BGH, Urteil vom 16. September 2025 - X ZR 119/23

21.10.2025

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

16. September 2025

LeoJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in der Patentnichtigkeitssache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


Wiedergabegerät


EPÜ Art. 54 Abs. 2

Durch eine Entgegenhaltung, die für den Austausch von Daten zwischen zwei Geräten für einige Funktionen alternative Vorgehensweisen vorgibt und zahlreiche Elemente nur optional vorsieht, ist nicht jede Ausgestaltung, die diesen abstrakten Vorgaben entspricht, unmittelbar und eindeutig offenbart. Für eine hinreichende Offenbarung muss die Entgegenhaltung über die abstrakten Vorgaben hinaus zusätzliche Informationen enthalten, die eine Individualisierung einer konkreten Ausgestaltung ermöglichen (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 25 ff. - Olanzapin; Urteil vom 28. November 2023 - X ZR 83/21, GRUR 2024, 374 Rn. 107 - Sorafenib-Tosylat).


BGH, Urteil vom 16. September 2025 - X ZR 119/23 - Bundespatentgericht, Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2025 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richterin Dr. Kober-Dehm, die Richter Dr. Rensen und Dr. Crummenerl und die Richterin Dr. von Pückler, für Recht erkannt:, Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 15. Juni 2023 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen., Von Rechts wegen, Tatbestand:, 1, Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 661 696 (Streitpatents), das am 22. Dezember 2011 unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 5. Januar 2011 und zweier weiterer US-Prioritäten vom 30. August 2011 angemeldet worden ist und das Streamen von Medien mit adaptiver Bitrate betrifft., 2, Patentanspruch 1, auf den zwölf weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:, A playback device (20) configured to perform adaptive bitrate streaming, the playback device comprising a processor configured, via a client application, to request a top level index file and container files via a network; wherein the client application further configures the processor to:, commence playback by retrieving the top level index file that identifies a plurality of container files that contain the streams available to the playback device for use in adaptive bitrate streaming, where, the available streams include a plurality of alternative video streams, each of the alternative video streams (32) is the same source video content encoded at a different bitrate and is stored in a separate container file as a plurality of portions of video, each portion of video is encoded as at least one closed group of pictures starting with an Instantaneous Decoder Refresh (IDR) frame, and each container file includes information concerning the encoding of the video contained within the container file and an index to the encoded media within the container file and the top level index file indicates the portions of each container file containing this information;, select one or more streams including one of the plurality of alternative video streams to utilize in the playback of media based upon the retrieved at least a portion of the top level index file; using the top level index file to request the portions of the container file that include the information concerning the encoding of the video contained within the container file and the index to the encoded media within the container file configure a video decoder to playback the encoded video using the retrieved information concerning the encoding of the video; retrieve encoded media from the container file of the selected alternative video stream using the requested index information to the encoded media within the container file; playback the retrieved portions of video from the selected alternative video stream using the decoder; and when a change in streaming conditions is detected, select a new alternative video stream that is more appropriate for the streaming conditions than the previously selected alternative video stream., 3, Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit acht Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt., 4, Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen., Entscheidungsgründe:, 5, Die zulässige Berufung ist nicht begründet., 6, I. Das Streitpatent betrifft das Streamen von Medien mit adaptiver Bitrate., 7, 1. Nach der Beschreibung des Streitpatents bezeichnet Streaming die Wiedergabe von Medien, die auf einem Server gespeichert und während der Wiedergabe kontinuierlich über ein Netzwerk an das Wiedergabegerät übermittelt werden., 8, Beim Streamen mit adaptiver Bitrate würden die Umgebungsbedingungen, zum Beispiel die beim Benutzer zur Verfügung stehende Bandbreite und Prozessorkapazität, laufend überprüft und die Qualität des Medienstroms entsprechen angepasst. Hierzu sei das Quellmedium typischerweise mit unterschiedlichen Bitraten kodiert und das Wiedergabegerät schalte in Abhängigkeit von den verfügbaren Ressourcen zwischen diesen Kodierungen um (Abs. 2)., 9, Als Übertragungsprotokoll kämen typischerweise das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) oder das Real Time Streaming Protocol (RTSP) zum Einsatz (Abs. 3)., 10, Das Quellmedium werde typischerweise auf einem Medienserver gespeichert. Hierzu werde eine Hauptindexdatei eingesetzt, die auf eine Anzahl von alternativen Datenströmen (Streams) mit den eigentlichen Video- und Audiodaten verweise. Jeder Stream werde typischerweise in einer oder mehreren Containerdateien abgelegt. Für die Hauptindexdatei würden häufig die Standards Synchronized Multimedia Integration Language (SMIL) oder M3U eingesetzt, für die Containerdateien MP4 oder MPEG-Transport-Stream (TS) (Abs. 4)., 11, Für Container stehe ferner der offene Standard Matroska zur Verfügung. Das von der Patentinhaberin entwickelte Format DivX Plus beruhe auf Matroska, sehe jedoch Erweiterungen vor (Abs. 5)., 12, 2. Das Streitpatent gibt nicht ausdrücklich an, mit welchem technischen Problem es sich befasst., 13, Vor dem für die Definition maßgeblichen Hintergrund dessen, was die Erfindung tatsächlich leistet (dazu BGH, Urteil vom 25. Juni 2024 - X ZR 92/23, GRUR 2024, 1432 Rn. 17 - Mirabegron; Urteil vom 4. Februar 2020 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; Urteil vom 15. April 2010 - Xa ZR 28/08, GRUR 2010, 607 Rn. 18 - Fettsäurezusammensetzung), kann das Problem dahin formuliert werden, den Zugriff auf die Inhalte und das Anpassen der Bitrate möglichst zweckmäßig auszugestalten., 14, 3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:, 15, a, A playback device (20) configured to perform adaptive bitrate streaming, the playback device comprising a processor configured, via a client application, to request a top level index file and container files via a network;, Ein Wiedergabegerät (20) eingerichtet zum Ausführen von Streaming mit adaptiver Bitrate, umfassend einen Prozessor, der durch eine Client-Anwendung dazu eingerichtet ist, eine Hauptindexdatei und Containerdateien über ein Netzwerk anzufordern., c, wherein the client application further configures the processor to:, Die Client-Anwendung richtet den Prozessor ein zum:, c1, commence playback by retrieving the top level index file, Beginn einer Wiedergabe durch Abrufen der Hauptindexdatei;, b, that identifies a plurality of container files that contain the streams available to the playback device for use in adaptive bitrate streaming, where, die Hauptindexdatei bezeichnet eine Vielzahl von Containerdateien, welche die Streams enthalten, die für das Wiedergabegerät für das Streamen mit adaptiver Bitrate verfügbar sind;, b1, the available streams include a plurality of alternative video streams, each of the alternative video streams (32) is the same source video content encoded at a different bitrate and is stored in a separate container file as a plurality of portions of video,, die verfügbaren Streams enthalten eine Vielzahl alternativer Video-Streams (32), die jeweils eine Kodierung desselben Quell-Video-Inhalts mit unterschiedlicher Bitrate darstellen und in einer eigenen Containerdatei als eine Vielzahl von Video-Teilstücken gespeichert sind;, b2, each portion of video is encoded as at least one closed group of pictures starting with an Instantaneous Decoder Refresh (IDR) frame, and, jedes Video-Teilstück ist kodiert als zumindest eine geschlossene Gruppe von Bildern, die mit einem IDR-Rahmen (Instantaneous Decoding Refresh) beginnt;, b3, each container file includes information concerning the encoding of the video contained within the container file and an index to the encoded media within the container file and, the top level index file indicates the portions of each container file containing this information;, jede Containerdatei enthält Informationen betreffend die Kodierung des in ihr enthaltenen Videomaterials und einen Index zu den in ihr kodierten Medien;, die Hauptindexdatei gibt die Bereiche jeder Containerdatei an, die diese Informationen enthalten;, c2, select one or more streams including one of the plurality of alternative video streams to utilize in the playback of media based upon the retrieved at least a portion of the top level index file;, Auswählen eines oder mehrerer Streams, die einen der alternativen Video-Streams enthalten, zur Nutzung bei der Wiedergabe von Medien aufgrund des abgerufenen Teils der Hauptindexdatei;, c3, using the top level index file to request the portions of the container file that include the information concerning the encoding of the video contained within the container file and the index to the encoded media within the container file;, Verwenden der Hauptindexdatei zum Anfordern der Bereiche der Containerdatei, die die Informationen betreffend die Kodierung des in der Containerdatei enthaltenen Videomaterials und den Index zu den kodierten Medien in der Containerdatei enthalten;, c4, configure a video decoder to playback the encoded video using the retrieved information concerning the encoding of the video;, Konfigurieren eines Video-Dekodierers zur Wiedergabe des kodierten Videomaterials mithilfe der abgerufenen Informationen betreffend die Kodierung des Videomaterials;, c5, retrieve encoded media from the container file of the selected alternative video stream using the requested index information to the encoded media within the container file;, Abrufen kodierter Medien von der Containerdatei des ausgewählten alternativen Video-Streams mithilfe der angeforderten Index-Informationen zu den kodierten Medien in der Containerdatei;, c6, playback the retrieved portions, of video from the selected alternative video stream using the decoder; and, Wiedergeben der abgerufenen Video-Teilstücke aus dem ausgewählten alternativen Video-Stream mittels des Dekodierers; und, c7, when a change in streaming conditions is detected, select a new alternative video stream that is more appropriate for the streaming conditions than the previously selected alternative video stream., wenn eine Änderung in den Streaming-Bedingungen detektiert wird: Auswählen eines neuen alternativen Video-Streams, der für die Streaming-Bedingungen besser geeignet ist als der vorher ausgewählte alternative Video-Stream.


