BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 - VI ZR 494/17

03.09.2019

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

2. Juli 2019

Böhringer-MangoldJustizamtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1; StUG § 37 Abs. 1 Nr. 5, § 32 Abs. 3


a) Zu den Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs gegenüber Äußerungen in einer Studie, die von dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Rahmen seines gesetzlichen Forschungs- und Unterrichtungsauftrages herausgegeben worden ist.

b) Zu den Voraussetzungen rechtmäßigen staatlichen Informationshandelns.

c) Zur "Person der Zeitgeschichte" gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 3 StUG.


BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 - VI ZR 494/17 - OLG Frankfurt am Main, LG Frankfurt am Main


Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2019 durch die Richterin von Pentz als Vorsitzende, die Richterinnen Dr. Oehler und Müller sowie die Richter Dr. Klein und Böhm

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. November 2017 im Kostenpunkt zum Hauptsacheverfahren und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung des Klägers zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits im Hauptsacheverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger R. nimmt die beklagte Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung von Aussagen in einer durch den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (im Folgenden: BStU) veröffentlichten Studie in Anspruch.

[2] Der Kläger ist Filmregisseur und Filmproduzent. Zwischen 1986 und 1989 erstellte er zusammen mit dem Journalisten C. und in Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) den Film "AIDS - Die Afrikalegende", in welchem zum damaligen Zeitraum vertretene Theorien zum Ursprung des HIV-Erregers dargestellt wurden. In dem Film kam u.a. auch der damals in der DDR lebende sowjetische Forscher J. S. zu Wort, nach dessen Auffassung der HIV-Erreger nicht natürlichen Ursprungs, sondern in einem Forschungslabor der US-Armee künstlich geschaffen worden sei.

[3] Der BStU veröffentlichte im Jahr 2014 unter dem Titel "Die AIDS-Verschwörung - Das Ministerium für Staatssicherheit und die AIDS-Desinformationskampagne des KGB" eine zeitgeschichtliche Studie der Historiker Dr. D.

Se. , Projektleiter in der Forschungsabteilung des BStU, und Dr. C.

N. (nachfolgend: Studie).

[4] In der Studie finden sich, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, folgende Aussagen (Fremdzitate in Anführungszeichen):

1. Die letzte und vielleicht anspruchsvollste aktive Maßnahme der HV A/X [Hauptverwaltung A, die für die Desinformation zuständige Abteilung des Ministeriums für Staatssicherheit, Anm. des Senats] im Rahmen des Objekt-Vorgangs ‚Denver' war die Mitfinanzierung des Films ‚AIDS - die Afrikalegende' des [...] C. und des [...] Filmemachers R., (S. 149 der Studie)

2. Die HV A/X hätte die ‚Produktion des Films sogar mit einer gewissen Summe subventioniert'. (S. 109 der Studie)

3. "Von der westdeutschen Seite [vermutlich vom WDR] wurden 80 000 DM für die Produktion des Films bezahlt, und die deutschen Genossen haben 40 000 DM bezahlt." (S. 109 der Studie)

4. Diese Studie zeigt, dass das MfS ‚ganz in der Nähe' des ‚Tatorts' in Aktion trat: mit Hilfe bei der Verbreitung und der Veröffentlichung der S. These, [...] und bei der Mitfinanzierung eines Films für das westdeutsche und ausländische Fernsehen. Darin wurde nicht nur ihre These propagiert, sondern J. und L. S. auch als Helden stilisiert. Die Unterstützung der HV A/X für den Film 1989 zeigte, [...]. (S. 20 der Studie)

5. Ein Zeichen des Erfolgs der AIDS-Kampagne, so P. und M., sei die Tatsache, dass sie ‚einen Film über AIDS angefertigt' hätten, der ‚dreimal in der BRD gezeigt wurde'. (S. 109 der Studie)

6. Es hieß damals, dass die HV A/X die ‚Ausarbeitung eines Films' angefordert habe. Der Film sei ‚eine Angelegenheit ihres operativen Kanals (illegal)'. (S. 109 der Studie)

7. "Sie ergreifen alle Maßnahmen, damit man nicht merkt, dass die DDR in Beziehung zu dem Film steht, obwohl sie finanzielle Hilfe leisten müssen." (S. 109 der Studie)

8. Nach der Beschreibung von M. und P. kann es sich bei dem von der HV A/X mitfinanzierten Film nur um ‚AIDS - Die Afrikalegende' des Westdeutschen Dokumentarfilmers R. [...] und des Journalisten C. handeln. (S. 110 der Studie)

[5] Der Kläger meint, die Äußerungen seien ehrenrührig. Dem Ministerium für Staatssicherheit (nachfolgend: MfS) werde in finanzieller und, soweit es die Äußerungen 4 und 5 betreffe, in inhaltlicher Hinsicht in Bezug auf den Film eine maßgebliche Rolle zugeschrieben; auch ergebe sich der Eindruck, der Kläger habe von dieser Einflussnahme positive Kenntnis gehabt. Die Darstellung suggeriere eine Nähe seiner Person zu der Stasi und eröffne zumindest die Spekulation über eine wissentliche und willentliche Zusammenarbeit. Dies lasse beim Leser eine interessengesteuerte, nicht mehr unabhängige Dokumentation erwarten und stelle den Film des Klägers damit als makelbehaftet dar. Dieses Verständnis hätten auch die Medien aufgegriffen.

[6] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Behauptungen zu unterlassen,

[7] "Die letzte und vielleicht anspruchsvollste aktive Maßnahme der HV A/X im Rahmen des Objekt-Vorgangs ‚Denver' war die Mitfinanzierung des Films ‚AIDS - die Afrikalegende' des [...] C. und des [...] Filmemachers R.",

[8] "Diese Studie zeigt, dass das MfS ‚ganz in der Nähe' des ‚Tatorts' in Aktion trat: [...] und bei der Mitfinanzierung eines Films für das westdeutsche und ausländische Fernsehen. [...] Die Unterstützung der HV A/X für den Film 1989 zeigte, [...].",

[9] "Nach der Beschreibung von M. und P. kann es sich bei dem von der HV A/X mitfinanzierten Film nur um ‚AIDS - Die Afrikalegende' des Westdeutschen Dokumentarfilmers R. [...] handeln.",

[10] wenn dies geschieht wie in der Studie. Dies entspricht weitgehend den oben genannten Aussagen 1, 4 und 8. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

[11] Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Mit seiner Anschlussrevision begehrt der Kläger, die Beklagte auch hinsichtlich der Aussagen 2, 3, 5-7 gemäß dem ursprünglichen Klagebegehren zu verurteilen.

Entscheidungsgründe:

A.

[12] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei den Äußerungen zu Ziffer 2, 3, 5-7 handele es sich um im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie wiedergegebene relevante Informationen und Belegtatsachen in Form von entsprechend gekennzeichneten Zitaten, die dem Leser erkennbar machten, auf Grundlage welcher Fakten und Beweise der Verfasser zu der sich anschließenden wissenschaftlichen Analyse gelange. Die Beklagte sei in ihrem Grundrecht auf Freiheit von Forschung und Lehre aus Art. 5 Abs. 3 GG betroffen, da die Veröffentlichung im Rahmen der ihr nach § 37 StUG übertragenen allgemeinen Forschungsaufgaben erfolgt sei. Da die insoweit angegriffenen Äußerungen eindeutig als Zitate kenntlich gemacht seien, sei beim Leser jede Unklarheit darüber ausgeschlossen, dass es sich um die Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handele. Die Autoren hätten auch die Urheber der Zitate, nämlich die HV A-Offiziere P. und M., genannt. Dass diese sich wie in den Zitaten wiedergegeben geäußert hätten, werde auch von dem Kläger nicht in Abrede gestellt. Es handele sich bei der Zusammenstellung der Zitate damit um die zunächst wertungsfreie Offenlegung des Inhalts der historischen Quellenlage, auf deren Basis die Autoren der Studie im Anschluss ihre wissenschaftliche Schlussfolgerung entwickelt hätten.

[13] Hinsichtlich der Äußerungen 1, 4 und 8 handele es sich um - nach dem Vortrag des Klägers unwahre - Tatsachenbehauptungen. In der Äußerung 8 werde zudem die Behauptung, dass der Film durch die HV A mitfinanziert worden sei, durch die Autoren der Studie als eigene Behauptung aufgegriffen und inhaltlich noch insoweit ergänzt, als sie den in den Zitaten nicht mit Titel genannten Film eindeutig als Film des Klägers identifizierten.

