BGH, Beschluss vom 8. März 2023 - XII ZB 283/22

31.05.2023

BUNDESGERICHTSHOF

vom

8. März 2023

in der Betreuungssache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


FamFG §§ 7, 68 Abs. 1 Satz 1, 274, 303 Abs. 2 Nr. 1


a) Das Recht der Beschwerde nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht den Angehörigen im Interesse des Betroffenen nur dann zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 17. März 2021 - XII ZB 169/19 - FamRZ 2021, 1062 und vom 11. Juli 2018 ­ XII ZB 471/17 - FamRZ 2018, 1607).

b) Für die auch konkludent mögliche Hinzuziehung zu einem Betreuungsverfahren ist erforderlich, dass das Gericht dem Beteiligten eine Einflussnahme auf das laufende Verfahren ermöglichen will und dies zum Ausdruck bringt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. März 2021 ­ XII ZB 169/19 - FamRZ 2021, 1062).

c) In der antragsgemäß bewilligten Akteneinsicht liegt keine Hinzuziehung eines Angehörigen, wenn die Akteneinsicht erkennbar allein dazu dient, dessen berechtigtes Informationsinteresse zu befriedigen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 17. Juni 2020 - XII ZB 574/19 - FamRZ 2020, 1590 und vom 13. März 2019 ­ XII ZB 523/18 - FamRZ 2019, 915).

d) Ein Angehöriger erlangt durch seine Hinzuziehung (erstmals) im Abhilfeverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht nachträglich eine Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 3. Februar 2021 ­ XII ZB 437/20 - FamRZ 2021, 799). Dies gilt auch dann, wenn sich der Angehörige, der erst im Abhilfeverfahren beteiligt wurde, mit seiner Beschwerde gegen die Betreuungsentscheidung in Gestalt der sie abändernden Abhilfeentscheidung wendet.


BGH, Beschluss vom 8. März 2023 - XII ZB 283/22 - LG Osnabrück, AG Bad Iburg


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. März 2023 durch den

Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterin Dr. Pernice

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 15. Juni 2022 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass seine Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Iburg vom 11. Juni 2021 in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 28. März 2022 verworfen wird.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Eine Festsetzung des Beschwerdewerts (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

Gründe:

[1] I. Der Beteiligte zu 1 wendet sich im Rahmen der Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene gegen die Betreuerauswahl.

[2] Die im Jahr 1929 geborene Betroffene leidet an einem schweren demenziellen Syndrom, infolge dessen sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann. Im September 2020 erteilte sie einem ihrer Söhne, dem Beteiligten zu 1, eine notarielle Vorsorgevollmacht. Im Mai 2021 regte die Tochter der Betroffenen, die Beteiligte zu 2, die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung für die Betroffene an.

[3] Im darauf eingeleiteten Betreuungsverfahren hat der Beteiligte zu 1 ­ jeweils in Vertretung für die Betroffene ­ seine Vorsorgevollmacht zur Akte gereicht sowie Akteneinsicht beantragt, die ihm gewährt worden ist. Bei einem Gespräch der Betreuungsbehörde mit der Betroffenen war der Beteiligte zu 1 anwesend. Nach einer Stellungnahme der Betreuungsbehörde hat das Amtsgericht die von der Beteiligten zu 2 angeregte Einrichtung einer Betreuung im Hinblick auf die dem Beteiligten zu 1 erteilte Vorsorgevollmacht durch Beschluss vom 11. Juni 2021 abgelehnt. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat es sodann unter Hinweis auf die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht abgeholfen und die Beteiligte zu 5, eine Rechtsanwältin, zur Betreuerin bestellt. Das Landgericht hat die dagegen vom Beteiligten zu 1 im eigenen Namen eingelegte Beschwerde, die sich allein gegen die Auswahl der bestellten Betreuerin richtet, zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Rechtsbeschwerde.

[4] II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

[5] 1. Sie ist allerdings gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG zulassungsfrei statthaft und auch im Übrigen zulässig.

