BGH, Beschluss vom 25. August 2020 - XIII ZB 40/19 XIII ZB 41/19 XIII ZB 42/19

01.12.2020

BUNDESGERICHTSHOF

vom

25. August 2020

in der Transitaufenthaltssache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


AufenthG § 15 Abs. 6


a) Bei Anordnung der Unterbringung in einer Transitunterkunft gemäß § 15 Abs. 6 AufenthG hat das Gericht die Anforderungen zu beachten, die sich aus Art. 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger an die Bedingungen der Unterbringung ergeben.

b) Die dem Gericht obliegende Prüfung ist auf strukturelle Defizite beschränkt, die bereits im Zeitpunkt der Anordnung bestehen oder absehbar sind.


BGH, Beschluss vom 25. August 2020 - XIII ZB 40/19, XIII ZB 41/19,, XIII ZB 42/19 - LG Frankfurt am Main, AG Frankfurt am Main


Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. August 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richter Prof. Dr. Kirchhoff und Dr. Tolkmitt sowie die Richterin Dr. Linder

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10. August 2018 werden auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerdeverfahren sowie des verbundenen Verfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

[1] I. Die Betroffene zu 1 traf, über den Luftweg kommend, am 3. April 2018 mit ihren Kindern im Alter von 11, der Betroffenen zu 2, und von 3 Jahren, dem Betroffenen zu 3, sowie mit ihren weiteren beiden Kindern im Alter von 5 und 9 Jahren ohne Grenzübertrittspapiere am Frankfurter Flughafen ein. Sie gab an, Pässe und Flugunterlagen seien ihr von einem Schleuser abgenommen worden.

[2] Die Betroffene zu 1 stellte für sich, die Betroffenen zu 2 und 3 sowie für ihre weiteren Kinder ein Schutzersuchen. Mit Bescheid vom 9. April 2018 wies das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) das Asylgesuch ab und lehnte auch die Anerkennung des Flüchtlingsstatus ab. Daraufhin verweigerte die beteiligte Behörde den Betroffenen mit Bescheid vom 11. April 2018 die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland. Die Betroffenen erklärten einen Verzicht auf die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes sowie auf die Erhebung der Hauptsacheklage sowohl im Hinblick auf den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes als auch auf die von der beteiligten Behörde ausgesprochene Einreiseverweigerung. Die gleichwohl gestellten Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wies das Verwaltungsgericht Frankfurt mit Beschlüssen vom 23. April 2018 als unbegründet zurück.

[3] Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht Frankfurt am Main mit Beschlüssen vom 12. April 2018 den Aufenthalt der Betroffenen im Transitbereich des Flughafens Frankfurt einstweilen bis zum 26. April 2018 angeordnet. Mit Beschlüssen vom 25. April 2018 hat es die Anordnung des Aufenthalts wiederum einstweilen bis zum 7. Mai 2018, auf weiteren Antrag der beteiligten Behörde vom 7. Mai 2018 abermals einstweilen bis zum 11. Mai 2018 verlängert, um dem zwischenzeitlich von den Betroffenen beauftragten Verfahrensbevollmächtigten Gelegenheit zur Teilnahme am Anhörungstermin in der Hauptsache zu geben. Mit Beschlüssen vom 11. Mai 2018 hat das Amtsgericht den Aufenthalt der Betroffenen im Transitbereich bis zum 18. Mai 2018 angeordnet. Die dagegen erhobenen Beschwerden, die - nachdem die Betroffenen am 17. Mai 2018 mit Sicherheitsbegleitung nach L zurückgewiesen worden waren - nur noch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des angeordneten Aufenthalts gerichtet sind, hat das Beschwerdegericht mit Beschlüssen vom 10. August 2018 zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Betroffenen ihre Feststellungsbegehren weiter. Der Senat hat die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

[4] II. Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg. Die Anordnung der Unterbringung in der Transitunterkunft hat die Betroffenen nicht in ihren Rechten verletzt.