[14] Bei Tatsachenbehauptungen hänge die für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit erforderliche Abwägung maßgeblich von ihrem Wahrheitsgehalt ab. Die Beweislast für die Wahrheit treffe die Beklagte. Die Äußerungen in Bezug auf die Mitfinanzierung des Films seien ehrverletzend. Auch wenn an keiner Stelle der Studie ausdrücklich behauptet werde, der Kläger habe wissentlich oder willentlich den Interessen des MfS gedient und von der behaupteten Mitfinanzierung seines Films Kenntnis gehabt, seien die Äußerungen unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes geeignet, nach dem Verständnis des verständigen Durchschnittsrezipienten den Eindruck entstehen zu lassen, der Kläger sei über die behauptete finanzielle Beteiligung des MfS an seinem Film informiert gewesen. Eine solche Schlussfolgerung werde dem Leser dadurch nahegelegt, dass sich die Studie nicht dazu verhalte, dass der Kläger von der Tätigkeit der HV A in Bezug auf seinen Film nichts gewusst habe. Auch die Möglichkeit, dass Stasi-Geld dermaßen habe "rein gewaschen" worden sein können, dass dem Kläger dessen Herkunft nicht erkennbar gewesen sei und ihm die Mitfinanzierung nicht habe auffallen müssen, werde durch die Autoren nicht in Erwägung gezogen. Der in der Filmbranche nicht bewanderte Leser werde nicht annehmen, dass dem Kläger, der als Produzent des Films für dessen Finanzierung verantwortlich gewesen sei, die Mitfinanzierung durch das MfS hätte verborgen geblieben sein können. Soweit es auf S. 110 der Studie heiße, "R. wurde von D. am 13. Juli 1987 unter Objekt-Vorgang ‚Denver', vermutlich als Person ohne Kontaktaufnahme des MfS, erfasst", beziehe sich diese Aussage zum einen auf die anfängliche Erfassung des Klägers, mithin die Anlegung seiner Karte. Dass er auch später im Rahmen der behaupteten Mitfinanzierung seines Films durch das MfS keinen Kontakt mehr zu diesem unterhalten habe, gehe aus der Äußerung nicht hervor. Der Aussagegehalt dieser den Kläger entlastenden Darstellung werde überdies dadurch relativiert, dass sie lediglich als Vermutung formuliert sei.

[15] Auch soweit beim Leser der Eindruck entstehe, dass das MfS ohne Wissen und Wollen des Klägers einen Beitrag zur Mitfinanzierung des Films geleistet habe, weil der Kläger sich möglicherweise dilettantisch von dem MfS habe einspannen lassen, indem er etwa über die Beschaffung und Herkunft des Kapitals zur Finanzierung des Films nicht hinreichend informiert gewesen sei, stelle sich dies als eine den Kläger in seiner Ehre beeinträchtigende Behauptung dar. Denn die Einhaltung und Beachtung der im Rahmen von zeitgeschichtlichen Dokumentationen an Recherchen anzustellenden Sorgfaltsmaßstäbe berührten den Kern des Geltungsanspruchs und der beruflichen Ehre eines Produzenten von Dokumentarfilmen.

[16] Der Beklagten sei der Wahrheitsbeweis für die in der Studie aufgestellte Behauptung, der Film des Klägers sei durch das MfS mitfinanziert worden, nicht gelungen. Sie könne sich auch nicht auf ein berechtigtes Interesse berufen. Die Bewertung öffentlicher Schriften des BStU habe sich an den im Äußerungsrecht entwickelten Sorgfaltsmaßstäben zu orientieren. Soweit die Beklagte - wie hier - mit der Veröffentlichung geschichtswissenschaftlicher Studien ihrem allgemeinen politischen und historischen Forschungsauftrag nachkomme, seien sie bzw. ihre Autoren im Rahmen der wissenschaftlichen Sorgfaltspflicht vergleichbar der Presse gehalten, Forschungsergebnisse, die sie in Form von feststehenden Tatsachenbehauptungen präsentierten, vor ihrer Verlautbarung auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Der Pflicht zur sorgfältigen Recherche des Wahrheitsgehalts der streitgegenständlichen Aussage seien die Autoren nicht ausreichend nachgekommen. Die von ihnen angeführten und gewichteten historischen Quellen würden zwar auf eine verdeckte Teilfinanzierung des Films durch die HV A hindeuten mögen. Die von den Autoren der Studie zusammengetragenen Belegtatsachen böten aber in ihrer Gesamtschau und bei kritischer Bewertung keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte, um die behauptete Mitfinanzierung des Films durch das MfS in der Öffentlichkeit als tatsächlich feststehende, wissenschaftliche Schlussfolgerung darzustellen. Vielmehr hätten in der Studie hieran verbleibende Zweifel kenntlich gemacht werden müssen.

B.

[17] Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ist durch den Senat nicht zu prüfen (§ 17 a Abs. 5 GVG, vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2008 ­ V ZB 40/08, NJW 2008, 3572 Rn. 17 ff.).

C.

[18] Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand. Die Revision führt zur Abänderung der angegriffenen Entscheidung, soweit diese zum Nachteil der Beklagten ergangen ist. Die Anschlussrevision hat keinen Erfolg.

[19] I. Die Revision wendet sich zu Recht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei verpflichtet, es zu unterlassen, die Aussagen 1, 4 und 8 zu behaupten oder zu verbreiten und/oder behaupten oder verbreiten zu lassen. Ein privatrechtlicher Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK oder ein allgemein anerkannter öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch gegen schlichtes Verwaltungshandeln durch amtliche Äußerungen (vgl. BVerfG, NJW 2002, 3458 ff.; BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 ­ 7 B 54/10, juris Rn. 14; OVG Nordrhein-Westfalen, ZUM-RD 2018, 190, juris Rn. 14 ff.) bestehen nicht. Das Berufungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Äußerungen 1, 4 und 8 den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen. Die Beeinträchtigung ist aber gemessen an den entsprechend anzuwendenden Grundsätzen rechtmäßigen staatlichen Informationshandelns nicht rechtswidrig.

[20] 1. Ein unmittelbar auf § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog gestützter - privatrechtlicher - Unterlassungsanspruch scheidet entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aus, denn die Äußerungen, deren Unterlassung begehrt wird, sind in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben erfolgt (vgl. BVerwGE 99, 56, 58, juris Rn. 20; BVerwGE 71, 183, 186, juris Rn. 31 ff.; OVG Berlin, NJW 1998, 257, 258; Klass in Erman, BGB, 15. Aufl., Anhang zu § 12 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 288 mwN). Die vom Kläger angegriffenen Aussagen in der Studie sind der Beklagten als Dienstherrin des BStU zuzurechnen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind sie in einer Forschungsarbeit enthalten, die der BStU in seiner amtlichen Funktion zur Erfüllung seines gesetzlichen Forschungs- und Unterrichtungsauftrags in seiner Forschungsabteilung ermöglicht und in seiner Schriftenreihe "BF informiert" herausgegeben hat. Anhaltspunkte für einen privatrechtlichen Charakter der Aufgabenwahrnehmung fehlen.

[21] 2. Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf Unterlassung einer Äußerung setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54/10, juris Rn. 14, mwN). Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln. Infolge dessen kann der Bürger, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen (BVerwG, NJW 2006, 1303 Rn. 10). Für rechtmäßiges, staatliches Informationshandeln gilt das Erfordernis einer gesetzlichen oder verfassungsunmittelbaren Grundlage sowie die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerfGE 105, 279, juris Rn. 88 ff., 91; BVerwG, Beschluss vom 8. November 2004 ­ 7 B 19/04, juris Rn. 7; vgl. auch Voßkuhle/Kaiser, Jus 2018, 343, 344; zum Streit um die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Grundlage vgl. Kluth, DÖV 2018, 1035, 1040). Wo die Grenzen der zulässigen Äußerung zu ziehen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 1996 ­ 8 B 33/96, juris Rn. 5; VGH München, BeckRS 2009, 37019 mwN; OVG Bremen, NJW 2010, 3738). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass amtliche Äußerungen sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren haben. Aus dem Willkürverbot ist abzuleiten, dass Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen, d.h. bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen und zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen (Sachlichkeitsgebot, vgl. BVerfG, NVwZ 1990, 54 ff., juris Rn. 7, 15; BVerwGE 82, 76, 83, juris Rn. 58; BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54/10, juris Rn. 14).

[22] 3. Gemessen daran sind die angegriffenen Aussagen nicht zu beanstanden.

