BGH: Unwirksamkeit einer Gebührenklausel für die Bearbeitung von Rücklastschriften
BGB § 309 Nr. 5, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1
Unwirksamkeit einer Gebührenklausel für die Bearbeitung von Rücklastschriften
BGH, Urt. v. 17. 9. 2009 – Xa ZR 40/08 (OLG Hamm)
Leitsätze des Gerichts:
1. Eine Klausel in den AGB eines Luftfahrtunternehmens, die für den Fall einer Rücklastschrift eine Bearbeitungsgebühr von 50 € pro Buchung vorsieht, stellt eine nach § 309 Nr. 5 Alt. 1 Buchst. a BGB unwirksame Schadenspauschalierung dar. Dies gilt auch dann, wenn der Kunde zur Entrichtung des Beförderungsentgelts eine Belastungs-ZIP 47/2009, 2248ermächtigung für ein Kreditkartenkonto oder eine Einzugsermächtigung für ein Bankkonto erteilen muss und andere Zahlungswege nach den vertraglichen Vereinbarungen ausgeschlossen sind.
2. Eine derartige Klausel ist auch nicht als Preisnebenabrede wirksam.
Tatbestand:
[1] Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verein, begehrt von dem beklagten Luftverkehrsunternehmen die Unterlassung der Verwendung einer Klausel in AGB.
[2] Die Beklagte, ein sog. Low-Cost-Carrier, ist im Bereich der Beförderung von Privatkunden tätig. Dabei verwendet die Beklagte gegenüber Verbrauchern Allgemeine Beförderungsbedingungen, in denen es u.a. heißt:
„4.3.1 Bestimmte Zusatzleistungen, die wir im Zusammenhang mit Ihrer Beförderung auf Ihren Wunsch hin erbringen, und besondere Aufwendungen, die uns im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Abwicklung des mit Ihnen geschlossenen Beförderungsvertrages entstehen und die durch Sie oder den aufgrund des mit Ihnen geschlossenen Beförderungsvertrages berechtigten Fluggast veranlasst werden, sind mit dem Beförderungsentgelt nicht abgegolten. Dafür berechnen wir Ihnen weitere Entgelte. Ungeachtet dieser Bezeichnung gehören dazu sowohl Leistungsentgelte und Aufwandspauschalen (z.B. für die Beförderung von Übergepäck oder die Vornahme von Umbuchungen), aber auch Auslagenerstattungen und Schadensersatzforderungen (z.B. bei Rückbelastung von Lastschriften).
4.3.2 Unter welchen Voraussetzungen wir zur Erhebung weiterer Entgelte berechtigt sind, ist in diesen Beförderungsbedingungen geregelt. Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes dabei angegeben wird, ergibt sich die Höhe aus unserer Entgeltordnung (Art. 17). ...
4.5.2 Das Beförderungsentgelt ist vorbehaltlich einer ausdrücklichen abweichenden Vereinbarung per von uns akzeptierter Kreditkarte oder Bankeinzug zu entrichten. Sie erteilen uns dazu bei der Buchung des Fluges die Belastungsermächtigung für Ihr Kreditkartenkonto oder die Einziehungsermächtigung für Ihr Bankkonto. ...
4.5.3 Haben wir die von Ihnen gewählte Zahlungsart durch Buchungsbestätigung akzeptiert, gilt das Beförderungsentgelt solange als vorläufig entrichtet, bis wir feststellen oder begründeten Anlass zu der Annahme haben, dass ...
(f) der von uns bei Ihrem Kreditkarten- oder Geldinstitut eingezogene Betrag ganz oder teilweise rückbelastet oder dessen Rückzahlung auf sonstige Weise geltend gemacht wird. ...
4.6.2 Wenn einer der in Art. 4.5.3 lit. (a) bis (f) aufgeführten Fälle eintritt oder Sie eine Ihnen eingeräumte Zahlungsfrist nicht einhalten, haben wir das Recht, ...
(e) in den in Art. 4.5.3 lit. (f) angeführten Fällen (Rückbelastungen) für unseren dadurch verursachten zusätzlichen Aufwand und die uns dadurch entstehenden Kosten von Ihnen eine Rückbelastungspauschale gemäß unserer Entgeltordnung (Art. 17) zu verlangen, sofern Sie die Rückbelastung zu vertreten haben und uns nicht nachweisen, dass uns dadurch kein oder lediglich ein geringerer Schaden entstanden ist, und
(f) unseren sonstigen Schaden von Ihnen ersetzt zu verlangen.“
[3] In der „Entgeltordnung“ heißt es u.a.:
„Bearbeitungsgebühr bei Rücklastschrift: € 50,00 pro Buchung“.