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4. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung.

[17] a) Als Bestandteile des Medienstreams sieht Patentanspruch 1 in Übereinstimmung mit dem in der Beschreibung geschilderten Stand der Technik eine Hauptindexdatei und mehrere Containerdateien vor, die verschiedene Kodierungen des Streams enthalten.

[18] Bei dem in der Beschreibung geschilderten Ausführungsbeispiel wird für die Übertragung das Protokoll HTTP, für die Hauptindexdatei der Standard SMIL und für die Containerdateien eine Modifikation des Standards Matroska eingesetzt (Abs. 15).

[19] Patentanspruch 1 enthält keine Festlegung auf einen dieser Standards.

[20] b) Um das Wechseln zwischen alternativen Video-Streams zu erleichtern, sieht Merkmal b2 vor, dass die Video-Streams in eine Vielzahl von Teilstücken (portions, in der Beschreibung auch als cluster bezeichnet) aufgeteilt sind und jedes dieser Teilstücke als mindestens eine geschlossene Gruppe von Bildern ausgestaltet ist, die mit einem IDR-Rahmen beginnt.

[21] Diese Ausgestaltung ermöglicht es, zumindest jedes dieser Teilstücke ohne Rückgriff auf Rahmen aus anderen Teilstücken zu dekodieren. Demgemäß kann nach jedem dieser Teilstücke mit geringem Aufwand zu einer anderen Containerdatei gewechselt werden (Abs. 16).

[22] c) Um einen schnellen Zugriff auf die einzelnen Containerdateien und die darin enthaltenen Teilstücke zu ermöglichen, sieht Patentanspruch 1 mehrere Indizes vor.

[23] aa) Die Hauptindexdatei identifiziert nach Merkmal b die verfügbaren Containerdateien.

[24] Nach der Beschreibung kann die Identifikation durch Angabe eines einheitlichen Ressourcenbezeichners (Uniform Resource Identifier, URI) erfolgen.

[25] Nach Merkmal b ist diese Ausgestaltung nicht zwingend erforderlich. Ausreichend ist vielmehr jede Angabe, die es dem Wiedergabegerät ermöglicht, auf die verfügbaren Containerdateien zuzugreifen.