[23] a) Zu Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht seiner Würdigung der angegriffenen Äußerungen 1, 4 und 8 teilweise einen Inhalt zugrunde gelegt hat, der ihnen bei zutreffender Sinndeutung nicht zukommt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der BStU durch die Aussagen "Die letzte und vielleicht anspruchsvollste aktive Maßnahme der HV A/X im Rahmen des Objekt-Vorgangs ‚Denver' war die Mitfinanzierung des Films ‚AIDS - die Afrikalegende' des [...] und des Filmemachers R." (Äußerung 1), "Diese Studie zeigt, dass das MfS ‚ganz in der Nähe' des ‚Tatorts' in Aktion trat: [...] bei der Mitfinanzierung eines Films für das westdeutsche und ausländische Fernsehen." (Äußerung 4) und "Nach der Beschreibung von M. und P. kann es sich bei dem von der HV A/X mitfinanzierten Film nur um ‚AIDS - Die Afrikalegende' des Westdeutschen Dokumentarfilmers R. [...] handeln." (Äußerung 8) nicht die Tatsache behauptet, das MfS habe den Film des Klägers mitfinanziert und dieser habe hiervon Kenntnis gehabt.

[24] aa) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. z.B. Senatsurteile vom 27. September 2016 ­ VI ZR 250/13, VersR 2017, 104 Rn. 12; vom 18. November 2014 ­ VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 19; vom 27. Mai 2014 ­ VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rn. 13, jeweils mwN). Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut - der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann - und dem allgemeinen Sprachgebrauch sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für das Publikum erkennbar sind. Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts der beanstandeten Äußerung kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext an (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Juli 2018 - OVG 1 S 39.18, juris Rn. 27 ff.; BayVGH ZUM-RD 2010, 99, juris Rn. 17; VGH BW, AfP 1998, 104, juris Rn. 51; VG Berlin, Beschluss vom 17. Juli 1995 - 1 A 198.95, juris Rn. 58; VG München, BeckRS 2018, 17142 Rn. 30). Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 16. Januar 2018 ­ VI ZR 498/16, VersR 2018, 492 Rn. 20; vom 4. April 2017 ­ VI ZR 123/16, VersR 2017, 895 Rn. 30; vom 10. Januar 2017 ­ VI ZR 562/15, VersR 2017, 369 Rn. 13; vom 27. September 2016 ­ VI ZR 250/13, VersR 2017, 104 Rn. 12, jeweils mwN).

[25] bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht die Äußerungen (überwiegend) am Verständnis des zeitgeschichtlich interessierten Lesers als Durchschnittsrezipienten gemessen, denn er verkörpert den angesprochenen Leserkreis (vgl. BVerfGE 43, 130, 139, juris Rn. 27; BVerfG, NJW 2011, 511, juris Rn. 22; Senatsurteil vom 28. Juni 1994 ­ VI ZR 273/93, VersR 1994, 1123, 1124, juris Rn. 20). Zwar ist zu berücksichtigen, dass die historische und politische Fragen berührende Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes nach § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG (vgl. hierzu Nomos-BR/Stoltenberg/Bossack, StUG, 2012, § 37 Rn. 10 ff.) durch Unterrichtung "der Öffentlichkeit" und damit nicht nur für einen engeren Kreis an Fachleuten stattfindet. Die detailreichen, komplexen und in historische Ereignisse eingebetteten Ausführungen der Studie setzen aber politisch und/oder historisch interessierte, verständige Leser voraus und richten sich maßgeblich an diese.

[26] cc) Das Berufungsgericht hat jedoch die angegriffenen Äußerungen nicht hinreichend im Gesamtkontext gewürdigt und daher den Aussagegehalt teilweise nicht zutreffend ermittelt.

[27] (1) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass den untersagten Äußerungen 1, 4 und 8 der Aussagegehalt zu entnehmen ist, das MfS habe den durch den Kläger produzierten Film mitfinanziert. Diese Deutung ergibt sich schon unmittelbar aus dem Wortlaut und wird auch von der Revision hingenommen.

[28] (2) Die Revision wendet sich aber zu Recht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, den Äußerungen lasse sich die verdeckte Behauptung entnehmen, dass der Kläger Kenntnis von der Tätigkeit der HV A in Bezug auf seinen Film gehabt habe.

[29] (a) Zu Recht hat das Berufungsgericht seine Sinndeutung allerdings nicht auf die "offen" aufgestellten Aussagen der Beklagten beschränkt, sondern seine Prüfung auf ehrenkränkende Aussagen erstreckt, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. Senatsurteile vom 22. November 2005 ­ VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 Rn. 16 f.; vom 28. Juni 1994 ­ VI ZR 273/93, VersR 1994, 1123, 1124, juris Rn. 19; vom 8. Juli 1980 ­ VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9, 14, juris Rn. 40 ff.). Gerade gegenüber solchen "versteckten" Aussagen kann die betroffene Persönlichkeit besonders schutzwürdig sein, weil sie durch sie stärker belastet sein kann als durch "offene" Beschuldigungen (vgl. Senatsurteil vom 08. Juli 1980 - VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9, 14, juris Rn. 40).

[30] Bei der Annahme solcher verdeckter Behauptungen ist im Ehrenschutzprozess zwischen (privaten) Grundrechtsträgern aber besondere Zurückhaltung geboten, um die Spannungslage zwischen Ehrenschutz und Kritikfreiheit nicht einseitig unter Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu Lasten der letzteren zu verschieben (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1994 ­ VI ZR 273/93, VersR 1994, 1123, 1124, juris Rn. 19; vom 8. Juli 1980 - VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9, 14, juris Rn. 41). Auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG kann sich die Beklagte zwar nicht berufen. Art. 5 Abs.1 GG umfasst nach Wesen und Entstehungsgrund nur Rechte des Bürgers gegen den Staat, nicht umgekehrt (vgl. BVerfGE 21, 362, 371 f., juris Rn. 28 ff.; OVG Berlin, NJW 1998, 257, 259). Dennoch fordert ein Persönlichkeitsrechts- und Ehrenschutz gegenüber dem Staat, dass die als beeinträchtigend beanstandeten Aussagen diesem zugerechnet werden können. Dies setzt eine Bestimmbarkeit und Klarheit der angegriffenen Aussagen voraus. Auch hier kann sich deshalb der Betroffene in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist. Vom Äußernden würde anderenfalls verlangt, die möglichen Schlüsse spekulativ vorwegzunehmen und jeweils zurückzuweisen. Auch wenn von Aussagen, denen möglicherweise eine besondere staatliche Autorität beigemessen wird, grundsätzlich eine besondere Deutlichkeit oder Unmissverständlichkeit gefordert werden kann, setzt die Annahme einer verdeckten Aussage voraus, dass das "Zwischen den Zeilen-Gesagte" den Aussagen auch mit ausreichender Klarheit entnommen werden kann. Dies ist nur der Fall, wenn der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht, d.h. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahelegt.

[31] (b) Nach diesen Grundsätzen kann die Annahme des Berufungsgerichts, mit den angegriffenen Äußerungen werde verdeckt die Behauptung aufgestellt, der Kläger habe Kenntnis von einer möglichen Mitfinanzierung des Films durch das MfS gehabt, keinen Bestand haben. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts legt die Studie die Schlussfolgerung, der Kläger habe von der Mitfinanzierung des Filmes durch die HV A Kenntnis gehabt, dem Leser nicht unabweislich nahe. Die Annahme, aus der im Text genannten Funktion des Klägers als Produzent des Films schließe der Leser, der Kläger müsse über alle Finanzmittel, also auch diese, Kenntnis gehabt haben, ist im Hinblick auf die vagen Angaben zur "Mitfinanzierung" nicht begründet. Aus den zitierten Quellen, den Berichtsaufzeichnungen vom 10. November 1988 (Studie S. 109), ergibt sich vielmehr, dass die "Genossen" alle Maßnahmen ergreifen, "damit man nicht merkt, dass die DDR in Beziehung zu dem Film steht, obwohl sie finanzielle Hilfe leisten müssen." Die Studie befasst sich ausführlich mit der Existenz und besonderen Bedeutung der unwissenden Multiplikatoren:

"In den meisten Fällen spielten aber Multiplikatoren, die instrumentalisiert wurden, eine zentrale, wenn nicht die wichtigste Rolle, die bereits zitierten "unbewussten Multiplikatoren" oder "nützlichen Idioten". Die besten Multiplikatoren für KGB, HV A und die "Bruderorgane" waren - nach den Vorstellungen der I. HV des KGB - häufig jene Kontaktpersonen im "Operationsgebiet", denen gegenüber man sich nicht als Geheimdienst zu erkennen gab. Die IM-Richtlinie des MfS sah die Entwicklung "stabiler Verbindungen" zu solchen KP für aktive Maßnahmen vor, ohne sie als IM zu rekrutieren, weil das aus "politischen, operativen oder anderen Gründen nicht möglich, zweckmäßig oder notwendig" gewesen sei. Unter den "unbewussten Multiplikatoren", die sich zu Instrumenten östlicher Desinformation machen ließen, waren nicht nur KP. Es gab auch Personen, die ohne jede direkte Einflussnahme vonseiten der östlichen Geheimdienste deren Desinformationsthese(n) verbreiteten. Sie glaubten an diese Thesen und wiederholten sie deshalb öffentlichkeitswirksam, oder - im Falle von ausländischen Journalisten und Medien - berichteten "objektiv" über die Desinformationsthese(n), ohne sie eindeutig zu widerlegen. Solche Fälle wurden von den Abteilungen für aktive Maßnahmen (AM) als Erfolge verbucht, gerade weil sie nicht gezielt eingesetzt wurden. Es war das erklärte Ziel von aktiven Maßnahmen, dass sich eine Desinformationsthese verselbstständigte und ohne geheimdienstliche Hilfe weiter verbreitete" (Studie S. 14 f., vgl. zu Multiplikatoren auch S. 29 ff., 33, 78, 79, 84, 115).

