BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 - I ZR 205/22
BUNDESGERICHTSHOF
Verkündet am:
23. Januar 2024
HemmingerJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Richtlinie (EU) 2015/2436 Art. 10 Abs. 3 Buchst. b
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 336 vom 23. Dezember 2015, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Kann es der Inhaber einer nationalen Marke gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 verbieten lassen, dass eine Person im Ausland markenverletzende Ware zu dem Zweck besitzt, die Ware im Schutzland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen?
2. Kommt es für den Begriff des Besitzes im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 auf eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf markenverletzende Ware an oder reicht die Möglichkeit aus, auf denjenigen einwirken zu können, der den tatsächlichen Zugriff auf diese Ware hat?
BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 - I ZR 205/22 - OLG Nürnberg, LG Nürnberg-Fürth
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. August 2023 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und die Richter Feddersen und Odörfer
beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 336 vom 23. Dezember 2015, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Kann es der Inhaber einer nationalen Marke gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 verbieten lassen, dass eine Person im Ausland markenverletzende Ware zu dem Zweck besitzt, die Ware im Schutzland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen?
2. Kommt es für den Begriff des Besitzes im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 auf eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf markenverletzende Ware an oder reicht die Möglichkeit aus, auf denjenigen einwirken zu können, der den tatsächlichen Zugriff auf diese Ware hat?
Gründe:
[1] A. Der Kläger ist Inhaber der unter anderem für "Taucherapparate, Taucheranzüge, Taucherhandschuhe, Tauchermasken und Atemgeräte zum Tauchen" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Wort-Bild-Marken Nr. 30426551
und Nr. 30426550
.
[2] Die in Spanien geschäftsansässige Beklagte bewarb beziehungsweise bot über die von ihr betriebene Internetseite www.s. .com sowie über die
Handelsplattform www.amazon.de Tauchzubehör unter Verwendung der Marken des Klägers an. Dabei wurden teilweise Produktfotos verwendet, die Waren mit den Marken des Klägers zeigten.
[3] Unter anderem bewarb die Beklagte unter den Marken des Klägers über die Handelsplattform www.amazon.de eine Trimmbleitasche, die der Kläger am 8. Juni 2019 im Rahmen eines Testkaufs erwarb. Weder auf der Verpackung noch auf der gelieferten Trimmbleitasche waren die Marken des Klägers aufgedruckt.
[4] Der Kläger hat nach erfolgloser Abmahnung vom 15. September 2020 beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr die in Rede stehenden Zeichen (die deutschen Wort-Bild-Marken Nr. 30426551 und/oder Nr. 30426550 des Klägers) in der Bundesrepublik Deutschland für Tauchzubehör zu benutzen, insbesondere die Zeichen auf Tauchzubehör oder dessen Aufmachung oder Verpackung anzubringen, unter diesen Zeichen Tauchzubehör anzubieten, herzustellen, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen, hierfür zu werben oder dieses zu den vorgenannten Zwecken zu besitzen.
[5] Außerdem hat er die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten, Auskunftserteilung und Erstattung von Abmahnkosten nebst Zinsen begehrt.
[6] Die Beklagte hat die Klageforderung anerkannt, soweit der Kläger beantragt hat, sie zu verurteilen, es zu unterlassen, unter den Marken Tauchzubehör anzubieten oder hierfür zu werben, und soweit der Kläger - auf diese Handlungen bezogen - Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht begehrt hat.
[7] Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilanerkenntnis- und Endurteil entsprechend ihrem Anerkenntnis verurteilt und dem Kläger außerdem Abmahnkosten in Höhe von 1.398,25 € nebst Zinsen zugesprochen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.
[8] Auf die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Unterlassungsverurteilung der Beklagten durch die Worte ergänzt "sowie zu vertreiben oder zu vorgenanntem Zweck zu besitzen", die darauf bezogenen Folgeanträge auf diese Tathandlungen erstreckt und die Beklagte außerdem zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 1.822,96 € nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen (OLG Nürnberg, GRUR 2023, 260).