[26] bb) Nach dem zweiten Teilmerkmal von Merkmal b3 enthalten die Containerdateien neben Informationen zur Kodierung des darin enthaltenen Videomaterials auch Informationen betreffend einen Index zu den in ihnen kodierten Medien.

[27] Diese Informationen müssen einen Zugriff auf die einzelnen Video-Teilstücke ermöglichen. Auf welche Weise dies geschieht, ist wiederum nicht im Einzelnen vorgegeben.

[28] cc) Nach dem dritten Teilmerkmal von Merkmal b3 muss die Hauptindexdatei die Bereiche angeben, in denen die Informationen zur Kodierung und zum Index der kodierten Medien zu finden sind.

[29] Auch insoweit gibt Patentanspruch 1 nicht vor, wie dies im Einzelnen zu geschehen hat.

[30] Insbesondere enthält Merkmal b3 keine näheren Vorgaben dazu, auf welche Weise und mit welcher Genauigkeit die Hauptindexdatei die relevanten Bereiche angibt.

[31] dd) Das Wiedergabegerät nutzt die Informationen aus der Hauptindexdatei gemäß Merkmal c2, um eine Containerdatei auszuwählen und gemäß Merkmal c3, um aus der Containerdatei die Informationen zur Kodierung und zum Index zu den kodierten Medien abzurufen. Diese Informationen bilden gemäß Merkmal c4 die Grundlage für das Konfigurieren des Dekodierers und gemäß Merkmal c5 für den Abruf der kodierten Medien.

[32] d) Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass es zur Verwirklichung des zweiten Teilmerkmals von Merkmal b3 genügt, wenn die in der Hauptindexdatei angegebene Stelle der Containerdatei Informationen dazu enthält, wo ein Index der kodierten Medien - also ein Verzeichnis, aus dem sich ergibt, wo die einzelnen Teilstücke zu finden sind - abgelegt ist, dass der Index selbst hingegen nicht zwingend an dieser Stelle hinterlegt sein muss.

[33] aa) Der Wortlaut von Merkmal b3 ist insoweit nicht eindeutig.

[34] Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt der Wortlaut sowohl das engere Verständnis zu, dass an der angegebenen Stelle der Index selbst hinterlegt sein muss, als auch das weitere Verständnis, dass an dieser Stelle nur Informationen zu finden sein müssen, anhand derer der Index aufgefunden werden kann.

[35] bb) Ebenfalls zutreffend ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass das weitere Verständnis maßgebend ist, weil weder die Beschreibung noch die Funktion des Merkmals ein engeres Verständnis vorgeben.

[36] (1) Nach der Beschreibung kann das Wiedergabegerät die Hauptindexdatei nutzen, um in der Containerdatei Informationen zur Kodierung und/oder einen Index zu den kodierten Medien zu erhalten (Abs. 43).

[37] Danach ist eine unmittelbare Bezugnahme auf einen Index zwar möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Dies entspricht dem weiten Verständnis von Merkmal b3.

[38] (2) Patentanspruch 2 geht davon aus, dass die aufgrund der Informationen aus der Hauptindexdatei aufgefundene Stelle der Containerdatei den Index zu den kodierten Medien enthält, und schreibt ergänzend vor, dass dieser Index es ermöglichen muss, den ausgewählten Videostrom vollständig wiederzugeben.

[39] Entgegen der Auffassung der Berufung kann hieraus kein engeres Verständnis von Patentanspruch 1 abgeleitet werden. Patentanspruch 1 lässt die in Anspruch 2 vorgesehene besondere Ausgestaltung auch auf der Grundlage des weiteren Verständnisses zu.

[40] (3) Aus Patentanspruch 2 ergibt sich zugleich, dass es im Zusammenhang mit Anspruch 1 selbst auf der Grundlage des engeren Verständnisses ausreicht, wenn die aufgrund der Informationen aus der Hauptindexdatei aufgefundene Stelle der Containerdatei einen Index enthält, der nur einen Teil des ausgewählten Videostreams erschließt.

[41] Deshalb schließt Patentanspruch 1 entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus, dass die Hauptindexdatei mehrere voneinander getrennte Indexbereiche innerhalb derselben Containerdatei angibt.

[42] (4) Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Merkmale b und b3 kein abweichendes Verständnis.

[43] Wie die Berufung im Ansatz zu Recht geltend macht, stellen Merkmal b und das dritte Teilmerkmal von Merkmal b3 allerdings unterschiedliche Anforderungen an die Informationen, die in der Hauptindexdatei enthalten sein müssen. Entgegen der Auffassung der Berufung schließt dies aber nicht aus, dass beide Anforderungen mit demselben Informationselement erfüllt werden, sofern dies alle benötigten Angaben enthält.

[44] Bei der Ausgestaltung, die das Streitpatent in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 für eine Containerdatei vorschlägt, mag es allerdings zwingend erforderlich sein, zwei getrennte Bereiche für die Informationen zur Kodierung und den Index zu den kodierten Medien anzugeben.

[45] Bei dieser Ausgestaltung sind die Informationen zum Segment (SegmentInfo 42) und der Index zu den kodierten Medien (Cues 52) an unterschiedlichen Stellen angeordnet. Dazwischen sind die Videoteilstücke (Cluster 48) abgelegt, deren Anzahl und Länge nicht festgelegt ist. Deshalb dürfte es in der Regel nicht möglich sein, aus einer einzigen Positionsangabe den Ablageort beider Informationselemente (42, 52) abzuleiten.

[46] Eine einzelne Angabe kann aber jedenfalls dann ausreichen, wenn der Abstand zwischen den beiden Informationselementen hinreichend genau bekannt ist und deshalb aus dem Ablageort des einen Elements hinreichend genaue Rückschlüsse auf den Ablageort des anderen gezogen werden können.

