BGH: Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel mit dem uneingeschränkten Recht des Gasversorgers zur Weitergabe von Bezugskostensteigerungen

19.08.2009

BGB § 307 Abs. 1; EnWG § 36 Abs. 1; EnWG a.F. § 10 Abs. 1; AVBGasV § 4 Abs. 1, 2

Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel mit dem uneingeschränkten Recht des Gasversorgers zur Weitergabe von Bezugskostensteigerungen

BGH, Urt. v. 15. 7. 2009 – VIII ZR 225/07

Leitsätze des Gerichts:

1. Für die Beurteilung, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen für die Versorgung von Haushaltskunden mit Gas um Tarif- bzw. Grundversorgungsverträge (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG 2005) oder um Normsonderverträge handelt, kommt es darauf an, ob der Energieversorger die Versorgung – aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers – im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet.

2. Eine Preisanpassungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unverändert in einen formularmäßigen Gassondervertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar.

3. Die Klausel in einem Erdgassondervertrag

„Der Gaspreis folgt den an den internationalen Märkten notierten Ölpreisen. Insofern ist ... [der Gasversorger] berechtigt, die Gaspreise ... auch während der laufenden Vertragsbeziehung an die geänderten Gasbezugskosten ... [des Gasversorgers] anzupassen. Die Preisänderungen schließen sowohl Erhöhung als auch Absenkung ein.“

hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand.

Tatbestand:

[1]  Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen. Die Beklagte ist ein Gasversorgungsunternehmen, das rd. 650.000 Haushaltskunden mit Erdgas beliefert. Der Kläger bezog Erdgas von der Beklagten. Mit Schreiben vom 6. September 2005 bestätigte die Beklagte dem Kläger den Wechsel in den Tarif „G.-Aktiv“ zum 1. Oktober 2005.

[2]  In den AGB der Beklagten heißt es u.a.:

„§ 1 Geltungsbereich

1. Die G. [Beklagte] beliefert jeden Kunden als Tarifkunden, der faktisch Gas aus dem Versorgungsnetz der G. entnimmt, ohne zuvor mit der G. einen Erdgasversorgungsvertrag zu Sonderkonditionen abgeschlossen zu haben, auf der Grundlage der AVBGasV für Tarifkunden (...). Die Ergänzenden Bestimmungen zur AVBGasV werden in den §§ 4 bis 13 der nachfolgenden AGB definiert.

2. Für den Abschluss eines Erdgasversorgungsvertrags mit Sonderpreiskonditionen gelten die nachfolgenden AGB vorrangig. Die Vorschriften der AVBGasV gelten, soweit diese AGB nichts anderes vor-ZIP Heft 33/2009, Seite 1573sehen, für Kunden mit Sonderpreiskonditionen bzgl. der Preisangebote „G.-Vario“, „G.-Fix“ und „G.-Aktiv“ ergänzend. ...

§ 3 Preisanpassungen

1. Der Gaspreis folgt den an den internationalen Märkten notierten Ölpreisen. Insofern ist die G. berechtigt, die Gaspreise vorbehaltlich der Regelungen in §§ 16 bis 19 dieser AGB [diese betreffen den hier nicht einschlägigen Tarif „G.-Fix„] auch während der laufenden Vertragsbeziehung an die geänderten Gasbezugskosten der G. anzupassen. Die Preisänderungen schließen sowohl Erhöhung als auch Absenkung ein.

2. Die Anpassung des Tarifkundenpreises und der Sonderkundenpreise erfolgt entsprechend § 4 AVBGasV durch öffentliche Bekanntmachung. ...

§ 14 Vertragslaufzeit G.-Aktiv

1. Abweichend von § 32 Abs. 1 AVBGasV beträgt die Mindestvertragslaufzeit 18 Monate.

2. Soweit der Vertrag nicht von einer der beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat auf das Ende der Vertragslaufzeit gekündigt wird, verlängert sich der Vertrag um jeweils 12 Monate.

3. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des § 32 AVBGasV. Der Kunde kann insbesondere das Vertragsverhältnis mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntgabe folgenden Kalendermonats kündigen, wenn die G. die veröffentlichten Bedingungen für G.-Aktiv ändert.“

[3]  Die Beklagte erhöhte den Netto-Arbeitspreis im Tarif „G.-Aktiv“ zum 1. Oktober 2005 um 0,5 Cent/kWh auf 4,1 Cent/kWh und zum 1. Januar 2006 um weitere 0,5 Cent/kWh auf 4,6 Cent/kWh.