[9] Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
[10] B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 ab. Vor einer Entscheidung über die Revision ist daher das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
[11] I. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als zulässig und teilweise begründet angesehen. Zur Begründung hat es - soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung - ausgeführt:
[12] Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei nach Art. 7 Nr. 2 sowie Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO) gegeben.
[13] Der Verletzungsunterlassungsanspruch erstrecke sich über die von der Beklagten anerkannten Verletzungshandlungen "bewerben" und "anbieten" hinaus auf die dazu kerngleichen Handlungen "vertreiben" und "besitzen". Insoweit sei von dem Grundsatz auszugehen, dass alle Handlungsmodalitäten des § 14 Abs. 3 MarkenG kerngleich seien und sich bei Verwirklichung nur einer der Handlungsmodalitäten die Vermutung der Wiederholungsgefahr auch auf die anderen erstrecke. Es erscheine nach Lage der Dinge nicht völlig fernliegend, dass die Beklagte markenverletzende Produkte nicht nur über das Internet beworben und angeboten habe, sondern dass sie die beworbenen und angebotenen Produkte auch vertrieben und besessen habe. Hinsichtlich der Benutzungshandlungen "vertreiben" und "besitzen" bestünden auch die geltend gemachten Annexansprüche auf Schadensersatzfeststellung und Auskunftserteilung.
[14] Dem Kläger stehe bei einer vollständig berechtigten Abmahnung ein Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 1.822,96 € nebst Zinsen zu. Eine Reduzierung dieses Anspruchs unter dem Gesichtspunkt einer nur teilweise berechtigten Abmahnung komme entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht in Betracht.
[15] II. Die Klage ist zulässig (dazu B II 1). Der Erfolg der Revision der Beklagten hängt von der Auslegung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 ab (dazu B II 2).
[16] 1. Die Klage ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 20/17, GRUR 2021, 730 [juris Rn. 16] = WRP 2021, 471 - Davidoff Hot Water IV; Urteil vom 14. Juli 2022 - I ZR 121/21, GRUR 2022, 1675 [juris Rn. 29] = WRP 2022, 1519 - Google-Drittauskunft, jeweils mwN), ergibt sich für die in Spanien ansässige Beklagte jedenfalls aus ihrer rügelosen Einlassung gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Brüssel-Ia-VO. Die Beklagte hat sich auf die Klage insgesamt eingelassen, ohne hinsichtlich der verschiedenen vom Kläger als markenrechtsverletzend angesehenen Tathandlungen die internationale Zuständigkeit der angerufenen deutschen Gerichte zu rügen.
[17] 2. Soweit sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts wendet, dass die Beklagte wegen des Besitzes von die Marken des Klägers verletzendem Tauchzubehör zu verurteilen ist, hängt der Erfolg des Rechtsmittels von klärungsbedürftigen Fragen zur Auslegung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 ab. Hiervon hängt außerdem ab, ob die insoweit erfolgte Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und zur Feststellung ihrer Schadensersatzverpflichtung zu Recht erfolgt ist.
[18] a) Die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Rom-II-VO) ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Nach diesem Recht sind insbesondere das Bestehen des Rechts, die Rechtsinhaberschaft des Verletzten, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie der Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Rechtsverletzung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2022, 1675 [juris Rn. 31] - Google-Drittauskunft, mwN). Da Gegenstand der Klage Ansprüche wegen einer Verletzung von deutschen Marken sind, ist im Streitfall deutsches Markenrecht anzuwenden.
[19] b) Die vom Kläger beanstandete Zeichenbenutzung weist den erforderlichen wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug auf.
