BGH, Urteil vom 16. Dezember 2022 - V ZR 144/21

24.01.2023

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

16. Dezember 2022

RinkeJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BauGB § 11 Abs. 2 Satz 1


Bei einem Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages zu einem marktgerechten Preis stellt sich die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde für den Fall, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut oder ohne Zustimmung der Gemeinde unbebaut weiterveräußert, selbst dann nicht als unangemessen i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB dar, wenn eine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht nicht vereinbart ist und dieses somit innerhalb der in § 462 Satz 1 BGB geregelten Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.

GO BY Art. 38 Abs. 1 aF (bis 31. März 2018)


Rechtshandlungen, die der erste Bürgermeister einer bayerischen Gemeinde bis zum 31. März 2018 vorgenommen hat, waren und bleiben aufgrund seiner umfassenden und uneingeschränkten Vertretungsbefugnis nach Art. 38 Abs. 1 GO BY aF wirksam, ohne dass es hierzu eines Gemeinderatsbeschlusses bedarf oder bedurfte (Bestätigung von Senat, Urteil vom 18. November 2016 - V ZR 266/14, BGHZ 213, 30)., BGH, Urteil vom 16. Dezember 2022 - V ZR 144/21 - OLG München, LG Landshut


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2022 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, die Richterin Haberkamp, die Richter Dr. Hamdorf und Dr. Malik und die Richterin Laube

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts München - 20. Zivilsenat - vom 16. Juni 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Beklagte kaufte von der Klägerin, einer Marktgemeinde in Bayern, mit notariellem Vertrag vom 21. Januar 1994 ein Grundstück zu einem Preis von 59.472 DM. Dabei handelte es sich um einen marktgerechten Preis. Der Beklagte verpflichtete sich, auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren ab dem Tag des Kaufs ein bezugsfertiges Wohngebäude entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erstellen (Ziff. XI. des Kaufvertrages). Für den Fall, dass das Wohngebäude nicht fristgemäß errichtet oder das Vertragsgrundstück ohne Zustimmung der Klägerin in unbebautem Zustand weiterveräußert wird, verpflichtete sich der Beklagte, das Eigentum an dem Grundstück der Klägerin auf Verlangen kosten- und lastenfrei zurück zu übertragen gegen Zahlung des ursprünglichen Kaufpreises, sonstiger gemäß der Vertragsurkunde bezahlter Beträge und nachweisbarer Kosten für die zwischenzeitlich erfolgten Erschließungsmaßnahmen. Zinsen sollten von der Klägerin in diesem Fall nicht zu entrichten sein (Ziff. XII. des Kaufvertrages). Der Beklagte errichtete in der Folgezeit kein Wohngebäude. Mit Schreiben vom 14. November 2014 teilte ihm die Klägerin mit, dass sie von ihrem Rückübertragungsrecht Gebrauch mache.

[2] Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen und die Eintragung (der Eigentumsumschreibung) im Grundbuch zu bewilligen sowie an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, will die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

[3] I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in MittBayNot 2022, 278 veröffentlicht ist, verneint einen Anspruch der Klägerin auf Rückübertragung des Grundstücks. Die Regelungen in Ziffern XI. und XII. des Kaufvertrages verstießen gegen das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung gemäß § 11 Abs. 2 BauGB. Da die Parteien die Länge der Frist zur Ausübung des Wiederkaufsrechts nicht geregelt hätten, sei sie durch Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung ergebe, dass die gesetzliche Höchstfrist von 30 Jahren (§ 462 Satz 1 BGB) vereinbart worden sei. Damit sei das Gebot der Angemessenheit verletzt. Zwar habe der Bundesgerichtshof die Vereinbarung einer 30-jährigen Frist in einigen Fällen für unbedenklich gehalten. Allerdings habe es sich dabei jeweils um Fälle gehandelt, in denen die Käufer das Grundstück subventioniert erworben hätten. Dem Beklagten sei aber kein Preisnachlass gewährt worden. Zudem sei nach dieser Rechtsprechung selbst bei Veräußerung subventionierten Baulandes durch die Gemeinde eine Frist von 30 Jahren für die Ausübung des Wiederkaufsrechts nur dann angemessen, wenn dem Erwerber ein besonders hoher Preisnachlass gewährt worden sei oder sonst außergewöhnliche Umstände vorlägen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigten. Die durch die unwirksame Ausübungsfrist entstandene Lücke könne daher auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Selbst wenn ungeachtet des nicht gewährten Preisnachlasses eine moderate Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts zulässig sein sollte, wäre diese nämlich abgelaufen, weil die Klägerin das Recht erst über 20 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages ausgeübt habe.