[4]  Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die von der Beklagten in dem zwischen ihr und dem Kläger geschlossenen Gasversorgungsvertrag vorgenommenen Erhöhungen der Bezugspreise zum 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 unwirksam seien. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

[5]  Die Revision hat Erfolg.

[6]  I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

[7]  Die von der Beklagten zum 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 vorgenommenen Preiserhöhungen im Tarif „G.-Aktiv“ seien wirksam. Die Beklagte sei zur Preisanpassung gem. § 4 Abs. 2 AVBGasV berechtigt gewesen. Im Verhältnis der Parteien seien die Regelungen der AVBGasV als Verordnung anzusehen und unterlägen daher nicht der Inhaltskontrolle nach den gesetzlichen Bestimmungen über AGB. (Wird ausgeführt.)

[11]  II. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die von der Beklagten dem Kläger gegenüber vorgenommenen Gaspreiserhöhungen zum 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 wirksam seien. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Preisanpassungsregelung in § 3 Nr. 1 der AGB der Beklagten gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Ein Recht zur einseitigen Änderung des Gaspreises steht der Beklagten daher nicht zu, so dass die streitigen Preiserhöhungen schon deshalb unwirksam sind. Auf die Frage, ob die Preiserhöhungen einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB standhielten, kommt es somit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

[12]  1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung handelt es sich bei dem Kläger nicht um einen Tarifkunden im Sinne des zur Zeit der streitgegenständlichen Preiserhöhungen noch geltenden § 1 Abs. 2 AVBGasV, sondern um einen Normsonderkunden, so dass die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden nicht von Gesetzes wegen Bestandteil des Versorgungsvertrages und die Beklagte nicht unmittelbar gem. § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zur Preisänderung befugt ist.

[13]  Der Senat hat unter Geltung von § 6 des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz – EnWiG) vom 13. Dezember 1935 für die Abgrenzung zwischen Tarifkundenverträgen und Sonderkundenverträgen ausgesprochen, dass unter einem Tarif dasjenige Preisgefüge zu verstehen ist, zu dem sich ein Versorgungsunternehmen öffentlich erbietet, im Rahmen seiner aus § 6 EnWiG folgenden Verpflichtung jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen (Senatsurt. v. 12.12.1984 – VIII ZR 295/83, WM 1985, 431, unter I 2). Dabei hat er der Veröffentlichung der Vertragsmuster indizielle Bedeutung für den Willen des Versorgungsunternehmens beigemessen, die darin enthaltenen Bedingungen der Allgemeinheit und nicht nur einzelnen Abnehmern anzubieten; er hat jedoch offengelassen, ob und unter welchen weiteren Voraussetzungen veröffentlichte Vertragsmuster letztlich als Tarife behandelt werden müssen (WM 1985, 431).

[14]  a) Die Frage ist dahin zu beantworten, dass es für die Beurteilung, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarif- bzw. Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen (§ 6 Abs. 1 EnWiG), Allgemeinen Tarifen (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998) oder Allgemeinen Preisen i.S.v. § 36 Abs. 1 EnWG 2005 handelt, darauf ankommt, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen – aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers – im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (vgl. Hempel, in: Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Stand: Dezember 2008, § 1 AVBEltV Rz. 42 ff.; KG, Urt. v. 28.10.2008 – 21 U 160/06, ZMR 2009, 280, unter II B 2 b (4) – Revision anhängig unter VIII ZR 312/08).

