BGH, Beschluss vom 23. Juni 2022 - VII ZB 58/21

29.08.2022

BUNDESGERICHTSHOF

vom

23. Juni 2022

in dem Rechtsbeschwerdeverfahren


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


ZPO § 514 Abs. 2 Satz 1, § 227 Abs. 1


Zu den Anforderungen an den Parteivortrag nach § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat.


BGH, Beschluss vom 23. Juni 2022 - VII ZB 58/21 - OLG Dresden, LG Zwickau


Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juni 2022 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter Halfmeier und Dr. Kartzke sowie die Richterinnen Sacher und Borris

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. August 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 13.824,77 €

Gründe:

[1] I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung aus Abrechnungen über Heiz- und Hausnebenkosten in Anspruch, der Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung geleisteter Zahlungen.

[2] Das Landgericht Zwickau hat am 29. Juni 2016 auf Antrag der Klägerin ein Versäumnisurteil erlassen, durch das der Beklagte zur Zahlung von 3.587,78 € sowie von 3.580,85 €, jeweils nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage abgewiesen wurde. Auf seinen Einspruch hat das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache auf den 7. Dezember 2016 anberaumt, welcher mehrfach, zuletzt mit Verfügung vom 26. August 2020 auf den 22. März 2021, 14.00 Uhr verlegt wurde.

[3] Mit Schreiben vom 1. September 2020 teilte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten dem Landgericht mit, das Mandat sei beendet. Mit Schriftsatz vom 19. März 2021, eingegangen beim Landgericht per Fax am 20. März 2021, zeigte Rechtsanwalt H. unter Vorlage einer Vollmacht des Beklagten vom 19. März 2021 an, den Beklagten und Widerkläger nunmehr zu vertreten. Er beantragte Akteneinsicht sowie die Aufhebung des auf Montag, den 22. März 2021 anberaumten Termins. Zur Begründung wies er zum einen darauf hin, dass er sich noch in die Verfahrensakten einarbeiten müsse, zum anderen sei er an der Wahrnehmung des Termins verhindert. Zur kurzfristigen Mandatsübernahme sei es gekommen, weil der Beklagte Rechtsanwalt D. , den er am

15. Januar 2021 mit seiner Vertretung auch in diesem Verfahren beauftragt habe, das Mandat wieder entzogen habe. Der Beklagte habe am 28. Februar 2021 sämtliche Mandate wegen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses gekündigt.

[4] Das Landgericht hat mit Beschluss vom 22. März 2021, dem Prozessbevollmächtigten per Fax am gleichen Tage um 11.31 Uhr übermittelt, den Antrag auf Terminverlegung zurückgewiesen. Ein kurz vor dem Termin vollzogener Anwaltswechsel könne nur dann einen erheblichen Grund für eine Terminänderung darstellen, wenn er nicht durch die Partei selbst verschuldet oder aus schutz-würdigen Gründen erfolgt sei. Weshalb konkret und durch wen veranlasst eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses eingetreten sein solle, sei weder hinreichend vorgebracht noch glaubhaft gemacht. Letztlich sei keine hinreichende Begründung dafür vorgebracht worden, weshalb der Beklagte erst am 19. März 2021 einen anderen Anwalt kontaktiert und beauftragt habe, welcher nach eigenem Vorbringen zudem nicht in der Lage sei, den Termin wahrzunehmen. Mit Schriftsatz vom 22. März 2021, eingegangen beim Landgericht per Fax um 12.32 Uhr, beantragte der Prozessbevollmächtigte unter Vertiefung des bereits mit Schriftsatz vom 19. März 2021 Vorgebrachten erneut die Aufhebung des Termins und lehnte mit beim Landgericht per Fax um 13.46 Uhr eingegangenem weiteren Schreiben den Einzelrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

[5] Bei Aufruf zum Termin am 22. März 2021 um 14.00 Uhr erschien für den Beklagten niemand. Nach Unterbrechung der Sitzung hat der wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Einzelrichter zunächst einen Beschluss verkündet, mit dem er das Ablehnungsgesuch des Beklagten als unzulässig verworfen hat. Nach weiterer Unterbrechung hat er einen Beschluss verkündet, mit dem er den Antrag auf Verlegung des Verhandlungstermins zurückgewiesen hat. Im Anschluss hat das Landgericht auf Antrag der Klägerin im Wege des zweiten Versäumnisurteils den Einspruch des Beklagten verworfen.