[4] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Verschaffung des Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück aus dem mit Ausübung des Wiederkaufsrechts zustande gekommenen (Wieder-)Kaufvertrag (§ 456 Abs. 1 i.V.m. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht verneinen.

[5] 1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass die Parteien in dem Kaufvertrag vom 21. Januar 1994 ein Wiederkaufsrecht der Klägerin i.S.v. § 456 BGB vereinbart haben, denn der Anspruch der Klägerin auf Rückübereignung des Grundstücks gegen Zahlung des ursprünglichen Kaufpreises sollte mit dem Verlangen der Klägerin entstehen. Richtig ist im Ergebnis auch, dass die Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts 30 Jahre ab dem Tag des Vertragsschlusses beträgt. Dies folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings nicht aus einer Auslegung des Vertrages, der hierzu

- wie das Berufungsgericht selbst ausdrücklich feststellt - keine Regelung enthält, sondern unmittelbar aus dem Gesetz. Denn das Wiederkaufsrecht kann nach § 462 Satz 1 BGB bei Grundstücken bis zum Ablauf von 30 Jahren ausgeübt werden. Nur wenn die Vertragsparteien eine andere Frist vereinbaren, tritt diese nach Satz 2 der Vorschrift an die Stelle der gesetzlichen Frist (vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 76/10, NJW-RR 2011, 1582 Rn. 9). Mangels abweichender Vereinbarung bleibt es vorliegend bei der gesetzlichen Frist von 30 Jahren.

[6] 2. Richtig ist auch, dass die Wirksamkeit des Wiederkaufsrechts allein an dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung nach § 6 Abs. 3 Satz 4 BauGB-MaßnahmenG i.d.F. vom 22. April 1993 (jetzt und daher im Folgenden ausschließlich § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB) und nicht an den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB zu messen ist.

[7] a) Der notarielle Kaufvertrag vom 21. Januar 1994 ist ein städtebaulicher Vertrag im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB. Der für einen städtebaulichen Vertrag erforderliche Zusammenhang mit der gemeindlichen Bauleitplanung ergibt sich daraus, dass die klagende Gemeinde dem Beklagten das Grundstück als Bauplatz verkauft und ihm in Ziff. XI. des Vertrages eine binnen einer bestimmten Frist zu erfüllende Verpflichtung zum Bau eines Wohnhauses (vgl. § 176 BauGB) auferlegt hat, um das Bauland zeitnah einer durch die Bauleitplanung zugelassenen Bebauung zuzuführen (vgl. Senat, Urteil vom 20. April 2018 - V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 Rn. 9; Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 271/14, NJW 2015, 3169 Rn. 8 mwN).

[8] b) Für städtebauliche Verträge verdrängt die spezialgesetzliche Rechtsfolgeregelung des § 11 Abs. 2 BauGB grundsätzlich die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB (vgl. Senat, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 271/14, NJW 2015, 3169 Rn. 9; Urteil vom 29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 99 f. zum AGB-Gesetz). Die von dem Senat bisher offen gelassene Frage, ob das auch für

Verträge gilt, die nach dem 31. Dezember 1994 geschlossen wurden, also nach Inkrafttreten der - in Umsetzung der EG-Richtlinie vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen eingefügten - Vorschrift des § 24a AGBG (jetzt § 310 Abs. 3 BGB), kann auch hier dahinstehen, da der zu beurteilende Vertrag aus dem Jahr 1994 stammt.

[9] 3. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, das vereinbarte Wiederkaufsrecht verstoße gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB, weil sich die Ausübungsfrist von 30 Jahren im Hinblick darauf, dass das Grundstück nicht verbilligt abgegeben worden sei, als unangemessen darstelle.

[10] a) Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB müssen die in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verlangt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde - hier der klagenden Gemeinde - erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und dass die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt (vgl. Senat, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 144/14, BGHZ 206, 120 Rn. 19 mwN).

[11] b) Nach diesem Maßstab stellt sich das Wiederkaufsrecht der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Ausübungsfrist von 30 Jahren nicht als unangemessen dar.

