BGH: Keine Haftung des Geschäftsführers für auf Kontopfändung beruhender Abbuchung vom Gesellschaftskonto nach Insolvenzreife

02.06.2009

HGB a.F. § 130a Abs. 3, § 177a Satz 1; BGB § 204 Abs. 2 Satz 2

Keine Haftung des Geschäftsführers für auf Kontopfändung beruhender Abbuchung vom Gesellschaftskonto nach Insolvenzreife

BGH, Urt. v. 16. 3. 2009 – II ZR 32/08

Leitsätze des Gerichts:

1. Bei einem auf § 130a Abs. 3 HGB a.F. gestützten Anspruch ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die die Masse schmälernde Zahlung (hier: Abbuchung von einem Gesellschaftskonto) von dem beklagten Geschäftsführer veranlasst worden ist. An einer haftungsbegründenden Veranlassung kann es fehlen, wenn die Belastung des Kontos auf einer Kontopfändung beruht.

2. Tritt der Stillstand des Klageverfahrens nach § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB mit Einverständnis des Klägers ein und betreibt dieser das Verfahren lediglich wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen mit dem Beklagten nicht weiter, liegt darin kein triftiger Grund, der zur Unanwendbarkeit des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB führen kann. Die mit der Klageerhebung eingetretene Hemmung der Verjährung endet dann sechs Monate nach Eintritt des Stillstands.

Tatbestand:

[1]

 Der Kläger, Insolvenzverwalter in dem am 1. September 1999 über das Vermögen der T. KG & Co. (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren, nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Schuldnerin auf Erstattung von „Zahlungen“ in Anspruch, die dieser zu einer Zeit geleistet haben soll, als die Schuldnerin insolvenzreif war. Der Kläger stützt seine Gesamtforderung auf insgesamt 49 Einzelabbuchungen vom Konto der Schuldnerin in der Zeit vom 5. März bis 15. Juli 1999. Hierunter befindet sich mit Datum 22. April 1999 eine Belastung des Kontos i.H. v. 10.137,04 € mit dem Vermerk „Zahlungsempfänger: Rechtsanwälte Tr.“

 

[2]

 Am 19. Dezember 2000 forderte der Kläger vom Beklagten erstmals die Zahlung von 261.384,31 DM, was dieser ablehnte. Am 1. September 2003 verlangte der Kläger erneut – vergeblich – Zahlung vom Beklagten, diesmal i.H. v. 75.864,55 €. Mit Schreiben vom 2. März 2004 verzichtete der Beklagte zunächst bis zum 1. Juni 2004, mit Schreiben vom 4. Mai 2004 bis zum 1. Juli 2004 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung.

 

[3]

 Mit am 29. Juni 2004 erhobener, dem Beklagten am 9. Juli 2004 zugestellter Klage verlangte der Kläger vom Beklagten die Zahlung von 75.864,55 €. Im Verhandlungstermin vom 3. November 2004 kamen die Parteien überein, außergerichtliche Vergleichsgespräche fortzusetzen, und erklärten, sich bei Gericht zu melden, sobald absehbar sei, ob eine außergerichtliche Einigung möglich sei. Mit Schriftsatz vom 1. August 2005 teilte der Kläger dem Gericht mit, dass ein Vergleich nicht zustande gekommen sei, und bat um Fortsetzung der mündlichen Verhandlung.

 

[4]

 Das LG hat der Klage i.H. v. 28.157,31 € betreffend Abbuchungen aus der Zeit vom 5. März bis 14. Juli 1999 stattgegeben. Davon umfasst ist die Belastung des Kontos der Schuldnerin vom 22. April 1999.

 

[5]

 Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

[6]

 Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter teilweiser Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung zur vollständigen Klageabweisung.

 

[7]

 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Verurteilung wegen der Zahlung an die Rechtsanwälte Tr. sei zu Recht erfolgt, da der für seine Behauptung, der Abbuchung liege keine freiwillige Zahlung, sondern eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme zugrunde, darlegungs- und beweisbelastete Beklagte keinen ordnungsgemäßen Beweis angetreten habe. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht verjährt, da § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anwendbar sei.

 

[8]

 II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

 

[9]

 1. Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Schuldnerin im Zeitpunkt der der Klage zugrunde liegenden Zahlungen insolvenzreif war, so dass der Beklagte für von ihm veranlasste Zahlungen gem. § 130a Abs. 3, § 177a Satz 1 HGB a.F. (= § 130a Abs. 2, § 177a Satz 1 HGB n.F.) grundsätzlich haftbar ist. Hiergegen wird auch von der Revision nichts erinnert.

