BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2021 - VIII ZB 83/20

16.11.2021

BUNDESGERICHTSHOF

vom

5. Oktober 2021

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


GG Art. 2 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 2, 3, § 511 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2


Zur Bemessung der Beschwer bei Verurteilung zur Erteilung einer neuen Heizkostenabrechnung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Juni 2008 - VIII ZB 87/06, WuM 2008, 615 Rn. 6 f.).


BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2021 - VIII ZB 83/20 - KG Berlin, LG Berlin


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Oktober 2021 durch die Richterin Dr. Fetzer als Vorsitzende, die Richter Dr. Schneider und Dr. Schmidt sowie die Richterinnen Wiegand und Dr. Matussek

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 27. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 450 €

Gründe:

[1] I. Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, nimmt die beklagte Gesellschaft auf erneute Abrechnung der Heizkosten für das Jahr 2015 entsprechend den Vorgaben des zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossenen Wärmelieferungsvertrags aus dem Jahr 1984 und auf Aushändigung der Rechnung in Anspruch. Sie ist der Ansicht, die ihr unter dem 17. Juni 2016 erteilte Heizkostenabrechnung entspreche nicht den Vorgaben des Wärmelieferungsvertrags.

[2] Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Kammergericht durch Beschluss vom 8. Oktober 2020 mangels Erreichens der Berufungssumme von mehr als 600 € als unzulässig verworfen.

[3] II. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Wert der Beschwer für die Berufung der Beklagten sei gemäß §§ 2, 3 ZPO auf bis zu 500 € festzusetzen. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich ein höherer Wert nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemesse sich der gemäß §§ 2, 3 ZPO festzusetzende Beschwerdewert für das Rechtsmittel einer zur Auskunftserteilung verurteilten Person nach ihrem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei sei im Wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordere und ob die verurteilte Person ein schützenswertes Interesse daran habe, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten.

[4] Nach dem Vortrag der Beklagten sei für ihre Mitarbeiter ein durchschnittlicher Stundensatz von 45 € anzusetzen. Dagegen sei der von der Beklagten für die Erteilung einer neuen Abrechnung angesetzte Aufwand von 22 Stunden nicht nachvollziehbar, wenn - wie hier - auf der Basis der vorhandenen Daten eine neue, früheren vertragsgemäßen "Musterabrechnungen" entsprechende Abrechnung zu erteilen sei. Bezogen auf einen Mitarbeiter übersteige der angegebene Aufwand die wöchentlich übliche Arbeitszeit eines Mitarbeiters um mehr als die Hälfte.

[5] Da jedoch nur die Kosten des Brennstoffs und des Stroms, die bekannt seien, addiert werden müssten, das Ergebnis dann mit der Verhältniszahl multipliziert und in das Abrechnungsschema eingebracht werden müsse, sei der behauptete Stundenaufwand unplausibel und überzeuge nicht. Bei der nach §§ 2, 3 ZPO gebotenen Schätzung sei ein objektiver Maßstab anzulegen und nicht darauf abzustellen, wie viele Mitarbeiter die Beklagte tatsächlich einsetze. Davon abgesehen erschließe sich dem Berufungsgericht nicht, weshalb Mitarbeiter der Rechtsabteilung und zwei Mitarbeiter aus der Betriebskostenabteilung, davon eine Gruppenleiterin, mit der Erstellung der Abrechnung befasst werden müssten, zumal mit den Abrechnungen für die Perioden 2013 und 2014 "vertragskonforme Musterabrechnungen" als Orientierungshilfe vorhanden seien.

[6] Die vorhandenen Daten des Energieversorgers in das zutreffende Abrechnungsformat zu bringen und daraus eine neue Abrechnung zu erstellen, dauere nach Schätzung des Berufungssenats allenfalls fünf Stunden, bei zwei hiermit befassten Mitarbeitern mithin zehn Stunden. Dies ergebe unter Zugrundelegung des von der Beklagten mitgeteilten Stundensatzes einen Aufwand von 450 €. Die Berufung sei daher als unzulässig zu verwerfen, weil die für die Berufung der Beklagten sich aus § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergebende Mindestbeschwer von mehr als 600 € nicht erreicht sei und das Landgericht die Berufung gegen seine Entscheidung nicht zugelassen habe.