[12] aa) Die Klägerin verfolgte mit der dem Beklagten auferlegten Verpflichtung, auf dem verkauften Grundstück ein Wohngebäude entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu errichten, ersichtlich den Zweck, die (zeitnahe) Erreichung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele sicherzustellen bzw. zu fördern (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Die Vereinbarung von Bauverpflichtungen gilt als Mittel zur raschen Bebauung des Plangebiets und zur Vermeidung von Baulücken, um die Erschließung von weiteren Baugebieten aus Kosten- und Umweltgesichtspunkten möglichst zu vermeiden (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt, BauGB, 15. Aufl., § 11 Rn. 46; EZBK/Krautzberger, Februar 2022, BauGB § 11 Rn. 138: "traditionelles Instrument der kommunalen Stadtentwicklungspolitik"; Schäfer/Uechtritz/Zuber/Hamann, Rechtsgestaltung in der kommunalen Praxis, § 4 Rn. 11: "unverzichtbare Instrumente einer aktiven kommunalen Baulandpolitik"; Schwemer, NVwZ 2022, 1166, 1168; vgl. auch § 4 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 WoFG). Zugleich sind Bauverpflichtungen ein Mittel zur Verhinderung von Grundstücksspekulationsgeschäften, was ebenfalls ein anerkennenswertes städtebauliches Ziel darstellt (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 2018 - V ZR 306/16, MDR 2018, 1055 Rn. 29; Urteil vom 20. April 2018 - V ZR 169/17, NJW 2018, 3012 Rn. 13).

[13] Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans kann die Gemeinde den Eigentümer auch durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen (vgl. § 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Es ist daher für sich genommen nicht zu beanstanden, wenn sie dem privaten Käufer ein im Gebiet eines Bebauungsplans gelegenes Grundstück nur gegen Übernahme einer Bebauungsverpflichtung verkauft (vgl. BeckOK BauGB/Hoffmann [1.5.2022], § 11 Rn. 21; zu Durchführungsverträgen mit Vorhabenträgern § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB) und diese Verpflichtung durch ein Wiederkaufsrecht für den Fall des Verstoßes absichert (vgl. allg. zur Zulässigkeit von Wiederkaufsrechten Senat, Urteil vom 15. Februar 2019 - V ZR 77/18, NJW 2019, 2602 Rn. 10; Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 271/14, NJW 2015, 3169 Rn. 10 mwN).

[14] bb) Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung setzt auch nicht voraus, dass dem Käufer das Grundstück unterhalb des Verkehrswertes verkauft wird, zumal Gemeinden unter beihilfe- und haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten Grundstücke grundsätzlich nicht unter dem Verkehrswert veräußern dürfen (vgl. Schäfer/Uechtritz/Zuber/Hamann, Rechtsgestaltung in der kommunalen Praxis, § 4 Rn. 13). Die Pflicht, das Grundstück den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß zu bebauen, stellt für den Erwerber eines im Baugebiet gelegen Grundstücks regelmäßig keine schwerwiegende Belastung dar. Denn üblicherweise wird er ohnehin beabsichtigen, das Grundstück zu bebauen und muss hierbei die Vorgaben des Bebauungsplans einhalten. Somit erscheint es nicht geboten, die Bauverpflichtung durch einen Nachlass auf den Verkehrswert des Grundstücks zu kompensieren. Als unangemessen könnte sich eine Bebauungsverpflichtung darstellen, wenn dem Erwerber eine besonders kurze, in der Praxis unter Berücksichtigung üblicher Abläufe nur schwer einzuhaltende Frist für die Bebauung gewährt wird. Dies ist vorliegend mit einer Bebauungsfrist von acht Jahren nicht der Fall (vgl. BeckOK BauGB/Hoffmann [1.5.2022], § 11 Rn. 21: "wenigstens drei Jahre" seien angemessen).

[15] cc) Auch der vereinbarte Wiederkaufspreis führt nicht zur Unangemessenheit der Regelung. Im Grundsatz ist es nicht unbillig, den Preis, zu welchem verkauft worden ist, als Wiederkaufspreis zu vereinbaren, da dies der Zweifelsregelung des § 456 Abs. 2 BGB (§ 497 Abs. 2 BGB aF) entspricht (vgl. zu § 138 BGB Senat, Urteil vom 29. Oktober 2010 - V ZR 48/10, NJW 2011, 515 Rn. 11). Dass der ursprüngliche Kaufpreis nicht zu verzinsen ist, entspricht dem Umstand, dass der Käufer seinerseits nicht verpflichtet ist, gezogene Nutzungen an den Verkäufer (und Wiederkäufer) herauszugeben (vgl. hierzu Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 81. Aufl., § 457 Rn. 2).

[16] dd) Schließlich ist die Vereinbarung des Wiederkaufsrechts auch nicht deshalb unangemessen, weil keine Regelung über die Frist zur Ausübung getroffen wurde und damit die gesetzliche Frist von 30 Jahren gilt.

