BGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - VIII ZR 66/19

01.03.2021

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

13. Januar 2021

Vorusso,Amtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BGB §§ 133 C, 157 E, 535, 549 Abs. 1, § 578 Abs. 2


a) Bei der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, ist auf den Nutzungszweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt (Bestätigung von BGH, Urteile vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 282/07, NJW 2008, 3361 Rn. 11; vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, BGHZ 202, 39 Rn. 21; vom 23. Oktober 2019 - XII ZR 125/18, BGHZ 223, 290 Rn. 21; jeweils mwN). Geht der Zweck des Vertrags dahin, dass der Mieter die Räume weitervermietet oder sonst Dritten - auch zu Wohnzwecken - überlässt, sind die Vorschriften des Wohnraummietrechts auf das (Haupt-)Mietverhältnis nicht anwendbar (Bestätigung von BGH, Urteil vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 282/07, aaO mwN).

b) Zur konkludenten Vereinbarung von Regelungen des Wohnraummietrechts bei Mietverhältnissen über Räume, die nach dem insoweit maßgeblichen vertraglichen Nutzungszweck nicht als Wohnräume vermietet sind.


BGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - VIII ZR 66/19 - LG Berlin, AG Mitte


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 16. Dezember 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Fetzer, den Richter Kosziol, die Richterin Dr. Liebert und den Richter Dr. Schmidt

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 67 - vom 21. Februar 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Revisionsverfahren und das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird abgesehen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts vom 1. August 2011 zum Zwangsverwalter für das Grundstück F. straße 71/T. straße 34 in

Berlin bestellt worden. Die Zwangsverwaltungsschuldnerin, die J.

GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin), hatte durch einen Mietvertrag vom 28./30. September 2009 acht Wohnungen in dem Anwesen an die D.

GmbH & Co. KG (im Folgenden: DPS) vermietet.

[2] Die mit "Mietvertrag über Wohnraum" überschriebene Vertragsurkunde enthält unter anderem folgende Vereinbarungen:

[3] "§ 1 Mietobjekt

1. Der Vermieter vermietet dem Mieter zu Wohnzwecken nachstehende Wohnungen: [...]

§ 2 Mietzeit

[...]

2. Das Mietverhältnis läuft auf unbestimmte Zeit und kann unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden.

3. Die Kündigungsfrist richtet sich nach § 573c BGB.

4. Die Kündigung muss in Schriftform erfolgen [...].

[...]

[4] § 6 Benutzung der Mieträume, Gebrauchsüberlassung

[...]

2. [...] Der Mieter ist zu einer Untervermietung und zur Stellung eines Nachmieters oder sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte berechtigt.

[5] § 15 Tierhaltung

1. Das Halten von Haustieren bedarf der Erlaubnis des Vermieters.

[...]."

[6] Mit Schreiben vom 25. August 2011 an die DPS kündigte der Kläger ohne Angabe von Gründen den vorgenannten Mietvertrag mit Wirkung zum 30. November 2011. Am 21. September 2011 vermietete die DPS eine der acht Wohnungen an den Beklagten.

[7] Mit Schreiben vom 16. Juni 2016 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zwischen der DPS und dem Beklagten wegen Zahlungsverzugs fristlos, hilfsweise fristgemäß.

[8] Das Amtsgericht hat der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Zahlung rückständiger Miete, Nutzungsentschädigung und Nebenkostennachforderungen, jeweils nebst Zinsen, sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

[9] Die Revision hat Erfolg.

[10] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

[11] Die geltend gemachten Ansprüche stünden dem Kläger nicht zu, weil er durch die am 25. August 2011 gegenüber der DPS erklärte Kündigung nicht gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in das zwischen dieser und dem Beklagten bestehende Mietverhältnis eingetreten sei.