[7] Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

[8] III. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte und auch den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (siehe nur Senatsbeschlüsse vom 14. April 2020 - VIII ZB 27/19, juris Rn. 1; vom 20. März 2018 - VIII ZB 31/17, juris Rn. 1 mwN), sind nicht erfüllt.

[9] Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, liegen im Hinblick auf die vom Berufungsgericht für die Bemessung der Rechtsmittelbeschwer der Beklagten zugrundegelegten Grundsätze insbesondere nicht die Voraussetzungen einer Divergenz zur Rechtsprechung des erkennenden Senats oder zumindest der Fortbildung des Rechts vor. Bezüglich des vom Berufungsgericht im Streitfall angesetzten Arbeits- und Kostenaufwands verletzt der angefochtene Beschluss - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und ist auch insoweit eine Divergenz zu höchstrichterlichen Entscheidungen nicht zu erkennen.

[10] 1. Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Abweichung von der Entscheidung des Senats vom 10. März 2010 (VIII ZR 65/09, NJW-RR 2010, 1579) ist nicht gegeben.

[11] a) Die Rechtsbeschwerde will aus dem Umstand, dass die Beklagte vom Landgericht zur erneuten Abrechnung über den Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis 31. Dezember 2015 und zur "Übergabe der Rechnung" verurteilt worden ist, ableiten, dass zur Bemessung der Rechtsmittelbeschwer der Beklagten die vom Senat in seiner Entscheidung vom 10. März 2010 (VIII ZR 65/09, aaO Rn. 10) zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis nach § 14 Abs. 3 UStG 1999 aufgestellten Grundsätze Anwendung fänden. Da das Berufungsgericht stattdessen die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung entwickelten Maßstäbe herangezogen habe, sei eine Divergenz zu der genannten Senatsrechtsprechung gegeben.

[12] b) Dies trifft nicht zu. Die Rechtsbeschwerde verkennt bereits, dass die Beklagte nicht - wie in der genannten Senatsentscheidung - zur Erteilung einer die Umsatzsteuer ausweisenden und damit steuerrechtlichen, also unmittelbare vermögensrechtliche Auswirkungen auslösenden Rechnung verurteilt worden ist. Vielmehr ist sie zur Erteilung einer neuen Abrechnung für die Abrechnungsperiode 2015 und zur Übergabe dieser Rechnung verpflichtet worden. Davon abgesehen hat das Berufungsgericht nicht - was notwendiger Ansatzpunkt einer Divergenz im Rechtssinne ist - einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt.

[13] aa) Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Divergenz ist, dass der Beschwerdeführer darlegt, dass die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, von einer gleichrangigen Entscheidung eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder von der Entscheidung eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 45; vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 f.; vom 13. Oktober 2020 - II ZR 40/20, juris Rn. 18; jeweils mwN). Eine solche Abweichung liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Vergleichsentscheidung tragenden Rechtssatz abweicht (BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, aaO; vom 9. Juni 2004 - VIII ZB 124/03, NJW 2004, 2904 unter II 2 a mwN).

[14] bb) Die Rechtsbeschwerde zeigt bereits einen vom Berufungsgericht aufgestellten abstrakten Rechtssatz nicht auf. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung der Rechtsmittelbeschwer der Beklagten bezüglich der vom Landgericht ausgesprochenen Verurteilung zu einer Abrechnung über die Heizkosten die höchstrichterlich geprägten Grundsätze über die Ermittlung des Werts der Beschwer bei einer Verurteilung zur Auskunft und Rechnungslegung zugrunde gelegt. Mit der erstmals von der Rechtsbeschwerde angeführten Frage, ob nicht stattdessen die vom Senat für den Fall der Erteilung einer die Umsatzsteuer gesondert ausweisenden Rechnung nach § 14 Abs. 3 UStG 1999 entwickelten Maßstäbe anzuwenden seien, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Demzufolge hat es einen abstrakten Rechtssatz bereits - auch nicht stillschweigend - aufgestellt, sondern sich mit der Anwendung höchstrichterlich geprägter Grundsätze begnügt. Der Vorwurf der Rechtsbeschwerde, es hätte die für eine andere Kategorie von Fällen geltenden Maßstäbe anwenden müssen, läuft damit auf die Geltendmachung eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers hinaus, der von vornherein eine Divergenz nicht begründen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, aaO S. 293).