[17] (1) Zwar ist nicht zu verkennen, dass eine verbleibende Zeit von 22 Jahren nach Entstehung des Wiederkaufsrechts für dessen Ausübung sich aus Sicht des Beklagten als sehr lang darstellt. Die Möglichkeit des Wiederkaufs durch die Klägerin zum Ankaufspreis schwebte gewissermaßen "wie ein Damoklesschwert" über ihm. Denn die Regelungen über das Wiederkaufsrecht in den §§ 456 ff. BGB sehen, anders als beim Rücktrittsrecht (vgl. § 350 BGB), für den Wiederkaufsverpflichteten nicht die Möglichkeit vor, den Berechtigten unter Fristsetzung zur Ausübung des Rechts aufzufordern und den Schwebezustand auf diese Weise zu beenden. Die Klägerin konnte ihr Recht in den Grenzen der Verwirkung und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich 30 Jahre lang ausüben.

[18] (2) Dies ist aber keine Folge einer unangemessenen vertraglichen Gestaltung, sondern folgt aus dem Gesetz (§ 462 Satz 1 BGB), und die einschlägigen gesetzlichen Regelungen sind im Rahmen von § 11 Abs. 2 BauGB wertungsmäßig zu berücksichtigen (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt, 15. Aufl. 2022, BauGB § 11 Rn. 72; P. Meier, MittBayNot 2022, 280, 282 in seiner Anmerkung zu dem hiesigen Berufungsurteil).

[19] Die 30-jährige Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts stellt sich auch nicht einseitig als Vorteil für die Gemeinde und als Nachteil für den Käufer dar. Denn sie ermöglicht es der Gemeinde, im Einzelfall flexibel zu reagieren, etwa indem sie einem unverschuldet in wirtschaftliche Not geratenen Käufer die Frist für die Erfüllung der Bebauungsverpflichtung verlängert. Bei einer kürzeren Ausübungsfrist wäre die Gemeinde hingegen gezwungen, ihr Recht unmittelbar oder jedenfalls zeitnah nach fruchtlosem Ablauf der Bebauungsfrist auszuüben, um es nicht zu verlieren. Alternativ müsste sie mit den Käufern von vornherein eine kürzere Frist für die Bebauung vereinbaren, um nach deren fruchtlosem Verstreichen ausreichend Zeit für die Prüfung des weiteren Vorgehens zu haben. Eine kürzere Ausübungsfrist kann sich somit im Ergebnis für den jeweiligen Käufer auch nachteilig auswirken.

[20] Daher stellt sich bei einem Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages zu einem marktgerechten Preis die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde für den Fall, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut oder ohne Zustimmung der Gemeinde unbebaut weiterveräußert, selbst dann nicht als unangemessen i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB dar, wenn eine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht nicht vereinbart ist und dieses somit innerhalb der in § 462 Satz 1 BGB geregelten Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.

[21] c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich die Unangemessenheit der in Rede stehenden Regelung nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu Ausübungsfristen für den Wiederkauf beim sog. "Einheimischenmodell" ableiten.

[22] aa) Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des Senats zum Verkauf verbilligten Baulandes an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages die Ausübungsfrist für das vertraglich vereinbarte Wiederkaufsrecht der Gemeinde begrenzt sein und in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der durch den Preisnachlass dem Käufer gewährten Subvention stehen muss. So hat der Senat etwa angenommen, dass bei einer Kaufpreisverbilligung von 50 % eine 20-jährige Ausübungsfrist noch angemessen sein kann (Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn. 12, 17 f.). Dagegen verstößt eine 30-jährige Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung, wenn dem Käufer ein nur geringer Preisnachlass gewährt wurde (vgl. Senat, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 271/14, NJW 2015, 3169 Rn. 11, dort weniger als 20 % gegenüber dem Verkehrswert). Eine 30 Jahre übersteigende Frist ist in aller Regel als unverhältnismäßig anzusehen (vgl. Senat, Urteil vom 29. Oktober 2010 - V ZR 48/10, NJW 2011, 515 Rn. 18; Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 76/10, NJW-RR 2011, 1582 Rn. 20; Urteil vom 22. Juni 2007 - V ZR 260/06, NJW-RR 2007, 1608 Rn. 15).

[23] bb) Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf die vorliegende Konstellation nicht übertragen.

[24] (1) Beim sog. "Einheimischenmodell" soll in Gemeinden, die eine starke Nachfrage nach Bauland durch auswärtige Interessenten verzeichnen, Einheimischen der Erwerb von Bauflächen zu bezahlbaren, in der Regel deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen ermöglicht werden. Eine Veräußerung unter dem Verkehrswert ist den Gemeinden wegen des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nur gestattet, wenn dies der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient und die zweckentsprechende Mittelverwendung sichergestellt wird. Gemeinden, die zur Förderung des Wohnbaus von Einheimischen Grundstücke verbilligt verkaufen, sind daher nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, für eine vertragliche Absicherung des - den verbilligten Grundstücksverkauf rechtfertigenden - Ziels der Einheimischenförderung Sorge zu tragen. Sie müssen insbesondere sicherstellen, dass die bevorzugten Käufer die auf den Grundstücken zu errichtenden Eigenheime für einen bestimmten Zeitraum selbst nutzen und nicht auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne erzielen, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert weiterveräußern oder den Grundbesitz an Dritte vermieten. Vertragliche Regelungen, die entsprechende Bindungen begründen, schaffen mithin erst die (öffentlich-)rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen Baulands; sie müssen daher von den Zivilgerichten vor diesem Hintergrund interpretiert und auf ihre Angemessenheit überprüft werden (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 96, 103 f.; Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn. 12 mwN; zu den dabei zu beachtenden europarechtlichen Vorgaben vgl. EuGH,