[6] Die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht, wie mit Hinweisbeschluss vom 27. Juli 2021 angekündigt, mit Beschluss vom 16. August 2021 nach § 522 Abs. 1 Satz 2, 3 ZPO als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

[7] II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde hat Erfolg, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Beklagten in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2

Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

[8] 1. Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil der Beklagte die Voraussetzungen gemäß § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht schlüssig vorgetragen habe. Er mache zwar geltend, es habe ein Fall der unverschuldeten Säumnis im Verhandlungstermin am 22. März 2021 vorgelegen, trage dies aber nicht schlüssig vor. Die Säumnis des Beklagten sei nicht deshalb unverschuldet, weil das Landgericht den Terminverlegungsanträgen seines Prozessbevollmächtigten nicht entsprochen habe. Die Verlegung des Verhandlungstermins setze gemäß § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen erheblichen Grund voraus, wobei das Gericht bei seiner Entscheidung über das Vorliegen eines solchen nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs berücksichtigen müsse. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Termin bereits mehrfach verlegt gewesen sei.

[9] Die fehlende Vorbereitung eines Termins infolge Anwaltswechsels sei kein erheblicher Grund für die Terminverlegung, es sei denn, der Anwaltswechsel sei ohne Verschulden der Partei geschehen. Bei einem Verlust des Vertrauensverhältnisses zum früheren Anwalt, welchen der Beklagte geltend mache, sei dies nur dann anzunehmen, wenn der Anwalt den Vertrauensverlust verschuldet habe und der Grund zum Anwaltswechsel erst zu diesem Zeitpunkt im Rechtsstreit offenbar geworden sei. Hierzu fehle schlüssiger Vortrag.

[10] Die maßgeblichen Gründe für die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses und das Verschulden des Rechtsanwalts D. hieran benenne der Beklagte nicht. Es komme hinzu, dass die Gründe für den Anwaltswechsel im Rechtsstreit schon mit dem Terminverlegungsantrag vom 19. März 2021 hätten vorgebracht werden müssen, was nicht geschehen sei. Die Ablehnung der Terminverlegungsanträge vom 19. und 22. März 2021 durch das Landgericht sei in keiner Weise zu beanstanden.

[11] Mit der Rüge, das Landgericht sei bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil der zuständige Einzelrichter das Ablehnungsgesuch selbst als unzulässig verworfen habe, könne fehlende beziehungsweise unverschuldete Säumnis nicht begründet werden.

[12] 2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

[13] a) Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist nur insoweit statthaft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von der Schlüssigkeit der Darlegung hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels ab. Der Sachverhalt, der die Zulässigkeit des Rechtsmittels rechtfertigen soll, ist vollständig und schlüssig innerhalb der Frist der Berufungsbegründung vorzutragen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 ­ XI ZB 11/19 Rn. 8, NJW-RR 2020, 575; Beschluss vom 23. Februar 2017 ­ III ZB 137/15 Rn. 8, NJW-RR 2017, 638).

[14] Schlüssig ist der betreffende Vortrag, wenn die Tatsachen, die die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen sollen, innerhalb der Frist zur Berufungsbegründung so vollständig und frei von Widersprüchen vorgetragen werden, dass sie, ihre Richtigkeit unterstellt, den Schluss auf fehlendes Verschulden erlauben. Dabei dürfen die Gerichte die Anforderungen an den auf § 514 Abs. 2 ZPO gestützten Parteivortrag mit Blick auf den verfassungsrechtlichen garantierten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör nicht überspannen (BGH, Beschluss vom 14. September 2005 ­ IV ZB 63/04, juris Rn. 7 m.w.N.).

[15] b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dem nicht gerecht.

[16] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Berufungskläger mit der Berufungsbegründung einen Sachverhalt behauptet, aus dem sich ergeben kann, dass ein Fall unverschuldeter Säumnis vorlag, denn die Säumnis ist nicht schuldhaft, wenn die Partei beziehungsweise ihr Prozessvertreter, dessen Verschulden sich die Partei als eigenes zurechnen lassen muss, § 85 Abs. 2 ZPO, an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins gehindert war und der Termin deshalb hätte verlegt (§ 227 ZPO) oder vertagt (§ 337 Satz 1 ZPO) werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2010 - II ZR 233/09 Rn. 7 ff., NJW 2010, 2440).

