BGH, Beschluss vom 27. Juni 2018 - XII ZB 499/17

14.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF

vom

27. Juni 2018

in der Familiensache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


VersAusglG § 45; BetrAVG § 2


a) Wählt der betriebliche Versorgungsträger den Rentenbetrag als Bezugsgröße für den Ausgleich, muss er dessen Berechnung in Übereinstimmung mit § 2 BetrAVG vornehmen.

b) Bei dem Ausgleich eines Rentenbetrags nach § 2 BetrAVG und dem eines Kapitalwerts nach § 4 Abs. 5 BetrAVG handelt es sich jeweils um unterschiedliche Berechnungsmethoden und Wertermittlungsansätze, die einem direkten Vergleich im Sinne einer rechtsmittelrechtlichen Schlechterstellung (reformatio in peius) nicht zugänglich sind.


BGH, Beschluss vom 27. Juni 2018 - XII ZB 499/17 - OLG Frankfurt am Main, AG Wiesbaden


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2018 durch

den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. August 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Beschwerde der Antragsgegnerin die Entscheidung des Familiengerichts abgeändert worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 4.260 €

Gründe:

[1] I. Auf den am 16. Januar 2014 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 11. August 1999 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. August 1999 bis 31. Dezember 2013; § 3 Abs. 1 VersAusglG) hat der Ehemann ein Anrecht von 26,4745 Steigerungszahlen bei der Ärzteversorgung Niedersachsen erworben, was nach der Auskunft des Versorgungsträgers einer Monatsrente von 1.212,78 € entspricht, so dass ein Ausgleichswert von monatlich 606,39 € vorgeschlagen werde. Ferner hat der Ehemann bei der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG (Beteiligte zu 2) ein endgehaltsbezogenes Anrecht auf eine Jahresrente von 41.600,72 € mit Wirkung ab Erreichen der Altersgrenze von 62 Jahren am 30. April 2014 erworben, was nach der Auskunft des Versorgungsträgers einem nach § 4 Abs. 5 BetrAVG berechneten, auf das Ehezeitende bezogenen Barwert von 341.014,96 € entspricht. Nach Abzug von Teilungskosten und Umrechnung mit einem für die Ehefrau geltenden Barwertfaktor von 9,0426 hat der Versorgungsträger einen Ausgleichswert von 1.448,34 € in der Bezugsgröße "Monatliche Rente (13 Zahlungen)" vorgeschlagen.

[2] Das Familiengericht hat das bei der Ärzteversorgung Niedersachsen erworbene Anrecht mit dem vorgeschlagenen Ausgleichswert von monatlich 606,39 € intern geteilt sowie das bei der Beteiligten zu 2 bestehende Anrecht ­ nach Abzug von Teilungskosten ­ mit einem Ausgleichswert als Kapitalwert von 170.257,48 € intern geteilt.

[3] Mit ihrer Beschwerde haben die Ehefrau und die Beteiligte zu 2 begehrt, das bei Letzterer bestehende Anrecht nicht mit einem Kapitalwert, sondern wie vom Versorgungsträger vorgeschlagen mit der monatlichen Rente (13 Zahlungen) als Bezugsgröße zu teilen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 2 verworfen und auf die Beschwerde der Ehefrau ein Anrecht in Höhe eines Rentenbetrags von 1.448,34 € "bei dreizehn Zahlungen p.a." im Wege der internen Teilung auf die Ehefrau übertragen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns.

[4] II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

[5] 1. Das Oberlandesgericht hat seine in juris veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet: Die Beschwerde der Ehefrau habe Erfolg, weil der Versorgungsträger den Ausgleichswert gemäß seinem durch § 45 Abs. 1 VersAusglG eröffneten Wahlrecht nicht als Kapitalwert, sondern als Rentenbetrag angegeben habe. Wegen des rechtsmittelrechtlichen Verschlechterungsverbots dürfe der Rentenbetrag aus keinem geringeren Kapitalwert errechnet werden, als es der erstinstanzlichen Beschlussformel entspricht, und dürfe ein während der Rechtsmittelinstanz durch laufenden Rentenbezug eingetretener Barwertverlust nicht Ausgleichswert mindernd berücksichtigt werden.

[6] 2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[7] a) Gemäß § 5 Abs. 1 VersAusglG berechnet der Versorgungsträger den Ehezeitanteil des Anrechts in Form der für das jeweilige Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße, insbesondere also in Form von Entgeltpunkten, eines Rentenbetrags oder eines Kapitalwerts.