Urteil vom 8. Mai 2013, Rs C-197/11 und Rs C-203/11, Libert u.a. und All Projects & Development NV, EU:C:2013:288 Rn. 39 ff., 49 ff. sowie Senat, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 144/14, BGHZ 206, 120 Rn. 33).

[25] Die genannten und die von dem Berufungsgericht zitierten Entscheidungen betrafen infolgedessen jeweils vertragliche Regelungen, durch die die Käufer langfristigen Bindungen in der Form von Nutzungsobliegenheiten oder Veräußerungsverboten unterworfen wurden. So konnte das Wiederkaufsrecht etwa in dem Fall ausgeübt werden, dass der Erwerber das Grundstück Dritten innerhalb von 30 Jahren ganz oder teilweise verkauft oder zu eigentumsähnlicher Nutzung überlässt (Senat, Urteil vom 15. Februar 2019 - V ZR 77/18, NJW 2019, 2602) oder die Käufer wurden verpflichtet, auf dem Grundstück ein Wohnhaus zu errichten und mindestens 20 Jahre ab Bezugsfertigkeit selbst zu bewohnen (Senat, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505). In einem anderen von dem Berufungsgericht zitierten Fall konnte das Wiederkaufsrecht innerhalb von 90 Jahren unter anderem dann ausgeübt werden, wenn der Käufer oder sein Rechtsnachfolger das Wohnhaus seit mehr als drei Jahren nicht selbst bewohnt oder bewirtschaftet, das Grundstück ganz oder teilweise veräußert oder wenn über das Vermögen des Eigentümers das Konkursverfahren eröffnet wird (Senat, Urteil vom 21. Juli 2006 - V ZR 252/05, NJW-RR 2006, 1452).

[26] Da die Bindung des Käufers beim Einheimischenmodell der Preis für den verbilligten Erwerb des Grundstücks ist, hängt die zulässige Bindungsdauer von dem Umfang der Verbilligung ab (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 16. April 2010 ­ V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn. 16; Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 271/14, NJW 2015, 3169 Rn. 12; Urteil vom 15. Februar 2019 - V ZR 77/18, NJW 2019, 2602 Rn. 12).

[27] (2) Die vorliegend zu beurteilende Regelung unterscheidet sich grundlegend von einem Grundstücksverkauf im Einheimischenmodell.

[28] (a) Dem Beklagten wird keine langfristige Bindung auferlegt, die nur mit einer angemessen hohen Subvention zu rechtfertigen wäre. Er ist bzw. war einzig verpflichtet, das Grundstück innerhalb von acht Jahren mit einem dem Bebauungsplan entsprechenden Wohngebäude zu bebauen. Hätte er diese Verpflichtung erfüllt, wäre das Wiederkaufsrecht der Klägerin erloschen bzw. nicht entstanden. Bei der Bebauungsfrist handelte es sich auch nicht um eine Mindestfrist, der Beklagte war also auch nicht für einen Zeitraum von acht Jahren "gebunden". Er hätte das Grundstück vielmehr sofort nach Abschluss des Kaufvertrages und Erteilung einer Baugenehmigung bebauen und das Wiederkaufsrecht damit zum Erlöschen bringen können. Anders als beim Einheimischenmodell, bei dem es regelmäßig dem Käufer generell (vgl. etwa Senat, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505; Urteil vom 15. Februar 2019 - V ZR 77/18, NJW 2019, 2602) oder jedenfalls mit Ausnahme engster Familienangehöriger (vgl. Senat, Urteil vom 30. September 2005 - V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298; Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 271/14, NJW 2015, 3169) für einen längeren Zeitraum verboten ist, das Grundstück weiterzuverkaufen, konnte der Beklagte über das Grundstück nach dessen Bebauung frei verfügen. Verboten war ihm lediglich der Weiterverkauf des unbebauten Grundstücks. Die Regelung sollte also ersichtlich nur der Durchsetzung der Bebauungsverpflichtung dienen; eine sozialpolitische Zielsetzung ist nicht erkennbar.

