BGH: Keine Insolvenzverschleppungshaftung für entgangene Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

02.03.2009

GmbHG § 64 Abs. 1; HGB § 130a Abs. 1; BGB § 823 Abs. 2; EFZG § 3

Keine Insolvenzverschleppungshaftung für entgangene Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

BGH, Beschl. v. 20. 10. 2008 – II ZR 211/07

Leitsatz des Gerichts:

Der Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG, § 130a Abs. 1 HGB erstreckt sich nicht auf den Schaden, der einem Arbeitnehmer in Gestalt der Uneinbringlichkeit eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung für die Zeit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (§ 3 EFZG) entsteht.

Gründe:

[1]

 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht vor; die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO).

[2]

 Für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist die von dem Berufungsgericht (ZIP 2007, 2318) für klärungsbedürftig erachtete Rechtsfrage, ob der Arbeitnehmer einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG i.S.d. § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB, der nach Eintritt ihrer Insolvenzreife Einzelansprüche aus dem vor deren Eintritt begründeten Arbeitsverhältnis erwirbt, als Alt- oder als Neugläubiger i.S.d. Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung gem. § 823 Abs. 2 BGB, § 64 Abs. 1 GmbHG, § 130a Abs. 1 HGB zu qualifizieren ist (vgl. dazu BGHZ 126, 181 = ZIP 1994, 1103, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); BGHZ 164, 50, 60 = ZIP 2005, 1734; BGHZ 171, 46, 51 f. = ZIP 2007, 676, Rz. 13, dazu EWiR 2007, 305 (Haas/Reiche); Senatsurt. v. 12.3.2007 – II ZR 315/05, ZIP 2007, 1060, 1062, Rz. 16). Denn der von dem Kläger geltend gemachte Schaden in Gestalt der ihm durch Insolvenz seiner Arbeitgeberin entgangenen Entgeltfortzahlung für die Zeit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird jedenfalls vom Schutzzweck der genannten Haftungsnormen nicht erfasst, wie das Berufungsgericht in seiner Alternativbegründung im Ergebnis zutreffend ausführt.

[3]

 Wie der Senat in seiner neueren Rechtsprechung klargestellt hat, erfasst der Schutzzweck des § 64 Abs. 1 GmbHG ebenso wie derjenige des § 130a Abs. 1 HGB – neben dem Quotenschaden der Altgläubiger – lediglich den Vertrauensschaden, der einem (Neu-)Gläubiger dadurch entsteht, dass er der (unerkannt) insolvenzreifen Gesellschaft Kredit gewährt oder eine sonstige Vorleistung an sie erbringt, der kein werthaltiger Gegenanspruch gegenübersteht (BGHZ 164, 50, 60 = ZIP 2005, 1734; BGHZ 171, 46, 51 f. = ZIP 2007, 676, Rz. 13). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn bei der Entgeltfortzahlung gem. §§ 3, 4 EFZG handelt es sich um einen gesetzlichen, aus sozialen Gründen gewährten Anspruch, der gem. § 3 Abs. 3 EFZG bereits nach vierwöchiger Dauer eines Arbeitsverhältnisses für die Zeit von bis zu sechs Wochen gewährt wird und keinen Bezug zu auf diesen Zeitraum entfallenden Vorleistungen des Arbeitnehmers hat. Lediglich die Höhe der Entgeltfortzahlung orientiert sich gem. § 4 Abs. 1 EFZG an dem regelmäßigen Arbeitsentgelt des betreffenden Arbeitnehmers. Die steuer- und abgabenrechtliche Behandlung der Entgeltfortzahlung spielt im Zusammenhang mit dem Schutzzweck des § 130a Abs. 1 HGB keine Rolle.

[4]

 Gegenüber dem dargelegten beschränkten Schutzzweck der genannten Haftungsnormen sind die hypothetischen Kausalitätserwägungen des Klägers unerheblich.

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