 

[10]

 2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist jedoch die Ansicht des Berufungsgerichts, das LG habe den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 10.137,04 € bezüglich der Abbuchung „Rechtsanwälte Tr.“ verurteilt.

 

[11]

 a) Das Berufungsgericht hat die Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil des Beklagten verkannt.

 

[12]

 Der Geschäftsführer haftet gem. § 130a Abs. 3 HGB a.F. für Zahlungen, die er zu einer Zeit leistet, in der die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Zwar ist der Zahlungsbegriff in § 130a Abs. 2 und 3 HGB a.F. ebenso wie bei § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 GmbHG n.F.) weit auszulegen (BGHZ 126, 181, 194 = ZIP 1994, 1103, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); BGHZ 143, 184, 186 ff. = ZIP 2000, 184, dazu EWiR 2000, 295 (Noack)), so dass die Abbuchung von einem Konto der Gesellschaft in der Regel darunter fällt, es sei denn, dass mit der Abbuchung nur ein Gläubigerwechsel verbunden ist (BGHZ 143, 184, 187 f. = ZIP 2000, 184; Senatsurt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (m. Bespr. K. Schmidt, ZIP 2008, 1401), Rz. 8), was hier nicht festgestellt ist.

 

[13]

 Voraussetzung der Haftung des Geschäftsführers gem. § 130a Abs. 3 HGB a.F. ist jedoch stets, dass die Zahlung und die dadurch verursachte Schmälerung des Gesellschaftsvermögens zu Lasten der Gläubigermehrheit durch ihn „veranlasst“ worden ist (s. nur Senatsurt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860, z.V.b. in BGHZ; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 64 Rz. 38). Da der Geschäftsführer nur für solche Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens verantwortlich gemacht werden kann, die mit seinem Wissen und ZIP 2009, Seite 957Willen geschehen sind oder die er hätte verhindern können, ist die Veranlassung der Zahlung durch ihn eine anspruchsbegründende Tatsache im Rahmen der Haftung aus § 130a Abs. 3 HGB a.F.

 

[14]

 Für anspruchsbegründende Tatsachen ist nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Durch den Vortrag, die Abbuchung sei nicht von ihm veranlasst worden, sondern beruhe auf einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme (Kontopfändung) durch die Rechtsanwälte Tr., hat der Beklagte das Vorliegen einer ihm anzulastenden, haftungsbegründenden Zahlung substanziiert bestritten. Angesichts dessen oblag es entgegen der verfehlten Ansicht des Berufungsgerichts dem Kläger, das Vorliegen des Haftungstatbestands des § 130a Abs. 3 Satz 1 HGB a.F. insoweit zu beweisen.

 

[15]

 b) Von seinem Rechtsstandpunkt aus grob verfahrensfehlerhaft (Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG) war die Ablehnung der von dem Beklagten für die Richtigkeit seiner Darstellung angebotenen Zeugenvernehmung durch das Berufungsgericht.

 

[16]

 aa) Schon das LG durfte die Vernehmung des Zeugen Rechtsanwalt W. nicht mangels Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ablehnen, ohne dem Beklagten zuvor eine Frist gem. § 356 ZPO gesetzt zu haben (BVerfG, Beschl. v. 26.10.1999 – 2 BvR 1292/96, NJW 2000, 945, 946; BGH, Urt. v. 31.3.1993 – VIII ZR 91/92, NJW 1993, 1926, 1927 f.). Hinzu kommt, dass der Beklagte selbst in erster Instanz keine Veranlassung hatte, von sich aus die Anschrift zu ergänzen, da er nach der vom LG im Termin geäußerten Rechtsansicht davon ausgehen durfte, dass dieses den Kläger für die Gründe der Abbuchung für beweisbelastet hielt und der Kläger bis zu dem letzten Schriftsatz, auf den das Urteil erging, keinen Beweis angetreten hatte. Das Berufungsgericht hätte schon aufgrund dieses vom Beklagten gerügten Verfahrensfehlers seinerseits die Zeugenvernehmung nicht ohne Fristsetzung nach § 356 ZPO und erst recht nicht unterlassen dürfen, nachdem der Beklagte im Berufungsverfahren die ladungsfähige Anschrift mitgeteilt hatte.

 

[17]

 bb) Die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen Te. stellt einen weiteren Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar. Das Berufungsgericht hat insoweit – wie die Revision zu Recht rügt – die Anforderungen an die Substanziierung eines Beweisantritts überspannt.