[20] aa) Aufgrund des im Immaterialgüterrecht maßgeblichen Territorialitätsprinzips beschränkt sich der Schutzbereich einer inländischen Marke auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Ein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 und Abs. 5 MarkenG sowie Ansprüche auf Schadensersatz und Auskunftserteilung nach § 14 Abs. 6 und § 19 Abs. 1 MarkenG setzen deshalb eine das Kennzeichenrecht verletzende Benutzungshandlung im Inland voraus (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004 - I ZR 163/02, GRUR 2005, 431 [juris Rn. 21] = WRP 2005, 493 - HOTEL MARITIME; Urteil vom 7. November 2019 - I ZR 222/17, GRUR 2020, 647 [juris Rn. 25] = WRP 2020, 730 - Club Hotel Robinson). Diese ist regelmäßig gegeben, wenn im Inland unter dem Zeichen Waren oder Dienstleistungen angeboten werden (BGH, GRUR 2005, 431 [juris Rn. 21] - HOTEL MARITIME; BGH, Urteil vom 8. März 2012 - I ZR 75/10, GRUR 2012, 621 [juris Rn. 34] = WRP 2012, 716 - OSCAR; Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 134/16, GRUR 2018, 417 [juris Rn. 37] = WRP 2018, 466 - Resistograph). Allerdings löst nicht jedes im Inland abrufbare Angebot für Dienstleistungen oder Waren aus dem Ausland im Internet bei Doppelidentität oder Verwechslungsgefahr mit einem inländischen Kennzeichen kennzeichenrechtliche Ansprüche aus. Erforderlich ist vielmehr, dass das Angebot einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug ("commercial effect") aufweist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das beanstandete Verhalten seinen Schwerpunkt im Inland und nicht im Ausland hat. Hat das beanstandete Verhalten seinen Schwerpunkt im Ausland, ist aufgrund einer Gesamtabwägung der Umstände festzustellen, ob ein hinreichender wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug besteht (vgl. BGH, GRUR 2018, 417 [juris Rn. 37] - Resistograph, mwN; GRUR 2020, 647 [juris Rn. 28] - Club Hotel Robinson).
[21] bb) Das der Beklagten vorgeworfene Verhalten hat seinen Schwerpunkt nicht im Ausland, sondern im Inland. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte über in Deutschland abrufbare und bestimmungsgemäß an den inländischen Verkehr gerichtete Internetauftritte Produkte markenverletzend beworben und angeboten hat. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte unter den Klagemarken angebotene und beworbene Waren nach Deutschland geliefert und in Deutschland in Verkehr gebracht hat. Diese Verletzungshandlungen begründen den erforderlichen Inlandsbezug, auch wenn die Beklagte in Spanien geschäftsansässig ist, ein europäisches Online-Verkaufsnetzwerk unterhält, nicht nur nach Deutschland liefert und die von ihr vertriebenen Waren in Spanien besitzt. Da das der Beklagten vorgeworfene Verhalten seinen Schwerpunkt im Inland und nicht im Ausland hat, bedarf es keiner besonderen, im Wege der Gesamtabwägung der betroffenen Interessen und Umstände zu treffenden Feststellungen, ob das beanstandete Verhalten einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug hat.
[22] c) Wer ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, kann nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 MarkenG vom Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht nach § 14 Abs. 5 Satz 2 MarkenG auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Sind die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 MarkenG erfüllt, so ist es insbesondere untersagt, unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen (§ 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG) sowie das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen (§ 14 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG). Diese Regelungen in § 14 Abs. 2 und 3 MarkenG setzen Art. 10 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. b und e der Richtlinie (EU) 2015/2436 um und sind daher richtlinienkonform auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 - I ZR 236/16, GRUR 2019, 165 [juris Rn. 15] = WRP 2019, 200 - keine-vorwerk-vertretung; Urteil vom 12. Januar 2023 - I ZR 86/22, GRUR 2023, 808 [juris Rn. 14] = WRP 2023, 715 - DACHSER).