[5] 1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Belang - wie folgt begründet: Die Anordnung der Unterbringung im Transitbereich des Flughafens sei mit Recht erfolgt. Die Betroffenen seien vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Die Zurückweisung habe aufgrund der fehlenden Reisedokumente nicht unmittelbar vollzogen werden können. Weiterer Haftgründe habe es nicht bedurft. Die beteiligte Behörde habe das Beschleunigungsgebot gewahrt. Die Anordnung der Unterbringung sei auch verhältnismäßig gewesen. Die Betroffene zu 1 sei zusammen mit den Betroffenen zu 2 und 3 sowie ihren weiteren Kindern familiengerecht untergebracht gewesen. Den Bedürfnissen der Betroffenen zu 2 und 3 sowie der weiteren Kinder sei dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Unterkunft altersgerecht ausgestattet sei, Ansprechpartner des kirchlichen Flüchtlings-dienstes und des Hessischen Sozialministeriums zur Verfügung gestanden hätten und das abschließbare Familienzimmer eine hinreichende Rückzugsmöglichkeit - auch zur Abschirmung vor etwaigen selbstverletzenden Handlungen der untergebrachten Personen, die in einer stark belastenden Haftsituation nicht ausgeschlossen werden könnten - geboten habe. Vor dem Hintergrund der kurzen Haftdauer sei die angeordnete Unterbringung noch verhältnismäßig gewesen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Betroffenen schon früher freiwillig nach A hätten zurückfliegen können. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich gewesen. Ein solches stelle auch nicht ein Vorgehen nach § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG dar, weil auch in diesem Fall - um die Fiktion der Nichteinreise aufrecht zu erhalten - eine Kontrolle des Aufenthaltsorts durch die Grenzbehörden in einem geschlossenen Gebäude erforderlich gewesen wäre, was dem Aufenthalt im Transitbereich gleichgekommen wäre.

[6] 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

[7] a) Der Bestellung eines Verfahrenspflegers für die Betroffenen zu 2 und zu 3 bedurfte es - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht. Nach § 419 Abs. 2 FamFG soll die Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleiben, wenn die Interessen des Betroffenen durch einen Rechtsanwalt vertreten werden. Nicht nur die Betroffene zu 1, sondern auch die Betroffenen zu 2 und 3 waren durch einen Rechtsanwalt vertreten. Das Beschwerdegericht hat im Übrigen ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Interessen der minderjährigen Betroffenen zu 2 und 3 dadurch sowie aufgrund der Anwesenheit ihrer Mutter hinreichend gewahrt wurden. Gegenteiliges lässt auch die Rechtsbeschwerde nicht erkennen.

[8] b) Der Antrag der Behörde war zulässig und richtete sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht nur gegen die Betroffene zu 1, sondern auch gegen die Betroffenen zu 2 und 3. Sämtlichen Betroffenen ist der Antrag ausweislich des jeweiligen Sitzungsprotokolls in Anwesenheit ihres Verfahrensbevollmächtigten übergeben und übersetzt worden.

[9] c) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass ein generelles Verbot des erzwungenen Aufenthalts von Familien mit Kindern im Transitbereich eines Flughafens nicht besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 154/11, InfAuslR 2013, 78 Rn. 12), aber bei der Anordnung des Transitaufenthalts gegenüber Minderjährigen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wegen der Schwere des Eingriffs besondere Bedeutung zukommt (vgl. zur Anordnung von Sicherungshaft BGH, Beschluss vom 29. September 2010 - V ZB 233/10, NVwZ 2011, 320; Beschluss vom 7. März 2012 - V ZB 41/12, InfAuslR 2012, 224; vgl. auch Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 154/11, InfAuslR 2013, 78 Rn. 15).

[10] aa) Vor diesem Hintergrund ordnet § 62 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für die Abschiebungshaft an, dass Familien mit Minderjährigen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden dürfen, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist. Nach § 62a Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) sind Angehörige einer Familie im Rahmen der Abschiebungshaft getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist nach § 62a Abs. 1 Satz 4 AufenthG aF ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten. Das Privileg einer gesonderten Unterbringung erstreckt sich auf die Kernfamilie, die die Eltern und die minderjährigen Kinder umfasst (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex, BT-Drucks. 17/5470, S. 25). Im Hinblick auf die besondere Verletzlichkeit von Kindern ist - neben der nach § 62a Abs. 3 Satz 1 AufenthG bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen geforderten Berücksichtigung alterstypischer Belange - gemäß § 62a Abs. 3 Satz 2 AufenthG der Situation dieser schutzbedürftigen Personen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