[47] II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

[48] Der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 sei durch den Standardisierungs-Entwurf 3GPP TS 26.234 V9.5.0 (Transparent end-to-end Packet-switched Streaming Service (PSS); Protocols and codecs, D1) und den darin in Bezug genommenen Entwurf 3GPP TS 26.244 V9.3.0 (Transparent end-to-end packet-switched streaming service (PSS); 3GPP file format (3GP), NK13) vollständig vorweggenommen.

[49] Bei dem in D1 geschilderten Verfahren würden zunächst Metadaten und danach die Mediendaten über ein Netzwerk heruntergeladen. Die als Media Presentation Description (MPD) bezeichnete Datei sei eine Hauptindexdatei im Sinne des Streitpatents. Die Mediendaten seien nach D1 in Containerdateien nach dem Standard 3GP gespeichert. Diese könnten gemäß der Spezifikation in NK13 auch Segment-Index-Informationen (sidx) enthalten. Auf diese Informationen könne das Wiedergabegerät aufgrund der Angaben in der MPD-Datei zurückgreifen.

[50] Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Gegenstände seien durch D1 und NK13 ebenfalls vorweggenommen.

[51] III. Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis stand.

[52] 1. Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 durch D1 vollständig vorweggenommen ist.

[53] a) D1 enthält den Entwurf einer technischen Spezifikation für Protokolle und Codecs für paketvermittelte Streamingdienste. Abschnitt 12 des Dokuments (S. 87 ff.) behandelt Vorgaben für adaptives HTTP-Streaming.

[54] aa) Die grundlegende Systemarchitektur ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 12.1 dargestellt.

[55] Abschnitt 12 befasst sich mit der Schnittstelle zwischen dem Streaming-Client und dem Streaming-Server.

[56] Um den Streaming-Dienst zu starten, erstellt der Client eine Medienpräsentation, indem er die relevanten Metadaten und anschließend die Mediendaten herunterlädt (S. 87 unter 12.1).

[57] bb) Eine Medienpräsentation hat folgenden Aufbau (S. 88 unter 12.2.1):

[58] (1) Jede Präsentation umfasst eine oder mehrere Perioden.

[59] Jede Periode hat ein Attribut, das die Startzeit angibt (S. 88 unter 12.2.2).

[60] (2) Jede Periode umfasst eine oder mehrere Repräsentationen.

[61] Alle zu einer Periode gehörenden Repräsentationen enthalten denselben Medieninhalt, unterscheiden sich aber in Bitrate, Auflösung, Sprache, Codec oder anderen Kodierungsparametern (S. 88 unter 12.2.3).

[62] (3) Jede Repräsentation umfasst ein oder mehrere Segmente.

[63] (a) Segmente enthalten Mediendaten oder Metadaten, um den enthaltenen Medieninhalt zu dekodieren und darzustellen (S. 89 unter 12.2.3).

[64] (b) Segmente können eindeutig (uniquely) durch einen http-URL (Uniform Resource Locator) referenziert werden.

[65] Dieser kann nach den Schemen "http://" oder "https://" strukturiert sein und optional eine zusätzliche Angabe zu einem Bereich von Bytes (byte range) enthalten. Jedem Segment wird in der Beschreibung (MPD) ein eindeutiges URL-Element zugewiesen.

[66] Eine solche Zuweisung kann wie folgt aussehen (S. 180 unter Q.2.2.1).

<par>

<video begin="0s" dur="30s" 3g9:sourceURL="clip2x.3gp" 3g9:range="500-2000"/>

<video begin="30s" dur="30s" 3g9:sourceURL="clip2x.3gp" 3g9:range="2001-2500"/>

</par>

[67] In diesem Beispiel werden zwei aufeinanderfolgende Segmente mit einer Länge von jeweils 30 Sekunden referenziert, die in derselben Datei (clip2x.3pg) gespeichert sind und sich von Byte 500 bis 2000 bzw. von Byte 2001 bis 2500 erstrecken.

[68] (c) Segmente enthalten ferner Angaben dazu, ob sie einen wahlfreien Zugriff (random access) ermöglichen und wie dies gegebenenfalls zu geschehen hat.

[69] In der Beschreibung der Medienpräsentation (MPD) kann signalisiert werden, dass alle Mediensegmente innerhalb einer Repräsentation mit einem solchen Zugriffspunkt (random access point, RAP) beginnen. Das erste Mediensegment einer Repräsentation soll stets mit einem solchen Punkt starten.

[70] Segmente können darüber hinaus Informationen enthalten, die den wahlfreien Zugriff auf darin enthaltene Teilmengen durch partielle Abfragen vom Typ HTTP GET ermöglichen (S. 89 unter 12.2.4.1).

[71] (d) D1 sieht drei verschiedene Typen von Segmenten vor:

[72] Initialisierungssegmente enthalten Metadaten, die für den Zugriff auf die nachfolgenden Mediensegmente benötigt werden. Alternativ kann ein selbst-initialisierendes Mediensegment eingesetzt werden; dann ist kein Initialisierungselement erforderlich.

[73] Wenn eine Repräsentation mehrere Mediensegmente enthält, muss das erste Segment ein Initialisierungssegment sein. In diesem Fall dürfen die nachfolgenden Mediensegmente nicht selbstinitialisierend sein.

[74] Eine Repräsentation, die nur ein Mediensegment enthält, kann wahlweise aus einem Initialisierungssegment und einem Mediensegment oder aus einem selbstinitialisierenden Mediensegment bestehen (S. 99 unter 12.4.2.1).

[75] (e) Initialisierungssegmente müssen den Vorgaben des Dateiformats 3GPP entsprechen. Sie bestehen aus einer ftyp-box, einer moov-Box und optional einer pdin-Box.

[76] Die moov-Box enthält keine Samples und ist deshalb sehr klein. Der Client nutzt die darin enthaltenen Informationen, um die verfügbaren Medienkomponenten und deren Merkmale (characteristics) zu ermitteln (S. 99 unter 12.4.2.2).