[17] aa) Die Säumnis war allerdings nicht bereits deshalb unverschuldet, weil der ordnungsgemäß geladene Beklagte darauf vertrauen durfte, dass wegen seines unmittelbar vor dem Verhandlungstermin angebrachten Ablehnungsgesuchs (§ 44 Abs. 1 ZPO) der Termin aufgehoben und kein Versäumnisurteil durch den abgelehnten Einzelrichter erlassen werden wird, § 47 Abs. 1 ZPO. Die fehlende oder unverschuldete Säumnis kann nicht mit der Rüge begründet werden, das erkennende Gericht sei bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil es ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht als unzulässig verworfen habe (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2019 - VII ZR 123/18 Rn. 20, NJW-RR 2019, 695; Beschluss vom 26. November 2015 ­ VI ZR 488/14 Rn. 7 ff. m.w.N., BGHZ 208, 75).

[18] bb) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch die mangelnde Terminvorbereitung nicht als erheblichen Terminverlegungsgrund im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO angesehen. Die mangelnde Terminvorbereitung ist nach § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO kein Verlegungs- und Vertagungsgrund, solange sie nicht ihrerseits entschuldigt ist. Liegt die fehlende Vorbereitung des Termins in einem Anwaltswechsel begründet, ist entscheidend, ob die Entziehung des Mandats auf erheblichen Gründen beruht, aufgrund derer es der Partei ohne eigenes Verschulden nicht mehr zugemutet werden kann, sich durch den von ihr bestellten Bevollmächtigten weiterhin vertreten zu lassen. Im Falle einer Kündigung des Mandatsverhältnisses wegen des Verlusts des Vertrauens fehlt ein Verschulden darum nur dann, wenn der Anwalt den Vertrauensverlust verschuldet hat und der Grund zum Anwaltswechsel erst zu diesem Zeitpunkt im Rechtsstreit offenbar wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2021 ­ AnwZ (Brfg) 38/20 Rn. 23, ZInsO 2021, 1437; Beschluss vom 3. März 2008 ­ II ZR 251/06 Rn. 14,

NJW-RR 2008, 876).

[19] Ob der Beklagte mit der Berufungsbegründung ausreichend schlüssig zur unverschuldeten Mandatskündigung vorgetragen hat, wofür vieles spricht, kann dahinstehen. Auch im Falle eines unverschuldeten Anwaltswechsels ist die darauf zurückzuführende unzureichende Terminvorbereitung nur dann genügend entschuldigt, wenn die Partei nach der Mandatsbeendigung alles Zumutbare und Mögliche unternommen hat, um einen Anwalt zu finden, der zur Mandatsübernahme bereit und in der Lage ist, sich in angemessener Zeit mit dem Prozessstoff vertraut zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2016

- AnwZ (Brfg) 34/16 Rn. 8 ff., ZinsO 2017, 764). Hierzu fehlt schlüssiger Sachvortrag. Der Berufungsbegründung ist nicht zu entnehmen, warum der Beklagte, der um die Dringlichkeit wegen des gut drei Wochen später anstehenden Verhandlungstermins wusste, den neuen Prozessbevollmächtigten nicht alsbald nach Ausspruch der Kündigung am 28. Februar 2021, sondern erst unmittelbar vor dem Termin und damit zu einem Zeitpunkt mandatiert hat, als nicht mehr genügend Zeit zur Einarbeitung und Terminvorbereitung zur Verfügung stand.

[20] cc) Der Beklagte hat den Anforderungen an eine schlüssige Darlegung der Voraussetzungen des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO aber dadurch genügt, dass er seine Säumnis mit zwei kollidierenden Terminen seines Prozessbevollmächtigten entschuldigt hat, die jeder für sich als erheblicher Grund eine Terminverlegung im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO hätten rechtfertigen können. Mit diesem Vorbringen hat sich das Berufungsgericht gehörswidrig nicht auseinandergesetzt.

[21] (1) Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt eine Terminverlegung voraus, dass ein erheblicher Grund hierfür vorliegt, der auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen ist, § 227 Abs. 2 ZPO. Erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO sind regelmäßig solche, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Liegen solche Gründe vor, verdichtet sich das Ermessen des Gerichts zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird. Einem Antrag auf Terminverlegung ist daher regelmäßig aufgrund Vorliegens eines erheblichen Grundes stattzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom

24. Januar 2019 ­ VII ZR 123/18 Rn. 22, NJW-RR 2019, 65; Urteil vom

15. November 2007 - RiZ (R) - 4/07 Rn. 31, NJW 2008, 1448).

[22] (2) Die persönliche Verhinderung des Prozessbevollmächtigten wegen anderweitiger Verpflichtungen, insbesondere wegen beruflich wahrzunehmender Termine, ist regelmäßig ein erheblicher Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO, weil die vertretene Partei erwarten darf, im Termin von demjenigen Anwalt vertreten zu werden, der die Sachbearbeitung des Mandats übernommen hat und ihr Vertrauen genießt (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14. Januar 2008 - 9 W 32/07, NJW 2008, 1328, juris Rn. 2; PG/Kazele, ZPO, 13. Aufl., § 227 Rn. 3; Anders/Gehle/Becker, ZPO, 80. Aufl., § 227 Rn. 23; MünchKommZPO/Stackmann, 6. Aufl., § 227 Rn. 11).

[23] Mit der Berufungsbegründung hat der Beklagte eine solche persönliche Verhinderung schlüssig dargelegt. Er hat geltend gemacht, dem Terminverlegungsantrag vom 19. März 2021, den sein Prozessbevollmächtigter unter anderem damit begründet hatte, dass er am 22. März 2021 in S. zwei andere, zeitlich vor dem Verhandlungstermin in Z. bestimmte Termine, anberaumt auf 11.00 Uhr und 14.00 Uhr, wahrzunehmen habe, was er zur Glaubhaftmachung anwaltlich versichert hatte (§ 294 ZPO), hätte ohne Weiteres stattgegeben werden müssen.

[24] Hierdurch hat er eine Terminkollision schlüssig dargelegt, denn hatte der Prozessbevollmächtigte am 22. März 2021 in S. auch nur einen anderen Termin wahrzunehmen, der nach seiner Art als wichtiger Grund im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO die persönliche Verhinderung entschuldigen kann, war unter Einbeziehung der notwendigen Reisezeit von S. nach Z. die Wahrnehmung des Termins in Z. am gleichen Tag ausgeschlossen.

[25] (3) Die Erfolgsaussicht eines Antrags auf Terminverlegung hängt nicht davon ab, in welchem Prozessstadium der die Verhinderung geltend machende Prozessbevollmächtigte die Vertretung der Partei übernommen hat. Jeder Partei steht das Recht zur freien Rechtsanwaltswahl zu. Auch im Falle eines schon anberaumten Verhandlungstermins ist die Partei nicht gehalten, die Auswahl ihres Prozessbevollmächtigten danach vorzunehmen, ob dieser in der Lage ist, genau diesen Verhandlungstermin wahrzunehmen, soweit sichergestellt ist, dass er eine zeitnahe Vertretung gewährleisten kann.

[26] Ebenfalls ohne Einfluss auf die Ermessensentscheidung nach § 227 Abs. 1 ZPO ist der Zeitpunkt, zu dem der Terminverlegungsantrag gestellt wird. Liegt ein erheblicher Grund vor, steht der Terminverlegung - von den Fällen des Rechtsmissbrauchs abgesehen - nicht entgegen, dass der Antrag erst kurz vor dem Termin gestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2019 - VII ZR 123/18 Rn. 27, NJW-RR 2019, 695).

[27] Die Terminverlegung war nicht ausgeschlossen, weil der Termin bereits mehrfach verlegt werden musste. Allerdings kommt dem Beschleunigungsgebot erhöhtes Gewicht zu, was in die Ermessensentscheidung über die weitere Terminverlegung neben den übrigen Umständen des Einzelfalls, beispielsweise der Art des kollidierenden Termins und des Zeitpunkts seiner Bestimmung, die Besonderheiten der Mandatsbeziehung, die Möglichkeit, den kollidierenden Termin verlegen oder einen der Termine durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen, einzubeziehen ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom

10. Juni 2021 ­ 1 BvR 1997/18, NJW 2021, 3384, juris Rn. 12, 17 m.w.N.;

Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 227 Rn. 6, 6a).

[28] 3. Ob tatsächlich ein Fall unverschuldeter Säumnis im Sinne des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorlag, weil eine Terminkollision mit einem Termin des Prozessbevollmächtigten bestand, der seiner Art nach die persönliche Verhinderung entschuldigen kann, und diese unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach § 227 Abs. 1 ZPO zur Terminverlegung hätte führen müssen, hat das Berufungsgericht nunmehr zu prüfen.

[29] Der Zurückweisungsbeschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 577 Abs. 4 Satz 3 ZPO Gebrauch.

Pamp Halfmeier Kartzke

Sacher Borris

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