[32] In Verbindung mit den Angaben in der Studie, der Kläger sei vermutlich nur als Person ohne Kontaktaufnahme des MfS erfasst worden (Studie S. 110), wird die Schlussfolgerung des Lesers mehr in die Richtung der Annahme gelenkt, dass es sich auch beim Kläger um einen der wertvollen unbewussten Multiplikatoren gehandelt habe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es auch nicht einer ausdrücklichen Feststellung in der Studie, dass der Kläger davon nichts gewusst habe. Dies wäre im Übrigen wohl eine unbelegte Vermutung gewesen. Ebenso wenig waren die Verfasser gehalten, ohne konkrete Anhaltspunkte Spekulationen aufzunehmen, wie eine Mitfinanzierung ohne Kenntnis des Klägers erfolgt sein könnte. Insoweit werden Vermutungen des verständigen Lesers, für den diese Frage von Bedeutung ist, obwohl sie ersichtlich nicht im Zentrum des Forschungsbemühens steht und für die Beurteilung der Arbeitsweise des MfS nicht relevant ist, eher auf den Mithersteller C. gelenkt. Selbst ein auf ein Wissen des Klägers weisender Verdacht wird dem Leser im Text nicht nahegelegt.

[33] (3) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erwecken die angegriffenen Äußerungen beim Leser auch nicht zumindest den Eindruck, das MfS habe ohne Wissen und Wollen des Klägers seinen Film mitfinanziert, woraus sich zumindest ergebe, dass der Kläger sich als Produzent des Films möglicherweise habe dilettantisch von dem MfS einspannen lassen. Vielmehr wird in der Studie herausgearbeitet, dass alles getan wurde, um die Aktivitäten des MfS zu verschleiern. Es ist nicht erkennbar, aus welchen offenen Äußerungen sich ein solcher verdeckter Aussagegehalt ergeben könnte. Auch das Berufungsgericht zeigt nicht auf, dass behauptet worden wäre, der Kläger hätte das Wirken des MfS erkennen können oder müssen.

[34] b) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen 1, 4 und 8, soweit ihnen die Behauptung der Mitfinanzierung des Filmes ­ ohne Kenntnis des Klägers ­ zu entnehmen ist, in den Schutzbereich seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreifen.

[35] aa) Zwar erfüllen die Aussagen nicht die Merkmale eines Grundrechtseingriffs im herkömmlichen Sinne eines Vorgangs, der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt (vgl. BVerfGE 105, 279, 300, juris Rn. 68). Das Grundgesetz hat den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen aber nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden oder diesen inhaltlich vorgegeben. Es genügt, dass die angegriffenen Aussagen in Bezug auf den Betroffenen mittelbar-faktische Wirkung haben, um einer hinreichenden Rechtfertigung zu bedürfen (vgl. BVerfGE 105, 279, 300 f., juris Rn. 70; vgl. auch Schoch, NJW 2012, 2844, 2846 f.).

[36] bb) Die Aussage, das MfS habe den Film mitfinanziert, ist geeignet, den sozialen Geltungsanspruch und die berufliche Ehre des Klägers als Filmregisseur und -produzent zu beeinträchtigen. Bereits die bloße Nennung seines Films im Zusammenhang mit einer Förderung durch die Desinformationsabteilung des MfS ist für sein berufliches Ansehen als Dokumentarfilmemacher abträglich. Mit ihr wird zumindest aufgezeigt, dass das MfS den Film zur Förderung der Desinformationskampagne als so geeignet ansah, dass es einen finanziellen Beitrag leistete. Bezugspunkt der Kritik ist damit die berufliche Tätigkeit, die der Sozialsphäre zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2016 ­ VI ZR 250/13, VersR 2017, 104 Rn. 17 mwN).

[37] c) Diese Beeinträchtigungen sind aber nicht rechtswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verbietet dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat zwar, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über seine Bürger zu äußern (vgl. BVerfG, NJW 2011, 511 Rn. 21). Er kann sich gegenüber dem Bürger weder auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG noch das der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG berufen. Die Äußerungen 1, 4 und 8 sind aber nicht rechtswidrig, weil sie nach den Grundsätzen rechtmäßigen staatlichen Informationshandelns gerechtfertigt sind.

[38] (1) Die beanstandeten Äußerungen halten sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG. Nach dieser Vorschrift obliegt dem BStU die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes durch Unterrichtung der Öffentlichkeit über Struktur, Methoden und Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes. Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 StUG ist es Zweck des Gesetzes, die historische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes zu gewährleisten und zu fördern. Nach § 39a Abs. 1 StUG wird ein wissenschaftliches Beratungsgremium gebildet, das die Forschungsarbeit und Publikationstätigkeit wissenschaftlich begleitet und fördert. Diesen gesetzlichen Forschungs- und Unterrichtungsauftrag setzt der BStU um, indem er mit einer eigenen Forschungsabteilung selbst zur Geschichte des MfS forscht und Forschungsergebnisse in eigenen Publikationen und online veröffentlicht (Website des BStU, www.bstu.de/ueber-uns/aufgaben-und-struktur, Abruf vom 3. Mai 2019). Die angegriffenen Aussagen erfolgten in einer historischen Forschungsarbeit, die der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zu dienen bestimmt ist. Die streitgegenständliche Studie wurde im Rahmen des Forschungsschwerpunktes "MfS und MGB/KGB im sowjetischen Block 1950-1989: Strukturen, Inhalt und Grenzen ihrer Beziehungen" unter Projektleitung von Dr. D. Se. erarbeitet (vgl. Klappentext der Studie; Website des BStU, www.bstu.de/informationen-zur-stasi/forschung/forschungsschwerpunkte; Abruf vom 3. Mai 2019).

[39] (2) Die Studie, die einen Aspekt möglichen Handelns des MfS im Zuge der in der Studie untersuchten Desinformationskampagne betrifft, ist zur Erreichung dieses Gesetzeszwecks grundsätzlich geeignet und erforderlich. Ein möglichst umfassendes Bild von den vielfältigen Tätigkeiten des MfS kann nur durch möglichst vollständige Erfassung und Auswertung der diese betreffenden Dokumente und Unterlagen erreicht werden.

[40] (3) Zwar können falsche Tatsachenbehauptungen diesem Zweck nicht dienen, solche liegen aber auch nicht vor. Bei den beanstandeten Aussagen mit dem Sinngehalt, das MfS habe den Film des Klägers mitfinanziert, handelt es sich vielmehr um die Schlussfolgerungen einer wissenschaftlichen Studie, die als Werturteil zu qualifizieren sind.

