BGH: Kein Anspruch des Gläubigers gegen Bürgen auf Erstattung der Kosten für die Abwehr einer Insolvenzanfechtungsklage

07.05.2009

BGB § 767 Abs. 2, § 683

Kein Anspruch des Gläubigers gegen Bürgen auf Erstattung der Kosten für die Abwehr einer Insolvenzanfechtungsklage

BGH, Urt. v. 3. 3. 2009 – XI ZR 41/08

Leitsätze des Gerichts:

1. Der Anspruch des Gläubigers aus § 767 Abs. 2 BGB gegen den Bürgen auf Erstattung von Kosten der Rechtsverfolgung umfasst nicht den Aufwand, der dem Gläubiger in einem Anfechtungsprozess entstanden ist.

2. Die Haftung des Bürgen für Rechtsverfolgungskosten des Gläubigers ist in § 767 Abs. 2 BGB speziell geregelt, so dass daneben die Grundsätze einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht anzuwenden sind.

Tatbestand:

[1]

 Die klagende Sparkasse nimmt die Beklagten als Bürgen auf Erstattung von Prozesskosten in Anspruch, die ihr bei der Abwehr einer vom Konkursverwalter über das Vermögen der Hauptschuldnerin erhobenen Anfechtungsklage entstanden sind.

 

[2]

 Die Beklagten, damals Gesellschafter und Geschäftsführer der P. GmbH (im Folgenden: Hauptschuldnerin), übernahmen für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen aus der Geschäftsverbindung zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin am 23. Juni 1994 eine Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 100.000 DM und am 2. August 1995 eine weitere Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 200.000 DM. Die Hauptforderungen der Klägerin wurden mit Versicherungsleistungen, die der Hauptschuldnerin wegen eines Brandschadens zustanden und von ihr an die Klägerin abgetreten wurden, vollständig erfüllt, so dass die Beklagten insoweit aus der Bürgschaft nicht in Anspruch genommen wurden. Die Klägerin kündigte am 13. November 1995 die Geschäftsverbindung mit der Hauptschuldnerin, über deren Vermögen am 24. Oktober 1995 das Sequestrations- und am 14. Februar 1996 das Konkursverfahren eröffnet wurde.

 

[3]

 Der Konkursverwalter führte seit Anfang 1996 gegen die Klägerin einen Anfechtungsprozess mit dem Ziel, die aus der Brandversicherung auf die Kreditverbindlichkeiten der Hauptschuldnerin erbrachten Zahlungen i.H. v. 597.387,57 DM wegen inkongruenter Deckung zur Masse zu ziehen. Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Abweisung ist seit Juni 2005 rechtskräftig.

 

[4]

 Die der Klägerin in diesem Anfechtungsprozess entstandenen und von dem Konkursverwalter zu erstattenden Kosten wurden von dem Prozessgericht erster Instanz mit Beschlüssen vom 21. Januar 1999, 6. September 2005 und 13. Dezember 2005 auf insgesamt 33.717,59 € festgesetzt. Da der Konkursverwalter wegen Unzulänglichkeit der Masse keine Zahlungen leistete, verlangt die Klägerin den Ausgleich dieser Kosten von den Beklagten als Bürgen.

 

[5]

 Die am 5. Februar 2007 erhobene Klage auf Erstattung dieser Verfahrenskosten ist vom LG abgewiesen worden. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagten als Gesamtschuldner nach dem Klageantrag verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

[6]

 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

 

[7]

 I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, die in OLGR Celle 2008, 538 veröffentlicht ist, im Wesentlichen wie folgt begründet:

 

[8]

 Der Klägerin stehe nach § 767 Abs. 2 BGB gegen die bürgenden Beklagten ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten zu, der auch die bei Abwehr einer Anfechtungsklage entstandenen Aufwendungen erfasse. (Wird ausgeführt.)

 

[9]

 II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. § 767 Abs. 2 BGB rechtfertigt keinen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten als Bürgen auf Erstattung der Kosten, die ihr in dem von dem Konkursverwalter gegen sie geführten Anfechtungsprozess entstanden sind.

