BGH: Kein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen das FA allein wegen des Verdachts anfechtbarer Zahlungen des Schuldners

02.10.2009

InsO § 143; BGB § 242; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4

Kein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen das FA allein wegen des Verdachts anfechtbarer Zahlungen des Schuldners

BGH, Urt. v. 13. 8. 2009 – IX ZR 58/06

Leitsatz der Redaktion:

Der Insolvenzverwalter hat gem. § 242 BGB keinen Auskunftsanspruch gegen die Finanzverwaltung, wenn lediglich ein Verdacht auf anfechtbare Zahlungen des Schuldners besteht. Das gilt auch dann, wenn sich der Verdacht auf die Feststellung anderer anfechtbarer Vermögensverfügungen gründet.

Tatbestand:

[1]  Der Kläger ist Verwalter in dem am 19. Dezember 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Das Finanzamt erhielt von der Schuldnerin zwischen dem 31. Januar 2001 und dem 2. November 2001 Zahlungen auf Steuerrückstände i.H. v. insgesamt 55.973,05 €. Im Frühjahr 2002 zahlte die Schuldnerin weitere 6.725,63 €. Der Kläger focht die Zahlungen an, erhielt aber lediglich den Betrag von 6.725,63 € erstattet. Er hat deshalb das Land S. auf Rückzahlung der übrigen Beträge und Auskunft verklagt, ZIP Heft 38/2009, Seite 1824welche Zahlungen die Schuldnerin auf Vollstreckungsdruck im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 18. Dezember 2002 an das beklagte Land erbracht hat, und zwar wann, in welcher Höhe und ob per Barzahlung, per Überweisung oder per Scheck. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Schuldnerin habe im fraglichen Zeitraum über die bereits erwähnten 6.725,63 € hinaus weitere anfechtbare Zahlungen erbracht. Die genauen Zeitpunkte und Beträge könne er aber nicht nennen, weil Geschäftsunterlagen aus dem Jahr 2002 nicht vorhanden und Geschäftsführer wie Gesellschafter zu näheren Angaben nicht in der Lage seien. Die Klage hat in erster Instanz keinen, in zweiter Instanz vollen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat nur insoweit zugelassenen Revision wendet sich das beklagte Land gegen die Verurteilung zur Auskunft.

Entscheidungsgründe:

[2]  Die Revision hat Erfolg.

[3]  I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Nachdem zwischen den Parteien ein Rückgewährschuldverhältnis bestehe, sei auch der Auskunftsanspruch des Klägers aus § 143 InsO i.V.m. § 242 BGB gegeben. (Wird ausgeführt.)

[4]  II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[5]  1. Die InsO sieht einen Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen Gläubiger, die im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch genommen werden sollen, nicht vor (BGH, Beschl. v. 7.2.2008 – IX ZB 137/07, ZIP 2008, 565 = ZVI 2008, 112, Rz. 9, dazu EWiR 2008, 369 (Büttner)).

[6]  2. Das beklagte Land ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Auskunft verpflichtet.

[7]  Eine Verpflichtung, Leistungen so zu bewirken, wie Treu und Glauben es erfordern, gibt es nur im Rahmen bereits bestehender Rechtsbeziehungen. Der BGH hat einen Auskunftsanspruch des Konkurs- bzw. Insolvenzverwalters gegen Gläubiger des Insolvenzschuldners wegen möglicher Anfechtungsansprüche deshalb in ständiger Rechtsprechung davon abhängig gemacht, dass ein Anfechtungsanspruch dem Grunde nach feststeht und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht. Solange ein Rückgewährschuldverhältnis nicht feststeht, hat sich der Verwalter wegen aller benötigten Auskünfte an den Schuldner zu halten (BGHZ 74, 379, 381 f.; BGH, Urt. v. 18.1.1978 – VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002; BGH, Urt. v. 15.1.1987 – IX ZR 4/86, ZIP 1987, 244 = NJW 1987, 1812, 1813, dazu EWiR 1987, 273 (Balz); BGH, Urt. v. 21.1.1999 – IX ZR 429/97, ZIP 1999, 316 = NJW 1999, 1033, 1034, dazu EWiR 1999, 367 (Gerhardt); so auch schon RGZ 150, 42, 46). Dies entspricht der im Schrifttum ganz herrschenden Auffassung (MünchKomm-Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 143 Rz. 14; Jaeger/Henckel, InsO, § 143 Rz. 165; Kreft, in: HK-InsO, 5. Aufl., § 129 Rz. 93; Wimmer/Dauernheim, 5. Aufl., § 143 Rz. 43; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 143 Rz. 45; KPB/Jacoby, InsO, § 143 Rz. 73; HambKomm-InsO/Rogge, 3. Aufl., § 143 Rz. 88; Graf-Schlicker/Huber, InsO, § 143 Rz. 4; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, 2. Aufl., Rz. 355; Gundlach/Frenzel/Schmidt, DStR 2002, 1910). Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Für den Zeitraum, auf den sich das Auskunftsbegehren des Klägers bezieht, sind, abgesehen von der bereits erstatteten Zahlung i.H. v. 6.725,63 €, anfechtbare Rechtshandlungen nicht festgestellt. Solche werden vom Kläger nur vermutet. Gegenüber Personen, die lediglich im Verdacht stehen, sie könnten etwas vom Insolvenzschuldner in anfechtbarer Weise erworben haben, besteht jedoch kein Anspruch auf Auskunft (BGH ZIP 1999, 316 = NJW 1999, 1033, 1034). Dies gilt auch dann, wenn sich der Verdacht – wie hier – auf die Feststellung anderer anfechtbarer Vermögensverfügungen gründet. Denn jede selbstständige anfechtbare Rechtshandlung begründet einen besonderen Rückgewähranspruch (BGH ZIP 1987, 244 = NJW 1987, 1812, 1813).

[8]  3. Das am 1. November 2008 in Kraft getretene Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt vom 19. Juni 2008 (GVBl LSA 2008, 242) gibt auch Dritten unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen. Auf dieses Gesetz kann das Auskunftsbegehren des Klägers aber schon deshalb nicht gestützt werden, weil das nach § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 3 IZG LSA vorgeschriebene Verwaltungsverfahren nicht durchgeführt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19.12.1995 – III ZR 190/94, NVwZ-RR 1997, 204, 205; BGH, Urt. v. 16.11.2001 – III ZR 1/00, NJW 2001, 1067, 1068).

[9]  4. Der Kläger kann einen Anspruch auf Auskunftserteilung auch nicht aus dem Rechtsverhältnis herleiten, das zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Finanzamt besteht. Die AO regelt einen Auskunftsanspruch nicht. Der BFH hat zwar unter bestimmten Voraussetzungen einen Auskunftsanspruch aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und dem Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG angenommen (BFHE 215, 32). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann jedoch offenbleiben. Denn der Kläger verlangt die Auskunft nicht, um steuerliche Rechte der Insolvenzschuldnerin zu wahren (§ 80 Abs. 1 InsO), sondern um zu Gunsten der Gesamtheit der Gläubiger Zahlungen der Schuldnerin im Wege der Anfechtung zur Insolvenzmasse zu ziehen. Hierfür ist allein das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem beklagten Land maßgeblich (vgl. FG Düsseldorf ZIP 2009, 732 = ZVI 2009, 165).

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