[15] Davon abgesehen ist das Berufungsgericht nicht von den im Urteil des Senats vom 10. März 2010 (VIII ZR 65/09, NJW-RR 2010, 1579 Rn. 10) zum Ausdruck kommenden Rechtsprechungsgrundsätzen abgewichen. Denn der Senat hat dort gerade nicht ausgesprochen, dass bei einer - wie hier - Verurteilung zur Abrechnung über die Heizkosten nebst "Übergabe der Rechnung" sich die Rechtsmittelbeschwer des hierzu verurteilten Beklagten nach denselben Grundsätzen wie bei der titulierten Verpflichtung zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuernachweis richtet. Die genannten Pflichten haben unterschiedliche Auswirkungen. Während eine Verurteilung zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuernachweis dazu führt, dass der Rechnungssteller die ausgewiesene Umsatzsteuer (abzüglich möglicher Vorsteuer) dem Finanzamt schuldet, so dass die entsprechende Verpflichtung unmittelbare vermögensrechtliche Auswirkungen zeitigt (Senatsurteil vom 10. März 2010 - VIII ZR 65/09, aaO), haften einer Verurteilung zur Abrechnung von Heizkosten solche unmittelbaren finanziellen Folgen nicht an. Vielmehr hängt es letztlich vom Ergebnis einer korrekt erteilten Abrechnung ab, ob und inwieweit sich ein Guthaben der Gegenseite oder ein Nachzahlungsanspruch des zur Abrechnung Verpflichteten ergibt. Der Senat hat daher - was auch die Rechtsbeschwerde erkennt - bereits entschieden, dass sich die Rechtsmittelbeschwer eines zur Erteilung einer Abrechnung über die Wärmekosten verurteilten Beklagten nicht nach der möglichen Differenz zwischen den Endbeträgen der alten und der neuen Abrechnung, sondern nach dem bei der Verpflichtung zur Erteilung einer Auskunft maßgeblichen Zeit- und Kostenaufwand richtet (Senatsbeschluss vom 16. Juni 2008 - VIII ZB 87/06, WuM 2008, 615 Rn. 6 f.). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall. Dass die Klägerin neben dem eigentlichen Abrechnungsvorgang auch die "Übergabe" der Abrechnung, also die Aushändigung der Abrechnung verlangt, ändert hieran nichts. Denn beide Akte zusammen, Erstellung der Abrechnung und Übermittlung an die Klägerin, sind Teil der geschuldeten Auskunft.

[16] 2. Eine Entscheidung des Senats ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Es besteht kein Klärungsbedarf bezüglich der von ihr angeführten Frage, welche Grundsätze bei der Wertbemessung gelten, wenn eine Verurteilung zur Abrechnung der sich aus einem Wärmelieferungsvertrag ergebenden Heizkosten angegriffen wird.

[17] a) Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts nur dann erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225 mwN; vom 5. März 2013 - VIII ZR 310/12, WuM 2013, 305 Rn. 2). Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, aaO).

[18] b) Daran fehlt es hier nicht. Durch die oben (unter III 1 b) angeführte Senatsrechtsprechung ist bereits hinreichend geklärt, nach welchen Grundsätzen die Rechtsmittelbeschwer zu bemessen ist, wenn sich der Beklagte - wie hier - gegen die Verurteilung zur Abrechnung von Heizkosten aus einem Wärmelieferungsvertrag wendet. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt weist ersichtlich keine Besonderheiten auf, die eine Ergänzung oder Klarstellung der höchstrichterlichen Grundsätze gebieten würden.

[19] 3. Der angefochtene Verwerfungsbeschluss des Berufungsgerichts verletzt die Beklagte entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht in ihrem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz. Auch liegt eine von der Rechtsbeschwerde erneut angeführte Divergenz nicht vor.

[20] a) Das genannte Verfahrensgrundrecht gebietet es, dass Gerichte zivilprozessuale Vorschriften, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung des Instanzenzugs von Bedeutung sind, nicht derart auslegen und anwenden, dass dies den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2012, 2869 Rn. 8; NZA 2016, 122 Rn. 9 ff.; Senatsbeschlüsse vom 11. Januar 2011 - VIII ZB 62/10, WuM 2011, 177 Rn. 3; vom 12. Juli 2016 - VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632 Rn. 1; vom 30. Januar 2018 - VIII ZR 57/16, NJW-RR 2018, 588 Rn. 7; vom 29. Juni 2021 - VIII ZB 52/20, juris Rn. 8).

