BGH: Innenausgleich zwischen Mitbürgen und Grundschuldbestellern nach dem Verhältnis der übernommenen Haftungsrisiken

23.01.2009

BGB §§765, 774 Abs.2, §426 Abs.1 Satz1, §1191

Innenausgleich zwischen Mitbürgen und Grundschuldbestellern nach dem Verhältnis der übernommenen Haftungsrisiken

BGH, Urt. v. 9.12.2008 - XI ZR 588/07 (OLG Frankfurt/M.)

Leitsatz des Gerichts:

Die Höhe des Innenausgleichs zwischen Mitbürgen und Grundschuldbestellern richtet sich, wenn nichts anderes vereinbart ist, nach dem Verhältnis der gegenüber dem Gläubiger übernommenen Haftungsrisiken.

Tatbestand:

[1] Der Kläger nimmt die Beklagte, seine Ehefrau, als Mitbürgin auf Ausgleich in Anspruch.

[2] Die Parteien übernahmen am 15. November 2000, jeder für sich selbst, für alle bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der B. Bank (im Folgenden: Gläubigerin) aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen die S. GmbH (im Folgenden: Hauptschuldnerin) zustanden, selbstschuldnerische Bürgschaften bis zu Höchstbeträgen von 200.000 DM. Der Kläger war Geschäftsführer der Hauptschuldnerin und hielt als Gesellschafter 20% des Stammkapitals. Weitere Gesellschafterin mit einer Stammeinlage i.H.v. 80% war die S. KG, deren Komplementärin und Geschäftsführerin die Beklagte war. Kommanditisten waren die Kinder der Parteien. Nachdem die Parteien sich im Dezember 2001 getrennt hatten, wurde der Kläger als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin durch die Beklagte abgelöst.

[3] Anlass der Bürgschaften vom 15. November 2000 war eine Vereinbarung zwischen Gläubigerin und Hauptschuldnerin vom 3./18. November 2000 über die Gewährung eines Kontokorrentkredits i.H.v. 200.000 DM. Der Kreditvertrag sah als Sicherheiten neben den beiden Bürgschaften der Parteien Grundschulden i.H.v. 150.000 DM, 750.000 DM, 500.000 DM und 450.000 DM auf Grundstücken des Klägers sowie Sicherungsübereignungen vor. Der Sicherungszweck der Grundschulden, die bereits für frühere Kredite der Gläubigerin an die Hauptschuldnerin und teilweise auch an andere Schuldner bestellt worden waren, wurde auf den Kontokorrentkredit vom 3./18. November 2000 erweitert. Die Grundschulden sicherten nunmehr Kredite der Gläubigerin an die Hauptschuldnerin i.H.v. insgesamt 545.000 DM.

[4] Nachdem über das Vermögen der Hauptschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, zahlten die Beklagte 10.000. und der Kläger 79.931,15. an die Gläubigerin, die keine weiteren Ansprüche gegen die Hauptschuldnerin geltend macht.

[5] Der Kläger hat die Beklagte, die Komplementärin der KG war, in erster Instanz im Hinblick auf die 80%-Beteiligung der KG an der Hauptschuldnerin auf Ausgleich von 80% der Zahlungen beider Bürgen an die Gläubigerin, d.h. auf Zahlung von 61.944,92. in Anspruch genommen. Im Berufungsverfahren hat er eine hälftige Beteiligung der Beklagten, d.h. Zahlung von 34.965,57. verlangt. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen Revision - verfolgt der Kläger seinen Antrag aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe:

[6] Die Revision ist teilweise begründet.

[7] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

[8] Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Ausgleichsanspruch gem. §§769, 426 Abs.1 BGB, weil die Beklagte mit ihrer Zahlung von 10.000. dem ihr im Ausgleichsverhältnis zum Kläger obliegenden Haftungsanteil genügt habe. (Wird ausgeführt.)

[12] II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Ausgleichsanspruch gem. §774 Abs.2, §426 Abs.1 Satz1 BGB i.H.v. 9.029,43. zu.

[13] 1. Das Berufungsgericht ist im Ansatz rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Parteien als Sicherungsgeber auf gleicher Stufe stehen (vgl. zum Verhältnis zwischen Bürge und Grundschuldbesteller: BGH, Urt. v. 24.9.1992 - IX ZR 195/91, ZIP 1992, 1536 = WM 1992, 1893, 1894, dazu EWiR 1992, 1173 (Selb)) und einander grundsätzlich nach den Regeln über die Gesamtschuld ausgleichspflichtig sind. Dies ergibt sich, soweit die Parteien Mitbürgen sind, aus §774 Abs.2 BGB. Dass der Kläger zusätzlich Grundschulden als Sicherheiten bestellt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch auf das Verhältnis zwischen Bürge und Grundschuldbesteller ist der hinter §426 Abs.1 BGB stehende allgemeine Rechtsgedanke einer anteiligen Haftung schon zur Vermeidung von Zufallsergebnissen anwendbar (BGHZ 108, 179, 183 = ZIP 1989, 1044 (m. Anm. Bayer/Wandt), dazu EWiR 1989, 863 (Tiedtke); BGH, Urt. v. 20.12.1990 - IX ZR 268/89, ZIP 1991, 647 = WM 1991, 399, 400, dazu EWiR 1991, 347 (Selb)). Dies gilt erst recht, wenn der Grundschuldbesteller, wie hier, zugleich Bürge ist.

