BGH, Beschluss vom 23. September 2020 - XII ZB 482/19

18.11.2020

BUNDESGERICHTSHOF

vom

23. September 2020

in der Familiensache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BGB § 1564; FamFG §§ 58, 142


Zur Beschwer des Antragsgegners durch den Ausspruch der Ehescheidung.


BGH, Beschluss vom 23. September 2020 - XII ZB 482/19 - OLG Karlsruhe, AG Heidelberg


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. September 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 16. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. September 2019 aufgehoben, soweit die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den im Teil-Versäumnis- und Endbeschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 8. November 2018 unter Nr. 1 enthaltenen Ausspruch der Scheidung der von den Beteiligten geschlossenen Ehe verworfen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert: 19.800 €

Gründe:

[1] I. Die Beteiligten streiten im Rechtsbeschwerdeverfahren über den Ausspruch der Scheidung ihrer Ehe in einem Verbundbeschluss.

[2] Die Beteiligten schlossen im Dezember 2012 die Ehe. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 14. Juli 2017 zugestellt worden. Der Trennungszeitpunkt ist zwischen ihnen streitig.

[3] Das Amtsgericht hat durch Teil-Versäumnis- und Endbeschluss die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Die von der - im abschließenden Verhandlungstermin nicht mehr anwaltlich vertretenen - Antragsgegnerin gestellten Anträge zu den Folgesachen Ehegattenunterhalt und Güterrecht hat das Amtsgericht durch Teilversäumnisbeschluss abgewiesen.

[4] Die Antragsgegnerin hat, nunmehr wieder anwaltlich vertreten, gegen den Endbeschluss Beschwerde eingelegt. Außerdem hat sie vor dem Amtsgericht - nach Ablauf der gesetzlichen Frist - Einspruch gegen den Teilversäumnisbeschluss eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Amtsgericht hat eine Wiedereinsetzung abgelehnt und den Einspruch verworfen. Auch dagegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt.

[5] Das Oberlandesgericht hat die beiden Beschwerdeverfahren zur Wiederherstellung des Scheidungsverbunds miteinander verbunden. Es hat die Beschwerde hinsichtlich des Scheidungsausspruchs und der Folgesache Versorgungsausgleich verworfen. Bezüglich der Folgesachen Unterhalt und Güterrecht hat es die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

[6] Mit der Rechtsbeschwerde greift die Antragsgegnerin die Beschwerdeentscheidung zur Scheidung an.

[7] II. Die Rechtsbeschwerde richtet sich bei interessengerechter Würdigung allein gegen die Beschwerdeentscheidung zur Scheidung. Denn mangels Zulassung durch das Oberlandesgericht ist die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO iVm § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG und § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO nur insofern statthaft (zum Versorgungsausgleich vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. August 2018 - XII ZB 37/18 - FamRZ 2018, 1765 Rn. 6 mwN und vom 13. November 2013 - XII ZB 414/13 - FamRZ 2014, 109 Rn. 3 ff.). Dementsprechend ist die Rechtsbeschwerde auch nur insoweit begründet worden, wobei es auf die nach - teils unzutreffender - Auffassung der Rechtsbeschwerde mit einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Scheidung verbundenen gesetzlichen Folgen nicht entscheidend ankommt.

[8] Die Rechtsbeschwerde ist insoweit zulässig und hat in der Sache Erfolg.

