BGH, Beschluss vom 19. November 2020 - IX ZB 14/20

22.03.2021

BUNDESGERICHTSHOF

vom

19. November 2020

in dem Verbraucherinsolvenzverfahren


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


InsO § 89; ZPO § 850k


Die Verstrickung einer gepfändeten Forderung kann während eines Insolvenzverfahrens dadurch beseitigt werden, dass das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben (Abgrenzung von BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015

- VII ZB 42/14, WM 2016, 133).


BGH, Beschluss vom 19. November 2020 - IX ZB 14/20 - LG Hannover, AG Hameln


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Grupp, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Schoppmeyer, Röhl und die Richterin Dr. Selbmann

am 19. November 2020

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 6. März 2020 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe:

[1] I. Der abhängig beschäftigte Schuldner ist Inhaber eines Pfändungsschutzkontos gemäß § 850k ZPO. Im Jahre 2017 pfändete die weitere Beteiligte zu 2 unter anderem die Ansprüche des Schuldners gegen die kontoführende Bank auf Zahlung der zu seinen Gunsten bestehenden Guthaben einschließlich der Ansprüche auf Gutschrift der eingehenden Beträge.

[2] Auf Eigenantrag des Schuldners vom 29. August 2018 wurde am 30. April 2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Der weitere Beteiligte zu 1 wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 17. Juni 2019 stellte das Insolvenzgericht fest, dass die auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners eingehenden Gutschriften nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst würden. Die jeweils bis zum Ende des Kalendermonats nicht verbrauchten Gutschriften, die durch den Arbeitgeber überwiesen werden würden, würden im folgenden Kalendermonat nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst. Das auch im Folgemonat nicht verbrauchte Guthaben aus diesen Überweisungen unterliege nach dem "First-in-first-out-Prinzip" im übernächsten Monat dem Insolvenzbeschlag.

[3] Mit Schriftsatz vom 27. September 2019 hat der weitere Beteiligte zu 1 die Aufhebung des das Pfändungsschutzkonto betreffenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verlangt. Mit Beschluss vom 11. November 2019 hat das Insolvenzgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben und die auf der Grundlage dieses Beschlusses erfolgte Pfändung für unzulässig erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einschließlich der Verstrickung bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausgesetzt werde. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will der weitere Beteiligte zu 1 die Wiederherstellung des Beschlusses des Insolvenzgerichts und damit die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erreichen.

[4] II. Die kraft Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) sowie rechtzeitig eingelegte und begründete (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

[5] 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Zwangsvollstreckung in Forderungen des Schuldners hinsichtlich solcher Beträge, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das Pfändungsschutzkonto eingegangen seien, sei gemäß § 89 Abs. 1 InsO unzulässig. Insoweit liege eine Pfändung künftiger Forderungen vor, die erst mit der Entstehung der Forderungen wirksam werde. Gleichwohl sei die öffentlich-rechtliche Verstrickung eingetreten. Einer Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bedürfe es jedoch nicht. Die Rechte des Vollstreckungsgläubigers dürften nicht mehr als nötig beschränkt werden. Es reiche aus, die Verstrickung durch Aussetzung der Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu beseitigen, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben und den Gläubiger damit um den Rangvorteil zu bringen. Einer Aussetzung der Vollstreckung stehe nicht die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entgegen, nach welcher die Möglichkeiten zur Aufhebung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung in der Zivilprozessordnung abschließend geregelt seien (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 - VII ZB 42/14, WM 2016, 133). Die genannte Entscheidung betreffe nur die fehlende Dispositionsbefugnis des Vollstreckungsgläubigers.

[6] 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

[7] a) Das Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO ist nicht in jeder Hinsicht unpfändbar. Die Vorschrift des § 850k ZPO gewährt dem Kontoinhaber einen nicht von einem Antrag abhängigen Pfändungsschutz. In Höhe des monatlichen Freibetrages kann der Pfändungsschuldner bis zum Ende des Kalendermonats verfügen. Soweit er diesen Betrag im jeweiligen Kalendermonat nicht ausgeschöpft hat, bleibt das verbliebene Guthaben im Folgemonat zusätzlich zum geschützten Guthaben dieses Monats pfändungsfrei. Pfändbar ist der nicht verbrauchte Übertrag erst im zweiten auf die Gutschrift folgenden Monat, wobei Verfügungen des Schuldners jeweils auf das älteste Guthaben anzurechnen sind (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 - IX ZR 3/17, WM 2017, 2303 Rn. 14). Um die Überträge des geschützten Guthabens auf den übernächsten Monat geht es hier. Den Anspruch des Schuldners gegen die kontoführende Bank auf Auszahlung der aus den beschriebenen Überträgen folgenden Guthaben hat die weitere Beteiligte zu 2 nach dem festgestellten Sachverhalt wirksam gepfändet.