[21] Eine solche unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der an sich gegebenen Berufung kann auch in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer liegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2015 - VI ZB 29/14, WRP 2015, 592 Rn. 7; vom 19. April 2018 - IX ZB 62/17, NJW-RR 2018, 1265 Rn. 4; vom 3. April 2019 - VII ZB 59/18, juris Rn. 11; jeweils mwN). Die Bemessung der Berufungsbeschwer steht jedoch gemäß §§ 2, 3 ZPO im freien Ermessen des Berufungsgerichts, das dabei nicht an den in erster Instanz festgesetzten Streitwert gebunden ist (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Rn. 14; BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2015 - VI ZB 29/14, aaO; vom 19. April 2018 - IX ZB 62/17, NJW-RR 2018, 1265 Rn. 9). Der vom Berufungsgericht angenommene Wert kann von der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht, etwa weil es bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt, die Grenze des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Senatsurteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14, aaO; BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2015 - VI ZB 29/14, aaO; vom 30. Januar 2018 - VIII ZB 57/16, WuM 2018, 174 Rn. 16; vom 19. April 2018 - IX ZR 62/17, aaO Rn. 9; vom 3. April 2019 - VII ZB 59/18, aaO Rn. 14; vom 21. Mai 2019 - VIII ZB 66/18, WuM 2019, 538 Rn. 9).

[22] b) Ein solcher Ermessensfehlgebrauch liegt hier nicht vor. Die Bemessung des Werts der Beschwer mit einem Betrag in Höhe von 450 € durch das Berufungsgericht ist aus Sicht des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zu beanstanden. Eine Divergenz zu Entscheidungen des Bundesgerichtshofs liegt ebenfalls nicht vor.

[23] aa) Nach § 511 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat der Berufungskläger - hier die Beklagte - den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen. Das Berufungsgericht darf die Berufung allerdings nicht allein deshalb als unzulässig verwerfen, weil dieser Wert nicht glaubhaft gemacht worden ist (BGH, Beschlüsse vom 21. Juni 2018 - V ZB 254/17, NJW-RR 2018, 1421 Rn. 6; vom 3. April 2019 - VII ZB 59/18, juris Rn. 13). Vielmehr hat es ihn bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung auf Grund eigener Lebenserfahrung und Sachkenntnis nach freiem Ermessen zu schätzen (BGH, Beschlüsse vom 21. Juni 2018 - V ZB 254/17, aaO; vom 3. April 2019 - VII ZB 59/18, aaO mwN). Dabei ist - wie bei jeder Wertbestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen - das Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15, juris Rn. 28; zu den bei der Wertbestimmung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. April 2009 - XII ZB 49/07, NJW 2009, 2218 Rn. 12 f.).

[24] bb) Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde seiner Schätzung der Beschwer gemäß §§ 2, 3 ZPO nicht einen falschen Maßstab zugrunde gelegt, indem es den objektiv erforderlichen und nicht den von der Beklagten für erforderlich gehaltenen Aufwand für ausschlaggebend erachtet hat.

[25] (1) Die Beschwer einer zur Auskunftserteilung verpflichteten Partei ist nach ihrem Interesse zu bemessen, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dafür ist grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der Auskunft erfordert (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2008 - VIII ZB 87/06, WuM 2008, 615 Rn. 6; vom 8. März 2018 - III ZB 70/17, NJW-RR 2018, 697 Rn. 9 mwN; vom 4. Juli 2018 - XII ZB 82/18, juris Rn. 6). Damit ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Es kommt letztlich darauf an, welcher Aufwand im konkreten Fall voraussichtlich anfällt beziehungsweise - wenn der Beklagte die Auskunft (zur Abwehr der Zwangsvollstreckung oder nach Einlegung des Rechtsmittels) bereits erteilt hat - welcher Aufwand hierfür betrieben werden musste.