[8] aa) Für Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes enthält § 45 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG eine Sonderbestimmung, wonach bei solchen Anrechten der Wert als Rentenbetrag nach § 2 BetrAVG oder der Kapitalwert nach § 4 Abs. 5 BetrAVG maßgeblich ist, wobei nach allgemeiner Auffassung dem Versorgungsträger das Wahlrecht zwischen diesen beiden Bezugsgrößen zusteht (Borth Versorgungsausgleich 8. Aufl. Kap. 2 Rn. 294; NK-FamR/Hauß 3. Aufl. § 45 VersAusglG Rn. 18). Dies gilt auch für laufende Versorgungen. Zwar ist in der Gesetzesbegründung angeführt, dass sich die Vorschrift des § 45 VersAusglG nicht auf laufende Versorgungen erstrecke, sondern nur auf Anwartschaften (BT-Drucks. 16/10144 S. 82). Mit dieser Erläuterung sollte indessen nicht das Wahlrecht des Versorgungsträgers hinsichtlich der Bezugsgröße eingeschränkt, sondern nur ausgedrückt werden, dass die Bewertung laufender Betriebsrenten nicht ohne Berücksichtigung der Bewertungsgrundsätze des § 41 VersAusglG zu erfolgen hat (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 82).

[9] bb) Wählt der Versorgungsträger den Rentenbetrag als Bezugsgröße, ist er an die durch § 2 BetrAVG festgelegte Berechnungsweise wie folgt gebunden:

[10] Ausgeglichen werden die Versorgungsleistungen als solche, also der Betrag der monatlichen Anwartschaft (bzw. laufenden Rente) aus der Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung (vgl. Höfer DB 2010, 1010, 1011). Für die Bestimmung des Ausgleichswerts ist anzunehmen, dass die Betriebszugehörigkeit der ausgleichspflichtigen Person spätestens zum Ehezeitende beendet ist (§ 45 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG). Mit dieser Fiktion ist der unverfallbare Rentenanspruch des Ausgleichspflichtigen zu ermitteln (§ 2 BetrAVG; zur Berechnungsweise vgl. Erman/Norpoth/Sasse BGB 15. Aufl. § 45 VersAusglG Rn. 8), und zwar bei laufenden Renten unter Berücksichtigung der Bewertungsregel des § 41 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG, wonach die Annahmen für die höchstens erreichbare Zeitdauer und für die zu erwartende Versorgung durch die tatsächlichen Werte zu ersetzen sind. Der so ermittelte Rentenbetrag ergibt den Ehezeitanteil, die Hälfte davon den Ausgleichswert.

[11] Dieser Ausgleichswert ist als monatlicher Rentenbetrag auf den Ausgleichsberechtigten zu übertragen. In derselben Höhe ist der monatliche Rentenanspruch des Ausgleichspflichtigen zu kürzen. Beides vollzieht sich ohne biometrische Umrechnung und ist deshalb ­ anders als der Ausgleich über einen Kapitalwert als Übertragungswert nach § 4 Abs. 5 BetrAVG ­ für den Versorgungsträger regelmäßig nicht wertgleich und aufwandsneutral. Die Halbteilung von Rentenbeträgen führt nämlich zur Bildung unterschiedlich hohen Deckungskapitals und damit zu einer Belastung des Versorgungsträgers, wenn die ausgleichsberechtigte Person versicherungsmathematisch eine ungünstigere Risikostruktur als die ausgleichspflichtige Person aufweist (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 56).

[12] Rentenbetrag ist somit im Falle des § 45 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG stets eine für beide Ehegatten gleich hohe Monatsrente aus dem Ehezeitanteil, und zwar in hälftiger Höhe des vom Ausgleichspflichtigen ehezeitlich erworbenen Renten(anwartschafts)anspruchs gemäß § 2 BetrAVG, abzüglich umgerechneter Teilungskosten.