[15]  Nach der Bundestarifordnung Gas (aufgehoben mit Wirkung v. 29.4.1998 durch Art. 5 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 24.4.1998, BGBl I, 730) waren die Versorger zwar verpflichtet und nach der Bundestarifordnung Elektrizität (aufgehoben mit Wirkung v. 1.7.2007 durch Art. 5 Abs. 3 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 7.7.2005, BGBl I, 1970) jedenfalls berechtigt, zur Erfüllung ihrer Versorgungspflicht nach § 6 EnWiG, an dessen Stelle zunächst § 10 EnWG 1998 und nunmehr § 36 EnWG 2005 getreten sind, mehrere Allgemeine Tarife (Kleinverbrauchstarif und Grundpreistarif, Pflichttarif und Wahltarife) anzubieten. Schon vor ZIP Heft 33/2009, Seite 1574der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts im Jahr 1998 stand es ihnen jedoch frei, daneben Sonderverträge zu schließen, für deren inhaltliche Ausgestaltung – vorbehaltlich kartellrechtlicher Beschränkungen – der Grundsatz der Vertragsfreiheit galt (Senat WM 1985, 431, unter I 1). Von dieser Möglichkeit wurde nicht nur gegenüber Industriekunden, sondern auch im Verhältnis zu Haushaltskunden in nicht unerheblichem Umfang Gebrauch gemacht. Der Gesetzgeber hat 1998 die Bundestarifordnung Gas mit der Begründung aufgehoben, sie sei in der Praxis nahezu bedeutungslos geworden, nachdem sich bei der Heizgas- und Gasvollversorgung mehr und mehr Preisvereinbarungen im Rahmen von Sonderverträgen durchgesetzt hätten und der Anteil des Gases im Haushalts- und Kleinabnehmerbereich nur zu Koch- und Warmwasserbereitungszwecken immer weiter zurückgegangen sei. Nicht nur, aber insbesondere im Interesse Letzterer blieb gleichwohl die Verpflichtung von Energieversorgungsunternehmen erhalten (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998), für Gemeindegebiete, in denen sie die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern durchführen, zu öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Tarife jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen (BT-Drucks. 13/7274, S. 17). Entsprechend unterscheiden die Übergangsregelungen in § 115 Abs. 2 und 3 EnWG 2005 zwischen Verträgen über die Belieferung von Letztverbrauchern mit Energie im Rahmen der bis zum Inkrafttreten des EnWG 2005 bestehenden allgemeinen Versorgungspflicht und Verträgen über die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der bis zum Inkrafttreten des EnWG 2005 bestehenden allgemeinen Versorgungspflicht.

[16]  An dem Nebeneinander von Tarifverträgen (jetzt Grundversorgungsverträgen) und Sonderverträgen hat sich durch die Einführung der §§ 36 ff. EnWG 2005 und die Aufhebung der Bundestarifordnungen Gas und Elektrizität nichts geändert (de Wyl/Essig, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, 2008, § 11 Rz. 6, 57 ff.). Nach § 36 EnWG 2005 ist nur der Grundversorger i.S.v. Abs. 2 der Vorschrift verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Daneben sieht § 41 EnWG ausdrücklich Verträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung vor, die sowohl von dem Grundversorger als auch von anderen Versorgungsunternehmen angeboten werden können.

[17]  b) Welche Art von Vertrag vorliegt, muss demnach durch Auslegung ermittelt werden. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus § 1 der AGB der Beklagten eindeutig, dass es sich bei dem Angebot „G.-Aktiv“ nicht um ein Angebot zum Abschluss eines Tarifvertrages i.S.v. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 (Grundversorgungsvertrages nach § 36 Abs. 1 EnWG 2005), sondern um ein (an Haushaltskunden gerichtetes) Angebot zum Abschluss eines Sondervertrages handelt. Nach § 1 Nr. 1 der AGB beliefert die Beklagte jeden Kunden als Tarifkunden auf der Grundlage der AVBGasV, „der faktisch Gas aus dem Versorgungsnetz (...) entnimmt, ohne zuvor (...) einen Erdgasversorgungsvertrag zu Sonderkonditionen abgeschlossen zu haben“. Demgegenüber gelten gem. § 1 Nr. 2 der AGB für den Abschluss eines Erdgasversorgungsvertrages mit Sonderpreiskonditionen vorrangig die AGB. Der vom Kläger gewählte Tarif „G.-Aktiv“ wird ausdrücklich als Preisangebot mit Sonderpreiskonditionen benannt, für das in den §§ 14 und 15 weitere „Besondere Geschäftsbedingungen“ formuliert sind.