[26] Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus dem von ihr angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 2010 (X ZR 51/09, NJW 2010, 2812 Rn. 5, 8) nichts anderes. Auch nach dieser Entscheidung sind im Falle einer zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vorgenommenen Auskunft nicht die tatsächlich entstandenen Kosten unabhängig von ihrer Erforderlichkeit der Bemessung der Beschwer zugrunde zu legen, sondern nur die "durch die Auskunftserteilung entstandenen berücksichtigungsfähigen Kosten". Es sind somit sämtliche Tätigkeiten, die nicht konkret der geschuldeten Auskunftserteilung als erforderlich zugeordnet werden können, auszuscheiden (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - X ZR 51/09, aaO Rn. 8). Eine Divergenz, wie von der Rechtsbeschwerde angenommen, liegt ersichtlich nicht vor. Entsprechendes gilt, soweit die Rechtsbeschwerde eine Divergenz zum Beschluss des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. April 2009 (XII ZB 49/07, NJW 2009, 2218 Rn. 12 ff.) erblicken will. Denn auch der XII. Zivilsenat hat letztlich einen objektiven Maßstab angelegt, indem er darauf abgestellt hat, welche Kosten aufgrund einer gebotenen Inanspruchnahme fremder Hilfe anfallen (BGH, Beschluss vom 22. April 2009 - XII ZB 49/07, NJW 2009, 2218 Rn. 15).

[27] (2) Vor diesem Hintergrund ist es aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht bei der Bemessung der Beschwer nicht die von der Beklagten angegebenen 22 Stunden, sondern lediglich zehn Stunden angesetzt hat. Hierbei hat das Berufungsgericht - wie geboten - maßgeblich auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls abgestellt, indem es aufgezeigt hat, welche Arbeiten die Erstellung einer neuen Abrechnung im vorliegenden Fall umfasst, und indem es bei der Schätzung des Zeitaufwands weiter berücksichtigt hat, dass mit den Abrechnungen für die Jahre 2013 und 2014 bereits "Musterabrechnungen" vorliegen.

[28] (3) Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, wofür die angegebenen 22 Stunden im Hinblick auf die zu erstellende Abrechnung im Einzelnen erforderlich gewesen sein sollen und warum derart viele Mitarbeiter, davon ein Mitglied der Rechtsabteilung und zwei Mitarbeiter aus der Betriebskostenabteilung, hierfür haben eingesetzt werden müssen. Gemessen an den vorstehend aufgeführten Maßstäben hat das Berufungsgericht den von der Beklagten geltend gemachten Zeitaufwand daher zu Recht als nicht notwendig angesehen und den voraussichtlich entstehenden beziehungsweise tatsächlich angefallenen erforderlichen Aufwand ermessensfehlerfrei im Wege der Schätzung ermittelt. Dabei hat es im Einzelnen dargelegt, welche Arbeitsschritte bei Erstellung einer neuen Abrechnung anfallen und welche Arbeitserleichterungen in Betracht kommen (Anlehnung an "vertragsgemäße Musterrechnungen" aus Vorjahren). Ausgehend von diesen Erwägungen, die für sich genommen von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen werden, hat es den von der Beklagten angegebenen Stundenaufwand als deutlich überhöht eingestuft. Der Rechtsbeschwerde gelingt es nicht, rechtlich beachtliche Ermessensfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

[29] (a) Soweit die Rechtsbeschwerde darauf verweist, dass sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts aus dem Vortrag der Beklagten nicht lediglich ein Aufwand von 22 Stunden, sondern von zusätzlichen 14 Stunden, also von insgesamt 36 Stunden ergebe, was das Berufungsgericht übergangen habe, ist ein solcher Vortrag bereits nicht erfolgt und würde zudem die Schätzung des Berufungsgerichts bezüglich des erforderlichen Aufwands aus rechtlicher Sicht nicht in Frage stellen.

[30] (aa) Aus dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Schriftsatz der Beklagten vom 17. Juli 2020 ergibt sich bei verständiger Würdigung bereits nicht, dass die Beklagte einen Gesamtaufwand von 36 Stunden angeführt hätte. Vielmehr werden dort zusammenfassend lediglich von bestimmten Mitarbeitern geleistete Stunden angegeben, aus denen sich "im Ergebnis" ein "weiterer" Neuabrechnungs- und Korrekturaufwand von 22 Stunden ergibt. Mit dem Begriff "weiterer" ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht gemeint, dass hierzu noch die einige Absätze davor genannten 14 Stunden, die von einer Mitarbeiterin der Rechtsabteilung (vier Stunden) und von zwei Mitarbeiterinnen der Betriebskostenabteilung (zehn Stunden) für die Erstellung der korrigierten Abrechnung vom 17. September 2019 aufgewendet worden seien, hinzukämen. Denn diese sind ausdrücklich in die Ermittlung des Gesamtzeitaufwands von 22 Stunden eingeflossen.

