BGH: Keine PKH für Durchsetzung eines zur Behebung einer eingetretenen Massekostenarmut nicht geeigneten Insolvenzanfechtungsanspruchs

24.08.2009

InsO § 207; ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1

Keine PKH für Durchsetzung eines zur Behebung einer eingetretenen Massekostenarmut nicht geeigneten Insolvenzanfechtungsanspruchs

BGH, Beschl. v. 16. 7. 2009 – IX ZB 221/08

Leitsatz des Gerichts:

Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs, der nicht dazu geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben, kann in der Regel nicht gewährt werden.

Gründe:

[1]  I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. mbH. Im vorliegenden Rechtsstreit hat er den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr von 2.770,18 € in Anspruch genommen. Für diese Klage ist ihm in erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren ist zurückgewiesen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger weiterhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz.

[2]  II. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

[3]  1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO übernehme der Fiskus die Rechtsverfolgungskosten allein im Hinblick auf die den Insolvenzverwaltern übertragene Aufgabe einer geordneten Abwicklung massearmer Verfahren. Soweit die Rechtsverfolgung dem öffentlichen Interesse entspreche, sei es gerechtfertigt, den Verwalter nicht wegen seiner Vergütungsansprüche als „wirtschaftlich beteiligt“ i.S.v. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO anzusehen, wenn er zur Anreicherung der Masse Prozesse führe. Eine Rechtsverfolgung, die durch das öffentliche Interesse an der geordneten Abwicklung masseloser Verfahren nicht gedeckt sei, sei dagegen mutwillig. Es liege nicht im öffentlichen Interesse, einen Prozess zu führen, der nicht zur anteilmäßigen Befriedigung der Massegläubiger führe, sondern allenfalls einen Teil der Massekosten erlösen könne. Diese Bewertung finde ihren Niederschlag in § 207 InsO, der die Einstellung des Insolvenzverfahrens bei fehlender Massekostendeckung verlange. Wenn das öffentliche Interesse gebiete, das Insolvenzverfahren nicht fortzuführen, könne auch kein öffentliches Interesse an Prozessen des Verwalters mehr bestehen. Der Verwalter habe es sonst in der Hand, trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 207 InsO seine Gebühren zu erhöhen und zugleich vom Fiskus zu tragende Kosten zu produzieren.

[4]  2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, weil die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs, die nicht dazu geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben, nicht mehr zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört.

[5]  a) Der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen (§ 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das gilt auch und gerade im Hinblick auf eine Anfechtungsklage. Wie sich aus § 129 Abs. 1 InsO ergibt, nimmt der Insolvenzverwalter mit der Anfechtung von Rechtshandlungen nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO eine ihm mit seinem Amt übertragene Aufgabe wahr. Diese Aufgabe obliegt ihm sogar dann, wenn der aus einer Anfechtung zu erzielende Erlös wegen der vorweg zu befriedigenden Verfahrenskosten (§ 54 InsO) nicht an die Insolvenzgläubiger verteilt werden kann (BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 460/02, ZIP 2003, 2036 = ZVI 2003, 556 = NZI 2004, 26, 27 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 14.7.2005 – IX ZB 224/04, ZIP 2005, 1519 = NZI 2005, 560, 561). Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Anfechtungsklage folglich nicht schon dann mutwillig i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO, wenn der Verwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt hat (BGH, Beschl. v. 28.2.2008 – IX ZB 147/07, ZIP 2008, 944 = NZI 2008, 431). Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit hat Auswirkungen auf die Verteilung der vorhandenen Masse (§§ 208, 209 InsO), nicht jedoch auf den Aufgabenkreis des Insolvenzverwalters. Der Verwalter bleibt vielmehr verpflichtet, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und zu verwerten (§ 208 Abs. 3 InsO). Dazu gehört es, Anfechtungsansprüche durchzusetzen. Anfechtungsansprüche sind Teil der Insolvenzmasse. Eingestellt wird das Insolvenzverfahren erst, wenn der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse nach Maßgabe des § 209 InsO verteilt hat (§ 211 Abs. 1 InsO).

[6]  b) Anders ist die Lage, wenn sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht einmal mehr ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken. In einem solchen Fall stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein, wenn nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a InsO gestundet werden (§ 207 Abs. 1 InsO). Der Verwalter hat aus den vorhandenen Barmitteln zunächst die Auslagen, sodann die übrigen Kosten des Verfahrens anteilig zu berichtigen (§ 207 Abs. 3 Satz 1 InsO). Er verteilt also nur die vorhandene liquide Masse. Zur Verwertung von Massegegenständen ist er dagegen nicht mehr verpflichtet (§ 207 Abs. 3 Satz 2 InsO). Dem Insolvenzverwalter wird nicht zugemutet, Tätigkeiten zu entfalten, obgleich sein Vergütungsanspruch (§ 54 Nr. 2 InsO) nicht gedeckt ist (BT-Drucks. 12/2443, S. 218). Bis zur Einstellung des Insolvenzverfahrens bleibt er zwar zur Verwaltung der Insolvenzmasse berechtigt und verpflichtet (§ 80 Abs. 1 InsO). Er mag – wie in der Kommentarliteratur vertreten wird – bis zur Aufhebung noch befugt sein, naheliegende Verwertungsmöglichkeiten zu nutzen (vgl. etwa KPB/Pape, InsO, § 207 Rz. 25; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 207 Rz. 11; Landfermann, in: HK-InsO, 5. Aufl., § 207 Rz. 21), wenn die Masse dadurch nicht mit zusätzlichen Kosten belastet und die Verfahrenseinstellung nicht verzögert wird. Eine Verpflichtung besteht insoweit jedoch nicht.