[29] (b) Vor diesem Hintergrund stellt sich die Vereinbarung über das Wiederkaufsrecht der Klägerin auch nicht deswegen als unangemessen dar, weil die Ausübungsfrist 30 Jahren beträgt, ohne dass dem Beklagten ein besonders hoher bzw. überhaupt ein Preisnachlass gewährt wurde. Denn mit dieser Ausübungsfrist geht keine über die (einmalige) Bebauungspflicht des Beklagten hinausgehende Bindung einher, die ihn in seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Freiheit beschränkt. Indem der Beklagte gegen seine Pflicht zur Bebauung des Grundstücks binnen acht Jahren verstoßen hatte, war die Bedingung für die Ausübung des Wiederkaufsrechts eingetreten und ging es nur noch darum, bis wann dieses längstens ausgeübt werden konnte.

[30] 4. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

[31] a) Die Vereinbarungen in Ziffern XI. und XII. des Kaufvertrages verstoßen entgegen der im Revisionsverfahren vertretenen Auffassung des Beklagten nicht deshalb gegen das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung gemäß § 11 Abs. 2 BauGB, weil sie nicht hinreichend differenziert sind und insbesondere keine Härtefallregelung enthalten.

[32] aa) Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass der Klägerin das Wiederkaufsrecht etwa auch in dem Fall zugestanden hätte, dass der Beklagte acht Jahre nach Vertragsschluss zwar kein bezugsfertiges Wohngebäude, aber einen Rohbau errichtet hätte. Ebenfalls wäre der Klägerin der Wiederkauf nach dem Wortlaut des Vertrages möglich gewesen, wenn der Beklagte nach mehr als acht Jahren ein bezugsfertiges Wohngebäude errichtet hätte. Richtig ist auch, dass die Klägerin in diesen Fällen nach den vertraglichen Vereinbarungen jeweils nur den ursprünglichen Kaufpreis sowie etwaige nachweisbare Kosten für Erschließungsmaßnahmen zu zahlen gehabt hätte, nicht aber eine Entschädigung für vorhandene baulichen Anlagen. Schließlich sehen die vertraglichen Regelungen auch keine Beschränkung des Wiederkaufsrechts für den Fall vor, dass der Beklagte aufgrund von Arbeits- oder Berufsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, das Wohngebäude fristgerecht fertigzustellen.

[33] bb) Dies führt jedoch nicht zu Unwirksamkeit der vertraglichen Regelungen. Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung gebietet es nicht, differenzierte Regelungen für jeden erdenklichen Fall vorzusehen, in dem sich die Ausübung des Wiederkaufsrechts als unbillig darstellen kann. Vielmehr sind solche besonderen Umstände des Einzelfalls durch die Gemeinde bei der Ermessensentscheidung über die Ausübung des Wiederkaufsrechts zu berücksichtigen. Denn eine Gemeinde ist nicht nur bei der Vertragsgestaltung, sondern auch bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, weil sie als öffentliche Körperschaft den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts unterliegt (vgl. Senat, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 144/14, BGHZ 206, 120 Rn. 36 mwN). Die Klägerin hatte daher im Wege einer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob die Ausübung des Wiederkaufsrechts im Interesse der Sicherung des mit ihm verfolgten Zwecks geboten ist oder eine vermeidbare Härte darstellt (vgl. Senat, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn. 18; Urteil vom 29. Oktober 2010 - V ZR 48/10, NJW 2011, 515 Rn. 16; Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 144/14, aaO).

[34] cc) Dass hier Umstände vorlagen, die die Klägerin dazu veranlassen mussten, von der Ausübung des Wiederkaufsrechts abzusehen, ist nicht festgestellt und macht der Beklagte auch im Revisionsverfahren nicht geltend. Der schlichte Zeitablauf seit dem Verstreichen der Bebauungsfrist reicht hierfür schon deshalb nicht aus, weil der Beklagte auch nach Fristablauf nicht gebaut hat. Die Ermessensausübung ist somit nicht zu beanstanden, zumal die Klägerin dabei berücksichtigen durfte, dass der Beklagte bei Nichtausübung des Wiederkaufsrechts in die Lage versetzt worden wäre, den vollen damaligen Verkehrswert des Grundstücks zu realisieren, obwohl er gegen seine vertragliche Bebauungspflicht verstoßen und die von der Klägerin mit dieser verfolgten, dem Allgemeinwohl dienende Ziele beeinträchtigt hat.

[35] b) Der Ausübung des Wiederkaufsrechts durch die Klägerin steht auch nicht der Einwand der Verwirkung entgegen.