[23] d) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zugrunde gelegt, dass die Beklagte Markenverletzungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MarkenG begangen hat, weil sie ohne Zustimmung des Klägers im geschäftlichen Verkehr mit den Klagemarken identische Zeichen für identische Waren benutzt hat. Es sei unstreitig, dass die Beklagte über die von ihr betriebene Internetseite sowie über die Handelsplattform www.amazon.de markenverletzende Produkte angeboten und beworben habe. Das Berufungsgericht hat insoweit auch angenommen, dass Wiederholungsgefahr bestehe. Diese Beurteilung steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Die Beklagte hat die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche in Bezug auf die Benutzungshandlungen "bewerben" und "anbieten" von Tauchzubehör bereits erstinstanzlich anerkannt.
[24] e) Die Angriffe der Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger über die von der Beklagten anerkannten Ansprüche in Bezug auf die Verletzungshandlungen "anbieten" und "bewerben" hinaus auch hinsichtlich der Handlungsmodalität des Vertriebs die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche zustehen (§14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 und 6, Abs. 5 Satz 1, Abs. 6, § 19 Abs. 1 MarkenG), haben nach Auffassung des Senats keinen Erfolg.
[25] f) Soweit der Kläger eine Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung des Besitzes von Tauchzubehör erstrebt, stellen sich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung des Unionsrechts.
[26] aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, einer Verurteilung der Beklagten wegen des unbefugten Besitzens von mit den Klagemarken gekennzeichneten Waren, um sie in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, stehe nicht entgegen, dass die Beklagte ihren Sitz in Spanien habe und dort ihren Besitz ausübe. Das Besitzen zum Zweck des Anbietens oder des in den Verkehr Bringens sei ein typischer Vorfeldtatbestand, bei dem es nicht darauf ankomme, ob die grundsätzlich unternehmensinterne Tathandlung des Besitzes im Inland oder (europäischen) Ausland begangen werde. Entscheidend sei lediglich, dass der damit verbundene Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Inland entweder bereits eingetreten sei oder unmittelbar bevorstehe. Das Internetangebot der Beklagten richte sich bestimmungsgemäß an die deutschen Verkehrskreise, weshalb der Besitz unmittelbar zum Zweck des Anbietens im Inland erfolge. Das Besitzen erfolge darüber hinaus zum Zweck des Inverkehrbringens in Deutschland. Die Beklagte sei im EU-Ausland und im Schengenraum ansässig, unterhalte ein europäisches Online-Verkaufsnetzwerk mit 17 einzelnen Stores und könne eingehende Bestellungen unmittelbar und mit dem Aufwand eines deutschen Händlers vergleichbar ausführen.
[27] bb) Der Senat legt die Entscheidungsformel und die Urteilsbegründung des Berufungsurteils dahingehend aus, dass das Berufungsgericht der Beklagten den Besitz markenverletzenden Tauchzubehörs zu dem Zweck, es anzubieten und zu vertreiben, untersagt hat. In der Entscheidungsformel wird vom Satzbau und vom Wortlaut her die Untersagung des Besitzes von markenverletzender Ware zwar allein auf "den vorgenannten Zweck" des Vertreibens bezogen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass auch der Besitz zum Zweck des Anbietens markenverletzender Ware untersagt werden soll. Der Senat wird erforderlichenfalls in seinem Revisionsurteil die Entscheidungsformel des Berufungsurteils klarstellen.
[28] Die Entscheidungsformel ist ferner dahingehend auszulegen, dass das Berufungsgericht der Beklagten den Besitz zu den vorgenannten Zwecken in der Bundesrepublik Deutschland und im Königreich Spanien verboten hat. Das Berufungsgericht hat den Klageantrag insoweit zutreffend anhand der Klagebegründung ausgelegt.