[6] Dass sich die Rechtsbeschwerde nicht gegen die Anordnung der Betreuung als solche, sondern (nur) gegen die Entscheidung über die Auswahl des Betreuers richtet, ist unschädlich, weil es sich um eine zulässige Teilanfechtung der die Einrichtung einer Betreuung und die Bestellung eines Betreuers umfassenden Einheitsentscheidung handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 2015 ­ XII ZB 621/14 - FamRZ 2015, 1178 Rn. 10 mwN).

[7] Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1 folgt für das Verfahren der Rechtsbeschwerde bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 25. Januar 2017 ­ XII ZB 438/16 - FamRZ 2017, 552 Rn. 5 mwN).

[8] 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts verworfen wird. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist ­ entgegen der insoweit nicht näher begründeten Auffassung des Beschwerdegerichts ­ unzulässig, weil dem Beteiligten zu 1 die Berechtigung für ein Rechtsmittel im eigenen Namen gefehlt hat.

[9] a) Eine Beschwerdeberechtigung lässt sich für den Beteiligten zu 1 mit Blick auf die ihm erteilte Vorsorgevollmacht weder aus § 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG noch aus § 59 Abs. 1 FamFG herleiten, weil der Beteiligte zu 1 die Beschwerde nicht im Namen der Betroffenen eingelegt hat und er seinerseits durch den Beschluss des Amtsgerichts nicht in eigenen Rechten betroffen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 ­ XII ZB 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 6 ff.).

[10] b) Der Beteiligte zu 1 war auch nicht als Abkömmling der Betroffenen zur Einlegung der Beschwerde im eigenen Namen nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG berechtigt. Denn er ist im ersten Rechtszug nicht beteiligt worden.

[11] aa) Das Recht zur Beschwerde im eigenen Namen steht einem Angehörigen nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen nur dann zu, wenn der Angehörige ­ wenngleich nicht zwingend in eben dieser Funktion (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Januar 2017 ­ XII ZB 438/16 - FamRZ 2017, 552 Rn. 12) ­ im ersten Rechtszug beteiligt worden ist. Fehlt es hingegen an einer erstinstanzlichen Beteiligung, ist nach dieser Vorschrift ein Beschwerderecht unabhängig davon zu verneinen, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. März 2021 ­ XII ZB 169/19 - FamRZ 2021, 1062 Rn. 7 mwN und vom 11. Juli 2018 ­ XII ZB 471/17 - FamRZ 2018, 1607 Rn. 10 mwN).

[12] Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung bedarf es für eine solche Beteiligung im Sinne von §§ 7, 274, 303 Abs. 2 FamFG immer eines vom Gericht gewollten Hinzuziehungsaktes, unabhängig davon, ob es sich um einen Muss-Beteiligten im Sinne von § 274 Abs. 1 FamFG oder um einen Kann-Beteiligten nach § 274 Abs. 4 FamFG handelt (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 3. Februar 2021 ­ XII ZB 437/20 ­ FamRZ 2021, 799 Rn. 3 mwN und vom 27. März 2019 ­ XII ZB 417/18 - FamRZ 2019, 1091 Rn. 7 mwN). Die Hinzuziehung eines Beteiligten kann allerdings auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Andererseits genügt die bloße Bekanntgabe der die Instanz abschließenden Entscheidung nicht für eine Beteiligung im Sinne des § 7 FamFG. Denn eine Beteiligung setzt notwendigerweise die Möglichkeit voraus, dass die beteiligte Person auf das Verfahren in derselben Instanz Einfluss nehmen kann. Hierbei kommt es darauf an, ob das Gericht dem Beteiligten eine solche Einflussnahme ermöglichen will und dies zumindest konkludent zum Ausdruck bringt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2021 ­ XII ZB 169/19 - FamRZ 2021, 1062 Rn. 7 mwN). Allein der Umstand, dass der Angehörige im Entscheidungsrubrum nicht als Beteiligter aufgeführt ist, steht einer tatsächlichen Hinzuziehung als Beteiligter allerdings nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2019 ­ XII ZB 523/18 - FamRZ 2019, 915 Rn. 7 mwN).