[7]  Diese Grundsätze gelten auch für die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs. Nach Eintritt der Massekostenarmut ZIP Heft 33/2009, Seite 1592ist der Insolvenzverwalter nicht mehr verpflichtet, noch Anfechtungsansprüche durchzusetzen. Das folgt unmittelbar aus § 207 Abs. 3 Satz 2 InsO. Trotz der andauernden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bis zum Einstellungsbeschluss (§ 80 Abs. 1 InsO) darf der Verwalter den Anfechtungsprozess weder beginnen noch in die nächste Instanz treiben. Ein Rechtsstreit stellt keine naheliegende und risikolose Verwertungsmaßnahme dar, die trotz eingetretener Massekostenarmut noch durchgeführt werden könnte; denn er nimmt typischerweise beträchtliche Zeit in Anspruch und birgt das Risiko, die Masse mit zusätzlichen Kosten zu belasten. § 207 Abs. 1 InsO verlangt vielmehr die unverzügliche Einstellung des Insolvenzverfahrens, welche der Verwalter beim Insolvenzgericht anzuregen hat.

[8]  c) Prozesskostenhilfe für ein Klage- oder Rechtsmittelverfahren des Verwalters kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht (BGH ZIP 2003, 2036 = ZVI 2003, 556 = NZI 2004, 26, 27, unter II 2; OLG Naumburg ZInsO 2002, 540, 541). Prozesskostenhilfe wird nicht für einen Prozess bewilligt, zu dessen Führung der Insolvenzverwalter weder verpflichtet noch auch nur berechtigt ist. Fordert das Gesetz die alsbaldige Einstellung des Insolvenzverfahrens (§ 207 Abs. 1 InsO), kann nicht zugleich ein Anspruch auf Finanzierung eines Rechtsstreits bestehen, der entweder die vom Gesetz verlangte Einstellung des Insolvenzverfahrens hinausschiebt oder – wenn das Insolvenzverfahren gleichwohl eingestellt wird – nach der Einstellung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner nicht mehr fortgesetzt werden kann (vgl. dazu BGH, Urt. v. 10.2.1982 – VIII ZR 158/80, ZIP 1982, 467, 468).

[9]  d) Gegen diese Lösung kann nicht die Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens eingewandt werden, die es gebiete, auch bei Kostenarmut einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für Anfechtungsklagen zu gewähren (so aber Hörmann, NZI 2008, 291). Voraussetzung eines Insolvenzverfahrens ist nach §§ 26, 207 InsO – von den Ausnahmefällen „Stundung der Verfahrenskosten“ und „Gläubigervorschuss“ abgesehen – die Deckung der Verfahrenskosten. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, wird ein beantragtes Verfahren nicht eröffnet, ein eröffnetes Verfahren eingestellt. Eine „Ordnungsfunktion“ kommt nur einem solchen Verfahren zu, das den Vorschriften der InsO entsprechend eröffnet und fortgeführt werden kann. Macht der Insolvenzverwalter, wie Hörmann (NZI 2008, 291) anscheinend vorschlagen will, bewusst unrichtige Angaben zu den Kosten des Insolvenzverfahrens, um trotz Fehlens der Bewilligungsvoraussetzungen Prozesskostenhilfe zu erhalten, macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig (§ 60 InsO). Praktische Schwierigkeiten bei der Darlegung der Bewilligungsvoraussetzungen – der Mittellosigkeit i.S.v. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO einerseits, der fehlenden Kostenarmut i.S.v. § 207 InsO andererseits – dürften sich nicht ergeben. Hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen der Massekostenarmut gelten die gleichen Grundsätze wie für diejenigen der Deckung der Verfahrenskosten (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 17.6.2003 – IX ZB 476/02, ZIP 2003, 2171 = ZVI 2004, 28 = NZI 2004, 30, 31 m.w.N.). Schon in eigenem Interesse (§ 61 InsO), aber auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 207 InsO wird der Verwalter die wirtschaftliche und finanzielle Lage des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens laufend überwachen und insbesondere Liquiditätsberechnungen anstellen und fortschreiben (MünchKomm-Hefermehl, InsO, 2. Aufl., § 207 Rz. 40).

[10]  e) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren die Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO im Zeitpunkt des Prozesskostenhilfeantrags des Klägers erfüllt. Die Insolvenzmasse reichte nicht aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Einem Barbestand von 15.302,92 € standen Verfahrenskosten von 25.263,40 € gegenüber. Verwertbares Vermögen, durch das der Barbestand vermehrt werden könnte, ist nicht mehr vorhanden. Die Anfechtungsansprüche, die dem vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren sowie dem Parallelverfahren IX ZB 234/08 zugrunde lagen, hätten an der Kostenarmut auch dann nichts geändert, wenn sie bestanden hätten und durchsetzbar gewesen wären.

[11]  III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren war zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 114 ZPO).

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