[14] 2. Die Höhe des Innenausgleichs zwischen den Parteien hat das Berufungsgericht hingegen rechtsfehlerhaft beurteilt.

[15] a) Bei Höchstbetragsbürgschaften bestimmt sich, wenn nichts anderes vereinbart ist, der Innenausgleich zwischen den Bürgen nach dem Verhältnis der einzelnen Höchstbeträge (BGHZ 137, 292, 294ff. = ZIP 1998, 280 = ZBB 1999, 229 (m. Bespr. Oepen, S.233), dazu EWiR 1998, 347 (Tiedtke); BGH, Urt. v. 13.1.2000 - IX ZR 11/99, ZIP 2000, 406 = WM 2000, 408, 410, dazu EWiR 2000, 429 (Büchler)). Der Ausgleich im Innenverhältnis zwischen Mitbürgen richtet sich mithin nach dem im Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger übernommenen Haftungsrisiko (vgl. Glöckner, ZIP 1999, 821, 827ff.).

[16] b) Die Höhe des Haftungsrisikos im Außenverhältnis gegenüber der Gläubigerin wird nicht nur durch den Höchstbetrag der Bürgschaft, sondern auch durch alle anderen Sicherheiten, etwa Grundschulden, bestimmt. Diese sind deshalb auch bei der Bestimmung des Innenausgleichs zu berücksichtigen. Das Urteil des BGH vom 11. Juli 1973 (VIII ZR 178/72, WM 1975, 100, 101) besagt nichts Gegenteiliges. Danach wird das Innenverhältnis zwischen Mitbürgen nicht dadurch berührt, dass ein Mitbürge zusätzlich zur Bürgschaft noch Grundschulden bestellt, wozu er, ebenso wie die anderen Bürgen, aufgrund des formularmäßigen Bürgschaftsvertrags verpflichtet ist. Diese Entscheidung betrifft nicht die Höhe des Ausgleichsanspruchs, sondern die - im Zeitpunkt des Urteils höchstrichterlich noch nicht entschiedene und darin offengelassene - Frage, ob zwischen Bürge und Grundschuldbesteller überhaupt ein Ausgleich stattfindet.

[17] c) Die vom Kläger bestellten vier Grundschulden sind bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs allerdings, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, nicht sämtlich in Höhe ihrer Nominalbeträge zu berücksichtigen. Das gegenüber der Gläubigerin übernommene Haftungsrisiko wird nicht nur durch die Nominalbeträge der Grundschulden und die Höchstbeträge der Bürgschaften, sondern auch durch die Höhe der gesicherten Forderungen gegen die Hauptschuldnerin begrenzt. Die durch die Grundschulden gesicherten Forderungen gegen andere Schuldner sind in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger die Beklagte als Mitbürgin auf Ausgleich gem. §774 Abs.2, §426 Abs.1 Satz1 BGB nur für seine Leistungen auf Ansprüche der Gläubigerin gegen die Hauptschuldnerin in Anspruch nehmen kann und nimmt.

[18] d) Die Grundschulden sicherten Ansprüche gegen die Hauptschuldnerin i.H.v. insgesamt 545.000 DM. Auf diesen Betrag war das Risiko des Klägers, mit den Grundschulden für Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin zu haften, begrenzt. Aus der Bürgschaft ergab sich ein zusätzliches Haftungsrisiko i.H.v. 200.000 DM. Die Bürgschaft sicherte zwar ebenso wie die Grundschulden den Kontokorrentkredit vom 3./18. November 2000. Sie konnte aber aufgrund ihrer weiten Zweckbestimmung auch für andere Forderungen gegen die Hauptschuldnerin in Anspruch genommen werden. Formularmäßig weite Zweckerklärungen sind gegenüber Allein- und Mehrheitsgesellschaftern sowie Geschäftsführern der Hauptschuldnerin, d.h. auch gegenüber dem Kläger, wirksam (BGHZ 142, 213, 215f. = ZIP 1999, 1480, dazu EWiR 1999, 1001 (Tiedtke); BGHZ 143, 95, 100f. = ZIP 2000, 65, dazu EWiR 2000, 205 (Blaurock); BGHZ 153, 293, 298 = ZIP 2003, 621, dazu EWiR 2003, 629 (Medicus)).