[13] bb) Gemessen hieran fehlt es an einer Beteiligung des Beteiligten zu 1 im ersten Rechtszug und damit an dessen erforderlicher Beschwerdeberechtigung. Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 1 weder als Vorsorgebevollmächtigten nach § 274 Abs. 1 Nr. 3 FamFG noch als Abkömmling der Betroffenen nach § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG oder in anderer Eigenschaft ausdrücklich beteiligt. Es hat ihn nach den aufgeführten Grundsätzen auch nicht konkludent zum Betreuungsverfahren hinzugezogen.

[14] (1) Als konkludente Hinzuziehung scheidet nach Vorstehendem die bloße Bekanntgabe des die Instanz abschließenden Beschlusses an den Beteiligten zu 1 ohne Weiteres aus.

[15] (2) Das Amtsgericht hat dem Beteiligten zu 1 im ersten Rechtszug ­ anders als in dem auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 durchgeführten Abhilfeverfahren ­ auch keine Schriftstücke aus dem Verfahren zur Kenntnis- oder Stellungnahme zukommen lassen, insbesondere weder den verfahrenseinleitenden Schriftsatz der Beteiligten zu 2, mit dem die Einrichtung einer Betreuung angeregt worden ist, noch die Stellungnahme der Betreuungsbehörde. Auch im Rubrum der die Instanz abschließenden Entscheidung ist der Beteiligte zu 1 nicht als Beteiligter erwähnt.

[16] (3) Eine Hinzuziehung des Beteiligten zu 1 ergibt sich ebenso wenig aus dessen Anwesenheit bei dem Gespräch, das die Betreuungsbehörde mit der Betroffenen geführt hat. Ein konkludenter Hinzuziehungsakt des Amtsgerichts kann darin schon deshalb nicht gesehen werden, weil der Beteiligte zu 1 nicht vom Amtsgericht zu dem Gespräch geladen und in dieses auch nicht seitens des Gerichts einbezogen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 ­ XII ZB 493/15 - FamRZ 2016, 626 Rn. 6).

[17] (4) Auch in der vom Amtsgericht gewährten Akteneinsicht liegt unter den gegebenen Umständen keine Hinzuziehung des Beteiligten zu 1 als Verfahrensbeteiligter. Denn die Akteneinsicht beruhte auf einem entsprechenden Gesuch des Beteiligten zu 1 und hatte nicht den Zweck, diesem (als Vorsorgebevollmächtigtem oder Abkömmling) eine Stellungnahme im laufenden Verfahren zu ermöglichen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Juni 2020 ­ XII ZB 574/19 - FamRZ 2020, 1590 Rn. 15 und vom 13. März 2019 ­ XII ZB 523/18 - FamRZ 2019, 915 Rn. 10). Dies zeigt sich schon daran, dass das Amtsgericht seine die Instanz abschließende Entscheidung bereits drei Tage nach gewährter Akteneinsicht getroffen hat, mithin innerhalb eines Zeitraums, in dem mit einer Stellungnahme des Beteiligten zu 1 ­ die auch tatsächlich nicht erfolgt ist ­ von vornherein nicht gerechnet werden konnte. Ausweislich der zeitlichen Abläufe ging es dem Amtsgericht bei der Gewährung von Akteneinsicht allein um die Befriedigung des Informationsbedürfnisses des Beteiligten zu 1, nicht jedoch darum, ihm eine Einflussnahme auf das laufende Verfahren zu ermöglichen. Der Umstand, dass das Amtsgericht dem Beteiligten zu 1 auch die nach der gewährten Akteneinsicht eingegangene Stellungnahme der Betreuungsbehörde nicht übersandt hat, unterstreicht dies zusätzlich.

[18] (5) Ebenso wenig wie die bloße Anregung zur Einleitung eines Betreuungsverfahrens geeignet ist, eine Beteiligtenstellung zu begründen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Januar 2019 ­ XII ZB 489/18 - FamRZ 2019, 618 Rn. 9 mwN), führte vorliegend die der Akteneinsicht vorausgegangene Einreichung der Vorsorgevollmacht durch den Beteiligten zu 1 zu dessen Beteiligtenstellung. Denn auch diese ging nicht auf einen nach außen hervortretenden Beteiligungswillen des Gerichts zurück, sondern erschöpfte sich in einem eigeninitiativen Handeln des Beteiligten zu 1 (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2019 ­ XII ZB 523/18 - FamRZ 2019, 915 Rn. 11).