[41] (a) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. Senatsurteile vom 12. April 2016 ­ VI ZR 505/14, VersR 2016, 938 Rn. 32; vom 19. Januar 2016 ­ VI ZR 302/15, WM 2016, 405 Rn. 16; vom 16. Dezember 2014 ­ VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 8; vom 22. April 2008 ­ VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 17 mwN; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 34; BVerfGE 94, 1, 8, juris Rn. 28; vgl. auch BVerwG, NVwZ-RR 2000, 598, juris Rn. 10; OVG NRW, NVwZ-RR 2000, 599, 600 f., juris Rn. 19 ff.). Der Senat hat bereits entschieden, dass Sachverständigengutachten, ebenso wie Testberichte (Senatsurteile vom 9. Dezember 1975 ­ VI ZR 157/73, BGHZ 65, 325 ff., juris Rn. 20 ff.; vom 18. Oktober 1977 ­ VI ZR 171/76, VersR 1978, 229, 229 f., juris Rn. 16 ff.; vom 21. Februar 1989 ­ VI ZR 18/88, VersR 1989, 521, juris Rn. 11 f.) und ärztliche Diagnosestellungen (vgl. Senatsurteil vom 11. April 1989 ­ VI ZR 293/88, VersR 1989, 628) sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Werturteile enthalten können, und dass es sich bei dem Ergebnis der vorangegangenen Untersuchung in der Regel um ein Werturteil und nicht um die Behauptung einer Tatsache handelt, weil das Ergebnis, mag es auch äußerlich als Tatsachenbehauptung formuliert sein, auf Wertungen beruht (Senatsurteil vom 18. Oktober 1977 ­ VI ZR 171/76, VersR 1978, 229, 229 f., juris Rn. 17). Ebenso wie ein Sachverständiger die Existenz einer Tatsache, über die er aufgrund seiner Untersuchungen und Überlegungen Gewissheit erlangt zu haben meint, im Ergebnis uneingeschränkt behaupten wird und hiermit in der Regel ein Werturteil äußert (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 1977 ­ VI ZR 171/76, VersR 1978, 229, 229 f., juris Rn. 17), handelt es sich auch bei wissenschaftlichen Stellungnahmen in der Regel um Meinungsäußerungen (Burkhardt/Peifer in Wenzel: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 3 Rn. 40; vgl. auch Staudinger/Hager (2017) BGB § 823 Rn. C 144) bzw. Wertungen (Österreichischer OGH, KUR 2016, 61, 63). Auch wenn der Autor eines Berichts mögliche Schlussfolgerungen auf der Grundlage unstreitiger Tatsachen in den Raum stellt, liegt hierin ein Werturteil und kein Fall der Verdachtsberichterstattung (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2016 ­ VI ZR 250/13, VersR 2017, 104 Rn. 11). Dem steht nicht entgegen, dass eine solche Behauptung im Einzelfall auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden kann, nämlich durch Verwendung besserer

- z.B. wissenschaftlicher - Erkenntnismittel oder die Aufdeckung von Irrtümern bei den dem Ergebnis vorangehenden Untersuchungen (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 1977 ­ VI ZR 171/76, VersR 1978, 229, 229 f., juris Rn. 17; RGZ 84, 294, 296 ff.). Dies folgt unmittelbar aus der prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlichen Erkenntnis (vgl. BVerfGE 35, 79, 113, juris Rn. 92).

[42] (b) Gemessen daran handelt es sich bei den Äußerungen 1, 4 und 8 um solche bewertenden Schlussfolgerungen, was auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt. Zwar weisen die Äußerungen unzweifelhaft auch ein tatsächliches Element auf, indem sich aus ihnen ergibt, dass das MfS den Film mitfinanziert habe. Die Äußerung 1 ist zudem ihrem Wortlaut nach wie eine Tatsachenbehauptung formuliert. Gleichwohl handelt es sich in der gebotenen Gesamtschau um Wertungen. Soweit es die Äußerungen 4 und 8 betrifft, spricht hierfür bereits deren Wortlaut. Die Formulierungen "Diese Studie zeigt, dass" (Äußerung 4) bzw. "Nach der Beschreibung von [...] kann es sich bei [...] nur um [...] handeln" (Äußerung 8) machen deutlich, dass ein Ergebnis der Untersuchungen beschrieben (Äußerung 4) bzw. die Beschreibung von [...] bewertet wird (Äußerung 8). Hinsichtlich der Äußerung 4 spricht des Weiteren ihre Stellung in der Studie für den wertenden Aussagegehalt - diese Äußerung befindet sich im Kapitel "Einleitung" und folgt auf die hinführenden Worte "Diese Studie wird nun empirisch belegen, dass ...". Für den wertenden Charakter der Äußerung 1 spricht deren Stellung in der Zusammenfassung, nämlich der Ergebnisse, der Studie am Ende der Gesamtausführungen. Für die Einordnung der Äußerungen als Wertungen spricht auch, dass die Quellenlage zu Beginn der Studie dargestellt ist (Studie S. 7 ff.). Insbesondere werden die neu gefundenen Dokumente aus dem Archiv der ehemaligen Sicherheits- und Aufklärungsdienste Bulgariens vorgestellt und beschrieben, auf welche die beanstandeten Aussagen maßgeblich gestützt werden (Studie Fußnoten 448, 449, 450, 451, 452).

[43] (c) Der Einwand der Revisionserwiderung, die Autoren hätten nicht in wissenschaftlicher Weise auf eine Mitfinanzierung des Films durch das MfS geschlossen, ist für die Beurteilung, ob die beanstandeten Äußerungen Tatsachenbehauptungen oder Wertungen darstellen, nicht maßgeblich. Selbst wenn der Studie hinsichtlich der angegriffenen Äußerungen die Wissenschaftlichkeit abzusprechen sein sollte, würde dies nichts daran ändern, dass im Regelfall der Autor, der eine Untersuchung vorlegt und deren Ergebnisse darstellt, nur seine subjektive Wahrnehmung und das daraus gewonnene Urteil wiedergibt. Dem Wesen nach handelt es sich dann um die Kundgebung seiner subjektiven, gutachtlichen Überzeugung, die zwar angefochten und bestritten werden kann, auch unter dem Vorbehalt des Irrtums steht, aber immer ihrer Zielrichtung nach Wertung ist und von dem Empfänger auch so verstanden wird (vgl. zum Sachverständigengutachten Senatsurteil vom 18. Oktober 1977 ­ VI ZR 171/76, VersR 1978, 229, 229 f., juris Rn. 17).

[44] (4) Die Wertungen der Autoren beruhen auf Äußerungen der HV A-Offiziere, die nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zutreffend aus den Gesprächsprotokollen wiedergegeben werden. Den Wertungen liegt auch eine jedenfalls vertretbare Würdigung der ausgewerteten Dokumente und Begleitumstände zugrunde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jedem wissenschaftlichen Forschungsprozess ein erheblicher Freiraum inhärent ist, in den vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Abläufe, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei dem Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe fallen. Dies gilt nicht nur im Bereich der Wissenschaftsfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG (BVerfGE 35, 79, 112, juris Rn. 92; BVerfGE 47, 327, 367, juris Rn. 151), sondern auch für die dem BStU in § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG aufgegebene Forschungstätigkeit. Dieser Freiraum erstreckt sich auf jede wissenschaftliche Tätigkeit, d. h. auf alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Dies folgt unmittelbar aus der prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlichen Erkenntnis (vgl. BVerfGE 35, 79, 113, juris Rn. 92; BVerfGE 47, 327, 367, juris Rn. 151; BVerfG NJW 1993, 916; BVerfGE 35, 79, 113, juris Rn. 92; BVerfGE 47, 327, 367 f., juris Rn 151; Fehling in: Bonner Kommentar (März 2004), Art. 5 Abs. 3 GG, Wissenschaftsfreiheit, Rn. 63; von der Decken in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl., Art. 5 Rn. 45; Frohberg, RIA 1957, 117, 119). Auffassungen, die sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt haben, bleiben der Hinterfragung und dem Wandel unterworfen. Der Begriff der Wissenschaft umfasst daher auch Mindermeinungen sowie Forschungsansätze und -ergebnisse, die sich als irrig oder fehlerhaft erweisen. Gleiches gilt für unorthodoxes oder intuitives Vorgehen. Dem Bereich der Wissenschaft ist ein Werk erst dann entzogen, wenn es den Anspruch von Wissenschaftlichkeit nicht nur im Einzelnen oder nach der Definition bestimmter Schulen, sondern systematisch verfehlt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet ist, sondern vorgefassten Meinungen oder Ergebnissen lediglich den Anschein wissenschaftlicher Gewinnung oder Nachweisbarkeit verleiht, wofür die systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen, die die Auffassung des Autors in Frage stellen, ein Indiz sein kann (BVerfGE 90, 1, 13, juris Rn. 49). Anhaltspunkte dafür, dass die Studie insgesamt den Anspruch von Wissenschaftlichkeit systematisch verfehlte, sind nicht ersichtlich. Die Wissenschaftlichkeit der Studie insgesamt wird auch weder durch das Berufungsgericht noch durch die Revisionserwiderung in Frage gestellt.