 

[10]

 1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass eine Haftung der Beklagten nach § 767 Abs. 2 BGB für Rechtsverfolgungskosten nicht bereits mit Erfüllung der gesicherten Darlehensforderungen entfallen ist. Für die von der Revision vertretene Ansicht, nach Tilgung der Hauptforderung bestehe auch keine Haftung des Bürgen für Nebenforderungen mehr, liefert der Gesetzeswortlaut keinen Anhalt. Zwar endet mit vollständiger Tilgung der gesicherten Hauptschuld die Haftung des Bürgen (MünchKomm-Habersack, BGB, 5. Aufl., § 765 Rz. 48; Schmitz/Wassermann/Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 91 Rz. 106 und 192). Der Bürge hat jedoch nicht nur für die gesicherte Hauptforderung, sondern daneben auch für die in § 767 Abs. 2 BGB genannten Nebenforderungen einzustehen. Diese Haftung kann der Gläubiger zeitlich auch nach einer Realisierung der Hauptforderung geltend machen.

 

[11]

 Dass die Bürgschaft mit Erfüllung der gesicherten Forderung nicht vollständig erledigt ist, zeigen auch die Rechtsfolgen, die mit einer erfolgreichen Konkursanfechtung verbunden wären. Nach § 39 KO tritt eine Forderung wieder in Kraft, wenn das durch anfechtbare Leistung Empfangene zurückgewährt wird. Für diese Forderung haftet nach allgemeiner Meinung auch der Bürge (vgl. Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 39 KO Anm. 1; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 39 Rz. 10).

 

[12]

 2. Der Anspruch der Klägerin aus § 767 Abs. 2 BGB gegen die Beklagten als Bürgen auf Erstattung von Kosten der Rechtsverfolgung umfasst jedoch nicht den Aufwand, der der Klägerin in dem vom Konkursverwalter gegen sie geführten Anfechtungsprozess entstanden ist.

 

[13]

 a) Der Bürge hat grundsätzlich für Rechtsverfolgungskosten einzustehen, die bei dem Gläubiger nach den §§ 91 ff., 788 ZPO für die Beitreibung der Hauptschuld anfallen (Erman/Herrmann, BGB, 12. Aufl., § 767 Rz. 11; MünchKomm-Habersack, a.a.O., § 767 Rz. 9). § 767 Abs. 2 BGB begründet jedoch nach seinem Wortlaut keine umfassende Haftung des Bürgen für jeglichen Rechtsverfolgungsaufwand des Gläubigers, sondern beschränkt die Einstandspflicht des Bürgen auf Kosten, die der Hauptschuldner dem Gläubiger zu ersetzen hat. Dies entspricht dem für die Bürgschaft grundlegenden Regelungsmodell der Akzessorietät, wonach der Gläubiger lediglich das vom Bürgen erhalten soll, was er von dem Hauptschuldner aus der gesicherten Verbindlichkeit verlangen kann (BGHZ 90, 187, 190 = ZIP 1984, 633; BGHZ 139, 214, 217 = ZIP 1998, 1478). Ansprüche des Gläubigers, die sich nicht gegen den Hauptschuldner richten, werden damit grundsätzlich von der Haftung des Bürgen auch dann nicht umfasst, wenn sie zur Realisierung der Hauptforderung zweckdienlich sind. Aus diesem Grund erstreckt sich nach herrschender Meinung eine Bürgschaft zwar auf die Kosten einer Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO, nicht jedoch auf den Aufwand eines Interventionsprozesses nach § 771 ZPO (MünchKomm-Habersack, a.a.O., § 767 Rz. 9; Planck/Oegg, BGB, 4. Aufl., § 767 Anm. 5; Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., § 767 Rz. 12; Staudinger/Horn, BGB, Bearb. 1997, § 767 Rz. 34; a.A. KG OLGE 34, 81), weil daran nicht der Schuldner, sondern ein Dritter beteiligt ist.

 

[14]

 b) Für die Kosten eines Anfechtungsprozesses kann nichts anderes gelten. Der Hauptschuldner ist an diesem Verfahren nicht als Partei beteiligt, so dass ihn keine prozessrechtliche Kostenhaftung treffen kann. Da auch kein materiellrechtlicher Anspruch des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf Erstattung der Kosten eines erfolgreichen Anfechtungsprozesses besteht, fehlt eine Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner, die nach § 767 Abs. 2 BGB durch die Bürgschaft gesichert sein könnte (ebenso im Ergebnis Planck/Oegg, a.a.O., § 767 Anm. 5; Soergel/Häuser, a.a.O., § 767 Rz. 12; Staudinger/Horn, a.a.O., § 767 Rz. 34; s.a. OLG Schleswig ZIP 2008, 68 = WM 2007, 1972 f. und OLG Karlsruhe BadRpr 1908, 2 zu den Kosten einer erfolglosen Verteidigung im Anfechtungsprozess).