[12] Die vom Kläger am 25. August 2011 erklärte Kündigung des Mietvertrags zwischen der Schuldnerin und der DPS sei unwirksam, weil der Kläger entgegen dem Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses der Schuldnerin mit der DPS nicht angegeben habe.

[13] Die im Wohnraummietrecht zu beachtende Begründungspflicht des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB gelte auch für die Kündigung des im Jahre 2009 begründeten Mietverhältnisses zwischen der Schuldnerin und der DPS. Dabei könne dahinstehen, ob es sich insoweit um ein Gewerberaummietverhältnis handele. Denn die Schuldnerin und die DPS hätten ihr Mietverhältnis - zumindest im Hinblick auf etwaige Kündigungsmöglichkeiten - dem "Schutz des sozialen Mietrechts" unterworfen, indem sie sich zumindest konkludent auf die Geltung des Wohnraummietrechts und damit auf die Anwendbarkeit des Begründungserfordernisses des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB geeinigt hätten.

[14] Das folge zunächst aus dem Wortlaut der Mietvertragsurkunde, die - graphisch hervorgehoben - als "Mietvertrag für Wohnraum" überschrieben sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Wohnungen der DPS gemäß § 1 Nr. 1 "zu Wohnzwecken" vermietet worden seien.

[15] Zudem bedürfe gemäß § 15 Nr. 1 Satz 1 das Halten von Haustieren der Erlaubnis des Vermieters. Diese Regelung spreche für die "Unterwerfung unter das soziale Mietrecht", da in gewerblichen Mietobjekten gehaltene Tiere üblicherweise nicht als "Haustiere" bezeichnet würden.

[16] Eine dem Kläger günstige Auslegung des Erklärungswortlauts wäre nur in Betracht zu ziehen gewesen, wenn die Vertragsurkunde im Übrigen unmissverständlich die (Fort-)Geltung der gesetzlichen Regelungen des Gewerberaummietrechts angeordnet hätte. Daran fehle es jedoch. Vielmehr hätten die Schuldnerin und die DPS - im Einklang mit der Überschrift des Mietvertrags - ausdrücklich auf die Anwendung wohnraummietrechtlicher Vorschriften abgestellt, indem § 2 Nr. 3 des Vertrags auf § 573c BGB Bezug nehme. Diese Vorschrift gelte - ohne entsprechende Vereinbarung - für Gewerberaummietverhältnisse aber gerade nicht (§ 580a Abs. 2 BGB).

[17] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[18] Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die vom Kläger erhobenen Ansprüche auf Räumung und Herausgabe der Wohnung (§ 546 Abs. 1 BGB), auf Zahlung rückständiger Miete und Nebenkostennachforderungen (§ 535 Abs. 2 BGB), auf Nutzungsentschädigung (§ 546a Abs. 1 BGB), jeweils nebst Zinsen, sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht verneint werden.

[19] Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger, der als Zwangsverwalter in allen Fällen, in denen Rechte und Pflichten der Schuldnerin aus ihrem Mietverhältnis zur DPS berührt sind, die Rechte der Schuldnerin im Rahmen der ihm nach § 152 ZVG obliegenden Aufgaben wahrzunehmen hat (vgl. BGH, Urteile vom 18. Dezember 2015 - V ZR 191/14, NJW 2016, 1242 Rn. 9, vom 23. September 2009 - VIII ZR 336/08, NJW 2009, 3505 Rn. 11;

jeweils mwN), sei nicht gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis der DPS mit dem Beklagten eingetreten, weil das Mietverhältnis der Schuldnerin mit der DPS durch die vom Kläger am 25. August 2011 ohne Angabe von Gründen erklärte Kündigung nicht beendet worden sei.

[20] Nach der Sichtweise des Berufungsgerichts hat die Schuldnerin mit der DPS konkludent vereinbart, den über acht Wohnungen geschlossenen Mietvertrag "der Geltung der Mieterschutzvorschriften der §§ 573 ff. BGB" beziehungsweise "des Wohnraummietrechts" und damit dem Wirksamkeitserfordernis des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB zu unterstellen, wonach der Vermieter von Wohnraum im Fall einer ordentlichen Kündigung in dem Kündigungsschreiben die Gründe für sein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietvertrags anzugeben habe. Dies trifft nicht zu.