[45] (5) Soweit die Revisionserwiderung der Auffassung ist, die Autoren hätten nicht wissenschaftlich auf eine Mitfinanzierung des Films durch das MfS geschlossen, ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend, dass auch in einem im Kern als wissenschaftlich einzuordnenden Werk einzelne Aussagen gleichwohl als nicht wissenschaftlich zu bewerten sein können (vgl. BVerfG, AfP 2000, 555, 556 Rn. 5). Die Revisionserwiderung dringt aber nicht mit ihrer Ansicht durch, die Autoren der Studie hätten sich die Aussagen der HV A-Offiziere ohne Überprüfung auf ihre Stimmigkeit mit dem übrigen Geschehen zu Eigen gemacht und damit den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit systematisch verfehlt. Dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit steht nicht schon entgegen, dass es sich bei den im Nachhinein erstellten Protokollen ehemaliger bulgarischer Geheimdienstmitarbeiter um sekundäre Quellen handelt, bei deren Wiedergabe Übermittlungsfehler naturgemäß niemals völlig auszuschließen sind. Ob es sich bei den Protokollen um Aussagen vom Hören-Sagen bzw. um sekundäre Quellen handelt oder um die Aufzeichnung von Gesprächsinhalten durch die an den Gesprächen unmittelbar beteiligten bulgarischen Geheimdienstmitarbeiter, kann dahinstehen. Die Auswahl der Quellen ist Bestandteil jeder historischen Forschung. Gleiches gilt für deren Bewertung im Rahmen der sog. Quellenkritik. Überdies ist weder dargetan noch ersichtlich, dass andere, direktere Quellen zur Verfügung gestanden hätten. Aus den Vorbemerkungen zur Quellenlage ergibt sich vielmehr, dass der HV A-Archivbestand für Recherchen faktisch nicht zur Verfügung stand, da die meisten Akten der ehemaligen HV A entweder zerstört oder verbracht wurden und deshalb nicht im Archivbestand des BStU liegen (Studie S. 8 f.). Fehlt eine Primärquelle, wird der Wissenschaftler die relativ nächststehende Sekundärquelle bevorzugen (von Brandt, Werkzeug des Historikers, 11. Aufl., S. 51). Insoweit kann die bloße ­ auch alleinige ­ Verwendung einer Sekundärquelle als solcher nicht der Wissenschaftlichkeit des Vorgehens entgegengehalten werden. Im

Übrigen ist es durchaus möglich, dass sich Sekundärquellen wegen ihres besseren Überblicks aus größerem Abstand als wertvoller herausstellen (Henning in Beck/Henning: Die archivalischen Quellen, 4. Aufl., S. 1; allgemein zur Kritik an der Aussagekraft von Quellen: Sellin, Einführung in die Geschichtswissenschaft, S. 46 f.).

[46] Die Autoren sind nicht allein auf Grundlage der Aussagen der HV A-Offiziere zu dem Ergebnis gekommen, das MfS habe den Film des Klägers mitfinanziert. Zwar trifft es zu, dass diese Aussagen für die Ergebnisfindung von erheblicher Bedeutung waren (u.a. S. 20 der Studie). Der Ansicht der Revisionserwiderung, wonach die Autoren deren Angaben "ungefiltert übernommen" und als wahr angesehen hätten, kann aber nicht gefolgt werden. Vielmehr haben die Autoren in ihre Wertung auch weitere Erwägungen einfließen lassen. So sprachen für die Begründetheit dieser These die zeitliche Koinzidenz der Treffen der Geheimdienstmitarbeiter und der Filmerstellung wie auch die inhaltliche Übereinstimmung des Films mit den in der Studie wiedergegebenen Aussagen der HV

A-Offiziere M. und P. zur Bedeutung J. S. und seiner Rolle im Film. Anhaltspunkte ergaben sich auch aus der zum Film des Klägers passenden Aussage, der Film sei dreimal im westdeutschen Fernsehen gezeigt worden (S. 109 der Studie), der Nennung der privaten Filmgesellschaft und des WDR in den Berichtsaufzeichnungen und der Erwähnung eines Buchs von zwei Journalisten aus Simbabwe, die die Position S. teilten, die einen Bezug zu den im Film des Klägers interviewten afrikanischen Journalisten Ch. und deren Buch über AIDS herstellt (Studie S. 113).

[47] Der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit ist auch nicht deshalb systematisch verfehlt, weil die Autoren sich nicht näher mit der Veröffentlichung Geißlers im Herbst 2013 auseinandergesetzt haben, wonach die Aussagen der HV A-Offiziere M. und P. damit zu erklären sein könnten, dass diese gegenüber ihren bulgarischen Kollegen nur geprahlt hätten. Zunächst ist es eine Entscheidung des wissenschaftlich Tätigen, welche Quellen und Literatur er in welcher Hinsicht auswertet. Abgesehen davon haben die Verfasser der Studie die Veröffentlichung Geißlers aus dem Jahr 2013 berücksichtigt (z.B. Studie S. 9) und auch offengelegt, dass sie zu anderen Wertungen (Studie S. 5, 9) kommt. Dass ihre Folgerung einer Mitfinanzierung des Films durch das MfS nicht unangegriffen ist, haben sie in ihrer Studie zumindest angedeutet. Indem sie eine Aussage Geißlers vorstellen, wonach es keinen Beleg dafür gebe, dass die HV A eine Rolle bei der Schaffung oder Verbreitung der unterschiedlichen Fassungen der S. Hypothese gespielt hätte (Studie S. 8 f.), zeigen sie die Möglichkeit auf, dass ihre These nicht zutrifft. Die Wissenschaftlichkeit kann einem Werk aber nicht schon abgesprochen werden, weil es Einseitigkeiten und Lücken aufweist oder gegenteilige Auffassungen unzureichend berücksichtigt (vgl. BVerfGE 90, 1, 13, juris Rn. 49). Auf die von Geißler im Jahre 2015 veröffentlichten Beiträge (z.B. "Es gab keine AIDS-Verschwörung des MfS mit den S. ", ZdF 37/2015, 94, 113) konnten die Autoren der Beklagten nicht eingehen, da diese erst nach der 2014 erfolgten Veröffentlichung ihrer Studie publiziert wurden.

[48] (6) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung musste die Beklagte auch nicht wegen des gesteigerten Vertrauens, welches Verlautbarungen amtlicher Stellen entgegengebracht werden darf (vgl. BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; Senatsurteile vom 11. Dezember 2012 ­ VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 30; vom 11. Dezember 2012 ­ VI ZR 315/10, juris Rn. 28), die Äußerungen anders formulieren oder Zweifel besonders deutlich machen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Grundrechtsbindung der Beklagten bzw. der für sie handelnden obersten Bundesbehörde. Die Äußerungen beinhalten erkennbar die jedenfalls vertretbar hergeleitete wissenschaftliche Schlussfolgerung aus einer durch den BStU veranlassten zeitgeschichtlichen Untersuchung. Insoweit handelt es sich hierbei für den Leser deutlich erkennbar nicht um eine amtliche "Verlautbarung" im Sinne einer Auskunft oder Stellungnahme über eine aus den Archivunterlagen ersichtliche Tatsache.

[49] (7) Die angegriffenen Äußerungen genügen auch den Anforderungen, die § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG an die Veröffentlichung personenbezogener Informationen stellt. Nach der Verweisung in § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG auf § 32 Abs. 3 StUG dürfen personenbezogene Informationen veröffentlicht werden, wenn es sich um Informationen über Personen der Zeitgeschichte handelt, soweit diese ihre zeitgeschichtliche Rolle betreffen. Durch die Veröffentlichung dürfen keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der genannten Personen beeinträchtigt werden (§ 32 Abs. 3 Satz 2 StUG). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

[50] (a) Das Stasi-Unterlagen-Gesetz definiert den Begriff der personenbezogenen Informationen nicht. Nach dem Wortsinn muss es sich um Informationen handeln, die Aussagen über eine konkrete natürliche Person enthalten. Dies wird bestätigt durch die den Gesetzeszweck wiedergebenden und damit für die Auslegung der übrigen Vorschriften besonders wichtigen Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StUG, wo auf den Einzelnen und die zu seiner Person vom Staatssicherheitsdienst gespeicherten Informationen abgestellt wird. Es steht außer Zweifel, dass die den Gesetzeszweck im Einzelnen umsetzenden Normen mit dem Begriff der personenbezogenen Informationen eben diese in § 1 Abs. 1 StUG genannten Informationen meinen. Im Übrigen hatte zumindest das Merkmal "personenbezogen" im Kontext des Datenschutzes, dem auch die hier in Rede stehenden Vorschriften des Stasi-Unterlagen-Gesetzes dienen, einen bei Erlass dieses Gesetzes bereits feststehenden und allgemein bekannten Bedeutungsgehalt. § 3 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG a.F.) definierte personenbezogene Daten als Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Auch wenn das Stasi-Unterlagen-Gesetz von Informationen statt von Daten spricht, drängt sich das Verständnis auf, dass wegen des identischen Merkmals der Personenbezogenheit im Wesentlichen eine inhaltliche Übereinstimmung vorliegt (vgl. BVerwGE 116, 104, 108, juris Rn. 27). Nach diesen Kriterien handelt es sich bei der Aussage über die Mitfinanzierung des vom Kläger erstellten und produzierten Films um eine personenbezogene Information.

[51] (b) Der Kläger ist zumindest in seiner Funktion als Regisseur und Produzent eine Person der Zeitgeschichte im Sinne des Gesetzes.