 

[15]

 aa) Mit der Klage wird eine Haftung der Beklagten für prozessrechtliche Kostenerstattungsansprüche nach §§ 91 ff. ZPO geltend gemacht. Diese sind mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen tituliert, die sich gegen den Konkursverwalter als gegnerische Partei des abgeschlossenen Anfechtungsverfahrens und nicht gegen die Hauptschuldnerin richten. Die Hauptschuldnerin hat für die Kosten des Anfechtungsprozesses auch nicht nach § 788 ZPO einzustehen, da zum einen keine Zwangsvollstreckung vorliegt und zum anderen die Kosten besonderer Rechtsbehelfe, auch wenn sie wirtschaftlich der Zwangsvollstreckung dienen, ggf. nicht dem Vollstreckungsschuldner aufzuerlegen, sondern nach den §§ 91 ff. ZPO unter den Verfahrensbeteiligten des jeweiligen Rechtsbehelfsverfahrens zu verteilen sind (vgl. MünchKomm-Schmidt, ZPO, 3. Aufl., § 788 Rz. 20; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rz. 20).

 

[16]

 bb) Einem materiellrechtlichen Anspruch des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf Kostenerstattung steht entgegen, dass der Anfechtungsprozess ein Rechtsverhältnis betrifft, an dem der Hauptschuldner auf keiner Seite beteiligt ist. Vor Eröffnung des Konkursverfahrens können Anfechtungsrechte nach § 2 AnfG nur Gläubigern untereinander zustehen. Während des Konkursverfahrens kommt die gegen einen Gläubiger gerichtete Anfechtungsbefugnis dem Konkursverwalter aus eigenem Recht zu, der damit keinen Anspruch des ZIP 2009, Seite 801Schuldners verfolgt (vgl. BGHZ 83, 102, 105 = ZIP 1982, 467; BGHZ 86, 190, 196 = ZIP 1983, 191; BGHZ 118, 374, 381 = ZIP 1992, 1005, dazu EWiR 1992, 807 (Gerhardt); Jaeger/Henckel, a.a.O., § 36 Rz. 6; für die InsO: KPB/Ehricke, InsO, Stand: 11/08, § 129 Rz. 5). Auch nach Abschluss des Konkursverfahrens hat der Schuldner kein Recht zur Anfechtung. Ein vom Konkursverwalter ausgeübtes Anfechtungsrecht erlischt, da es untrennbar mit dem Amt des Konkursverwalters verbunden ist. Der Schuldner wird insoweit nicht Rechtsnachfolger des Konkursverwalters (BGHZ 83, 102, 105 = ZIP 1982, 467; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 29 Rz. 1b; KPB/Ehricke, a.a.O., § 129 Rz. 6). Verbliebene Anfechtungsrechte stehen nach § 18 AnfG wiederum dem einzelnen, möglicherweise benachteiligten Gläubiger zu. Der Schuldner ist folglich weder außerhalb noch innerhalb eines Konkursverfahrens legitimiert, eigene Rechtshandlungen oder Rechtshandlungen, die seine Gläubiger ihm gegenüber vorgenommen haben, wegen Gläubigerbenachteiligung anzufechten (BGHZ 83, 102, 105 = ZIP 1982, 467; MünchKomm-Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 129 Rz. 197).

 

[17]

 Die Abwehr eines Zugriffs weiterer Gläubiger oder des Konkursverwalters auf Leistungen, die der Schuldner bereits erbracht hat, ist sachlich keine Beitreibung der Hauptforderung gegen den Schuldner, wie sie § 767 Abs. 2 BGB verlangt. Im Anfechtungsprozess wird vielmehr – vergleichbar der Konstellation in einem Interventionsverfahren nach § 771 ZPO – ein Konflikt unter Gläubigern um den Vorrang konkurrierender Rechte ausgetragen. Da der Schuldner an diesem Rechtsverhältnis nicht beteiligt ist, fehlt die materiellrechtliche Grundlage für eine Kostenhaftung des Bürgen.

