BGH: Kündigung eines Wohnraummietvertrags durch GbR wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters

07.09.2009

BGB §§ 705 ff., 573 Abs. 2 Nr. 2, § 577a

Kündigung eines Wohnraummietvertrags durch GbR wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters

BGH, Urt. v. 16. 7. 2009 – VIII ZR 231/08

Leitsatz des Gerichts:

Auf eine Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch eine GbR wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters findet die Kündigungsbeschränkung des § 577a BGB keine Anwendung, wenn nach der Kündigung Wohnungseigentum der Gesellschafter begründet wird. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft das Wohnanwesen zu dem Zweck erworben hat, die vorhandenen Wohnungen in Wohnungseigentum der Gesellschafter umzuwandeln.

Tatbestand:

[1]  Die Beklagte ist seit 1983 Mieterin einer Wohnung. Die Klägerin, eine GbR bestehend aus acht Gesellschaftern, erwarb das gesamte ZIP Heft 35/2009, Seite 1672Anwesen; sie wurde am 18. Januar/2. Februar 2006 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.

[2]  Zweck der Gesellschaft war die Eigennutzung der vermieteten Wohnungen in dem Anwesen durch die Gesellschafter. Jedem Gesellschafter war entsprechend seinem Gesellschaftsanteil das alleinige Sondernutzungsrecht für bestimmte Wohnungen zugewiesen.

[3]  Mit Schreiben vom 31. März 2006 kündigte die Klägerin wegen Eigenbedarfs des Gesellschafters K. das Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung zum 31. März 2007. Die Beklagte widersprach der Kündigung und zog nicht aus.

[4]  Nach dem Vorbringen der Beklagten in den Tatsacheninstanzen ist das gesamte Anwesen, wie von Anfang an geplant, mittlerweile in Eigentumswohnungen aufgeteilt und sind aufgrund der Auflassung vom 25. September 2007 die Gesellschafter K. und Dr. R. als Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung im Grundbuch eingetragen.

[5]  Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das LG zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

[6]  Die Revision hat Erfolg.

[7]  I. Das Berufungsgericht (LG München I WuM 2008, 731) hat im Wesentlichen ausgeführt:

[8]  Das Mietverhältnis sei durch die Eigenbedarfskündigung vom 31. März 2006 nicht beendet. Die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil es der Klägerin im konkreten Fall verwehrt sei, die Kündigung auf einen Eigenbedarf für den Gesellschafter K. zu stützen. (Wird ausgeführt.)

[12]  II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nicht verneint werden. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachvortrag der Klägerin ist ihre Kündigung vom 31. März 2006 wegen Eigenbedarfs des Gesellschafters K. wirksam (§ 546 i.V.m. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

[13]  1. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach dem Senatsurteil vom 27. Juni 2007 (VIII ZR 271/06, ZIP 2007, 1955 = NJW 2007, 2845, Rz. 10 ff., dazu EWiR 2008, 39 (T. Keil)) eine BGB-Gesellschaft als Vermieterin einem Mieter grundsätzlich wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen darf. Das gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch dann, wenn die BGB-Gesellschaft durch Veräußerung gem. § 566 Abs. 1 BGB in den Mietvertrag eingetreten ist. § 566 BGB schützt den Mieter, indem der Erwerber anstelle des alten Vermieters in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt. Die Vorschrift des § 566 BGB schützt den Mieter aber nicht davor, dass eine Personenmehrheit als Erwerberin in den Mietvertrag eintritt, unabhängig davon, ob es sich um eine Eigentümergemeinschaft, eine Erbengemeinschaft oder eine GbR handelt.

[14]  Deshalb kommt es auch nicht auf die Zahl der Gesellschafter an. Ebenso wenig wie in dem Fall, dass die BGB-Gesellschaft selbst den Mietvertrag abgeschlossen hat, gibt es einen Grund, Vermieter, die sich zu einer GbR zusammengeschlossen haben, schlechter zu stellen als eine einfache Mehrheit von Vermietern, bei denen die Berechtigung der nach § 566 Abs. 1 BGB in den Mietvertrag eingetretenen Gemeinschaft, sich auf einen Eigenbedarf an der Wohnung zu berufen, ebenfalls nicht von der Zahl der Vermieter abhängt. Gegen eine Differenzierung aufgrund einer mehr oder weniger überschaubaren Zahl von Gesellschaftern sprechen zudem Gründe der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit (Senat ZIP 2007, 1955 = NJW 2007, 2845, Rz. 16).