[29] cc) Für die Verwirklichung der Handlungsmodalität des unberechtigten Besitzes von Waren gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG müssen als objektives Element der Besitz der markenrechtsverletzenden Ware und als subjektives Element der vorsätzliche Besitz mit dem Ziel, die Ware durch irgendein Rechtsgeschäft, einschließlich des Angebots, in den Verkehr zu bringen, erfüllt sein (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-567/18 vom 28. November 2019 Rn. 48). Da sich der Schutzbereich einer inländischen Marke auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, muss ein Angebot oder Inverkehrbringen markenverletzender Ware im Inland bezweckt sein.
[30] dd) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist auf Seiten der Beklagten das subjektive Element erfüllt. Sie besitzt die Klagemarken verletzendes Tauchzubehör mit dem Ziel, die Ware durch irgendein Rechtsgeschäft, einschließlich des Angebots, in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr zu bringen.
[31] ee) Fraglich ist jedoch, ob es der Inhaber einer nationalen Marke gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 verbieten lassen kann, dass eine Person im Ausland markenverletzende Ware zu dem Zweck besitzt, die Ware im Schutzland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen (Vorlagefrage 1).
[32] (1) Dem könnte das Territorialitätsprinzip entgegenstehen. Der im Immaterialgüterrecht maßgebliche Territorialitätsgrundsatz besagt nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs zum einen, dass die Bedingungen des Schutzes eines nationalen Schutzrechts sich nach dem Recht des Staates richten, in dem dieser Schutz begehrt wird, und zum anderen, dass nationale Immaterialgüterrechte lediglich einen auf das staatliche Territorium begrenzten Schutz genießen und nur im Inland vorgenommene Handlungen geahndet werden können (zum Warenzeichen- und Markenrecht vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 1994 - C-9/93, Slg. 1994, I-2789 = GRUR Int. 1994, 614 [juris Rn. 22] - IHT Internationale Heiztechnik und Danzinger [Ideal Standard]; Urteil vom 19. April 2012 - C-523/10, GRUR 2012, 654 [juris Rn. 25] - Wintersteiger; BGH, Urteil vom 25. April 2012 - I ZR 235/10, GRUR 2012, 1263 [juris Rn. 17, 23 f.] = WRP 2012, 1530 - Clinique happy; BGH, GRUR 2020, 647 [juris Rn. 25] - Club Hotel Robinson, mwN; zum Urheberrecht vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2005 - C-192/04, Slg. 2005, I-7199 = GRUR 2006, 50 [juris Rn. 46] - Lagardère Active Broadcast). Dies spräche dafür, dass derjenige, der im Ausland Waren besitzt, auch wenn dies zu dem Zweck von deren Angebot und deren Inverkehrbringen unter dem Zeichen im Inland geschieht, eine inländische Marke nicht verletzt.
[33] (2) Denkbar ist aber auch, es - wie das Berufungsgericht - für die Verletzung einer nationalen Marke ausreichen zu lassen, dass der Besitz im Ausland mit dem Ziel ausgeübt wird, die Ware unter dem Zeichen im Schutzland anzubieten und in den Verkehr zu bringen. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union zum Urheberrecht bereits entschieden, dass ein nur im Inland geschütztes Schutzrecht auch durch Handlungen verletzt werden kann, die im Ausland stattfinden. So nimmt ein im Ausland ansässiger Händler, der seine Werbung auf das Schutzland ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten schafft oder für sie zur Verfügung stellt oder dies einem Dritten erlaubt und Interessenten im Schutzland in die Lage versetzt, sich schutzrechtsverletzende Ware liefern zu lassen, im Schutzland eine schutzrechtsverletzende Handlung vor (zum Urheberrecht vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - C5/11, GRUR 2012, 817 [juris Rn. 30] = WRP 2012, 927 - Donner).