 

[18]

 cc) Ein Anspruch gegen den Bürgen lässt sich auch nicht auf eine Haftung des Gemeinschuldners für die Kosten eines Anfechtungsprozesses nach Abschluss des Konkursverfahrens stützen. Der gegen den Konkursverwalter gerichtete Kostenerstattungsanspruch ist zunächst als Masseschuld während des Konkursverfahrens aus der Masse zu befriedigen. Über die Konkursmasse hinaus kann der Gemeinschuldner von dem Konkursverwalter grundsätzlich nicht verpflichtet werden, so dass auch nach Beendigung des Konkursverfahrens eine Haftung des Schuldners nur infrage kommt, soweit ihm Massegegenstände zurückgegeben worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.1954 – IV ZR 81/54, NJW 1955, 339, und BGH, Urt. v. 13.7.1964 – II ZR 218/61, WM 1964, 1125; Kilger/Schmidt, a.a.O., § 57 KO Anm. 2; Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 57 Rz. 11b). Eine Einstandspflicht des Bürgen lässt sich auch nicht auf die mögliche Beteiligung des Hauptschuldners an den Kosten eines bei Beendigung des Konkursverfahrens noch schwebenden Anfechtungsprozesses (Jaeger/Henckel, a.a.O., § 36 Rz. 6, 18; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 240 Rz. 36) stützen. Auch diese Haftung bleibt auf Gegenstände beschränkt, die bei Beendigung des Konkursverfahrens zur Masse gehörten und die danach der Schuldner zur freien Verfügung zurückerlangt hat (Jaeger/Henckel, a.a.O., § 36 Rz. 18; Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 57 Rz. 11b; Kilger/Schmidt, a.a.O., § 57 Anm. 2). Da mithin selbst eine prozessrechtliche Haftung für die Kosten eines bei Beendigung des Konkursverfahrens noch nicht abgeschlossenen Anfechtungsprozesses den Hauptschuldner nicht persönlich unbeschränkt trifft, ist es auch nicht gerechtfertigt, den Bürgen entgegen der Wertung des § 767 Abs. 2 BGB mit diesen in der Auseinandersetzung der Gläubiger untereinander entstanden Kosten zu belasten.

 

[19]

 dd) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht auch keine Rechtsähnlichkeit der Verteidigung in einem Anfechtungsprozess mit der Zahlungsklage zur Durchsetzung der Hauptforderung, die eine Durchbrechung der in § 767 Abs. 2 BGB für die Bürgenhaftung gezogenen Grenze rechtfertigen könnte. Die Zahlungsklage ist gegen den Hauptschuldner gerichtet, so dass dieser auch für die Verfahrenskosten haftet. An einem Anfechtungsprozess hingegen ist nicht der Hauptschuldner, sondern der Konkursverwalter für die konkurrierenden Gläubiger beteiligt, so dass ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch auch nicht gegen den Schuldner der verbürgten Forderung gerichtet sein kann. Ein Bürge haftet jedoch nach dem Grundsatz der Akzessorietät von Bürgschaft und Hauptanspruch allgemein nur für Verpflichtungen des Hauptschuldners gegenüber dem Gläubiger. Dass ein dem Gläubiger bei der Rechtsverfolgung gegenüber Dritten entstandener Aufwand mittelbar auch dem Bürgen zugute kommt, wenn sich dessen Haftungsrisiko reduziert, rechtfertigt es nicht, vom Wortlaut des § 767 Abs. 2 BGB abzuweichen und die Bürgschaft aus ihrer Akzessorietät zur Hauptforderung zu lösen.

 

[20]

 III. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend dar (§ 561 ZPO).

 

[21]

 Der Anspruch auf Erstattung der Verfahrenskosten des Anfechtungsprozesses ergibt sich nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach den § 683 Satz 1, § 670 BGB. Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen der Klägerin nicht feststellen können. Zudem sind die Grundsätze einer GoA im Allgemeinen nicht geeignet, den Haftungsumfang einer Bürgschaft zu erweitern.

 

[22]

 1. GoA setzt voraus, dass das konkrete Geschäft vom Geschäftsführer nicht ausschließlich als eigenes, sondern zumindest auch als fremdes geführt wird. Dieses Bewusstsein und der Wille, auch im Interesse eines anderen zu handeln, muss bei objektiv eigener Geschäftsführung hinreichend deutlich nach außen in Erscheinung treten (BGHZ 40, 28, 30 f.; BGHZ 82, 323, 330 f. = ZIP 1982, 294 (m. Anm. K. Schmidt); BGHZ 114, 248, 249 f.; BGHZ 138, 281, 286 = ZfIR 1998, 487; BGH, Urt. v. 23.9.1999 – III ZR 322/98, WM 1999, 2411, 2412).

 

[23]

 a) Nach der rechtsfehlerfreien Feststellung des Berufungsgerichts stellt sich die Verteidigung der Klägerin gegen die vom Konkursverwalter erhobene Anfechtungsklage nach ihrem äußeren Erscheinungsbild ausschließlich als Wahrnehmung von Aufgaben aus deren eigenem Rechts- und Geschäftskreis dar. Nur die Klägerin war Beklagte des Verfahrens. Materiell sicherte sie mit der Rechtswahrnehmung in diesem Rechtsstreit die Leistungen, die sie aus der Brandversicherung zur Rückführung der Darlehen der Hauptschuldnerin erlangt hatte. Der Rechtsstreit betraf somit die Klägerin als Beklagte und von der Hauptschuldnerin befriedigte Darlehensgeberin.