[77] (f) Jedes Mediensegment enthält ein oder mehrere in sich geschlossene (self-contained) Filmfragmente. Diese bestehen jeweils aus einer moof-Box mit Adressangaben und einer mdat-Box mit Mediensamples.

[78] Mediensegmente können darüber hinaus eine styp-Box sowie eine oder mehrere sidx-Boxen (segment index boxes) enthalten. Die erste sidx-Box muss gegebenenfalls vor der ersten moof-Box angeordnet sein und das gesamte Segment dokumentieren (S. 100 unter 12.4.2.3).

[79] Eine sidx-Box stellt nach der in D1 auch wegen des Formats der Mediensegmente konkret in Bezug genommenen (S. 98, 99) Spezifikation TS 26.244 (NK13) einen kompakten Index der Filmfragmente und anderer sidx-Boxen in einem Segment zur Verfügung. Jede sidx-Box dokumentiert ein Subsegment, das als in sich geschlossene Menge (a self-contained set) eines oder mehrerer aufeinanderfolgender Filmfragmente definiert ist (NK13 S. 48 unter 13.4).

[80] Im Zusammenhang mit der Suche nach einzelnen Zeitpunkten innerhalb einer Präsentation führt D1 ergänzend aus, der Client könne die sidx-Box durch das Anfordern bestimmter Byte-Bereiche (byte range requests) abrufen (S. 105 unter 12.6.4).

[81] (g) Selbstinitialisierende Mediensegmente können moof-Boxen und sidx-Boxen enthalten. Wie bei einfachen Mediensegmenten muss die erste sidx-Box gegebenenfalls vor der ersten moof-Box angeordnet sein und das gesamte Segment dokumentieren (S. 100 unter 12.4.2.4).

[82] (h) Für Repräsentationen sieht D1 einen Parameter mit der Bezeichnung "segmentAlignmentFlag" vor.

[83] Dieser Parameter ist optional, hat aber den Standardwert "false" (S. 92, Tabelle 12.2).

[84] Wenn er auf "true" gesetzt ist, bedeutet dies, dass Start- und Endzeiten zur Darstellung von Medienkomponenten eines bestimmten Medientyps in allen Segmenten über alle Repräsentationen hinweg mit demselben Wert des Attributs "duration" auf Ebene der Repräsentation in dieser Periode zeitlich aufeinander abgestimmt sind.

[85] Wenn der Parameter auf "false" gesetzt ist oder die Periode mehrere Repräsentationen aufweist, muss jedes Mediensegment zumindest eine sidx-Box aufweisen (S. 100 f. unter 12.4.4).

[86] cc) Eine Repräsentation kann danach beispielsweise die beiden nachfolgend wiedergegebenen Strukturmuster aufweisen:

[87] Beide Abbildungen sind der Berufungsbegründung entnommen. Diese sieht für das zweite Muster allerdings mehrere selbstinitialisierende Mediensegmente vor. Letzteres steht nicht in Einklang mit den oben aufgezeigten Vorgaben.

[88] D1 sieht selbstinitialisierende Mediensegmente nur für Repräsentationen vor, die lediglich ein einziges Mediensegment enthalten (S. 99 unter 12.4.2.1). Deshalb ist in der oben wiedergegebenen Grafik für die zweite Variante nur ein Mediensegment dargestellt.

[89] b) Entgegen der Auffassung der Berufung sind damit sowohl die beiden oben dargestellten Strukturmuster als auch eine Reihe anderer optionaler Gestaltungselemente in D1 unmittelbar und eindeutig offenbart.

[90] aa) Wie die Berufung im Ansatz zu Recht geltend macht, nimmt D1 allerdings nicht alle konkreten Ausgestaltungen vorweg, die den dort definierten Vorgaben entsprechen.

[91] Wie sich schon aus den oben wiedergegebenen Passagen ergibt, gibt D1 für einige Funktionen alternative Vorgehensweisen vor. Zudem sind zahlreiche Elemente nur optional vorgesehen. Die damit belassenen Freiheiten eröffnen ein breites Gestaltungsfeld, das eine nicht übersehbare Vielzahl von einzelnen Ausgestaltungen zulässt.

[92] Ähnlich wie bei der Offenbarung chemischer Formeln, die eine Vielzahl einzelner Verbindungen umfassen (dazu BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 25 ff. - Olanzapin; Urteil vom 28. November 2023 - X ZR 83/21, GRUR 2024, 374 Rn. 107 - Sorafenib-Tosylat) ist nicht jede Ausgestaltung, die diesen abstrakten Vorgaben entspricht, unmittelbar und eindeutig offenbart. Für eine hinreichende Offenbarung muss eine Entgegenhaltung über die abstrakten Vorgaben hinaus zusätzliche Informationen enthalten, die eine Individualisierung einer konkreten Ausgestaltung ermöglichen.

[93] bb) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergibt sich eine hinreichende Individualisierung der beiden oben dargestellten Anordnungen im Streitfall nicht schon daraus, dass die darin enthaltenen Elemente eine Untermenge der in D1 vorgesehenen Elemente darstellen.

[94] Angesichts der aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten, die sich aus den Vorgaben von D1 ergeben, erfordert die Zusammenstellung einer Untermenge eine Auswahl zwischen einer Vielzahl einzelner Optionen. Dies ist kein rein mechanischer oder gar zwangsläufiger Vorgang, sondern erfordert die ergänzende Heranziehung von Fachwissen, um eine für das jeweilige Ziel geeignete Kombination zu finden.

[95] Auch eine Untermenge ist danach nur dann unmittelbar und eindeutig offenbart, wenn sie durch die Entgegenhaltung selbst in hinreichender Weise individualisiert wird.

[96] cc) Die beiden oben dargestellten Anordnungen sind durch D1 aber deshalb hinreichend individualisiert, weil es sich um die beiden einzigen Grundstrukturen handelt, die D1 zulässt, und weil die einzigen optionalen Elemente - die sidx-Boxen vor der ersten moof-Box - für bestimmte Fälle zwingend vorgegeben sind.