[4] Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Unterlassung der Verwendung dieser Klausel gegenüber Personen, die nicht als Unternehmer handeln.
[5] Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der diese weiterhin die Abweisung der Klage erreichen will.
Entscheidungsgründe:
[6] Die zulässige Revision ist nicht begründet.
[7] I. Das Berufungsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gem. §§ 1, 3 UKlaG i.V.m. § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB bejaht. (Wird ausgeführt.)
[9] II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. § 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der angegriffenen Klausel gegenüber Personen, die nicht als Unternehmer handeln. Die von der Beklagten in AGB verwendete Bestimmung ist unwirksam.
[10] 1. Soweit die Bearbeitungsgebühr – was der Wortlaut der Klausel nahelegt – als pauschalierter Schadensersatz beansprucht wird, folgt die Unwirksamkeit der angegriffenen Klausel aus § 309 Nr. 5 Alt. 1 Buchst. a BGB. Nach dieser Vorschrift ist die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz in AGB unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. Die Vorschrift des § 309 Nr. 5 Alt. 1 BGB erfasst damit solche Klauseln, die dem Grunde nach bestehende gesetzliche oder vertraglich begründete Ansprüche auf Schadensersatz pauschalieren (Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., § 309 Rz. 10 ff., 35).
[11] a) Zu Recht hat das Berufungsgericht das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs der Beklagten gegen einen Kunden dem Grunde nach für den Fall bejaht, dass trotz getroffener Lastschriftabrede eine Rücklastschrift erfolgt und der Kunde diese zu vertreten hat. Ein solcher Anspruch folgt aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Schuldner hat nach einer getroffenen Lastschriftabrede für die Einlösung einer ordnungsgemäß eingereichten Lastschrift zu sorgen. Im Fall des Einzugsermächtigungsverfahrens, welches die Beklagte in Art. 4.5.2 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen (im Folgenden: ABB) als einzige Alternative zur Zahlung per Kreditkarte anbietet, bedeutet dies, dass der Schuldner dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung zu erteilen, auf seinem Konto ausreichende Deckung vorzuhalten (BGHZ 162, 294, 302 = ZIP 2005, 798 (m. Bespr. Freitag, S. 2052), dazu EWiR 2005, 535 (Haertlein)) und die Einlösung einer berechtigt eingereichten Lastschrift zu genehmigen hat (van Gelder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 58 Rz. 157). Verletzt der Schuldner diese ihn aufgrund der Lastschriftabrede treffenden vertraglichen Pflichten in von ihm zu vertretender Weise, etwa indem er keine ausreichende Deckung auf seinem Konto vorhält, kann der Gläubiger den ihm hieraus entstehenden Schaden ersetzt verlangen.
[12] b) Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, dass die von der Beklagten eingestellten Personalkosten im Fall einer zu einer Rücklastschrift führenden Pflichtverletzung des Kunden jedoch nicht als Schaden ersatzfähig sind. Nach dem Vortrag der Beklagten bedarf es des zur Bearbeitung von Rücklastschriften eingesetzten Personals deshalb, weil die weitere Bearbeitung nach einer Rücklastschrift nicht mehr automatisiert erfolgen könne. Stattdessen müssten die Mitarbeiter der Beklagten die betreffenden Kundendaten manuell in eine Bearbeitungsliste übertragen und abgleichen, den Zahlungssta-ZIP 47/2009, 2249tus für die Buchung ändern, weitere Buchungen mit einer Lastschrift des betroffenen Bankkontos durch Sperrung verhindern und den Kunden über die Rücklastschrift informieren. Darüber hinaus sei eine intensive zeitnahe Überwachung der Zahlungseingänge erforderlich, um sicherzustellen, dass der auf eine sog. „watchlist“ gesetzte Kunde nicht ohne Zahlung fliegen könne, aber bei Zahlung in letzter Minute noch befördert werde.