 

[24]

 Zwar kann auch der zur Wahrung eigener Belange Handelnde zusätzlich im Interesse eines anderen tätig werden (vgl. ZIP 2009, Seite 802BGHZ 82, 323, 329 f. = ZIP 1982, 294). Zu Recht hat das Berufungsgericht jedoch verneint, dass die Klägerin mit der Verteidigung gegen eine Anfechtungsklage des Konkursverwalters objektiv auch ein Geschäft der Beklagten besorgt hat. Eine Verpflichtung oder Obliegenheit der Beklagten, die Klägerin gegen die Anfechtungsklage des Konkursverwalters zu verteidigen, bestand nicht. Zwar entsprach die Prozessführung der Klägerin auch dem wirtschaftlichen Interesse der Beklagten, da bei einem Erfolg der Anfechtung die Hauptforderung nach § 39 KO wiederaufgelebt wäre. Die Beklagten waren vom Anfechtungsprozess jedoch nur mittelbar betroffen, weil die Reduzierung ihres Haftungsrisikos nur einen Reflex der Rechtsverteidigung durch die Klägerin darstellte. Dies reicht für sich nicht aus, ein den Erstattungsanspruch nach den §§ 677, 683 BGB auslösendes Geschäftsführungsverhältnis zu begründen (vgl. BGHZ 54, 157, 160 f.; BGHZ 61, 359, 363; BGHZ 72, 151, 153; BGHZ 82, 323, 330 f. = ZIP 1982, 294).

 

[25]

 b) Bei einem objektiv eigenen ebenso wie bei einem neutralen Geschäft kann grundsätzlich nur dann eine Geschäftsführung für einen anderen vorliegen, wenn der Wille des Geschäftsführers zur vornehmlichen Wahrnehmung fremder Interessen nach außen hinreichend deutlich in Erscheinung tritt (BGHZ 40, 28, 30 f.; BGHZ 82, 323, 330 f. = ZIP 1982, 294; BGHZ 114, 248, 249 f.; BGHZ 138, 281, 286 = ZfIR 1998, 487; BGH, Urt. v. 21.10.2003 – X ZR 66/01, WM 2004, 1397, 1399). Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind für einen solchen Fremdgeschäftsführungswillen der Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar.

 

[26]

 2. Ohnedies sind die Vorschriften der GoA auf einen Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten nicht anzuwenden, da die Haftung des Bürgen für diesen Aufwand in § 767 Abs. 2 BGB gesondert geregelt ist.

 

[27]

 Die Spezialregelung eines Ausgleichsanspruchs verdrängt die Vorschriften der GoA, um Widersprüche zwischen den Wertungen einer gesetzlich angeordneten Rückgriffsregelung und der Risikoverteilung in den §§ 677 ff. BGB zu vermeiden (BGH WM 1999, 2411, 2412 und BGH WM 2004, 1397, 1399 f.; PWW/Fehrenbacher, BGB, 3. Aufl., § 677 Rz. 15; Staudinger/Bergmann, BGB, Neubearb. 2006, vor § 677 ff. Rz. 196).

 

[28]

 Die in § 767 Abs. 2 BGB festgelegte Reichweite der Bürgenhaftung, die Verfahrenskosten aus Rechtsstreitigkeiten mit Dritten nicht umfasst, kann danach nicht durch die Zulassung von Aufwendungsersatzansprüchen gegen den Bürgen aus GoA ausgeweitet werden. Andernfalls würde der persönlich haftende Bürge mit dem bei Vertragsschluss kaum einzuschätzenden Risiko belastet, auch für den Hauptschuldner nicht treffende Kosten und Aufwendungen einstehen zu müssen, die Bestand und Umfang seiner Einstandspflicht beeinflussen können. Das widerspricht nicht nur dem Wortlaut des § 767 BGB, sondern lässt sich auch mit dem allgemeinen Akzessorietätsgrundsatz nicht vereinbaren, der Gleichlauf zwischen Schuldner- und Bürgenhaftung verlangt.

 

[29]

 IV. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache zur Entscheidung reif ist, war vom Senat abschließend zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und das die Klage abweisende Urteil des LG wiederherzustellen.

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