 

[18]

 Der Beklagte hat im Zusammenhang mit der Benennung des Zeugen vorgetragen, dass dieser einer der Mandanten von Rechtsanwalt W. war, in deren Interesse die „Rechtsanwälte Tr.“, die Sozietät des Rechtsanwalts W., die Kontopfändung veranlasst hatten. Mehr als eine solche Erkenntnisquelle des Zeugen musste der Beklagte angesichts der Tatsache, dass der Zeuge nicht über innere Tatsachen aussagen sollte, unter keinen Umständen vortragen (BGH, Urt. v. 14.7.1987 – IX ZR 19/87, NJW-RR 1987, 1403; BGH, Urt. v. 4.5.1983 – VIII ZR 94/82, ZIP 1983, 860 = NJW 1983, 2034, 2035; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 373 Rz. 8; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl., § 373 Rz. 11).

 

[19]

 3. Einer Aufhebung und Zurückverweisung im Hinblick auf die aufgezeigten Rechtsfehler des Berufungsgerichts bedarf es nicht, da die Klage wegen der vom Beklagten zu Recht erhobenen Verjährungseinrede abweisungsreif ist, was der Senat selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Anders als das Berufungsgericht meint, war die noch im Streit befindliche Klageforderung i.H. v. 28.157,31 €, wobei zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, dass es sich auch bei der Abbuchung i.H. v. 10.137,04 € um eine Zahlung auf Veranlassung des Beklagten gehandelt hat, bereits im Mai 2005 und damit vor der mit Schriftsatz des Klägers vom 1. August 2005 beantragten Fortsetzung des Verfahrens verjährt. Der Beklagte verhält sich nicht treuwidrig, wenn er sich hierauf beruft.

 

[20]

 a) Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch aus § 130a Abs. 3 HGB verjährt gem. § 130a Abs. 3 Satz 6 HGB a.F. (§ 130a Abs. 2 Satz 6 HGB n.F.) binnen fünf Jahren nach seiner Entstehung gem. § 200 Satz 1 BGB, also ab dem Zeitpunkt, in dem die die Masse schmälernde Zahlung geleistet oder die schmälernde Maßnahme ergriffen worden ist (s. nur Strohn/Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2. Aufl., § 130a Rz. 27; ebenso zu § 64 GmbHG Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rz. 53; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 64 Rz. 36). Bei wiederholten verbotswidrigen Zahlungen setzt jede Handlung eine neue Verjährungsfrist in Lauf (vgl. Senatsurt. v. 29.9.2008 – II ZR 234/07, ZIP 2008, 2217, Rz. 14, dazu EWiR 2009, 23 (Kort)). Danach wäre die erste Forderung am 5. März 2004 und die letzte am 14. Juli 2004 verjährt.

 

[21]

 b) Nach Klageerhebung am 29. Juni 2005 konnte der Beklagte sich zunächst nicht mit Erfolg auf Verjährung berufen. Hinsichtlich der bei Klageerhebung bereits verjährten Einzelansprüche beruht dies auf dem von ihm erklärten Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung (aa), hinsichtlich der noch nicht verjährten Forderungen wurde die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der hier gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Fassung gehemmt (bb).

 

[22]

 aa) Der Beklagte hatte mit Schreiben vom 2. März 2004, d.h. vor Eintritt der Verjährung der hier streitigen Zahlungen, zuletzt bis zum 1. Juli 2004 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet. Gemäß § 202 BGB kann ein Schuldner auf die Einrede der Verjährung durch einseitige Erklärung und schon vor deren Eintritt verzichten (BGH, Urt. v. 18.9.2007 – XI ZR 447/06, ZIP 2007, 2206, Rz. 15 m.w.N., dazu EWiR 2008, 13 (Tiedtke)). Durch den Verjährungsverzicht wurde der Ablauf der Verjährung zwar nicht beeinflusst, d.h. die Verjährungsvollendung wurde nicht hinausgeschoben. Folge des Verzichts war jedoch, dass das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten für den hier ausdrücklich bis zum 1. Juli 2004 vereinbarten Zeitraum ausgeschlossen war (MünchKomm-Grothe, BGB, 5. Aufl., § 214 Rz. 5; Lakkis, ZGS 2003, 423, 426; KG ZEV 2008, 481, Rz. 30). Grundsätzlich kann das Leistungsverweigerungsrecht bei einem derart befristeten Verzicht nach Ablauf der Frist wieder geltend gemacht werden. Macht der Gläubiger innerhalb der Frist seinen Anspruch nicht geltend, kann sich der Schuldner direkt nach Ablauf der Verzichtsfrist wieder auf Verjährung berufen und damit die Leistung verweigern (BGH, Urt. v. 20.6.1969 – VI ZR 21/68, VersR 1969, 857; BGH, Urt. v. 21.12.1989 – IX ZR 234/88, WM 1990, 695, 699 f. m.w.N.; Lakkis, ZGS 2003, 423, 426). Allerdings ZIP 2009, Seite 958findet § 167 ZPO in diesem Zusammenhang entsprechende Anwendung, d.h. wenn ein Antrag auf Rechtsverfolgung (Klage) innerhalb der Verzichtsfrist eingereicht und die Klage „demnächst“, wenn auch nach Ablauf der Verzichtsfrist zugestellt wird, kann sich der Schuldner nicht auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen (BGH WM 1990, 695, 699 f. m.w.N.; MünchKomm-Grothe, a.a.O., § 214 Rz. 8 m.w.N.).