[19] Dem Haftungsrisiko des Klägers von insgesamt 745.000 DM stand ein Haftungsrisiko der Beklagten von 200.000 DM gegenüber. Ihr gegenüber kann die Wirksamkeit der weiten Zweckerklärung dahinstehen, weil sie jedenfalls für die Anlassforderung, d.h. den Kontokorrentkredit i.H.v. 200.000 DM, haftet (BGHZ 137, 153, 156f. = ZIP 1998, 16, dazu EWiR 1998, 165 (Tiedtke); BGHZ 153, 293, 298 = ZIP 2003, 621). Die Beklagte schuldet dem Kläger somit Ausgleich i.H.v. 21,16% von dem gezahlten Gesamtbetrag i.H.v. 89.931,15., d.h. 19.029,43.. Da sie 10.000. gezahlt hat, steht dem Kläger noch eine Forderung i.H.v. 9.029,43. zu.

[20] 3. Weitergehende Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus einem Mitbürgenausgleich entsprechend den Gesellschaftsbeteiligungen der Parteien an der Hauptschuldnerin. Davon ist auch der Kläger im Berufungsverfahren ausgegangen und hat seine in erster Instanz vertretene abweichende Ansicht ausdrücklich aufgegeben.

[21] III. Das angefochtene Urteil stellt sich, soweit es rechtsfehlerhaft ist, nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§561 ZPO).

[22] 1. Die Bürgschaft der Beklagten ist nicht wegen krasser finanzieller Überforderung gem. §138 Abs.1 BGB nichtig. Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, die persönliche Haftung der Gesellschafter zu verlangen (BGHZ 137, 329, 336 = ZIP 1998, 196; BGHZ 153, 293, 296 = ZIP 2003, 621). Dies gilt auch für die Beklagte. Diese war zwar nicht Gesellschafterin der Hauptschuldnerin, sondern Komplementärin der KG, die Gesellschafterin der Hauptschuldnerin war. Dies reicht aber aus. Die Wirksamkeit der Bürgschaft kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob sie von der KG, mit der Folge der persönlichen Haftung der Beklagten, oder von der Beklagten unmittelbar gestellt wird.

[23] 2. Die Revisionserwiderung beruft sich ohne Erfolg darauf, ein Ehegatte, der für Geschäftsschulden des anderen Sicherheiten bestellt habe, könne nach dem Scheitern der Ehe Befreiung von seiner Verbindlichkeit oder Erstattung geleisteter Zahlungen verlangen; seine Haftung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs sei dann ausgeschlossen. Die Revisionserwiderung verweist insoweit lediglich auf die Möglichkeit, dass der Kläger sein Einkommen aus der Hauptschuldnerin erwirtschaftete, ohne dass diese der ehelichen Lebensgemeinschaft als Erwerbsgrundlage diente, zeigt aber hierzu keinen konkreten Vortrag in den Tatsacheninstanzen auf. Dasselbe gilt für die Annahme, die Bürgschaft des Klägers sei als Eigenkapital ersetzende Gesellschafterleistung zu betrachten.

[24] 3. Erfolglos macht die Revisionserwiderung ferner geltend, dem Kläger seien aus frei gewordenen Sicherheiten der Hauptschuldnerin gegenüber der Gläubigerin Gelder in unbekannter Höhe zugeflossen. In den Tatsacheninstanzen hat die Beklagte vorgetragen, die Gläubigerin habe dem Kläger Ansprüche aus einer Globalzession abgetreten, auf die Zahlungen an den Insolvenzverwalter geleistet worden seien. Daraus ergibt sich keine Einwendung gegen den begründeten Teil der Klageforderung. Ob ein Mitbürge vor der Inanspruchnahme eines anderen Mitbürgen einen zumutbaren, d.h. Erfolg versprechenden Rückgriff beim Schuldner nehmen muss (vgl.

ZIP 4/2009Rechtsprechung zum Bank- und Kreditsicherungsrecht167
hierzu MünchKomm-Habersack, BGB, 4.Aufl., §774 Rz.25), bedarf keiner Entscheidung, weil nicht substanziiert vorgetragen ist, ob und in welcher Höhe Ansprüche des Klägers gegen die Insolvenzschuldnerin bestehen und realisierbar sind.

[25] 4. Unsubstanziiert ist auch die Behauptung der Beklagten, die Klage sei treuwidrig, weil der Kläger die Insolvenz der Hauptschuldnerin selbst herbeigeführt habe.

[26] IV. Das Berufungsurteil war demnach aufzuheben (§562 Abs.1 ZPO).

Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§563 Abs.3 ZPO) und der Klage i.H.v. 9.029,43. nebst Zinsen stattgegeben. Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

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