[34] (3) Die Vorlagefrage 1 ist anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zweifelsfrei zu beantworten. Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass das angerufene Gericht in dem Land, in dem das Immaterialgüterrecht Schutz genießt, hierfür auch Schutz gewähren kann, wenn der Schaden auf im Ausland vorgenommenen Handlungen beruht, die einen Schaden im Inland herbeiführen können. Das angerufene inländische Gericht ist dann lediglich für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verursacht worden ist, zu dem es gehört (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 - C-170/12, GRUR 2014, 100 [juris Rn. 39 und 47] = WRP 2013, 1456 - Pinckney/KDG Mediatech). Diese Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist allerdings nicht zu der Frage ergangen, ob eine Verletzung des in Rede stehenden inländischen Immaterialgüterrechts durch eine im Ausland begangene, aber auf das Inland ausgerichtete Handlung erfolgt ist, sondern zur Reichweite der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts des Schutzlandes. Auch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union "Donner" (EuGH, GRUR 2012, 817) beantwortet die Vorlagefrage 1 nicht. Sie ist nicht zum Markenrecht, sondern zum Urheberrecht ergangen. Es ging dort um die Frage, ob durch einen Vertrieb von Vervielfältigungsstücken aus dem Ausland das Verbreitungsrecht des Urhebers im Schutzland verletzt wird. Die Vorlagefrage 1 bezieht sich im Streitfall nicht darauf, ob der Beklagten das Angebot oder der Vertrieb aus dem Ausland ins Inland zu untersagen ist, sondern darauf, ob - gestützt auf eine nationale Marke - bereits der Besitz markenverletzender Ware im Ausland untersagt werden kann, der zum Zweck des Anbietens und des Vertriebs erfolgt. Hierzu verhält sich die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union "Donner" nicht.
[35] ff) Im Streitfall stellt sich weiter die Frage, ob es für den Begriff des Besitzes im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 auf eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf markenverletzende Ware ankommt, oder ob die Möglichkeit ausreicht, auf denjenigen einwirken zu können, der den tatsächlichen Zugriff auf diese Ware hat (Vorlagefrage 2).
[36] (1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten (vgl. EuGH, Urteil vom 3. September 2014 - C201/13, GRUR 2014, 972 [juris Rn. 14] = WRP 2014, 1181 - Deckmyn und Vrijheidsfonds; Urteil vom 13. Oktober 2022 - C-256/21, GRUR 2022, 1669 [juris Rn. 33] = WRP 2023, 40 - Gemeinde Bodman-Ludwigshafen). Da die Richtlinie (EU) 2015/ 2436 hinsichtlich des Begriffs des Besitzes nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, geht der Senat davon aus, dass dieser Begriff autonom und unionsweit einheitlich auszulegen ist.
[37] (2) Nach dem deutschen Recht ist der Begriff des Besitzes weit (vgl. BeckOGK.BGB/Götz, Stand 1. Oktober 2023, § 854 Rn. 25 bis 30). Nach § 854 Abs. 1 BGB wird der Besitz einer Sache durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben; der Besitz wird dadurch beendigt, dass der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert (§ 856 Abs. 1 BGB). Nach deutschem Recht fällt unter den Oberbegriff des Besitzes neben dem in den vorstehenden Vorschriften geregelten unmittelbaren, durch die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache gekennzeichneten Besitz auch der mittelbare Besitz. Besitzt jemand eine Sache aufgrund eines Verhältnisses, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist, so ist nach § 868 BGB auch der andere (mittelbarer) Besitzer. Bei einem - wie im Streitfall über das Internet zustande gekommenen - Versendungskauf wird nach deutschem Recht der jeweilige Logistikdienstleister, der die Ware vom Verkäufer zum Käufer transportiert, unmittelbarer Besitzer. Der Versender ist nach Übergabe der Ware an den Spediteur- oder Frachtführer ebenfalls Besitzer, allerdings nur mittelbarer Besitzer (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2001 - I ZR 13/99, TranspR 2001, 471 [juris Rn. 19]; BeckOK.BGB/?Fritzsche, 68. Edition [Stand 1. August 2023], § 854 Rn. 7; MünchKomm.BGB/?F. Schäfer, 9. Aufl., § 854 Rn. 1). Nach deutschem Recht übt deshalb die Beklagte, wenn sie die Versendung markenverletzender Ware beauftragt, in dem Augenblick, in dem die Ware nach Deutschland gelangt, in Deutschland den (mittelbaren) Besitz an dieser Ware aus. Dies könnte ihr - wie vom Kläger beantragt - bezogen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland untersagt werden, wenn der mittelbare Besitz, wie ihn das deutsche Recht kennt, als rechtsverletzender Besitz im Sinne von § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG und Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 anzusehen wäre.