[97] (1) Entgegen der Auffassung der Berufung handelt es sich bei den beiden oben dargestellten Grundstrukturen nicht um besondere Gestaltungsmöglichkeiten.

[98] D1 sieht neben einer Kombination aus einem Initialisierungssegment und einem oder mehreren (einfachen) Mediensegmenten und einer Repräsentation, die nur aus einem einzigen selbstinitialisierenden Mediensegment besteht, keine sonstigen Grundstrukturen vor.

[99] Der Rückgriff auf eine dieser beiden Strukturen ist damit zwingend.

[100] (2) Wie oben aufgezeigt wurde, sieht D1 die grundsätzlich optionalen sidx-Boxen für den Fall zwingend vor, dass der Parameter "segmentAlignmentFlag" nicht den Wert "false" aufweist.

[101] Dieser Wert ist als Standardwert vorgesehen. In diesen Fällen muss die erste sidx-Box sowohl in einfachen als auch in selbstinitialisierenden Mediensegmenten aufgrund der dafür geltenden Regeln vor der ersten moof-Box angeordnet sein und das gesamte Segment mit seinen Subsegmenten dokumentieren.

[102] Das Hinzufügen einer sidx-Box ist damit zwar nicht in jedem Anwendungsfall zwingend, wohl aber in Situationen, die D1 als Regelfall vorsieht. Dies hebt eine solche Ausgestaltung hinreichend deutlich von anderen theoretisch möglichen Ausgestaltungen ab.

[103] dd) Entsprechendes gilt für den Einsatz mehrerer Repräsentationen innerhalb einer Periode und das Speichern der zu einer Repräsentation gehörenden Video-Segmente in einer gemeinsamen Datei.

[104] Diese Ausgestaltungen sind nach D1 zwar ebenfalls optional. Sie sind aber in dem oben wiedergegebenen Code-Beispiel - dem einzigen, das On-Demand-Streaming (im Gegensatz zu Live-Streaming) betrifft - neben einigen wenigen anderen Gestaltungsmöglichkeiten ausdrücklich gezeigt (S. 179 f. unter Q.2.2.1).

[105] ee) Hinreichend individualisiert ist ferner die Definition eines Zugriffspunkts für wahlfreien Zugriff (random access point) am Beginn jedes Segments.

[106] Zwingend vorgesehen ist ein solcher Zugriffspunkt zwar nur für den Beginn des ersten Segments jeder Repräsentation. Die ergänzend vorgesehene Möglichkeit, bereits in der Beschreibung der Medienpräsentation (MPD) anzuzeigen, dass alle Segmente einer Repräsentation mit einem solchen Punkt beginnen, hebt diese Ausgestaltung aber hinreichend deutlich von anderen Gestaltungsmöglichkeiten ab.

[107] ff) Hinreichend individualisiert ist ferner die Option, einen wahlfreien Zugriff auch auf die zu einem Segment gehörenden, geschlossenen und aus einem oder mehreren Filmfragmenten bestehenden Subsegmente zu ermöglichen.

[108] Dies ergibt sich aus der oben wiedergegebenen Definition in NK13, wonach die in einer sidx-Box referenzierten Subsegmente als geschlossene (self-contained) Elemente ausgebildet sind und aus einem oder mehreren Filmfragmenten bestehen.

[109] Da am Beginn jedes Mediensegments eine sidx-Box angeordnet ist, die das gesamte Segment dokumentiert, müssen alle in dieser Box indexierten Subsegmente in sich geschlossen sein, also einen wahlfreien Zugriff ermöglichen.

[110] c) Vor diesem Hintergrund ist das Patentgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass D1 alle Merkmale des Streitpatents offenbart.

[111] aa) Die Merkmale a, c und c1 sind offenbart, weil D1 einen http-Streaming-Client vorsieht, der die für die Wiedergabe erforderlichen Dateien herunterlädt und verarbeitet.

[112] Dass für diese Vorgänge ein Prozessor und eine Client-Anwendung erforderlich sind, hat das Patentgericht zu Recht als selbstverständlich angesehen.

[113] bb) Die Merkmale b und b1 sind offenbart, weil D1 eine separate Datei für die Beschreibung der Medienpräsentation (MPD) und die Zusammenfassung der zu einer einzelnen Repräsentation gehörenden Segmente in jeweils einer Containerdatei vorsieht.

[114] Die MPD-Datei ist eine Hauptindexdatei im Sinne der Merkmale c1 und b. Sie enthält Verweise auf die Dateien mit den einzelnen Repräsentationen, die den Containerdateien bzw. den alternativen Streams im Sinne der genannten Merkmale entsprechen.

[115] cc) Merkmal b2 ist offenbart, weil die Anordnung einer sidx-Box vor der ersten moof-Box jedes Mediensegments aus den oben dargelegten Gründen dazu führt, dass alle zum Segment gehörenden Subsegmente geschlossene Gruppen von Bildern umfassen. Dies sind nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts IDR-Rahmen im Sinne von Merkmal b2.

[116] dd) Merkmal b3 ist bei beiden oben wiedergegebenen Strukturmustern ebenfalls verwirklicht.

[117] (1) Die bei diesen Ausgestaltungen im Initialisierungssegment oder am Anfang des selbstinitialisierenden Mediensegments angeordnete moov-Box enthält Informationen zu den Eigenschaften der verfügbaren Medienkomponenten. Dies entspricht den Vorgaben des ersten Teilmerkmals von Merkmal b3.

[118] (2) Die vor der ersten moof-Box angeordnete sidx-Box enthält einen Index, der den Zugriff auf alle zum Segment gehörenden Subsegmente erlaubt. Dies entspricht sogar nach dem von der Berufung postulierten engeren Verständnis den Vorgaben des zweiten Teilmerkmals von Merkmal b3.