[13] Diese Kosten entstehen als Folge der typischen Angebotsstruktur der Beklagten. Indem die Beklagte die Möglichkeit zur Entrichtung des Beförderungsentgelts auf die Zahlung per Kreditkarte und im Lastschriftverfahren beschränkt, kann sie unter Nutzung eines automatisierten Verfahrens ihre Debitorenbuchhaltung weitgehend einsparen. Im Fall des Lastschriftverfahrens wird typischerweise nur ein geringer Anteil der Lastschriften infolge mangelnder Deckung auf dem Schuldnerkonto oder infolge Widerspruchs rückbelastet, so dass sich die Beklagte insoweit auf die Buchung und Bearbeitung dieser Rückbelastungen beschränken kann. Bei den hierfür anfallenden Personalkosten handelt es sich, unabhängig davon ob eigenes oder fremdes Personal eingesetzt wird, nicht um einen Schaden der Beklagten durch die Rücklastschrift, sondern um Aufwendungen zur weiteren Durchführung und Abwicklung des Vertrags, die der Beklagten trotz der vorgenommenen Beschränkung auf bestimmte bargeldlose Zahlungsarten verblieben sind. Das betriebswirtschaftliche Interesse der Beklagten, diese verbliebenen Kosten anteilig auf diejenigen Kunden umzulegen, die eine Rücklastschrift verursacht haben, rechtfertigt keine Abweichung von dem Grundsatz, dass der Schädiger nur für entstandene Schäden, nicht aber für Aufwendungen zur Durchführung und Abwicklung des Vertrags einzustehen hat.
[14] 2. Die angegriffene Bestimmung ist auch als Preisnebenabrede unwirksam. Sie ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt die betroffenen Kunden in unangemessener Weise (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
[15] a) Gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in AGB, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen, kontrollfähig. Darunter fallen weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung (BGHZ 161, 189, 191 f. = ZIP 2005, 245, dazu EWiR 2005, 419 (Reiff); BGHZ 137, 27, 30 = ZIP 1997, 2118, dazu EWiR 1998, 145 (Pfeiffer); BGHZ 133, 10, 13 = ZIP 1996, 1079, dazu EWiR 1996, 817 (Klaas), zu § 8 AGBG). Hingegen stellen Bestimmungen, die kein Entgelt für auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbrachte Sonderleistungen vorsehen, sondern Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten des Verwenders oder für Zwecke des Verwenders auf den Kunden abwälzen, eine kontrollfähige Abweichung von Rechtsvorschriften dar (BGHZ 161, 189, 191 f. = ZIP 2005, 245; BGHZ 141, 380, 383 = ZIP 1999, 1090; BGHZ 137, 43, 46 = ZIP 1997, 2151, dazu EWiR 1998, 49 (Canaris), zu § 8 AGBG; Wolf, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, a.a.O., § 307 Rz. 314 ff.; Stoffels, AGB-Recht, 2. Aufl., Rz. 445 f.).
[16] b) Der betroffene Kunde der Beklagten wird durch die angegriffene Bestimmung unangemessen benachteiligt. Im Allgemeinen indiziert die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Gegenseite (BGHZ 162, 294, 304 = ZIP 2005, 798; BGHZ 141, 380, 390 = ZIP 1999, 1090). Gründe, die die beanstandete Klausel bei der gebotenen umfassenden Abwägung der berechtigten Interessen aller Beteiligten (BGHZ 162, 294, 304 = ZIP 2005, 798; BGHZ 153, 344, 350 = ZIP 2003, 617 (m. Anm. Kindler)) gleichwohl nicht als unangemessen erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.
[17] Den Verwaltungsaufwand, der durch das zu erwartende vertragswidrige Verhalten einer bestimmten Anzahl von Kunden entsteht, ohne im Einzelfall als Schaden ersatzfähig zu sein, weist die gesetzliche Regelung dem Aufgabenkreis des Unternehmers zu. Dieser Verwaltungsaufwand ist daher vom Unternehmer auch dann allein zu tragen, wenn er sich abgrenzen lässt; er kann nur bei der Bildung des Preises für die Hauptleistung berücksichtigt werden.
[18] c) Die Bearbeitungsgebühr bei Rücklastschrift ist auch keine Vergütung für vertraglich geschuldete Zusatzleistungen der Beklagten. Solche Zusatzleistungen sind vertraglich nicht geregelt; der Kunde hat hierauf keinen vertraglichen Anspruch. Soweit die Beklagte vorträgt, sie sei kraft Gesetzes verpflichtet, ihre Kunden zu informieren, wenn kein ordnungsgemäßer Zahlungseingang erfolgt sei, kann sie für die ihr obliegende Erfüllung einer vertraglichen Nebenpflicht aus der Lastschriftabrede kein Entgelt von demjenigen beanspruchen, in dessen Interesse die Informationspflicht besteht. Der Aufwand, für den die Beklagte die Gebühr beansprucht, entsteht im Übrigen auch nicht in erster Linie durch die Erfüllung der Informationspflicht, sondern durch die von ihr geschilderten weiteren Maßnahmen, mit denen einerseits der Zahlungseingang überwacht und andererseits die Beförderung des Kunden auch bei Zahlung in letzter Minute noch sichergestellt werden sollen.