[21] Das Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 BGB war vom Kläger nicht zu beachten, weil es gemäß § 549 Abs. 1 BGB ein Mietverhältnis über Wohnraum voraussetzt. Daran fehlt es im gegebenen Fall (dazu nachfolgend unter 1.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die Schuldnerin und die DPS auch nicht konkludent vereinbart, dass die Wirksamkeit einer ordentlichen Vermieterkündigung davon abhängig sein soll, dass der Vermieter in dem Kündigungsschreiben die Gründe für ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses angibt (dazu nachfolgend unter 2.).

[22] 1. Das Mietverhältnis zwischen der Schuldnerin und der DPS war

- gemessen an dem insoweit maßgeblichen vertraglichen Nutzungszweck - kein Mietverhältnis über Wohnräume im Sinne des § 549 Abs. 1 BGB, sondern ein Mietverhältnis über andere Räume (§ 578 Abs. 2 BGB). Danach ist die Regelung des § 573 Abs. 3 BGB, auf welche das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, hier nicht anwendbar.

[23] a) Bei der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den Nutzungszweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt (Senatsurteile vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 282/07, NJW 2008, 3361 Rn. 11; vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, BGHZ 202, 39 Rn. 21; siehe auch BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - XII ZR 125/18, BGHZ 223, 290 Rn. 21; jeweils mwN). Geht der Zweck des Vertrags dahin, dass der Mieter die Räume weitervermietet oder sonst Dritten - auch zu Wohnzwecken - überlässt, sind die Vorschriften des Wohnraummietrechts auf das (Haupt-)Mietverhältnis nicht anwendbar (Senatsurteil vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 282/07, aaO; siehe auch Senatsurteile vom 13. Februar 1985 - VIII ZR 36/84, BGHZ 94, 11, 14 f.; vom 20. Oktober 1982

- VIII ZR 235/81, WM 1982, 1390 unter II 3 a; vom 11. Februar 1981 - VIII ZR 323/79, NJW 1981, 1377 unter 2 b cc). Entscheidend ist mithin, ob der Mieter die Räume nach dem Vertrag zu eigenen Wohnzwecken anmietet (Senatsurteil vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 282/07, aaO). Steht demgegenüber die Vermietung zu Zwecken im Vordergrund, die keinen Wohnraumcharakter haben, ist allgemeines Mietrecht maßgebend (Senatsurteile vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, aaO Rn. 28; vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, NJW-RR 1986, 877 unter 3 c cc; siehe auch BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - XII ZR 125/18, aaO).

[24] b) Welcher Vertragszweck im Vordergrund steht, ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln. Da das Berufungsgericht es hat dahinstehen lassen, ob das Mietverhältnis zwischen der Schuldnerin und der DPS als gewerbliches oder als Wohnraummietverhältnis zu beurteilen ist, kann der Senat diese Auslegung selbst vornehmen, weil die dafür erforderlichen Feststellungen getroffen und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind. Entscheidend ist der wahre, das Rechtsverhältnis prägende Vertragszweck, also die gemeinsamen und übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragsparteien darüber, wie das Mietobjekt genutzt werden soll (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, aaO Rn. 30).