[15]  Ob auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung durch eine BGB-Gesellschaft, die gem. § 566 BGB erst später in den Mietvertrag eingetreten ist, an der Auffassung festzuhalten ist, dass eine Eigenbedarfskündigung durch eine bürgerlichrechtliche Gesellschaft, die den Mietvertrag abgeschlossen hat, nur wegen des Wohnbedarfs von Gesellschaftern – oder von deren Familienangehörigen oder Haushaltsangehörigen – in Betracht kommt, die bereits bei Abschluss des Mietvertrages Gesellschafter waren (Senat ZIP 2007, 1955 = NJW 2007, 2845, Rz. 17), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

[16]  2. Zu Recht weist die Revision auch darauf hin, dass die Eigenbedarfskündigung vom 31. März 2006 hier weder gem. § 577a BGB direkt noch gem. § 577a BGB analog i.V.m. der Bayerischen Wohnungsgebieteverordnung – WoGeV vom 24. Juli 2001 (BayGVBl, 368) mangels Einhaltung einer Wartefrist von zehn Jahren unwirksam ist, was das Berufungsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – offengelassen hat. Nach den genannten Vorschriften kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vor Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung an ihn berufen, falls an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden ist.

[17]  a) Eine unmittelbare Anwendung von § 577a BGB scheidet aus, weil im Zeitpunkt der Kündigung durch die Klägerin eine Umwandlung in Wohnungseigentum noch nicht erfolgt war. Die Klägerin selbst hat nicht Wohnungseigentum, sondern das bebaute Grundstück als solches erworben. Die Aufteilung des Anwesens in Wohnungseigentum und die Eintragung des Gesellschafters K. als Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung im Grundbuch sind auch nach dem Vortrag der Beklagten erst nach Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März 2007 durchgeführt worden. § 577a BGB setzt für den Ausschluss einer Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB voraus, dass nach der Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet und danach dieses Wohnungseigentum veräußert worden ist (Senatsurt. v. 9.7.2003 – VIII ZR 26/03, NJW 2003, 3265, unter II 1).

[18]  b) Für eine analoge Anwendung von § 577a BGB fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Beklagte hält eine Analogie zu § 577a BGB für geboten, weil dem Gesamtgeschehen ein auf die Umgehung der Schutzvorschrift des § 577a BGB ausgerichtetes modellhaftes Vorgehen eines Bauträgers zugrunde liege. Dieser habe Interessenten für eine Wohnung (nicht für einen Gesellschaftsanteil) geworben, mit den Interessenten eine BGB-Gesellschaft gegründet, in der bestimmte Wohnungen einzelnen Gesellschaftern schuldrechtlich zuge-ZIP Heft 35/2009, Seite 1673wiesen würden mit dem Hinweis darauf, dass eine Aufteilung in Wohnungseigentum erfolgen werde, das Objekt durch die BGB-Gesellschaft erworben, sodann die Kündigung wegen Eigenbedarfs des Gesellschafters in Bezug auf die ihm schuldrechtlich zugewiesene Wohnung ausgesprochen und das Objekt saniert, um nach Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung und Aufteilung des Anwesens nach dem WEG die BGB-Gesellschaft im Wege der Veräußerung des Wohnungseigentums von der BGB-Gesellschaft an den einzelnen Interessenten auseinanderzusetzen. Dabei handelt es sich um eine Gestaltung, die vom Schutzzweck des § 577a BGB nicht erfasst wird.

[19]  aa) Die Bestimmung hat den Zweck, dem durch die Umwandlung in Wohnungseigentum gefährdeten Bestandsschutzinteresse des Mieters Rechnung zu tragen (Senat BGHZ 126, 357, 365 = ZIP 1994, 1451, dazu EWiR 1994, 1073 (Sternel)). Mit der Kündigungssperrfrist für Eigenbedarfskündigungen wollte der Gesetzgeber den Mieter besonders davor schützen, dass umgewandelte Eigentumswohnungen häufig zur Befriedigung eigenen Wohnbedarfs erworben werden, der durch die Kündigungsschutzbestimmungen erstrebte Bestandsschutz für den Mieter dadurch also besonders gefährdet ist. Gerade die erhöhte Gefahr einer Eigenbedarfskündigung nach Umwandlung des vermieteten Wohnraums in eine Eigentumswohnung und Veräußerung an einen neuen Eigentümer stellt nach der Auffassung des Gesetzgebers auch die Rechtfertigung für die mit der (verlängerten) Kündigungssperrfrist verbundene Beschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Eigentümerbefugnisse (Art. 14 GG) sowohl des Veräußerers als auch des Erwerbers dar (Senatsurt. v. 11.3.2009 – VIII ZR 127/08, NJW 2009, 1808, Rz. 14). Auf den Schutz vor einer unabhängig von der Umwandlung bestehenden Eigenbedarfslage ist die Vorschrift nach ihrem Normzweck nicht zugeschnitten (BGHZ 126, 357, 365 = ZIP 1994, 1451). So greift die Wartefristregelung aus § 577a BGB für eine Eigenbedarfskündigung nicht schon bei der Begründung von Wohnungseigentum durch den bisherigen Eigentümer ein, sondern erst nach Veräußerung der Eigentumswohnung an deren Erwerber.