[119] Dass dieser Index bei Repräsentationen mit einem Initialisierungssegment und mehreren (einfachen) Mediensegmenten sich nur auf einzelnes Mediensegment bezieht, also nicht alle zu der Repräsentation gehörenden Subsegmente und Fragmente zugänglich macht, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Wie bereits oben dargelegt wurde, reicht es zur Verwirklichung von Merkmal b3 auch auf der Grundlage des engeren Verständnisses aus, wenn die Angaben in der Hauptindexdatei zu einem Index führen, der nur einen Teil des in der Containerdatei enthaltenen Videostreams (der Repräsentation im Sinne von D1) erschließt.

[120] (3) Die in D1 vorgesehene Datei für die Beschreibung der Medienpräsentation (MPD) gibt die Bereiche an, in denen die moov-Box und die sidx-Box zu finden sind.

[121] Dabei kann zugunsten der Berufung unterstellt werden, dass die MPD-Datei für jedes Segment nur den Bereich (range) angibt, über den sich das Segment insgesamt erstreckt, und die sidx-Box keine fest definierte Länge hat. Wie die Berufungserwiderung zu Recht geltend macht, ist auch unter dieser Prämisse ein hinreichend genauer Zugriff auf den Index möglich.

[122] (a) Bei Repräsentationen mit einem Initialisierungssegment und mehreren (einfachen) Mediensegmenten ergibt sich dies daraus, dass die sidx-Box das erste Element jedes Mediensegments darstellt.

[123] Diese Ausgestaltung ermöglicht einen zielgenauen Zugriff auch dann, wenn die Länge dieses Elements nicht bekannt ist, etwa dergestalt, dass ein Bereich heruntergeladen wird, der so groß bemessen ist, dass er in der Regel die gesamte sidx-Box mit umfasst.

[124] Dies reicht zur Verwirklichung von Merkmal b3 aus, weil dieses nicht im Einzelnen vorgibt, auf welche Weise und mit welcher Genauigkeit die Hauptindexdatei die relevanten Bereiche angibt.

[125] Wie oben bereits ausgeführt wurde, schließt Merkmal b3 auch nicht aus, dass die Hauptindexdatei mehrere Indexbereiche innerhalb derselben Containerdatei angibt.

[126] (b) Bei Repräsentationen mit einem selbstinitialisierenden Mediensegment wird die Lokalisierung der sidx-Box zwar dadurch erschwert, dass sie nach der ftyp- und der moov-Box angeordnet ist. Diese enthalten jedoch nur Metadaten und sind, wie D1 für die moov-Box ausdrücklich hervorhebt, sehr klein.

[127] Damit ermöglicht auch ein Verweis auf den Beginn eines selbstinitialisierenden Medienelements mit hinreichender Genauigkeit nicht nur das Auffinden der moov-Box mit den Kodierungsinformationen, sondern auch das Auffinden der unmittelbar darauf folgenden sidx-Box. Diese Informationen reichen entgegen der Auffassung der Beklagten zur Verwirklichung von Merkmal b3 aus.

[128] ee) Die in D1 vorgesehene Verarbeitung der Informationen aus der MPD-Datei und den Dateien mit den Repräsentationen entspricht den Vorgaben der Merkmale c2 bis c7.

[129] 2. Zu Recht hat das Patentgericht die mit den Hilfsanträgen verteidigten Gegenstände ebenfalls als nicht patentfähig angesehen.

[130] a) Der mit Hilfsantrag I verteidigte Gegenstand ist durch D1 ebenfalls vorweggenommen.

[131] aa) Nach Hilfsantrag I soll die erteilte Fassung um das folgende Merkmal ergänzt werden:

[132] c8

wherein the retrieved portion of the container file of the selected alternative video stream that contains the index to the encoded media within the container file includes sufficient index information to stream the entirety of the selected alternative stream of video.

der abgerufene Bereich der Containerdatei des ausgewählten alternativen Video-Streams, der den Index zu den kodierten Medien in der Container- Datei enthält, enthält ausreichende Index-Informationen, um die Gesamtheit des ausgewählten alternativen Video-Streams zu streamen.

[133] bb) Der damit verteidigte Gegenstand entspricht demjenigen des erteilten Patentanspruchs 2, dem das Merkmal c8 entnommen ist.

[134] cc) Merkmal c8 ist in D1 zwar nicht bei einer Präsentation mit einem Initialisierungssegment und mehreren (einfachen) Mediensegmenten verwirklicht, wohl aber bei einer Präsentation, die aus einem einzigen selbstinitialisierenden Mediensegment besteht.

[135] (1) Bei der zuerst genannten Ausgestaltung enthält der in der Hauptindexdatei angegebene Bereich lediglich Indexinformationen zum ersten Mediensegment, nicht aber zum gesamten Video-Stream innerhalb der Containerdatei.

[136] Bei der zweiten Ausgestaltung enthält die in der MPD-Datei referenzierte sidx-Box hingegen Index-Informationen für die gesamte Repräsentation, weil diese nur aus einem Segment besteht und die sidx-Box dieses vollständig dokumentiert.

[137] (2) An einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung von Merkmal c8 fehlt es auch nicht deshalb, weil seine Verwirklichung eine Auswahl zwischen den beiden alternativ vorgesehenen Grundstrukturen erfordert.

[138] Wie bereits oben dargelegt wurde, sieht D1 lediglich diese beiden Grundstrukturen vor. Dadurch sind beide Strukturen hinreichend individualisiert.

[139] b) Für Hilfsantrag II gilt Entsprechendes.