[11] bb) Diese Grundsätze sind unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch bei einer Anordnung der Unterbringung in einer Transitunterkunft gemäß § 15 Abs. 6 AufenthG zu beachten. Nach Art. 4 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008 Nr. L 348, S. 98, nachfolgend: Rückführungsrichtlinie) sind die Mitgliedstaaten auch in den Ausnahmebereichen der Rückführungsrichtlinie gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. a - zu denen das Flughafenregime nach § 15 Abs. 6 AufenthG zählt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2013 - V ZB 188/14, NVwZ-RR 2013, 518 Rn. 9) - verpflichtet, den Anforderungen des Art. 17 Rückführungsrichtlinie an die Haftbedingungen Rechnung zu tragen.

cc) Es ist daher Aufgabe des zuständigen Gerichts, bei Anordnung eines Transitaufenthalts nach § 15 Abs. 6 AufenthG zu prüfen, ob eine angemessene Unterbringung minderjähriger Kinder gewährleistet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 154/11, InfAuslR 2013, 78 Rn. 14, Beschluss vom 10. August 2018 - V ZB 123/18, InfAuslR 2019, 26 Rn. 7, mwN). Allerdings ist diese Prüfung auf bereits im Zeitpunkt der Anordnung bestehende oder absehbare strukturelle Defizite beschränkt (vgl. beispielhaft BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - V ZB 40/11, NVwZ 2013, 166; vom 12. November 2014 - V ZB 40/11, juris Rn. 5). Kommt es im Einzelfall während des Vollzugs der Anordnung des Transitaufenthalts zu einem rechtswidrigen Grundrechtseingriff, berührt dies die Rechtmäßigkeit der richterlichen Aufenthaltsanordnung nicht. Insoweit muss sich der Betroffene gegen die konkrete Einzelmaßnahme wenden, wozu ihm der Rechtsweg zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit offensteht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 57/14, InfAuslR 2015, 58 Rn. 8).

[12] 13

d) Nach diesen Maßstäben erweist sich die Anordnung des Aufenthalts der Betroffenen nicht als rechtsfehlerhaft.

[14] aa) Der Anordnung des Aufenthalts der Betroffenen im Transitbereich steht nicht entgegen, dass nach § 62 Abs. 1 Satz 3 AufenthG Familien mit minderjährigen Kindern nur in besonderen Ausnahmefällen in Haft zu nehmen sind. Der Aufenthalt im Transbereich nach § 15 Abs. 6 AufenthG ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ohne Weiteres mit einer Sicherungs- oder Zurückweisungshaft gleichzusetzen. Vielmehr ist dieser Aufenthalt, da dem Betroffenen jederzeit die Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist (vgl. § 15 Abs. 6 Satz 1 AufenthG), erst nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen - oder nach Ablehnung des Schutzersuchens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes - und nicht in jeder Hinsicht dem Haftregime unterworfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2013 - V ZB 89/13, juris Rn. 6; vom 12. Juli 2018 - V ZB 98/16, ZAR 2019, 164 Rn. 5 ff., und vom 19. Dezember 2019 - XIII ZB 136/19, juris Rn. 5). Zudem muss auch bei Familien mit minderjährigen Kindern der aus Art. 14 Abs. 1, 4 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex, ABl. EU 2016 Nr. L 77, 1) folgenden Verpflichtung, den Grenzübertritt von Drittstaatsangehörigen zu verhindern, Rechnung getragen werden. Das Beschwerdegericht hat vor diesem Hintergrund ohne Rechtsfehler auf die kurze Dauer des angeordneten Aufenthalts abgestellt und die Anordnung als verhältnismäßig beurteilt.

[15] bb) Auf Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts sind strukturelle Defizite der Unterbringung, die einer Anordnung des Aufenthalts entgegenstehen, nicht erkennbar.

[16] (1) Die Unterbringung der Betroffenen wahrte das gebotene Maß an familiärer Privatsphäre. § 62a Abs. 1 Satz 4 AufenthG aF verlangt ebenso wenig wie Art. 17 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie, dessen Umsetzung § 62a AufenthG aF dient, eine vollständige Trennung der Familien mit minderjährigen Kindern von den übrigen Untergebrachten. Wie dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie zu entnehmen ist, setzt die Richtlinie im Vergleich zum uneingeschränkten Trennungsgebot nach Art. 16 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie lediglich eine solche gesonderte Unterbringung voraus, die den Familien ein angemessenes Maß an Privatsphäre gewährleistet (BeckOK AuslR/Kluth [1.7.2020] § 62a AufenthG Rn. 12). Dies stellt § 62a Abs. 1 Satz 4 AufenthG aF klar. Anhaltspunkte dafür, dass der deutsche Gesetzgeber über die unionsrechtlichen Vorgaben hinaus weitergehende Anforderungen an die Haftbedingungen stellen wollte, sind nicht ersichtlich (vgl. Begründung eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex, BT-Drucks. 17/5470, S. 25).

