin vor allem die Überwachung des äußeren Rahmens des Prüfungsverfahrens und die Sicherung der Qualität des Prüfungswesens als solchem, nicht aber der Schutz der individuellen Interessen der Kandidaten. Die Entscheidungen des Verwaltungsrats sind - auch, soweit es die Fachaufsicht und in diesem Zusammenhang erteilte Einzelweisungen sowie das Einvernehmen bei der Besetzung der Aufgabenkommission anbelangt - vielmehr verwaltungs- und nicht prüfungsrechtlicher Natur (OVG Lüneburg aaO Rn. 7).

[27] dd) Auch die Anwesenheit der früheren Leiterin des Prüfungsamts und ihres Vertreters bei den Sitzungen der Aufgabenkommission im Jahr 2015 stellt keinen Verfahrensfehler dar, der die Auswahl der Klausuren rechtswidrig machen und zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen würde.

[28] (1) Weder § 7g BNotO noch § 3 NotFV ist zu entnehmen, dass die Beschlüsse der Aufgabenkommission - anders die Beratung des die mündliche Prüfung abnehmenden Prüfungsausschusses (§ 7c Abs. 3 Satz 3 BNotO) - nicht in Anwesenheit dritter, nicht stimmberechtigter Personen gefasst werden dürfen. Eine entsprechende Vorschrift, die die Anwesenheit nicht stimmberechtigter Personen verbietet oder eine sonstige Geheimhaltungspflicht über den Inhalt der Beratungen anordnet, enthält die Verordnung - anders als etwa die von der Klägerin in Bezug genommenen §§ 192, 193 GVG, die den Ergänzungsrichter und dessen Ausschluss bei den Beratungen betreffen, oder § 43 DRiG, der das allgemeine Beratungsgeheimnis regelt - nicht. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der Bundesnotarordnung. Eine Pflicht zur Geheimhaltung wäre auch mit dem Einzelweisungsrecht des Verwaltungsrats gegenüber der Prüfungsamtsleitung und der Aufgabenkommission nicht zu vereinbaren. In der Sache wäre sie - jedenfalls gegenüber dem Leiter des Prüfungsamts und seines Stellvertreters, die zwangsläufig mit den Klausuraufgaben befasst werden - zudem nicht zweckmäßig.

[29] Gegen das Erfordernis einer geheimen Abstimmung spricht auch, dass die Aufgabenkommission gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 NotFV ihre Beschlüsse bereits nicht zwingend in Präsenz ihrer Mitglieder fassen muss. Zur Erleichterung des Verfahrens besteht vielmehr die Möglichkeit, dass auch abwesende Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen. Dies geschieht grundsätzlich dadurch, dass sie ihre schriftliche Stimme durch ein anderes Mitglied überreichen lassen. Aber auch andere schriftliche, fernmündliche oder sonstige vergleichbare Formen der Beschlussfassung sind zulässig, sofern kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Bei all diesen Formen der Willensbildung lässt sich jedoch nicht sicherstellen, dass bei Abgabe der Stimme des nicht vor Ort anwesenden Mitglieds nicht noch weitere - dem Ausschuss nicht angehörige - Personen gegenwärtig sind und von dem Verlauf und dem Ergebnis der Abstimmung Kenntnis erlangen.

[30] (2) Um die Teilnahme Dritter an der Beratung der Prüfungskommission, die zu einer Wiederholung des davon betroffenen Prüfungsverfahren führt (vgl. dazu etwa BFHE 239, 280, Rn. 18 f, 27), geht es nicht. Wie bereits ausgeführt, steht keine Entscheidung der Prüfungskommission im Raum, sondern eine der Vorbereitung der Prüfung dienende vorgelagerte Zwischenentscheidung.

[31] (3) Ohnehin gibt es keinen Anhalt dafür, dass die Prüfungsamtsleiterin und/oder ihr Stellvertreter die Auswahlentscheidung beeinflusst haben könnten.

[32] b) Die ursprünglich von der Klägerin beanstandete Bewertung der Aufsichtsarbeit F20-59 ist nicht mehr Gegenstand des Zulassungsverfahrens.

[33] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 111g Abs. 1 BNotO, § 52 Abs. 2 GKG.

Herrmann Roloff Böttcher

Brose-Preuß Hahn

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