 

[23]

 So liegt der Fall hier hinsichtlich der vom 5. März 1999 bis zum 28. Juni 1999 vom Beklagten geleisteten Zahlungen. Hinsichtlich dieser Zahlungen war die Verjährungsfrist zwar abgelaufen, als die am 29. Juni 2004 erhobene Klage am 9. Juli 2004 und damit „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO zugestellt wurde. Die Klage wurde aber vor Ablauf der Verzichtsfrist eingereicht.

 

[24]

 bb) Für die Zahlungen in der Zeit vom 29. Juni bis 14. Juli 1999 ist die (restliche) Verjährung durch die Klageerhebung vom 29. Juni 2004 gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ab diesem Zeitpunkt wegen der am 9. Juli 2004 und damit demnächst erfolgten Zustellung (§ 167 ZPO) gehemmt worden.

 

[25]

 c) Wegen Nichtbetreibens des gerichtlichen Verfahrens durch den Kläger endete die Hemmung entgegen der fehlerhaften Ansicht des Berufungsgerichts am 3. Mai 2005 (§ 204 Abs. 2 Satz 2 BGB). Danach begann die restliche Zeit der Verjährungsfrist zu laufen mit der Folge, dass die Verjährung der Gesamtforderung noch im Mai 2005 und damit längst vollendet war, als der Kläger Anfang August 2005 die Fortsetzung des Verfahrens beantragte.

 

[26]

 aa) Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass durch die Vereinbarung der Parteien im Termin vom 3. November 2004 ein Stillstand des Verfahrens i.S.d. § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB ab diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB endet die mit der Klageerhebung eingetretene Hemmung der Verjährung sechs Monate nach Eintritt des Stillstands.

 

[27]

 Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nur dann anders zu beurteilen mit der Folge der Unanwendbarkeit von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB, wenn für das Untätigbleiben des Berechtigten (= Klägers) ein triftiger, für den anderen Teil erkennbarer Grund vorliegt (st. Rspr. zu der Vorgängervorschrift § 211 Abs. 2 BGB a.F., BGH, Urt. v. 21.2.1983 – VIII ZR 4/82, WM 1983, 533, 534; BGH, Urt. v. 23.4.1998 – III ZR 7/97, WM 1998, 1493, 1496, dazu EWiR 1998, 533 (Reiff); BGH, Urt. v. 27.1.1999 – XII ZR 113/97, NJW 1999, 1101, 1102; BGH, Urt. v. 12.10.1999 – VI ZR 19/99, ZIP 2000, 294, 295, dazu EWiR 2000, 707 (Grunsky); BGH, Urt. v. 18.10.2000 – XII ZR 85/98, NJW 2001, 218, 219 f.; BGH, Urt. v. 27.1.2005 – VII ZR 238/03, NJW-RR 2005, 606, 607).

 

[28]

 Betreibt der Kläger lediglich wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen das Verfahren nicht weiter, stellt das keinen triftigen Grund in diesem Sinne dar und führt deshalb nicht zur Unanwendbarkeit des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB (= § 211 Abs. 2 BGB a.F.). Diese ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Umstände vorliegen, die über den in der Praxis häufigen Fall hinausgehen, dass die Parteien außerhalb des Prozesses noch in Verhandlungen stehen, und die es deshalb ausnahmsweise rechtfertigen, die Hemmung der Verjährung noch andauern zu lassen (st. Rspr., s. nur BGH NJW 1999, 1101, 1102).

 

[29]

 bb) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Anwendbarkeit des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB verneint.