[25] Danach hat die DPS die Räume, wie bereits das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, ersichtlich nicht zu eigenen Wohnzwecken angemietet, weil sie als Personenhandelsgesellschaft (GmbH & Co. KG) ebenso wie juristische Personen (eigenen) Wohnbedarf nicht haben kann (vgl. Senatsurteile vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 282/07, aaO Rn. 12; vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 122/06, NZM 2007, 639 Rn. 10, und VIII ZR 113/06, WuM 2007, 459 Rn. 10; siehe auch BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - XII ZR 125/18, aaO Rn. 23). Selbst bei einer natürlichen Person spräche die gleichzeitige Anmietung von acht Wohnungen gegen eine Nutzung zu (eigenen) Wohnzwecken. Der Zweck der Anmietung durch die DPS war mithin nicht darauf gerichtet, die angemieteten Räume selbst zu Wohnzwecken zu nutzen, sondern - dem von § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelten Fall entsprechend (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 2018 - VIII ZR 241/16, NZM 2018, 281 Rn. 17, 20 mwN) - die gemieteten Wohnräume gewerblich Dritten zu Wohnzwecken weiterzuvermieten. Daraus erschließt sich auch der Grund, warum die Schuldnerin und die DPS unter § 1 Nr. 1 des Vertrags eine Vermietung "zu Wohnzwecken" vorgesehen haben und das Mietverhältnis in der Vertragsurkunde als "Mietvertrag über Wohnraum" bezeichnet haben.

[26] Dass der Vertragszweck in der gewerblichen Weitervermietung an Dritte bestand, verdeutlicht auch § 6 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrags, wonach die DPS

- insoweit abweichend von der Erlaubnispflicht des § 540 Abs. 1 Satz 1 BGB - unter anderem zu einer Untervermietung oder sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte berechtigt sein sollte. Zudem hat nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils selbst der Beklagte geltend gemacht, die Mietobjekte hätten den Mitgliedern seiner Familie als Wohnraum dienen sollen.

[27] 2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war das gemäß § 549 Abs. 1 BGB für eine ordentliche Vermieterkündigung von Wohnraummietverträgen geltende Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB vom Kläger auch nicht deshalb zu beachten, weil die Schuldnerin und die DPS in dem Mietvertrag vom 28./30. September 2009 konkludent eine dahingehende Vereinbarung getroffen hätten. Die davon abweichende Auslegung des Mietvertrags durch das Berufungsgericht, bei der bereits unklar bleibt, ob die "Geltung der Mietschutzvorschriften der §§ 573 ff. BGB" oder "die Geltung des Wohnraummietrechts" oder eine "Unterwerfung unter das soziale Mietrecht" (konkludent) vereinbart worden sein soll, ist von revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehlern behaftet.

[28] a) Dabei kann die vom Berufungsgericht nicht erörterte Frage offenbleiben, ob der vorbezeichnete Mietvertrag von der Schuldnerin verwendete Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB enthält, deren Auslegung durch das Berufungsgericht vom Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfbar sind (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 9. April 2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 25; vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 20; jeweils mwN). Denn selbst wenn es sich - wofür im Streitfall einiges sprechen könnte - um eine Individualvereinbarung der Schuldnerin mit der DPS handeln sollte, hielte die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

[29] Zwar darf bei Individualerklärungen deren Auslegung durch den Tatrichter vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 20. Februar 2019 - VIII ZR 7/18, BGHZ 221, 145, Rn. 31; vom 25. April 2018 - VIII ZR 176/17, NJW 2018, 2472 Rn. 30; vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 55/15, BGHZ 212, 248 Rn. 35).

[30] b) Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht indes unterlaufen.