[18]  2. Für die Wirksamkeit der vom Kläger beanstandeten Preiserhöhungen kommt es deshalb darauf an, ob die Beklagte sich in § 3 der AGB wirksam ein Preisänderungsrecht vorbehalten hat. Das ist nicht der Fall. Bei (Sonder-)Verträgen der Gasversorgung findet zwar gem. § 310 Abs. 2 BGB eine Inhaltskontrolle nach §§ 308 und 309 BGB nicht statt, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas abweichen, an deren Stelle die Gasgrundversorgungsverordnung getreten ist. Die beanstandete Preisanpassungsklausel unterliegt aber als Preisnebenabrede (st. Rspr.; vgl. Senatsurt. v. 21.9.2005 – VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, unter II 1 m.w.N.) in jedem Fall der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (BGHZ 138, 118, 123 = ZIP 1998, 784 zu den Vorgängerregelungen in § 23 Abs. 2 Nr. 2 und § 9 AGBG). Dieser hält sie nicht stand.

[19]  a) Allerdings stellt eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (BGHZ 172, 315 = ZIP 2007, 2222, Rz. 13 ff., dazu EWiR 2007, 647 (Rottnauer)) unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar.

[20]  Mit der Regelung des § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG) hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, es den Versorgungsunternehmen freizustellen, ihre AGB mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten. Dahinter steht der Gedanke, dass Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer. Der Gesetzgeber hat ein Bedürfnis für eine Parallelgestaltung der Vertragsbedingungen der Versorgungsunternehmen gegenüber Verbrauchern als Tarifkunden und Verbrauchern als Sonderabnehmern insbesondere vor dem Hintergrund gesehen, dass infolge der Liberalisierung auf dem Energieversorgungsmarkt zunehmend auch Verbraucher mit Versorgungsunternehmen Verträge abschließen, die nicht von vornherein den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität, Gas usw. unterliegen und deshalb zu „Sonderabnehmern“ werden (BT-Drucks. 14/6040, S. 160). Den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden kommt deshalb ebenso wie denjenigen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie und den Nachfolgeregelungen der Gasgrundversorgungsverordnung für Sonderkundenverträge „Leitbildfunktion im weiteren Sinne“ zu, auch wenn sie dafür unmittelbar nicht gelten (BGHZ 138, 118, 126 f. = ZIP 1998, 784).

[21]  Ein und dieselbe Regelung kann sich allerdings für Sonderabnehmer ungleich nachteiliger auswirken als für Tarifkun-ZIP Heft 33/2009, Seite 1575den. § 310 Abs. 2 BGB verhindert daher die Überprüfung einer AGB in einem Sonderabnehmervertrag auf eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anhand der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB nicht. Diese ermöglicht es, Unterschiede zwischen Tarif- und Sonderkunden zu berücksichtigen (BGHZ 138, 118, 123 = ZIP 1998, 784). Den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden ist deshalb Leitbildfunktion für Sonderkundenverträge nicht pauschal beizumessen; vielmehr ist sie für jede einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen (BGHZ 176, 244, Rz. 25, dazu EWiR 2008, 673 (Rottnauer)). Sie ist jedoch für das Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zu bejahen (Senatsurt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, ZIP 2009, 320 = NJW 2009, 578, Rz. 20, zur Veröffentlichung in BGHZ 179, 186 vorgesehen, dazu EWiR 2009, 399 (Büdenbender)).

[22]  aa) Das nach der Rechtsprechung des BGH für den Vorbehalt einer einseitigen Leistungsbestimmung durch AGB erforderliche berechtigte Interesse des Verwenders (vgl. BGHZ 164, 11, 26 f. = ZIP 2005, 1785 m.w.N., dazu EWiR 2005, 815 (Emde)) ist bei Verträgen mit Normsonderkunden ebenso wie im Bereich der Tarifkundenversorgung (Grundversorgung) zu bejahen. Den Gasversorgungsunternehmen soll nach dem Willen des Verordnungsgebers der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden die Möglichkeit gegeben werden, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben, ohne die Verträge kündigen zu müssen (BR-Drucks. 77/79, S. 34). Insofern ist eine sachliche Gleichbehandlung der Haushaltssonderkunden mit den Tarifkunden geboten. Die Haushaltssonderkunden der Beklagten werden auf der Grundlage des Vertrags „G.-Aktiv“ ebenso wie die Tarifkunden aufgrund eines standardisierten Vertrages zu einheitlichen Preisen mit Gas beliefert. Der Vertrag ist auch trotz der besonderen Bestimmungen über die Vertragslaufzeit in § 14 der AGB einem auf unbestimmte Zeit laufenden Tarifkundenvertrag vergleichbar. Denn es ist zwar das Kündigungsrecht beider Parteien jeweils für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen; der Vertrag wird jedoch automatisch verlängert, wenn er von keiner der Parteien gekündigt wird. Es kann deshalb im vorliegenden Fall offenbleiben, ob dem Versorger auch dann ein berechtigtes Interesse an einer Preisänderung zuzugestehen ist, wenn der Sondervertrag von vornherein nur eine begrenzte Laufzeit hat.