[9] 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dem gegen den Scheidungsausspruch eingelegten Rechtsmittel die Beschwer. Ein zum Zweck der Aufrechterhaltung der Ehe eingelegtes Rechtsmittel sei zwar auch ohne formelle Beschwer zulässig. Aus dem Ausnahmecharakter dieses Grundsatzes folge jedoch, dass der Rechtsmittelführer in diesem Fall das Ziel der Aufrechterhaltung der Ehe eindeutig und vorbehaltlos verfolgen müsse. Daran fehle es vorliegend, nachdem die Antragsgegnerin nur vortrage, die Scheidung der Ehe sei unter Verletzung des rechtlichen Gehörs erfolgt und es habe aufgrund ihrer psychischen Probleme ein Anwalt für sie bestellt werden müssen. Dass sie an der Ehe festhalten möchte, ergebe sich daraus nicht. Ihr Wunsch, die Auflösung des Scheidungsverbunds vor einer abschließenden Entscheidung über die Folgesachen zu verhindern, könne die erforderliche Beschwer ebenfalls nicht begründen. Der Grundsatz, dass die Scheidung erst ausgesprochen wird, wenn die mit ihr zusammenhängenden Folgefragen geklärt seien, gelte nur für die erste Instanz.

[10] 2. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass dies verfahrensfehlerhaft ist und nicht mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang steht.

[11] Die Beschwer der Antragsgegnerin durch den amtsgerichtlichen Beschluss ergibt sich daraus, dass ihre Ehe gegen ihren ausdrücklichen Willen geschieden worden ist. Aus dem angefochtenen Beschluss wie auch aus dem amtsgerichtlichen Beschluss ergibt sich, dass die Antragsgegnerin der Scheidung stets entgegengetreten ist. Sie ist damit sowohl formell als auch materiell beschwert. Dass die Antragsgegnerin, wie von der Rechtsbeschwerdeerwiderung geltend gemacht wird, in der abschließenden mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht anwaltlich vertreten war und somit keinen wirksamen Abweisungsantrag stellen konnte, ändert nichts an der für sie nachteiligen Wirkung der Entscheidung und schließt folglich eine Beschwer nicht aus. Da die Zustimmung zur Scheidung wie auch deren Widerruf nach §§ 114 Abs. 4 Nr. 3, 134 FamFG nicht dem Anwaltszwang unterliegen, ist die Antragsgegnerin durch den Ausspruch der Scheidung auch formell beschwert.

[12] Die vom Oberlandesgericht zitierte weitere Voraussetzung, dass der Rechtsmittelführer das Ziel der Aufrechterhaltung der Ehe eindeutig und vorbehaltlos verfolgen muss, ist vom Senat für den Fall aufgestellt worden, dass der das Rechtsmittel führende Ehegatte in erster Instanz der Scheidung noch zugestimmt oder diese beantragt hat und es dementsprechend an einer formellen Beschwer fehlt (Senatsbeschluss vom 2. August 2017 - XII ZB 190/17 - FamRZ 2017, 1764 Rn. 8 und Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - XII ZR 133/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 11). Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass es sich vorliegend aber nicht um einen solchen Ausnahmefall handelt.

[13] Die vom Oberlandesgericht hilfsweise zur Begründetheit des Scheidungsantrags ausgeführten Erwägungen bleiben im Hinblick auf die Verwerfung der Beschwerde unberücksichtigt (vgl. BGHZ 125, 351 = NJW 1994, 2769, 2770).

[14] 3. Der angefochtene Beschluss ist mithin bezüglich der zur Ehescheidung ergangenen Verwerfung der Beschwerde aufzuheben. Eine weitergehende Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nach § 147 FamFG kommt nicht in Betracht, weil es insoweit sowohl an einem Antrag als auch an einer Begründung der Voraussetzungen fehlt. Den von der Rechtsbeschwerde geäußerten Vorstellungen zur Gegenstandslosigkeit der Folgesachen im Fall einer Abweisung des Scheidungsantrags kann ein solcher Antrag schon deswegen nicht entnommen werden, weil diese Rechtsfolge - wie von der Rechtsbeschwerde auch angeführt - gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 FamFG kraft Gesetzes eintritt und eine entsprechende Feststellung durch das Gericht daher allenfalls deklaratorischer Natur ist.

[15] Das Verfahren ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil dieses zum Scheidungsausspruch bislang noch nicht in der Sache entschieden hat.

Dose Klinkhammer Nedden-Boeger

Botur Krüger

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