[31] (bb) Die Rechtsbeschwerde kann auch nicht damit durchdringen, der Aufwand zur Erfüllung des titulierten Anspruchs sei im vorliegenden Fall deswegen höher ausgefallen, weil umfassende Prüfungen, Besprechungen und auch Rücksprachen mit dem Energieversorger erforderlich gewesen seien. Der insoweit angeführte Aufwand bezieht sich nach dem Vorbringen der Beklagten nicht ausschließlich auf die Erstellung einer neuen Abrechnung, sondern entstand teilweise bereits im Zusammenhang mit der Erhebung von Einwendungen gegen den eingeklagten Anspruch. Zudem ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, dass der Besprechungsaufwand zusätzlich anzusetzen wäre. Vielmehr ist dem nachfolgenden Absatz in dem Schriftsatz der Beklagten vom 17. Juli 2020 zu entnehmen, dass der Besprechungsaufwand (wohl acht Stunden) bei dem angegebenen Gesamtaufwand von 22 Stunden berücksichtigt worden ist.

[32] (cc) Ungeachtet dessen muss der angeblich von der Beklagten behauptete Gesamtaufwand von 36 Stunden erst Recht als außer Verhältnis zu den vorzunehmenden Arbeitsschritten und damit als nicht maßgeblich bewertet werden, wenn bereits der Ansatz von 22 Stunden vom Berufungsgericht als nach dem Umfang der zu erbringenden Arbeiten ermessensfehlerfrei als zu hoch eingestuft worden ist.

[33] (b) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, die Erwägung des Berufungsgerichts, ein Gesamtaufwand von 22 Stunden übersteige die wöchentlich übliche Arbeitszeit von circa 40 Stunden um mehr als die Hälfte, sei unzutreffend, vermag die Wertbemessung des Berufungsgerichts ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Denn mit der von der Rechtsbeschwerde angegriffenen Überlegung wollte das Berufungsgericht ersichtlich nur im Wege eines Vergleichsmaßstabs zum Ausdruck bringen, dass ein von mehreren Mitarbeitern zusammen geleisteter Zeitaufwand von 22 Stunden mehr als die Hälfte der auf einen Mitarbeiter entfallenden wöchentlichen Arbeitszeit beträgt.

[34] 4. Schließlich scheidet auch eine von der Rechtsbeschwerde gerügte Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus.

[35] a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 107, 395, 408 f.; 108, 341, 347 f.). Allerdings ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 65, 293, 295 f.; 70, 288, 293; BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2021 - 1 BvR 242/21, juris Rn. 6). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (st. Rspr.; vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2021 - 1 BvR 242/21, aaO). Art. 103 Abs. 1 GG schützt jedoch nicht davor, dass der Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt bleibt (st. Rspr.; zuletzt BVerfG, Beschluss vom 28. November 2018 - 2 BvR 882/17, juris Rn. 20; vom 15. Februar 2017 - 2 BvR 395/16, juris Rn. 6 mwN).

[36] b) Die Rechtsbeschwerde vermag gemessen daran gehörswidriges Übergehen entscheidungserheblichen Vorbringens nicht aufzuzeigen. Dass das Berufungsgericht bezüglich der Ermittlung des für die Bemessung der Beschwer erforderlichen Aufwands für eine Auskunftserteilung einen objektiven Maßstab angelegt hat, stellt allein eine rechtliche Würdigung und kein gehörswidriges Übergehen von Sach- oder Rechtsvortrag dar. Die Rechtsbeschwerde verweist nicht auf übergangenen Vortrag im Berufungsverfahren. Den angeblich von der Beklagten angegebenen Gesamtaufwand von 36 Stunden hat das Berufungsgericht bereits deswegen nicht übergangen, weil ein solches Vorbringen - wie oben aufgezeigt - nicht erfolgt ist. Im Übrigen hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt, dass dieser angebliche Gesamtaufwand tatsächlich objektiv erforderlich und damit entscheidungserheblich war.

[37] IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Fetzer Dr. Schneider Dr. Schmidt

Wiegand Dr. Matussek

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