[23]  bb) Eine § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nachgebildete vertragliche Preisanpassungsklausel genügt allerdings nicht den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt (BGH, Urt. v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, ZIP 2009, 1106 = WM 2009, 1077, Rz. 25, dazu EWiR 2009, 393 (Fornasier); BGHZ 164, 11, 26 f. = ZIP 2005, 1785; BGH, Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, ZIP 2007, 914 (m. Anm. Schöne, S. 918 u. Bespr. Borges, S. 1437) = NJW 2007, 1054, Rz. 21, dazu EWiR 2007, 261 (Büdenbender); BGH WM 2005, 2335, unter II 2). § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV regelt nur, dass das Gasversorgungsunternehmen Gas zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zur Verfügung stellt und Änderungen der allgemeinen Tarife erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Die Vorschrift lässt nicht erkennen, dass das Versorgungsunternehmen bei der Preisanpassung das Äquivalenzverhältnis wahren muss und sie nicht dazu nutzen darf, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben, um nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (BGHZ 178, 362 = ZIP 2009, 323, Rz. 25, dazu EWiR 2009, 291 (Rottnauer)). Sie lässt den Kunden weiter im Unklaren darüber, dass aufgrund der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen mit dem Recht des Versorgungsunternehmens zur Abwälzung von Kostensteigerungen auf seine Kunden die Pflicht einhergeht, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und diese nach denselben Maßstäben an die Kunden weiterzugeben (BGHZ 176, 244, Rz. 26).

[24]  Dies steht der unveränderten Übernahme von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in einen Sonderkundenvertrag unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Benachteilung des Sonderkunden (§ 307 Abs. 1 BGB) indes nicht entgegen. Wie oben ausgeführt, soll es den Versorgungsunternehmen nach dem Willen des Gesetzgebers freistehen, ihre AGB mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten, und soll der Schutz der Sonderabnehmer nicht weitergehen als derjenige der Tarifabnehmer. Der Gesetzgeber hat deshalb mit § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV selbst den Maßstab gesetzt, nach dem zu beurteilen ist, ob Sonderkunden durch eine Preisanpassungsklausel i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt werden. Mit einer unveränderten Übernahme von § 4 AVBGasV in das Sonderkundenverhältnis wird das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel erreicht, Sonderkunden nicht besser, aber auch nicht schlechter zu stellen als Tarifkunden. Es ist nicht ersichtlich, dass dafür im Bereich von Sonderverträgen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit und die Konkretisierung einer Preisanpassungsregelung gestellt werden müssten, als sie im Bereich der Tarifkundenversorgung durch § 4 AVBGasV unmittelbar erfüllt werden. Dem Sonderkunden steht ebenso wie dem Tarifkunden eine Überprüfung von einseitigen Preisänderungen nach § 315 BGB offen. Stimmt die vertragliche Preisanpassungsklausel mit § 4 AVBGasV inhaltlich überein, das heißt, weicht sie davon nicht zum Nachteil des Abnehmers ab, liegt danach eine unangemessene Benachteiligung des Sonderabnehmers nicht vor (ebenso Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 310 BGB Rz. 97, 101, 106; Graf von Westphalen, ZIP 2008, 669, 673; Rosin/Mätzig, RdE 2008, 225, 227 ff.).