[19] (6) Schließlich lässt sich auch aus der telefonischen Mitteilung des Amtsgerichts gegenüber dem Beteiligten zu 1, dass im Verfahren zunächst die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht geprüft werde, nicht auf dessen Hinzuziehung schließen. Denn auch diese Mitteilung ging auf eine Nachfrage des Beteiligten zu 1 zurück, hatte rein informatorischen Charakter und diente mithin nicht dem Zweck, dem Beteiligten zu 1 eine Einfluss- bzw. Stellungnahme im laufenden Verfahren zu ermöglichen (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 3. Februar 2021 ­ XII ZB 437/20 - FamRZ 2021, 799 Rn. 6).

[20] cc) Auch durch die Hinzuziehung des Beteiligten zu 1 in dem auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 durchgeführten Abhilfeverfahren wurde dieser nicht ­ wie von § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG vorausgesetzt ­ zum Beteiligten im ersten Rechtszug. Denn das auf eine Beschwerde folgende Abhilfeverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats bereits Bestandteil des Beschwerdeverfahrens und gehört deshalb nicht zum ersten Rechtszug im Sinne von § 303 Abs. 2 FamFG (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. Februar 2021 ­ XII ZB 437/20 - FamRZ 2021, 799 Rn. 2 mwN und vom 11. Juli 2018 ­ XII ZB 471/17 - FamRZ 2018, 1607 Rn. 10 mwN; vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 22. September 2021 ­ XII ZB 93/21 ­ FamRZ 2022, 135 Rn. 15 mwN zu § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG).

[21] Daran ändert sich nichts dadurch, dass das Amtsgericht der Beschwerde der Beteiligten zu 2 im vorliegenden Fall vollständig abgeholfen hat und sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Beschwerde primär gegen diese Abhilfeentscheidung wendet. Denn auch wenn nach der gesetzlichen Systematik eine Abhilfeentscheidung für einen hiergegen zur Anfechtung Berechtigten eine neue Beschwerdefrist nach § 63 FamFG in Gang setzt (vgl. Senatsbeschluss vom 26. August 2020 ­ XII ZB 243/19 - FamRZ 2020, 1941 Rn. 13) und nach teilweise vertretener Ansicht nach Anfechtung einer erstinstanzlichen Entscheidung in Gestalt des Abhilfebeschlusses ein weiteres Abhilfeverfahren durchzuführen ist (so Sternal/

Sternal FamFG 21. Aufl. § 68 Rn. 10 mwN; aA Althammer in Johannsen/Henrich/

Althammer Familienrecht 7. Aufl. § 68 FamFG Rn. 3; Saenger/Kemper ZPO 9. Aufl. § 68 FamFG Rn. 5), so ist dennoch das Abhilfeverfahren auch in einer solchen Konstellation allein dem zweiten und nicht dem ersten Rechtszug zuzuordnen.