[8] b) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte auf die Beschlagnahme der genannten Guthaben und deren damit eingetretene Verstrickung keinen Einfluss. Ein Zugriff auf die von Pfändungsmaßnahmen eines Gläubigers erfassten Gegenstände ist auch im Insolvenzverfahren erst möglich, wenn die Wirkungen der Verstrickung beseitigt sind. Wird die Vollstreckungsmaßnahme nicht von Amts wegen aufgehoben, muss der Insolvenzverwalter die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung mit den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen geltend machen (BGH, Urteil vom 21. September 2017 - IX ZR 40/17, WM 2017, 2037 Rn. 12).

[9] Das gilt auch hinsichtlich der künftigen, erst nach der Eröffnung entstehenden Guthaben. Insoweit liegt eine Pfändung künftiger Forderungen vor, die erst mit Entstehung der jeweiligen Forderung wirksam wird. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in die Insolvenzmasse zwar gemäß § 89 Abs. 1 InsO unzulässig. Ein Pfändungspfandrecht oder ein materiell-rechtliches Verwertungsrecht an der jeweiligen Forderung kann nicht mehr entstehen (BGH, Urteil vom 21. September 2017, aaO Rn. 15). Ein Verstoß gegen § 89 Abs. 1 InsO hindert jedoch nicht die öffentlich-rechtliche Verstrickung. Diese dauert auch bei einer unter Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot vorgenommenen Vollstreckungshandlung solange an, bis ihre förmliche Aufhebung erfolgt (BGH, Urteil vom 21. September 2017, aaO mwN).

[10] c) Die Verstrickung einer gepfändeten Forderung kann während eines Insolvenzverfahrens dadurch beseitigt werden, dass das zuständige Vollstreckungsorgan die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 217/08, NZI 2011, 365 Rn. 10 ff; Urteil vom 21. September 2017 - IX ZR 40/17, WM 2017, 2037 Rn. 14).

[11] aa) Der Beschluss vom 24. März 2011 (aaO) und das Urteil vom 21. September 2017 (aaO) gehören in eine Reihe von Entscheidungen, in welchen der Senat die in der Insolvenzordnung angeordnete Unwirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte (gegenseitige Verträge, § 103 InsO; anfechtbare Aufrechnung, § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO; Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im letzten Monat, im Verbraucherinsolvenzverfahren in den letzten drei Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 88 InsO) auf das Insolvenzverfahren begrenzt hat (insolvenzrechtliche Unwirksamkeit, vgl. hierzu Kreft, in Festschrift für Gero Fischer, 2008, S. 297 ff mit Nachweisen der Rechtsprechung). Allen Entscheidungen gemeinsam ist das Bestreben, die Rechte der betroffenen Gläubiger nur solange und soweit zu beschränken, wie es für die ordnungsgemäße Durchführung des Insolvenzverfahrens, insbesondere die Sammlung der Insolvenzmasse zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 1 InsO) erforderlich ist.

[12] bb) Mit Beschluss vom 24. März 2011 (IX ZB 217/08, NZI 2011, 365 Rn. 10 ff) hat der Senat die Aussetzung des Vollzugs einer Forderungspfändung bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens gebilligt. Es ging um die Pfändung eines Rentenanspruchs, welche gemäß § 114 Abs. 3 Satz 1 InsO aF nur hinsichtlich der Bezüge für den Monat der Eröffnung, allenfalls auch hinsichtlich der Bezüge für den Folgemonat wirksam war. Der Drittschuldner, ein Sozialversicherungsträger, beantragte die Aufhebung der Pfändung. Das Insolvenzgericht setzte die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus, ohne die Pfändung aufzuheben. Sofortige Beschwerde und Rechtsbeschwerde der Drittschuldnerin blieben ohne Erfolg. Mehr als eine Aussetzung der Zwangsvollstreckung war für die Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht erforderlich. Die Rentenansprüche des Schuldners, die während der Dauer des Insolvenzverfahrens entstanden, konnten so vom Insolvenzverwalter eingezogen werden.