 

[30]

 (a) Das Berufungsgericht hat zwar gesehen, dass außergerichtliche Vergleichsverhandlungen der Anwendbarkeit des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB an sich nicht entgegenstehen, es hat jedoch gemeint, ein fehlendes Weiterbetreiben des Prozesses hier deshalb ablehnen zu können, weil der Beklagte sich im Unterschied zu dem vom XII. Zivilsenat des BGH (NJW 1999, 1101, 1102) entschiedenen Fall nicht nur mit einem vom Kläger beantragten Nichtweiterbetreiben des Verfahrens im Hinblick auf außergerichtliche Vergleichsverhandlungen einverstanden erklärt habe, sondern hier die Parteien einvernehmlich verabredet hätten, den Prozess zunächst nicht weiter zu betreiben.

 

[31]

 (b) Die Revision rügt zu Recht, dass eine derartige Differenzierung nach der Art des Zustandekommens eines von den Parteien ausgehenden Stillstands weder dem Gesetzestext noch der Rechtsprechung des BGH entnommen werden kann. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass das Verfahren nicht betrieben wird, d.h. dass keine zur Förderung des Verfahrens notwendigen Handlungen (BGHZ 73, 8, 11; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 204 Rz. 49, jew. m.w.N.) vorgenommen werden. Dabei geht ab dem Zeitpunkt des Stillstands die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses wieder auf den Kläger über, solange nur das Gericht mit dessen Einverständnis von einer Terminsbestimmung auf unbestimmte Zeit absieht (st. Rspr., s. nur BGH NJW-RR 2005, 606, 607 m.w.N.).

 

[32]

 Liegt das allein entscheidende Einverständnis des Klägers mit dem Stillstand des Verfahrens vor, ist es unerheblich, ob das Nichtweiterbetreiben des Prozesses auf eine Anregung des Gerichts oder eine Anregung des Klägers zurückgeht (BGH WM 1983, 533, 534), ob das Gericht der Bitte des Beklagten, nicht zu terminieren, folgt und der Kläger durch Untätigkeit nur konkludent zustimmt (BGH NJW-RR 2005, 606, 607), oder ob – wie hier – beide Parteien diesen Wunsch gemeinsam dem Gericht gegenüber zum Ausdruck bringen. Nicht zu Unrecht weist die Revision darauf hin, dass es regelmäßig von Zufälligkeiten abhängt, ob die Parteien übereinstimmend den Antrag stellen, das Verfahren nicht weiter zu betreiben, oder ob ihre Erklärungen sukzessiv bei Gericht eingehen bzw. in welcher Form das Gericht das Begehren protokolliert. Von solchen Zufälligkeiten kann die Bestimmbarkeit der Verjährung angesichts der erforderlichen Klarheit und Sicherheit im Rechtsverkehr (s. hierzu BGHZ 59, 72, 74; BGH, Urt. v. 6.11.2008 – IX ZR 158/07, WM 2009, 282, Rz. 12) nicht abhängig gemacht werden.

 

[33]

 d) Die Klage ist im Hinblick auf die vom Beklagten zu Recht erhobene Einrede der Verjährung abzuweisen.

 

[34]

 (aa) Dies gilt auch für die Zahlungen in der Zeit vom 5. März bis 28. Juni 1999, hinsichtlich derer die Verjährung bei Klageerhebung bereits abgelaufen war (s.o. 3 b, aa). Der Beklagte handelt nicht treuwidrig (§ 242 BGB), wenn er sich nun-ZIP 2009, Seite 959mehr angesichts des nachlässigen Verhaltens des Klägers nach Klageerhebung auf sein Leistungsverweigerungsrecht beruft.

 

[35]

 (bb) Dem Berufen auf die Verjährung steht der Einwand der Treuwidrigkeit auch nicht deshalb entgegen, weil (auch) der Beklagte dem LG gegenüber zugesagt hatte, mitzuteilen, ob eine außergerichtliche Einigung möglich sei. Ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung war mit dieser Erklärung des Beklagten nicht verbunden (vgl. hierzu BGH WM 2000, 2551, 2552); er hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, zu weiteren Vergleichsverhandlungen bereit bzw. an solchen interessiert zu sein. Zu mehr als zur Mitwirkung an Vergleichsverhandlungen war er in der Folgezeit nicht verpflichtet. Die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses lag unabhängig von der Erklärung des Beklagten allein im Verantwortungsbereich des Klägers. Wenn dann zudem – wie hier unstreitig – der Kläger und nicht etwa der Beklagte diese Vergleichsverhandlungen einschlafen lässt, ist für die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens des Beklagten erst recht kein Raum.

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