[31] aa) Das Berufungsgericht hat sich im Streitfall namentlich von der Überschrift als "Mietvertrag für Wohnraum" sowie von der Bestimmung des § 1 Nr. 1 Satz 1 leiten lassen, wonach die Mietobjekte der DPS "zu Wohnzwecken" vermietet worden sind. Dabei hat es verkannt, dass auch bei der Auslegung einer als "Mietvertrag über Wohnraum" überschriebenen Vertragsurkunde maßgeblich auf den Zweck abzustellen ist, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - XII ZR 125/18, aaO Rn. 21). Zwar kann bei der Beurteilung unter Umständen auch die Bezeichnung des Mietverhältnisses in der Überschrift indizielle Bedeutung gewinnen (Senatsurteil vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, aaO Rn. 37). Wie ausgeführt, diente der Mietvertrag vom 28./30. September 2009 der DPS jedoch ersichtlich nicht zu eigenen Wohnzwecken, vielmehr sollte sie als Zwischenvermieter berechtigt sein, den Wohnraum an Dritte weiterzuvermieten. Eine weitergehende Bedeutung kommt den Vertragsbestimmungen nicht zu; tragfähige Rückschlüsse auf die "Geltung der Mietschutzvorschriften der §§ 573 ff. BGB" lassen sich daraus nicht herleiten.

[32] bb) Zwar haben die Schuldnerin und die DPS unter § 2 Nr. 3 des Vertrags vereinbart, die Frist zur ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen geschlossenen Mietvertrags habe sich nach der gemäß § 549 Abs. 1 BGB für Mietverhältnisse über Wohnraum geltenden Bestimmung des § 573c BGB zu richten. Die Annahme des Berufungsgerichts, daraus sei zu folgern, die Schuldnerin und die DPS hätten sich für ordentliche Vermieterkündigungen damit zugleich (stillschweigend) auf das Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 BGB geeinigt, verstößt jedoch gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze.

[33] (1) Die Sichtweise des Berufungsgerichts findet bereits im Wortlaut des Vertrags keine Stütze. Vielmehr spricht die vereinbarte Maßgeblichkeit (nur) der von § 573c BGB vorgesehenen Kündigungsfristen (unter § 2 Nr. 3 des Vertrags) sowie des Schriftformerfordernisses des § 568 Abs. 1 BGB (unter § 2 Nr. 4 des Vertrags) gerade gegen eine (stillschweigend) vereinbarte Anwendung weiterer Bestimmungen des Wohnraummietrechts im Verhältnis der Schuldnerin und der DPS.

[34] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bietet die Erlaubnispflichtigkeit der Tierhaltung (§ 15 Nr. 1 Satz 1 des Mietvertrags der Schuldnerin mit der DPS) schon im Ansatz kein belastbares Indiz für die Annahme einer konkludent vereinbarten "Unterwerfung unter das soziale Mietrecht". Auch diese Vertragsbestimmung ist vor dem Hintergrund des Vertragszwecks - der Weitervermietung an Dritte - zu sehen und bedeutet schlicht, dass das Halten von Haustieren durch Mieter der DPS von der Erlaubnis der Schuldnerin abhängig sein sollte.

[35] (2) Schließlich spricht - anders als es im Berufungsurteil anklingt - auch die Interessenlage der Schuldnerin und der DPS dagegen, dass sie die Wirksamkeit einer ordentlichen Vermieterkündigung von der in § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB vorgesehenen Angabe eines Kündigungsgrunds in dem Kündigungsschreiben abhängig machen wollten. Ungeachtet dessen, dass die DPS als gewerbliche Zwischenvermieterin (und Personenhandelsgesellschaft) einer solchen Vergünstigung nicht bedarf, hat die Schuldnerin als Vermieterin keinerlei Interesse daran, für eine Vermieterkündigung - über die vertraglich vorgesehene Anwendung der §§ 573c, 568 Abs. 1 BGB hinaus - die Geltung weiterer - nicht einmal bezeichneter - mieterschützender Vorschriften des Wohnraummietrechts zu vereinbaren. Im Gegenteil liefe die im Recht der Wohnraummiete vorgesehene Einschränkung von Kündigungsmöglichkeiten, wie sie etwa § 573 BGB vorsieht, den Interessen der Schuldnerin als Vermieterin von Geschäftsraum grundsätzlich zuwider.

[36] III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht keine Feststellungen zur inhaltlichen Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.

[37] Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren und das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dr. Milger Dr. Fetzer Kosziol

Dr. Liebert Dr. Schmidt

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