[38] (3) Ob nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 eine solche Zurechnung des Besitzes Dritter zulässig ist, ist zweifelhaft.
[39] Der Generalanwalt hat in der Rechtssache "Coty" darauf hingewiesen, dass der Begriff "Besitz" sich nicht in allen Sprachfassungen von Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 über die Unionsmarke finde. Nur die französische ("détenir") und die deutsche Fassung ("besitzen") verwendeten Wörter, die mit dem Rechtsinstitut des Besitzes ("possessio") in unmittelbarem Zusammenhang stünden. Andere Fassungen, wie zum Beispiel die spanische, italienische, portugiesische, englische und schwedische ("almacenarlos", "stoccaggio", "armazená-los", "stocking" beziehungsweise "lagra"), bevorzugten Verben oder Substantive, die die Handlung des Lagerns der Ware beinhalteten. Der Generalanwalt war in jener Rechtssache der Überzeugung, dass in allen Sprachen die Idee des Besitzes zu Handelszwecken durchscheine, da zur Lagerung beziehungsweise zum Besitz die Voraussetzung, dass diese Handlung "zu den genannten Zwecken", das heißt zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens der Ware, erfolge, hinzugefügt werde und in diesem zweiten Teil des Satzes keine Unterschiede zwischen den Sprachfassungen bestünden (Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C567/18 vom 28. November 2019 Rn. 46 f.).
[40] Der Umstand, dass andere Sprachfassungen der Richtlinie (EU) 2015/2436 oftmals statt des Begriffs des "Besitzes" denjenigen der "Lagerung" verwenden, spricht eher dafür, dass für den Besitz im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf die Ware erforderlich ist und derjenige, der die Ware an den Spediteur oder Frachtführer übergibt, mit der Übergabe den Besitz verliert, weil in diesem Zeitpunkt die "Lagerung" endet.
[41] Andererseits lässt es das Unionsrecht zu, einem Händler Handlungen eines von ihm eingeschalteten Logistikdienstleisters beziehungsweise Frachtführers zuzurechnen, die zu einer Verletzung eines nationalen Schutzrechts führen. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union einen Händler nicht nur für jede von ihm selbst vorgenommene Handlung verantwortlich angesehen, sondern auch für Handlungen, die für seine Rechnung vorgenommen worden sind, wenn der betreffende Händler das Ziel hatte, schutzrechtsverletzende Produkte im Schutzland anzubieten und zu vertreiben und ihm das Verhalten dieses Dritten nicht unbekannt sein konnte (zum Urheberrecht vgl. EuGH, GRUR 2012, 817 [juris Rn. 27] - Donner).
[42] (4) Die Vorlagefrage 2 ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Markenrecht nicht geklärt. Die Entscheidung "Donner" ist zum Urheberrecht ergangen und verhält sich nicht zur Frage der Zurechnung von Besitz. Es existiert auch keine Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung des Begriffs des schutzrechtsverletzenden Besitzes in unionsrechtlichen Regelungen betreffend andere gewerbliche Schutzrechte, in denen - ähnlich wie im Markenrecht - dieser Begriff verwendet wird (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen und Art. 19 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung [EG] Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster).
Koch Löffler Schwonke
Feddersen Odörfer