[140] aa) Nach Hilfsantrag II soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 wie folgt geändert werden:

[141] b3'

each container file includes

(i) information concerning the encoding of the video contained within the container file and

(ii) an index to the encoded media within the container file, and

the top level index file indicates the portions of each container file containing this information;

jede Containerdatei enthält

(i) Informationen betreffend die Kodierung des in ihr enthaltenen Videomaterials und

(ii) einen Index zu den in ihr kodierten Medien;

die Hauptindexdatei gibt die Bereiche jeder Containerdatei an, die diese Informationen enthalten,

c2'

select one or more streams including one of the plurality of alternative video streams to utilize in the playback of media based upon the retrieved at least a portion of the top level index file;

Auswählen eines oder mehrerer Streams, die einen der alternativen Video-Streams enthalten, zur Nutzung bei der Wiedergabe von Medien aufgrund ders abgerufenen Teils der Hauptindexdatei;

c3'

using the top level index file to request the portions of the container file that include

(i) the information concerning the encoding of the video contained within the container file and

(ii) the index to the encoded media within the container file;

Verwenden der Hauptindexdatei zum Anfordern der Bereiche der Containerdatei, die

(i) die Informationen betreffend die Kodierung des in der Containerdatei enthaltenen Videomaterials und

(ii) den Index zu den kodierten Medien in der Containerdatei enthalten;

[142] bb) Die Änderung von Merkmal c2 soll dem Einwand der unzulässigen Erweiterung Rechnung tragen. Für die Beurteilung der Patentfähigkeit kommt ihr keine Bedeutung zu.

[143] cc) Mit der Änderung der Merkmale b3 und c3 wird der Gegenstand von Anspruch 1 auf das von der Berufung schon für die erteilte Fassung postulierte enge Verständnis reduziert.

[144] Dies führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil die betreffenden Merkmale aus den oben dargelegten Gründen auch auf der Grundlage des engeren Verständnisses in D1 offenbart sind.

[145] c) Hilfsantrag III sieht eine Kombination der Änderungen gemäß den Hilfsanträgen I und II vor.

[146] Der damit verteidigte Gegenstand ist aus den oben aufgezeigten Gründen in D1 ebenfalls offenbart.

[147] d) Der mit Hilfsantrag IV verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.

[148] aa) Nach Hilfsantrag IV soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 hinsichtlich der Merkmale b3 und c3 in der bereits nach Hilfsantrag II vorgesehenen Weise geändert werden. Ferner sollen folgende Änderungen erfolgen:

[149] b'

that identifies a plurality of container files that each contain the a streams available to the playback device for use in adaptive bitrate streaming, where

die Hauptindexdatei bezeichnet eine Vielzahl von Containerdateien, welche von denen jede einen die Streams enthält, dier für das Wiedergabegerät für das Streamen mit adaptiver Bitrate verfügbar ist sind;

b1'

the available streams include a plurality of alternative video streams, each of the alternative video streams (32) is the same source video content encoded at a different bitrate and is stored as a single stream in a separate container file as a plurality of portions of video,

die verfügbaren Streams enthalten eine Vielzahl alternativer Video-Streams (32), die jeweils eine Kodierung desselben Quell-Video-Inhalts mit unterschiedlicher Bitrate darstellen und als einzelner Stream in einer eigenen Containerdatei als eine Vielzahl von Video-Teilstücken gespeichert sind;

[150] bb) Wie die Berufungserwiderung unwidersprochen und zutreffend darlegt, ist die gesonderte Ablage eines Video-Streams in einer Containerdatei in D1 ebenfalls offenbart.

[151] e) Hilfsantrag V sieht eine Kombination der Änderungen nach den Hilfsanträgen I, II und IV vor.

[152] Dieser Gegenstand ist aus den oben dargelegten Gründen in D1 ebenfalls offenbart.

[153] f) Die mit den Hilfsanträgen VI und VII verteidigten Gegenstände unterliegen keiner abweichenden Beurteilung.

[154] aa) Nach den Hilfsanträgen VI und VII soll Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge IV bzw. V wie folgt geändert werden:

[155] a'

A playback device (20) configured to perform adaptive bitrate streaming, the playback device comprising a processor configured, via a client application, to request a top level index file and container files from a remote server via a network;

Ein Wiedergabegerät (20) eingerichtet zum Ausführen von Streaming mit adaptiver Bitrate, umfassend einen Prozessor, der durch eine Client-Anwendung dazu eingerichtet ist, eine Hauptindexdatei und Containerdateien von einem entfernten Server über ein Netzwerk anzufordern.

[156] bb) Eine solche Konfiguration ist in D1 in der oben wiedergegebenen Figur 12.1 offenbart.

[157] D1 führt in diesem Zusammenhang zwar nicht ausdrücklich aus, dass der Server räumlich entfernt vom Client angeordnet ist. Da das Protokoll http insbesondere im Internet zur Anwendung kommt, bedarf der Umstand, dass die dargestellte Architektur auch mit räumlich entfernten Servern verwirklicht werden kann, aber keiner gesonderten Erwähnung.

[158] g) Für Hilfsantrag VIII gilt Entsprechendes.

[159] aa) Nach Hilfsantrag VIII soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag VII wie folgt ergänzt werden:

[160] c9

wherein the client application configures the playback device to request portions of the top level index file and the container files from remote servers via Hypertext Transfer Protocol (HTTP) byte range requests.

Die Client-Anwendung richtet die Wiedergabevorrichtung dazu ein, Teile der Hauptindexdatei und der Containerdateien von einem entfernten Server mittels Hypertext Transfer Protocol (HTTP) Byte-Bereichs-Anfragen abzufragen.

[161] bb) Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, sind http-Anfragen, die sich auf bestimmte Byte-Bereiche beziehen, in D1 ebenfalls offenbart.

[162] Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Erwähnung von Byte-Bereichs-Anfragen im Zusammenhang mit der Suche nach bestimmten Zeitpunkten innerhalb einer Medien-Repräsentation (S. 105 unter 12.6.4) hierfür ausreicht.

[163] Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ergibt sich eine hinreichende Offenbarung jedenfalls aus der bereits erwähnten Festlegung, dass Streaming-Clients in der Lage sein müssen, partielle Abfragen vom Typ HTTP GET zum Abruf von Initialisierungssegmenten und Mediensegmenten oder von Teilen solcher Segmente einzusetzen (S. 98 unter 12.3).

[164] IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

Bacher Kober-Dehm Rensen

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