[13] Eine Umrechnung des nach § 2 BetrAVG ermittelten Rentenbetrags in einen als Teilungsgegenstand maßgeblichen Kapitalwert, welcher anschließend nach voneinander abweichenden Faktoren in unterschiedliche Renten rückzurechnen sei, sehen demgegenüber weder das Gesetz noch die zu § 45 VersAusglG gegebene Begründung vor. Andernfalls wäre nicht die Notwendigkeit ausdrücklich hervorgehoben worden, bei dem Ausgleich von nach § 2 BetrAVG zu berechnenden Rentenbeträgen zusätzlich einen korrespondierenden Kapitalwert zu ermitteln (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 82; Engbroks/?Heubeck BetrAV 2009, 16, 19). Darin unterscheidet sich die Bewertung einer Betriebsrente von derjenigen der ­ nicht an § 45 Abs. 1 und 2 VersAusglG gebundenen ­ Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (vgl. § 45 Abs. 3 VersAusglG).

[14] cc) Soweit darüber hinaus vertreten wird, gleich hohe Renten könnten auch bei einer Teilung auf Kapitalbasis erreicht werden, indem das Kapital aufgrund ungleicher biometrischer Faktoren ungleich auf beide Ehegatten verteilt werde und im Einzelfall die ausgleichspflichtige Person mehr als die Hälfte des Kapitalwerts abgeben müsse (Norpoth NZFam 2018, 558, 568; ebenso offenbar die der Entscheidung BAGE 153, 206 = FamRZ 2016, 535 vorausgegangene familiengerichtliche Entscheidung), steht dies ebenfalls nicht im Einklang mit der durch § 45 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG angeordneten Berechnungsweise, die ­ mit Ausnahme etwa von fondsgebundenen Anrechten (vgl. Senatsbeschluss vom 19. November 2014 ­ XII ZB 353/12 ­ FamRZ 2015, 313 Rn. 25 mwN) ­ nur entweder die unverfallbare Rentenanwartschaft bzw. laufende Rente nach § 2 BetrAVG oder den Übertragungswert nach § 4 Abs. 5 BetrAVG als Teilungsgegenstand zulässt.

[15] Zwar war eine derartige Berechnungsweise nach früherem Recht (§ 1 Abs. 2 VAHRG) bei der Realteilung von privaten Rentenversicherungen und Rentendirektversicherungen der betrieblichen Altersversorgung für zulässig gehalten worden (BT-Drucks. 9/2296 S. 11) und hat auch die Gesetzesbegründung zu § 11 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG diesen Berechnungsmodus als eine von mehreren Möglichkeiten aufgegriffen (BT-Drucks. 16/10144 S. 56). Ob eine solche Berechnungsweise indessen mit dem Halbteilungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) im Einklang steht, wenn sie im Einzelfall dazu führen würde, dass der ausgleichspflichtigen Person weniger als die Hälfte des von ihr erworbenen Anrechts abzüglich der anteiligen Teilungskosten verbliebe (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 7. März 2018 ­ XII ZB 408/14 ­ NZFam 2018, 558 Rn. 44 mwN), bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls im Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG, also für Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes, kommt sie wegen der insoweit auf § 2 und § 4 Abs. 5 BetrAVG beschränkten Berechnungsweisen und Bezugsgrößen nicht in Betracht.

[16] b) An die durch das Gesetz vorgegebene Berechnungsweise hat sich der Versorgungsträger nicht gehalten. Anstelle der Berechnung eines Rentenbetrags nach Maßgabe des § 2 BetrAVG hat er einen Kapitalwert als Übertragungswert nach § 4 Abs. 5 BetrAVG gebildet und diesen nach biometrischen Barwertfaktoren der ausgleichsberechtigten Person in einen Monatsbetrag als Rentenbetrag umgerechnet, um jenen als Ausgleichswert vorzuschlagen. Ein solches Vorgehen findet in § 45 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG und § 2 BetrAVG keine Stütze, unabhängig davon, ob dies durch die Teilungsordnung des Versorgungsträgers vorgegeben ist.

[17] 3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht in der Sache abschließend entscheiden, da er die nach § 2 Abs. 1 BetrAVG erforderlichen Berechnungen nicht selbst vornehmen kann.

[18] Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass es sich bei dem Ausgleich eines Rentenbetrags nach § 2 BetrAVG und dem eines Kapitalwerts nach § 4 Abs. 5 BetrAVG um jeweils unterschiedliche Berechnungsmethoden und Wertermittlungsansätze handelt, die einem direkten Vergleich im Sinne einer rechtsmittelrechtlichen Schlechterstellung (reformatio in peius) nicht zugänglich sind.

Dose Klinkhammer Nedden-Boeger

Botur Guhling

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