[17] Das Beschwerdegericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die danach erforderlichen Voraussetzungen in der Erstaufnahmeeinrichtung gegeben waren und den Betroffenen ein Familienzimmer zugewiesen war, das ihnen hinreichend Rückzugsmöglichkeiten bot. Aus Rechtsgründen ist auch die weitergehende Erwägung des Beschwerdegerichts, wonach es wie bei jeder Form der gemeinschaftlichen Unterbringung nicht ausgeschlossen werden könne und auch hinnehmbar sei, dass die Betroffenen im Einzelfall Selbstverletzungen anderer Untergebrachter oder gar - wie geschehen - einem Suizidversuch ausgesetzt sind, nicht zu beanstanden. Aus diesen Umständen lässt sich auch unter Berücksichtigung der Fälle von Selbstverletzungen oder Suizidversuchen, die sich ausweislich einer von den Betroffenen vorgelegten Antwort des Hessischen Ministers für Soziales und Integration vom 24. April 2018 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten des Hessischen Landtags F in der Vergangenheit in der in Rede stehenden Unterkunft ereignet haben, noch nicht auf ein strukturelles Defizit schließen, das einer Anordnung der Unterbringung von Familien mit minderjährigen Kindern im Hinblick auf deren besondere Schutzbedürftigkeit von vornherein aus Gründen der Verhältnismäßigkeit entgegensteht.

[18] (2) Auch im Übrigen sind die sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 62a Abs. 3 AufenthG ergebenden Anforderungen an die Unterbringung der Betroffenen gewahrt. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass für die Kinder zwei Kinderräume mit Spielutensilien für unterschiedliche Altersklassen eingerichtet sind. Zudem verfüge die Einrichtung über einen Sportplatz mit Fußballtoren, Basketballkörben und Tischtennisplatz. Auch seien ein Spielplatz mit Sandkasten, Schaukeln, ein Klettergerüst und Rutschen vorhanden. Den Betroffenen stünden Mitarbeiter des kirchlichen Flüchtlingsdienstes sowie des Hessischen Sozialministeriums zur Verfügung. Aus der Stellungnahme der beteiligten Behörde, auf die das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, ergibt sich, dass in der Einrichtung tagsüber Erzieher und Sozialpädagogen vor Ort sind, die sich um die Belange der untergebrachten Kinder kümmern.

[19] (3) Das Beschwerdegericht hat auch die sich aus § 26 FamFG ergebende Pflicht zur Sachaufklärung beachtet. Weder legt die Rechtsbeschwerde dar noch ist sonst erkennbar, dass sich für das Beschwerdegericht aus einer Inaugenscheinnahme der Erstaufnahmeeinrichtung ein strukturelles Defizit bei der Unterbringung von Familien mit minderjährigen Kindern ergeben hätte. Der Verweis auf beengte Wohnverhältnisse genügt dafür nicht. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, dass es an einer Trennung von Männern und Frauen fehlte, ergibt sich aus der vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Stellungnahme der beteiligten Behörde, dass sich das Familienzimmer der Betroffenen im Frauenbereich auf einer vom Männerbereich getrennten Etage befindet.

[20] cc) Danach erweist sich die Anordnung des Aufenthalts gegenüber den Betroffenen als verhältnismäßig. Dies schließt nicht aus, dass sich die konkreten Zustände in einer Unterbringungseinrichtung für den Transitaufenthalt im Einzelfall auch so darstellen können, dass sich daraus ein strukturelles Defizit im Hinblick auf die Anforderungen ergibt, die das Gesetz an die Unterbringung von Familien mit minderjährigen Kindern stellt.

[21] 3. Das Beschwerdegericht hat auch das Beschleunigungsgebot beachtet. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine Sicherheitsbegleitung für die Rückführung der Betroffenen erforderlich ist, obliegt der zuständigen Behörde und ist - entgegen der Auffassung der Beschwerde - von dem die Unterbringung anordnenden Gericht nicht zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 2019 - V ZB 236/17, juris Rn. 9).

[22] 4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

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