[52] Dieser Begriff, für den das Stasi-Unterlagen-Gesetz sich an vergleichbaren Vorschriften des Bundesarchivgesetzes und des Bundesdatenschutzgesetzes orientiert hat (vgl. Gesetzentwurf vom 12. Juni 1991, BT-Drs. 12/723 S. 26; Gesetzentwurf vom 29. August 1991, BT-Drs. 12/1093 S. 27), wird vom Gesetz nicht definiert. Für seine Auslegung kann aber § 23 KUG herangezogen werden (vgl. Bonitz, Persönlichkeitsrechtsschutz im Stasi-Unterlagen-Gesetz, 2009, S. 182; Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, August 2006, § 40 BDSG Rn. 30; Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl., § 40 Rn. 11; Partsch, Bundesarchivgesetz, § 11 Rn. 28; Rapp-Lücke in Geiger/Klinghardt, Stasi-Unterlagen-Gesetz, 2. Aufl., § 32 Rn. 26). Aus § 23 KUG hat die Rechtsprechung den abkürzenden Begriff der "Person der Zeitgeschichte" entwickelt. Als Person der Zeitgeschichte ist jedenfalls eine Person anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen hat (vgl. Senatsurteile vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, NJW 2007, 3440 Rn. 14; vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06, NJW 2007, 1981, juris Rn. 11).

[53] Bei Anknüpfung an diese vom Gesetzgeber aufgegriffene Rechtsfigur, aber auch unter Beachtung des später entwickelten abgestuften Schutzkonzeptes der §§ 22, 23 KUG, ist der Film des Klägers bei dem gebotenen nicht zu engen Verständnis des Begriffs der Zeitgeschichte (vgl. Senatsurteil vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06, NJW 2007, 1981, juris Rn. 14 f.) dem Zeitgeschehen zuzuordnen und der Kläger als Regisseur und Produzent dieses Films Person der Zeitgeschichte. Der Kläger ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein mehrfach ausgezeichneter Dokumentarfilmemacher. Sein Film wurde im Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk, einer Landesrundfunkanstalt, produziert und mehrmals im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und in Großbritannien im Fernsehen gezeigt. Er thematisiert die damals bestehenden Theorien und Erkenntnisse zur Herkunft von AIDS und gibt auch dem Ost-Berliner Biologieprofessor J. S. ausführlich Gelegenheit, seine These darzulegen, das HI-Virus sei im Biowaffenschutzinstitut der US-Army Fort Detrick entstanden. Die These, dass dieser Film vom MfS nicht nur als willkommenes Medium für eine vom KGB angestoßene "AIDS-Desinformationskampagne" angesehen, sondern auch finanziell unterstützt worden sein soll, betrifft eine Frage von historischem Interesse für die Erforschung der Methoden und Wirkungsweise des Staatsicherheitsdienstes.

[54] (c) Durch die Veröffentlichung der angegriffenen Aussagen werden keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Klägers verletzt. Bei der gebotenen Abwägung stehen sich das grundrechtlich geschützte Interesse des Klägers an seiner beruflichen Ehre und das öffentliche Aufarbeitungs-, d.h. Forschungs- und Unterrichtungsinteresse gegenüber (vgl. Rapp-Lücke in Geiger/Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 32 Rn. 32). Sie führt im Ergebnis zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses.

[55] Der Kläger ist im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit einem Film in die Öffentlichkeit der bundesdeutschen Fernsehzuschauer getreten, mit dem er einen auch politisch beeinflussten Diskussionsstand über die Entstehung des HI-Virus kritisch darstellen und die Öffentlichkeit zum Nachdenken und zur Kritik herausfordern wollte. Zwar besteht durchaus ein nachvollziehbares Interesse des Klägers, nicht durch eine Nennung im Zusammenhang mit dem MfS in seiner beruflichen Ehre beeinträchtigt zu werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des seit der Filmproduktion vergangenen Zeitraums von 25 Jahren, da es nach so langer Zeit nur schwerlich möglich sein dürfte, die Aussage der Beklagten zu entkräften. Auf Seiten der Beklagten ist dagegen in den Blick zu nehmen, dass die Äußerungen mit dem Zweck erfolgten, ihren sich aus § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG ergebenden gesetzlichen Aufarbeitungsauftrag zu erfüllen und hierbei zu Ergebnissen über ­ zwangsläufig ­ länger zurückliegende Sachverhalte zu gelangen. Dass ein besonderes öffentliches Interesse an weiteren Erkenntnissen über die Tätigkeit des MfS fortbesteht, ergibt sich bereits aus der gesetzgeberischen Wertung des § 37 StUG und des § 1 Abs. 1 Nr. 3 StUG (vgl. insoweit auch BT-Drs. 12/723 S. 18 Nr. 10). An der Erforschung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes bestand bei Erlass des Gesetzes ein nachhaltiges öffentliches Interesse, das auch heute noch besteht. Das gilt zunächst und vor allem angesichts der systematischen und umfassenden Ausforschung der eigenen Bevölkerung der DDR - einschließlich Personen der Zeitgeschichte sowie politischer Amts- und Funktionsträger - mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Gerade diese war ein besonders abstoßendes Herrschaftsinstrument des Einparteiensystems (vgl. BVerfGE 96, 189, 198, juris Rn. 34). Zudem vermag die historische Erfahrung mit einer Diktatur und ihren Repressionsinstrumenten eine Anschauung darüber zu vermitteln, welchen Gefahren die Freiheitsrechte der Bürger ausgesetzt sein können, wenn die Sicherungen eines freiheitlichen Rechtsstaats außer Kraft gesetzt sind (vgl. BVerfG, NJW 2000, 2413, 2415; juris Rn. 30). Das öffentliche Interesse an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes besteht darüber hinaus auch hinsichtlich seiner "Auslandsaufklärung", namentlich gegenüber Politik, Wirtschaftsunternehmen und gesellschaftlichen Organisationen des westlichen Teils Deutschlands (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, NJW 2013, 229 Rn. 20, 28). Schließlich besteht unverändert ein öffentliches Interesse an der Erforschung der nationalsozialistischen Vergangenheit, über die die Stasi-Unterlagen neue Aufschlüsse bieten können. Dieses öffentliche Interesse ist von erheblichem Gewicht. Daran ändert nichts, dass Grundrechte interessierter Forscher und Forschungseinrichtungen nicht in Rede stehen (vgl. BVerwGE 121, 115, 129, juris Rn. 42 f.).

[56] Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass die Äußerungen 1, 4 und 8 den Kläger nicht besonders schwerwiegend beeinträchtigen. Auf die Person des Klägers wird in der Studie kein besonderes Augenmerk gerichtet. Er wird vor allem als Dokumentarfilmemacher und Produzent des Films erwähnt, ohne dass eine vertiefende Auseinandersetzung mit seiner Rolle im Hinblick auf die mögliche Mitfinanzierung des Films durch das MfS stattfindet. Eine besondere persönliche Herabwürdigung des Klägers ist der Studie nicht zu entnehmen. Die Äußerungen betreffen das berufliche Bild des Klägers und damit seine Sozialsphäre, sind aber auch auf diese bezogen nicht besonders ehrenrührig, denn die Autoren der Studie gehen weder von einem Zusammenwirken des Klägers mit dem MfS noch davon aus, dass der Kläger bewusster Nutznießer von Zuwendungen des MfS gewesen sei. Ebenso wie ein Gewerbetreibender sich wertende Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel gefallen lassen (vgl. nur Senatsurteile vom 16. Dezember 2014 ­ VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 18; vom 11. März 2008

­ VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 16, jeweils mwN) und ein Journalist im Zusammenhang mit seinen Veröffentlichungen das Hinterfragen seiner Motivation und deren kritische Beleuchtung durch andere in aller Regel hinnehmen muss (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2016 ­ VI ZR 250/13, VersR 2017, 104 Rn. 21), muss sich auch der Kläger die kritische Auseinandersetzung mit seinem Film und dessen Hintergründen grundsätzlich gefallen lassen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Kläger mit seinem Film bewusst eine umstrittene These aufgegriffen hat. Dass der Film eine kritische Befassung mit Inhalten, Hintergründen und Motivation hervorrufen würde, lag nahe. Schließlich ist in der Abwägung auch zu berücksichtigen, dass der Kläger sich in Kenntnis der beabsichtigen Veröffentlichung der Studie nicht gegenüber den Autoren geäußert hat. Zwar war der Kläger nicht verpflichtet, vorab Stellung zu nehmen. Gleichwohl ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass sich der Kläger durch sein Schweigen der Möglichkeit begeben hat, den Autoren seine Sicht auf das Studienergebnis mitzuteilen und/oder weitere Quellen zu benennen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die angegriffenen Aussagen durch die Veröffentlichung von Geißler aus dem Jahr 2015 bereits Gegenstand eines wissenschaftlichen Diskurses sind.