[36] aa) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass das Wiederkaufsrecht der Klägerin nicht verwirkt sei, weil es an dem für die Annahme der Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment fehle. Im Revisionsverfahren hat der Beklagte keinen von ihm in der Berufungsinstanz gehaltenen Vortrag aufgezeigt, der ein für die Annahme der Verwirkung hinreichendes Umstandsmoment belegen könnte. Soweit er mit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Gegenrüge auf seinen im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 6. Oktober 2020 verweist, wird dort lediglich ausgeführt, dass die Klägerin den Beklagten nach Ablauf der Frist für die Bebauung des Grundstücks mehrfach auf die in Ziffer XVII. des Kaufvertrages geregelte "Gartenpflegepflicht" hingewiesen habe. Die Klägerin habe es jedoch unterlassen, den Beklagten auf die bereits abgelaufene Frist zur Bebauung hinzuweisen und den Beklagten zur Bebauung aufzufordern.

[37] bb) Diese Tatsachen reichen, als wahr unterstellt, für die Annahme des Vorliegens eines schutzwürdigen Vertrauenstatbestandes (sog. Umstandsmoment) nicht aus. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist neben dem reinen Zeitablauf erforderlich, dass der Berechtigte durch sein gesamtes Verhalten bei dem Verpflichteten das Vertrauen geschaffen hat, er werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen, und dass dieser sich darauf eingerichtet hat. Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (vgl. Senat, Urteil vom 15. Dezember 2017 - V ZR 275/16, WuM 2018, 236 Rn. 21 f. mwN). Der Hinweis der Klägerin auf die den Beklagten nach Ziffer XVII. des Kaufvertrages vertraglich treffende Pflicht, das Grundstück im Rahmen der Vorschriften für das Baugebiet "zu pflegen und zu unterhalten", diente ersichtlich dazu, eine Verwilderung des vertragswidrig nicht bebauten Grundstücks zu verhindern. Dass und weshalb der Beklagte aufgrund dieses Hinweises überhaupt ein Vertrauen dahin gebildet hat, dass die Klägerin ihr Wiederkaufsrecht nicht geltend machen werde, ist dem in Bezug genommenen Vortrag nicht zu entnehmen. Erst Recht ist nicht vorgetragen, dass und wie sich der Beklagte auf der Grundlage dieses Vertrauens auf die Nichtausübung des Wiederkaufsrechts eingerichtet hat.

[38] III. 1. Die Revision hat somit Erfolg und das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif und daher zur erstmaligen Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

[39] 2. Das Berufungsgericht hat sich - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang nicht mit dem von dem Beklagten in der Revisionsinstanz mit der Gegenrüge aufgezeigten Vortrag aus der Berufungsinstanz befasst, das Rückübertragungsverlangen sei lediglich in einem Schreiben des Geschäftsleiters der Klägerin erklärt worden und habe überdies zu seiner Wirksamkeit eines Beschlusses des Gemeinderats bedurft. Dieser Vortrag ist entscheidungserheblich.

[40] a) Die Erklärung des Rückübertragungsverlangens bedurfte entgegen der Auffassung des Beklagten allerdings nicht schon deshalb zu ihrer Wirksamkeit eines Beschlusses des Gemeinderates der Klägerin, weil der Umfang der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters in Bayern nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung (GO BY) im Außenverhältnis auf seine Befugnisse beschränkt ist.

[41] aa) Zwar können infolge dieser Vorschrift der erste Bürgermeister und die von ihm nach Art. 39 Abs. 2 GO BY bevollmächtigten Mitarbeiter Rechtshandlungen gegenüber Dritten nur wirksam vornehmen, soweit es sich um den Vollzug von Gemeinderatsbeschlüssen nach Art. 36 Satz 1 Alt. 2 GO BY oder um die Ausübung eigener Befugnisse nach Art. 37 GO BY handelt (BayVGH, DVBl. 2022, 605 Rn. 35), also insbesondere bei "laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen" (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO BY). Dass die Ausübung des Rechts, die Rückübertragung eines Grundstücks gegen Zahlung des ursprünglichen Kaufpreises zu verlangen, vorliegend eine laufende Angelegenheit im Sinne dieser Vorschrift darstellt, ist nicht festgestellt.

[42] bb) Dies kann aber im Ergebnis dahinstehen, denn das Rückübertragungsverlangen wurde bereits im Jahre 2014 erklärt, und zu dieser Zeit war die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen Gemeinde nach der Rechtsprechung des Senats im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt, sodass es zur Wirksamkeit der Rechtshandlungen des ersten Bürgermeisters einer Beschlussfassung des Gemeinderats nicht bedurfte (vgl. Senat, Urteil vom 18. November 2016 - V ZR 266/14, BGHZ 213, 30). Dieser Rechtsprechung haben sich - wie schon zuvor im Anfrageverfahren das Bundesarbeitsgericht (NZA 2016, 1296) - der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs

(Urteil vom 1. Juni 2017 - VII ZR 49/16, MDR 2017, 935 Rn. 11) und bayerische Oberlandesgerichte angeschlossen (vgl. OLG München, MittBayNot 2018, 281 Rn. 13, bei juris Rn. 12; OLG Nürnberg, MittBayNot 2019, 621 Rn. 12).