[13] Eine Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hätte sich erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ausgewirkt, hätte der Masse also keine weitergehenden Vorteile gebracht. Sie hätte aber die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition des Pfändungsgläubigers beeinträchtigt, der - die weitere Durchsetzbarkeit seiner Forderung unterstellt - nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Pfändung hätte ausbringen müssen. Eine Aussetzung vermied diesen Nachteil. Die Nutzung dieser Möglichkeit war nach dem Gesetzeszweck und den Anforderungen des grundrechtlichen Eigentumsschutzes zwingend geboten. Der Pfändungspfandgläubiger hätte ansonsten insbesondere den vom ersten Pfändungsbeschlag begründeten Zeitrang seines Pfändungspfandrechts aufzuopfern, ohne dass die Zwecke des Insolvenzverfahrens oder der möglichen Restschuldbefreiung dies rechtfertigen konnten. Dass die Zwangsvollstreckung später wegen der Erteilung der Restschuldbefreiung eingestellt werden würde, stand im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag der Drittschuldnerin noch nicht fest.

[14] cc) Mit Urteil vom 21. September 2017 (IX ZR 40/17, WM 2017, 2037 Rn. 14) hat der Senat die Begründung für eine Aussetzung der Vollziehung anstelle einer Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dahingehend präzisiert, dass es auf die Beseitigung der Verstrickung für die Dauer des Insolvenzverfahrens ankommt. Ein Pfändungspfandrecht oder ein materiell-rechtliches Verwertungsrecht kann nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon gemäß § 89 InsO nicht entstehen. Auch eine nach § 89 InsO unwirksame Vollstreckungsmaßnahme führt jedoch zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung des gepfändeten Vermögensgegenstandes. Diese wird bereits dadurch beseitigt, dass das Vollstreckungsorgan die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt (BGH, Urteil vom 21. September 2017, aaO). Die Rechte des Vollstreckungsgläubigers dürfen nicht mehr und nicht länger begrenzt werden, als es zur Erreichung der Insolvenzziele erforderlich ist (BGH, Urteil vom 21. September 2017, aaO Rn. 18).

[15] dd) In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Fachliteratur wird eine Aussetzung der Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses allerdings teilweise mit der Begründung in Zweifel gezogen, die Zivilprozessordnung sehe eine Aussetzung der Vollziehung nicht vor (vgl. etwa AG Essen, NZI 2018, 671, 672; AG Göttingen, NZI 2019, 82 f; AG Marburg, NZI 2019, 809; LG Frankfurt am Main, NZI 2020, 390 Rn. 12 mit krit. Anm. Böhme; Cranshaw, EWiR 2020, 181; ders., jurisPR-InsR 3/2020 Anm. 1; die Möglichkeit einer Aussetzung bejahend dagegen AG Dresden, ZInsO 2018, 1581; AG Zeitz NZI 2019, 82; AG Hamburg-Altona, NZI 2019, 673 Rn. 9; LG Flensburg, ZInsO 2020, 786, 787 f; vgl. weiter den Überblick bei Lissner, ZInsO 2020, 645, 648). Hintergrund des unterschiedlichen Umgangs mit Anträgen auf Aufhebung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist ein Beschluss des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2015 (VII ZB 42/14, WM 2016, 133 Rn. 8). Dieser Entscheidung zufolge ist es nicht zulässig, die mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss einhergehenden Rechtswirkungen derart einzuschränken, dass unter Wahrung des Rangs des Pfändungsgläubigers die Pfändungswirkungen im Übrigen vorläufig entfallen. Ein einstweiliger Verzicht auf die Wirkungen des Pfandrechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten Verstrickung sei wegen des Zusammenhangs von Beschlagnahme und Pfandrecht ausgeschlossen. Eine gesetzliche Grundlage hierfür gebe es nicht. Die in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Möglichkeiten der Beschränkung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgericht oder ein anderes Vollstreckungsorgan seien im Hinblick auf das streng formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren als abschließend anzusehen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015, aaO Rn. 7 f).

[16] (1) Das Beschwerdegericht hat keinen Widerspruch zwischen den Entscheidungen des erkennenden Senats und des VII. Zivilsenats gesehen, weil es im Beschluss vom 2. Dezember 2015 nur um die Umsetzung einer vollstreckungsbeschränkenden Vereinbarung und die damit verbundenen Befugnisse des Vollstreckungsgläubigers gegangen sei (ebenso AG Hamburg-Altona, NZI 2019, 673 Rn. 12 f; LG Flensburg, ZInsO 2020, 786, 787). Diese Begründung trifft nicht zu. Das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für eine vom Vollstreckungsgläubiger gewünschte Maßnahme beschränkt die Möglichkeiten des Vollstreckungsgerichts ebenso wie diejenigen des Vollstreckungsgläubigers.