[25]  b) Die Preisanpassungsklausel in § 3 der AGB der Beklagten enthält indes keine unveränderte Übernahme des Preisänderungsrechts nach § 4 AVBGasV in den Sondervertrag „G.-Aktiv“, sondern weicht – jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (BGHZ 176, 244, Rz. 19 = ZIP 2009, 329 (LS)) – zum Nachteil der Kunden der Beklagten davon ab und ist deshalb gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

[26]  aa) § 4 AVBGasV ermöglicht die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an Tarifkunden nur insoweit, als die Kostensteigerung nicht durch rückläufige Kosten in anderen Be-ZIP Heft 33/2009, Seite 1576reichen ausgeglichen wird (BGHZ 172, 315 = ZIP 2007, 2222, Rz. 26; BGHZ 178, 362 = ZIP 2009, 323, Rz. 39). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Preisanpassungsbefugnis das Äquivalenzverhältnis wahren muss und dem Berechtigten nicht die Möglichkeit geben darf, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (BGH ZIP 2009, 1106 = WM 2009, 1077, Rz. 25; BGH ZIP 2009, 320 = NJW 2009, 578, Rz. 18, dazu EWiR 2009, 399 (Büdenbender); BGHZ 176, 244, Rz. 18; BGH ZIP 2007, 914 = NJW 2007, 1054, Rz. 21; BGH WM 2005, 2335, unter II 2).

[27]  Diesen Anforderungen wird die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel nicht gerecht. Sie sieht die uneingeschränkte Weitergabe von Bezugskostensteigerungen vor. Damit ermöglicht sie der Beklagten eine Preiserhöhung wegen gestiegener Gasbezugskosten auch dann, wenn sich ihre Kosten insgesamt nicht erhöht haben, und ermöglicht damit eine Verschiebung des vertraglich vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zum Nachteil der Kunden der Beklagten.

[28]  bb) Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, wie oben bereits ausgeführt, weiter, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Rz. 26; vgl. auch BGH ZIP 2009, 1106 = WM 2009, 1077, Rz. 25).

[29]  Eine solche Verpflichtung enthält § 3 Nr. 1 der AGB der Beklagten nicht. Nach dem Wortlaut der Preisanpassungsklausel „ist die G. berechtigt, die Gaspreise (...) auch während der laufenden Vertragsbeziehung an die geänderten Gasbezugskosten der G. anzupassen“. Diese Formulierung lässt eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Etwas anderes folgt auch nicht aus der anschließenden Formulierung „Die Preisänderungen schließen sowohl Erhöhung als auch Absenkung ein“. Daraus ergibt sich zwar, dass auch Preissenkungen möglich sind. Der Formulierung ist aber nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass die Beklagte auch im Falle einer Absenkung der Gasbezugskosten verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung vorzunehmen. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Gasbezugskosten umgehend, niedrigeren Gasbezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen (vgl. BGHZ 176, 244, Rz. 20 f.).

[30]  Diese Möglichkeit wird ihr entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht dadurch genommen, dass nach § 3 Nr. 2 der AGB die Anpassung der Sonderkundenpreise „entsprechend § 4 AVBGasV durch öffentliche Bekanntmachung“ erfolgt. Damit wird unter Berücksichtigung der Voraussetzungen, die § 3 Nr. 1 der AGB der Beklagten für die Preisänderung aufstellt, aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners der Beklagten nur die Form geregelt, in der die Preisanpassung erfolgt (durch öffentliche Bekanntmachung). Nicht aber werden dadurch die Voraussetzungen des § 4 AVBGasV für eine Preisänderung in den Sondervertrag übernommen. Dasselbe gilt, soweit § 1 Nr. 2 der AGB der Beklagten die Vorschriften der AVBGasV für das Preisangebot „G.-Aktiv“ für ergänzend anwendbar erklärt. Wegen der Sonderregelung für Preisanpassungen in § 3 der AGB ist für die Vertragspartner der Beklagten jedenfalls unklar, ob die subsidiäre Bezugnahme auf die AVBGasV auch die – ungeschriebenen – Voraussetzungen einer Preisanpassung nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV umfasst (vgl. BGH ZIP 2009, 320 = NJW 2009, 578, Rz. 23).

[31]  c) Die unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten wird nicht durch die Einräumung eines Rechts zur Lösung vom Vertrag ausgeglichen. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Unangemessenheit von Preisänderungsklauseln durch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, ausgeglichen werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Ein Recht des Kunden zur Lösung vom Vertrag vermag jedenfalls nicht stets zu einem angemessenen Interessenausgleich zu führen. Dies hängt von seiner konkreten Ausgestaltung ab. Dabei sind die Art des jeweiligen Vertrags, die typischen Interessen der Vertragschließenden und die die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen zu berücksichtigen (Senat ZIP 2007, 914 = NJW 2007, 1054, Rz. 27; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360, Rz. 13; jew. m.w.N.).