[20]  bb) Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 126, 357 = ZIP 1994, 1451) darf sich deshalb der Eigentümer einer Wohnung als Vermieter grundsätzlich auf ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (Eigenbedarf) ohne Rücksicht auf die Wartefrist berufen, wenn er erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter das Hausgrundstück als Miteigentümer in einer Bruchteilsgemeinschaft mit Dritten erworben hat und die Erwerber das Miteigentum gem. § 3 WEG in der Weise beschränkt haben, dass jedem Miteigentümer Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung eingeräumt wird. Dem ist die hier zu entscheidende Fallgestaltung vergleichbar.

[21]  Eine Veräußerung i.S.v. § 577a BGB setzt einen tatsächlichen Wechsel in der Person des Wohnungseigentümers voraus (Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 577a BGB Rz. 8). Daran fehlt es, wenn die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft diese in der Weise auseinandersetzen, dass das Eigentum der BGB-Gesellschaft unter den Gesellschaftern aufgeteilt wird. Zwar ist ein Grundstück, als dessen Eigentümer mehrere natürliche Personen mit dem Zusatz „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“ eingetragen sind, nicht (gesamthänderisch gebundenes) Eigentum dieser natürlichen Personen, sondern Eigentum der GbR (BGH, Urt. v. 25.9.2006 – II ZR 218/05, ZIP 2006, 2128 = NJW 2006, 3716, Rz. 11, dazu EWiR 2007, 279 (Häublein)). Dennoch findet mit der Übertragung des Wohnungseigentums auf einen einzelnen Gesellschafter kein Wechsel in der Rechtsträgerschaft statt, der geeignet ist, neuen, bis zu diesem Zeitpunkt für den Mieter nicht zu befürchtenden Eigenbedarf zu schaffen. Die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung durch die Klägerin zu Gunsten ihres Gesellschafters K. wie auch der übrigen Gesellschafter bestand, wie dargelegt, schon vor der Begründung von Wohnungseigentum. Es fehlt deshalb an dem nach dem Schutzzweck von § 577a BGB vorausgesetzten erhöhten Risiko einer Eigenbedarfskündigung, das gerade durch die Begründung und Veräußerung von Wohnungseigentum geschaffen worden ist.

[22]  cc) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung liegt auch keine unzulässige Umgehung von § 577a BGB durch die Klägerin vor. Wie ausgeführt, hat der Gesetzgeber mit § 577a BGB nur für eine ganz bestimmte Fallkonstellation – nach Umwandlung des vermieteten Wohnraums in eine Eigentumswohnung und Veräußerung der Wohnung an einen neuen Eigentümer – eine Eigenbedarfskündigung verboten bzw. erschwert. Diese Fallgestaltung ist hier nicht gegeben. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung nicht verhindern, dass eine Mehrheit von Personen, sei es in Form einer Miteigentümergemeinschaft, sei es in Form einer GbR, ein größeres Anwesen zum Zwecke der Eigennutzung erwirbt, auch wenn dadurch eine vergleichbare Gefährdung des Bestandsschutzinteresses der Mieter eintreten mag, wie sie im Falle der Bildung und Veräußerung von Wohnungseigentum besteht. Daran, dass diese Fallgestaltung von § 577a BGB nicht erfasst wird, ändert sich nichts dadurch, dass die Erwerber die Absicht haben, früher oder später Wohnungseigentum zu bilden.

[23]  III. Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob Eigenbedarf für den Gesellschafter K. besteht. Der Rechtsstreit ist daher an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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