[17] (2) Gleichwohl war es im Ergebnis zutreffend, zwischen den Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einerseits, denjenigen einer vollstreckungsbeschränkenden Vereinbarung zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner andererseits zu unterscheiden. Der Beschluss des VII. Zivilsenats vom 2. Dezember 2015 (aaO) betraf eine Zwangsvollstreckung außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner hatten eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen. Zu deren Absicherung hatten sie vereinbart, dass der Vollstreckungsschuldner bis auf Widerruf oder bis zu einer weiteren Pfändung durch einen nachrangigen Gläubiger frei über das gepfändete Konto sollte verfügen können.

[18] Der VII. Zivilsenat hat einerseits auf die berechtigten Interessen der Drittschuldnerin, der kontoführenden Bank also, verwiesen, die an der vollstreckungsbeschränkenden Vereinbarung nicht beteiligt, der aber eine Mitwirkungspflicht

- das "Sperren" des Kontos für den Vollstreckungsschuldner im Falle des Widerrufs oder einer nachrangigen Pfändung - auferlegt worden war. Der Hinweis ist berechtigt. Eine dreiseitige Vereinbarung des beschriebenen Inhalts wäre unabhängig von den Möglichkeiten, welche die Zivilprozessordnung bietet, ohne weiteres umzusetzen gewesen. Die gerichtliche Anordnung sollte möglicherweise die fehlende Zustimmung der Drittschuldnerin ersetzen. Im Falle einer gerichtlichen Anordnung einer Aussetzung der Vollziehung bedarf es der Zustimmung des Drittschuldners nicht. Bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder bis zum Erlass einer anderslautenden Entscheidung des Insolvenzgerichts als des zuständigen Vollstreckungsgerichts ist der Drittschuldner an die gerichtliche Anordnung gebunden. Nur der Insolvenzverwalter darf über das gepfändete Konto (oder die sonstige gepfändete Forderung) verfügen.

[19] Andererseits hat der VII. Zivilsenat das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für eine Ruhendstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss durch gerichtliche Feststellung betont. Eine Anordnung des Inhalts, dass der Pfändungsschuldner über ein gepfändetes Konto verfügen darf, die Pfändung einschließlich der öffentlich-rechtlichen Verstrickung als solche aber bestehen bleibt, ist in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehen. Über diesen Umstand hat sich der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung hinweggesetzt. Nach erneuter Überprüfung hält der Senat an seiner ausschließlich auf Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Insolvenzverfahren bezogenen Rechtsprechung fest. Die Aussetzung der Vollziehung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist im Rahmen eines Insolvenzverfahrens trotz Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage in der Zivilprozessordnung zur Wahrung der Rechte des Pfändungspfandgläubigers aus Art. 14 Abs. 1 GG zulässig und geboten.

[20] Entgegen der Ansicht von Cranshaw (jurisPR-InsR 3/2020 Anm. 1 unter C.VI, Anmerkung zum Beschluss des LG Flensburg, Beschluss vom 28. Oktober 2019 - 5 T 198/19) gilt dies auch hinsichtlich künftiger Forderungen, die erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Wenn dem Schuldner Restschuldbefreiung gewährt wird, ist die der Pfändung zugrundeliegende Forderung des Pfändungsgläubigers zwar nicht mehr durchsetzbar (§ 301 Abs. 1 InsO). Solange aber nicht feststeht, ob dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt werden wird, kann ein berechtigtes Interesse des Pfändungsgläubigers am rangwahrenden Fortbestand der Pfändung nicht verneint werden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 217/08, NZI 2011, 365 Rn. 14).

[21] Die Frage, ob nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Wege der Konvaleszenz Pfändungspfandrechte an vom Insolvenzverwalter trotz einer Aussetzung der Vollziehung nicht eingezogenen Forderungen entstehen können, die von einer Restschuldbefreiung gemäß § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht berührt werden (vgl. Cranshaw, aaO), dürfte eher theoretischer Natur sein. Selbst wenn der beschriebene Fall einträte, der Pfändungsgläubiger sich also wegen seiner der Restschuldbefreiung unterfallenden Forderung aus gepfändeten und vom Insolvenzverwalter nicht verwerteten Gutschriften befriedigen könnte, stünde dies den Zielen des Insolvenzverfahrens, insbesondere der dem redlichen Schuldner einzuräumenden Gelegenheit, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 Satz 2 InsO), nicht entgegen. Der wirtschaftliche Neubeginn des Schuldners betrifft Vermögen, welches der Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erwirbt, nicht aber Vermögen, welches zur Insolvenzmasse gehörte. Den Gläubigern, zu deren Befriedigung die während des Insolvenzverfahrens eingegangenen Gutschriften einzusetzen gewesen wären (§ 1 Satz 1 InsO), stünden gegen den Verwalter, der diese Gutschriften nicht eingesetzt hat, ein auf

den Ersatz des Quotenschadens gerichteter Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten zu.

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