[32]  aa) Ein angemessener Ausgleich einer benachteiligenden Preisanpassungsklausel setzt insbesondere voraus, dass der Kunde vorab über die beabsichtigte Preiserhöhung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird (Senat ZIP 2007, 914 = NJW 2007, 1054, Rz. 30 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Nach der für den Tarif „G.-Aktiv“ in § 14 Nr. 3 der AGB der Beklagten getroffenen Regelung gilt für die Kündigung § 32 AVBGasV entsprechend. Bei einer Änderung der Preise kann der Kunde das Vertragsverhältnis mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntgabe folgenden Kalendermonats kündigen. Eine rechtzeitige Information des Kunden, die es ihm ermöglicht, vor Wirksamwerden der Preisänderung zu kündigen, ist bei der in § 3 Nr. 2 der AGB der Beklagten vorgesehenen Anpassung der Sonderkundenpreise durch öffentliche Bekanntmachung nicht hinreichend sichergestellt. Außerdem kann die Preisanpassung unmittelbar nach der Bekanntmachung wirksam werden, während die Kündigung fristgebunden ist.

[33]  Das entspricht zwar den in § 4 Abs. 1 und 2, § 32 Abs. 2 AVBGasV – für den Fall einer Preisanpassung auf gesetzlicher ZIP Heft 33/2009, Seite 1577Grundlage – getroffenen Regelungen. Dadurch kann aber die oben (unter b) ausgeführte unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten durch die vertragliche Preisanpassungsklausel nicht kompensiert werden.

[34]  bb) Ein angemessener Ausgleich dieser Benachteiligung durch Einräumung eines Sonderkündigungsrechts scheitert hier – wie die Revision zu Recht geltend macht – außerdem daran, dass die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf dem Berliner Markt im streitgegenständlichen Zeitraum eine Monopolstellung innehatte, weil weitere Gasversorgungsunternehmen nicht vorhanden waren. Das Kündigungsrecht stellt deshalb für die Mehrzahl der Kunden der Beklagten, die entweder an die Entscheidung des Vermieters für den Heizenergieträger Gas gebunden sind oder selbst die Entscheidung dafür getroffen und entsprechende Investitionen getätigt haben, keine echte Alternative dar, weil sie dann nur die Möglichkeit hätten, sich von der Beklagten zu dem (regelmäßig teureren) Allgemeinen Tarif mit Gas beliefern zu lassen.

[35]  3. Der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht entsprechend § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zuzubilligen.

[36]  Sind AGB nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam und richtet sich sein Inhalt gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Dazu zählen zwar auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75 = ZIP 1984, 330 zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 2 AGBG). Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt (BGHZ 90, 69, 77 f. = ZIP 1984, 330; BGHZ 137, 153, 157 = ZIP 1998, 16, dazu EWiR 1998, 165 (Tiedtke)). Das ist hier nicht der Fall.

[37]  Gemäß § 14 Nr. 2 der AGB steht der Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von 18 Monaten und sodann zum Ablauf der um je zwölf Monate verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt dies nicht ohne Weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 244, Rz. 33; Senat ZIP 2009, 320 = NJW 2009, 578, Rz. 26). Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend macht, eine nicht mehr hinnehmbare grundlegende Störung des vertraglichen Gleichgewichts ergebe sich daraus, dass sie aus rechtlichen und politischen Gründen massenhafte Rückforderungen anderer Kunden zu gewärtigen habe, in deren Verträgen die unangemessene Preisanpassungsklausel ebenfalls enthalten sei, zeigt sie entsprechenden Sachvortrag in den Instanzen nicht auf, obwohl dazu Anlass bestanden hätte, nachdem bereits das Amtsgericht die Preisanpassungsklausel gem. § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen hat. Es kann deshalb offenbleiben, ob ein sich aus dem Abschluss einer Vielzahl gleichlautender Verträge ergebender wirtschaftlicher Nachteil überhaupt geeignet sein kann, eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Verschiebung des im Individualprozess zu beurteilenden konkreten Vertragsgefüges zu Lasten des Verwenders zu begründen.

[38]  III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die von der Beklagten dem Kläger gegenüber vorgenommenen Gaspreiserhöhungen zum 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 unwirksam sind, hat das Amtsgericht der Feststellungsklage zu Recht stattgegeben; die Berufung der Beklagten ist somit zurückzuweisen.

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