[43] Erst durch § 2 Ziffer 10 des Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und anderer Gesetze (BayGVBl. 2018, 145) wurde mit Wirkung zum 1. April 2018 (siehe § 7 des Gesetzes) der die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters beschränkende Satz 2 in Art. 38 Abs. 1 GO BY eingefügt. Diese Änderung entfaltet keine Rückwirkung für Altfälle, d.h. für die Beurteilung der Wirksamkeit einer von dem ersten Bürgermeister vor dem 1. April 2018 vorgenommenen Rechtshandlung. Zwar ist der bayerische Gesetzgeber davon ausgegangen, dass es sich bei der Gesetzesänderung lediglich um eine "Klarstellung" handele, die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts erforderlich geworden sei (LT-Drs. 17/14651 S. 17). Er hat sich aber mit der Begründung, die der Senat und das Bundesarbeitsgericht für die Annahme einer umfassenden Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters gegeben haben, nicht auseinandergesetzt und auch keinen Gesichtspunkt aufgezeigt, den die Bundesgerichte bei ihrer Auslegung von Art. 38 Abs. 1 GO BY aF nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt haben könnten (zutreffend OLG München, MittBayNot 2018, 281 Rn. 18, bei juris Rn. 17).

[44] Der Senat sieht daher keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung für die Rechtslage bis zum 31. März 2018 abzurücken. Rechtshandlungen, die der erste Bürgermeister einer bayerischen Gemeinde bis zum 31. März 2018 vorgenommen hat, waren und bleiben daher aufgrund seiner umfassenden und uneingeschränkten Vertretungsbefugnis nach Art. 38 Abs. 1 GO BY aF wirksam, ohne dass es hierzu eines Gemeinderatsbeschlusses bedarf oder bedurfte (so im Ergebnis auch OLG München, MittBayNot 2018, 281 Rn. 19, bei juris Rn. 18; OLG Nürnberg, MittBayNot 2019, 621 Rn. 12; Grziwotz, MittBayNot 2017, 302, 303).

[45] b) Nicht geklärt ist jedoch, ob das Rückübertragungsverlangen durch den Geschäftsleiter der Klägerin wirksam erklärt wurde. Zwar kann der erste Bürgermeister nach Art. 39 Abs. 2 GO BY einzelne seiner Befugnisse in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung einem Gemeindebediensteten übertragen; eine darüber hinausgehende Übertragung auf einen Bediensteten bedarf zusätzlich der Zustimmung des Gemeinderats. Bislang ist aber weder festgestellt, ob eine Übertragung der Befugnis zur Ausübung des Wiederkaufsrechts vor der Erklärung vom 14. November 2014 erfolgt ist, noch ob die in Art. 39 Abs. 2 GO BY geregelten Voraussetzungen für eine solche Übertragung vorlagen (vgl. hierzu OLG Nürnberg, MittBayNot 2019, 621 Rn. 10 ff.).

[46] Diese Feststellung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil die von dem Geschäftsleiter abgegebene Erklärung durch den ersten Bürgermeister der Klägerin genehmigt wurde. Zwar könnte in der Erhebung der vorliegenden Klage, bei der die Klägerin durch ihren ersten Bürgermeister vertreten wurde, möglicherweise eine solche Genehmigung zu erblicken sein. Die Klage wurde aber erst im Jahre 2019 erhoben und somit nach der Änderung von Art. 38 GO BY, durch die die Außenvertretungsbefugnis des ersten Bürgermeisters der bayerischen Gemeinden beschränkt wurde. Genehmigungswirkung könnte der Klage daher nur zukommen, wenn der erste Bürgermeister nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 nF i.V.m. Art. 37 GO BY selbst befugt gewesen wäre, die Ausübung des Wiederkaufsrechts zu erklären, was wiederum entweder einen Beschluss des Gemeinderats oder aber voraussetzte, dass es sich um eine "laufende Angelegenheit" i.S.v. Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO BY handelt. Hierzu sind bislang keine Feststellungen getroffen worden. Der Klägerin ist, da es für das Berufungsgericht auf diese Fragen bislang nicht ankam, Gelegenheit zu geben, hierzu ergänzend vorzutragen.

Brückner Haberkamp Hamdorf

Malik Laube

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