[57] (d) Etwas Anderes ergibt sich nicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 StUG. Hiernach ist die Verwendung personenbezogener Informationen über Betroffene oder Dritte, die im Rahmen der zielgerichteten Informationserhebung oder Ausspähung des Betroffenen einschließlich heimlicher Informationserhebung gewonnen worden sind, zum Nachteil dieser Personen unzulässig. Die angegriffene Information ist aber nicht bei einer solchen Erhebung gewonnen worden. Abgesehen davon ist § 5 Abs. 1 Satz 1 StUG im Bereich von §§ 32, 34 StUG, also auf Personen der Zeitgeschichte, nicht anwendbar (vgl. BVerwGE 121, 115, 120, juris Rn. 17 f.).

[58] (8) Das Benachrichtigungsverfahren nach § 32a StUG, welches auch für eigene Veröffentlichungen des Bundesbeauftragten im Rahmen von § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG geboten ist (Pietrkiewicz/Burth in: Geiger/Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 37 Rn. 17), ist durchgeführt worden. Der Kläger ist mit Schreiben vom 23. Mai 2014 über die zu seiner Person im Archiv des MfS aufgefundenen Daten und die beabsichtigte Veröffentlichung informiert worden. Mit Schreiben vom 7. Juli 2014 sind ihm ergänzend die Inhalte der Studie einschließlich der Schlussfolgerung, dass die MfS seinen Film mitfinanziert habe, mitgeteilt worden mit dem Angebot, Stellung zu nehmen. Der Kläger hat von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht.

[59] (9) Weitergehende Anforderungen, an denen die angegriffenen Aussagen zu messen wären, ergeben sich über die vorgenannten Maßstäbe wissenschaftlicher Arbeit hinaus im Streitfall auch nicht aus dem Sachlichkeitsgebot (zu diesem vgl. BVerfGE 105, 252, 257, juris Rn. 59 ff.; BVerfG, NJW 2018, 928 Rn. 59).

[60] (10) Die angegriffene Veröffentlichung ist unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen der Parteien auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der Studie zur Erfüllung des gesetzlichen Forschungs- und Unterrichtungsauftrages und zur Abwägung im Rahmen von § 32 StUG verwiesen werden.

[61] II. Die Anschlussrevision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass ein Unterlassungsanspruch des Klägers hinsichtlich der Äußerungen 2, 3, 5-7 nicht besteht. Zwar beeinträchtigen die Inhalte der zitierten Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Doch halten sich auch diese im Rahmen der Grundsätze für rechtmäßiges staatliches Informationshandeln und ihre Veröffentlichung hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG.

[62] 1. Die Verfasser der Studie bzw. die Beklagte haben sich diese Aussagen nicht zu eigen gemacht. Von einem Zu-eigen-Machen ist auszugehen, wenn der in Anspruch Genommene nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die von ihm als Äußerungen anderer Personen veröffentlichten Inhalte übernimmt, was aus Sicht eines verständigen Lesers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen ist. (vgl. Senatsurteil vom 24. Juli 2018 - VI ZR 330/17, VersR 2019, 243 Rn. 33 mwN). So liegt der Fall hier nicht. Die angegriffenen Äußerungen sind erkennbar als Zitate gekennzeichnet, die Herkunft aus den - beschriebenen - Quellen wird offengelegt und sie sind in einen Rahmen eingebettet, in dem die eigentlichen Sprecher genannt werden.

[63] 2. Allerdings haben die Verfasser der Studie die angegriffenen Aussagen als Quellen und Belege für ihre Annahme der Mitfinanzierung des Films durch das MfS in ihre Arbeit aufgenommen und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie tragen - und mit ihnen der BStU als Behörde der Beklagten - die Verantwortung für die Verbreitung dieser Aussagen.

[64] Die angegriffenen Äußerungen

[65] "Die HV A/X hätte ‚die Produktion des Films sogar mit einer gewissen Summe subventioniert'." (Äußerung 2),

[66] "Von der westdeutschen Seite [vermutlich vom WDR] wurden 80.000 DM für die Produktion des Films bezahlt, und die deutschen Genossen haben 40.000 DM bezahlt." (Äußerung 3),

[67] "Ein Zeichen des Erfolgs der AIDS-Kampagne, so P. und M., sei die Tatsache, dass sie ‚einen Film über AIDS angefertigt' hätten, der ‚dreimal in der BRD gezeigt wurde'." (Äußerung 5),

[68] "Es hieß damals, dass die HV A/X ‚die Ausarbeitung eines Films angefordert habe. Der Film sei eine Angelegenheit ihres operativen Kanals (illegal)'." (Äußerung 6),

[69] "Sie ergreifen alle Maßnahmen, damit man nicht merkt, dass die DDR in Beziehung zu dem Film steht, obwohl die finanzielle Hilfe leisten müssen." (Äußerung 7)

[70] zitieren ­ nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zutreffend wiedergegebene ­ Aussagen der HV A-Offiziere, die Tatsachenbehauptungen oder tatsächliche Elemente enthaltende Wertungen darstellen. Ihre Inhalte beeinträchtigen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, denn bei zutreffender Sinndeutung gemäß den aufgezeigten Grundsätzen lässt sich ihnen im Gesamtzusammenhang der Studie der Aussagegehalt entnehmen, dass mit dem in den Äußerungen genannten "Film" jeweils der durch den Kläger produzierte Film gemeint ist, der vom MfS mitfinanziert worden sein soll. Die Äußerungen beeinträchtigen mit diesem Inhalt wie die die Äußerungen 1, 4 und 8 den sozialen Geltungsanspruch und die berufliche Ehre des Klägers als Filmregisseur und -produzent.

[71] 3. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist aber nicht rechtswidrig. Die Veröffentlichung der Äußerungen 2, 3, 5-7 ist nach der gesetzlichen Grundlage des § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG als zulässige Unterrichtung der Öffentlichkeit im Rahmen einer Forschungsarbeit gerechtfertigt. Die Äußerungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zutreffend wiedergegebene und als solche gekennzeichnete Inhalte der als Quellen benannten bulgarischen Berichtsaufzeichnungen. Die Wiedergabe der Zitate fördert die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse der Studie und belegt die Herkunft der Informationen. Wegen seiner Belegfunktion kommt einem wörtlichen Zitat ein besonderer Dokumentationswert zu (vgl. BVerfG, AfP 2001, 295, 298, juris Rn. 31; BVerfGE 54, 208, 217 f., juris Rn. 24 ff.; Senatsurteil vom 30. September 2014 ­ VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 538, juris Rn. 30). Die Aussagen führen auch nicht zu einer schwerwiegenderen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers als die erörterten Aussagen 1, 4 und 8 zur Behauptung der Mitfinanzierung. Entgegen der Ansicht der Anschlussrevision kann den Äußerungen 5 und 6, wonach das MfS bzw. die HV A den Film "angefertigt" oder dessen "Ausarbeitung angefordert" habe, eine weitergehende Bedeutung, dass das MfS über die bloße Mitfinanzierung hinaus auf das Entstehen des Films des Klägers Einfluss genommen habe, nicht entnommen werden. Eine solche erhalten sie auch nicht durch den Gesamtzusammenhang der protokollierten Äußerungen oder durch weitere Ausführungen in der Studie. Insgesamt entnimmt der Leser zwar möglicherweise den Äußerungen den Aussagehalt, das MfS habe auf den Film Einfluss genommen. Auf welche Weise dies geschehen sein soll, bleibt hingegen völlig im Vagen. Die Begriffe "angefertigt" und "Ausarbeitung angefordert" stehen schon in Widerspruch zu einander, als ersterer die aktive Herstellung des Films beinhalten würde, während nach letzterem lediglich eine Aufforderung zum Tätigwerden ergangen wäre. Was konkret geschehen sein soll und ob bzw. wie das MfS über die Mitfinanzierung hinaus tätig geworden sein könnte, lässt sich den Äußerungen nicht entnehmen. Damit hat eine Sinndeutung, wie sie die Anschlussrevision annimmt, bei der Abwägung außen vor zu bleiben (vgl. nur Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 18). Für die gebotene Abwägung zwischen dem grundrechtlich geschützten Interesse des Klägers an seiner beruflichen Ehre und dem öffentlichen Aufarbeitungs-, d.h. Forschungs- und Unterrichtungsinteresse kann im Übrigen auf die obigen Ausführungen zu den angegriffenen Äußerungen 1, 4 und 8 verwiesen werden.

D.

[72] Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

von Pentz Oehler Müller

Klein Böhm

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