[22] Der Abhilfebeschluss macht die Ausgangsentscheidung, mit der die erste Instanz abgeschlossen worden ist, nicht gegenstandlos. So darf sich auch im Fall einer Abhilfe eine Beschwerde eines Beteiligten ­ hier diejenige des Beteiligten zu 1 ­ nicht allein gegen den Abhilfebeschluss richten, sondern muss sich gegen den Ausgangsbeschluss in der Form wenden, den er im Abhilfeverfahren erhalten hat (vgl. Senatsbeschluss vom 26. August 2020 ­ XII ZB 243/19 - FamRZ 2020, 1941 Rn. 13). Die Abhilfe führt lediglich zu einer ­ während des Laufs der durch den Abhilfebeschluss erneut in Gang gesetzten Beschwerdefrist vorläufigen ­ Erledigung des Beschwerdeverfahrens (vgl. KG FamRZ 2011, 1750, 1751; Sternal/Sternal FamFG 21. Aufl. § 68 Rn. 32 mwN; vgl. auch BeckOK ZPO/Wulf [Stand: 1. Dezember 2022] § 572 Rn. 1). Die Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung in Gestalt des Abhilfebeschlusses hat somit nicht zur Folge, dass das vor der Abhilfeentscheidung durchgeführte Abhilfeverfahren nunmehr dem ersten Rechtszug zuzuordnen wäre. Dieses bleibt vielmehr auch für die gegen den Ausgangsbeschluss in der Fassung der Abhilfeentscheidung erhobene Beschwerde Teil des Beschwerdeverfahrens, auch wenn es dem Abhilfebeschluss und der ihm nachfolgenden Beschwerde vorausgegangen ist. Die Einordnung des Abhilfeverfahrens hängt mithin nicht von dem Inhalt der hierauf ergehenden (Nicht-)Abhilfeentscheidung ab.

[23] Dass der Beteiligte zu 1 durch seine Hinzuziehung im Abhilfeverfahren keine Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 FamFG erlangt haben kann, erhellt auch folgende Überlegung: Nach dieser Vorschrift wäre der Beteiligte zu 1 ­ mangels erstinstanzlicher Beteiligung ­ auch dann nicht zur Einlegung der Erstbeschwerde befugt gewesen, wenn bereits die Ausgangsentscheidung des Amtsgerichts so ausgefallen wäre, wie sie im Wege der Abhilfe von ihm getroffen worden ist. Dann aber kann durch das Abhilfeverfahren allein eine Besserstellung des Beteiligten zu 1 nicht bewirkt werden. Denn dieses Verfahren vermag Rechtsschutzmöglichkeiten, die gesetzlich nicht vorgesehen sind, nicht zu begründen, sondern gestaltet lediglich den gesetzlich eingeräumten Rechtsschutz verfahrensrechtlich (vgl. auch Sternal/Sternal FamFG 21. Aufl. § 68 Rn. 9) aus.

[24] dd) Da es für die Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 FamFG, wie ausgeführt, maßgeblich auf die ­ hier unterbliebene ­ tatsächliche (erstinstanzliche) Beteiligung ankommt, ist es auch ohne Belang, dass der Beteiligte zu 1 aufgrund der ihm erteilten Vorsorgevollmacht ­ unbeschadet des Umstands, dass deren Wirksamkeit im erstinstanzlichen Verfahren gerade überprüft worden ist (vgl. dazu BeckOK FamFG/Günter [Stand: 1. Oktober 2022] § 274 Rn. 7; Sternal/

Giers FamFG 21. Aufl. § 274 Rn. 4) ­ gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 3 FamFG als Muss-Beteiligter zwingend im Betreuungsverfahren zu beteiligen gewesen wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 21. August 2019 ­ XII ZB 156/19 - FamRZ 2019, 1890 Rn. 10).

[25] ee) Einem nicht beteiligten Angehörigen muss in Fällen der vorliegenden Art auch nicht etwa aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Beschwerderecht eingeräumt werden (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 17. Juni 2020 ­ XII ZB 574/19 - FamRZ 2020, 1590 Rn. 19 ff.). Dies gilt vorliegend umso mehr, weil der Beteiligte zu 1 mit Blick auf die ihm erteilte Vorsorgevollmacht auch ohne Beteiligung am erstinstanzlichen Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG im Namen der Betroffenen hätte Beschwerde einlegen können (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 30). Eine Notwendigkeit, dem Angehörigen ein darüber hinaus gehendes persönliches Beschwerderecht einzuräumen, besteht nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. August 2019 ­ XII ZB 156/19 - FamRZ 2019, 1890 Rn. 11 mwN).

[26] c) Im Ergebnis war der Beteiligte zu 1 somit zur Einlegung der Beschwerde im eigenen Namen nicht berechtigt, was im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juni 2015 ­ XII ZB 98/15 ­ FamRZ 2015, 1603 Rn. 12 mwN).

[27] 3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Guhling Klinkhammer Nedden-Boeger

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