BGH, Urteil vom 20. April 2021 - VI ZR 521/19

11.05.2021

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

20. April 2021

OlovcicJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BGB §§ 293, 826 (Gi.), 31


Zu den Voraussetzungen des Annahmeverzuges bei der Haftung eines Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall.


BGH, Urteil vom 20. April 2021 - VI ZR 521/19 - OLG Oldenburg, LG Oldenburg


Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO unter Berücksichtigung bis zum 26. März 2021 eingegangener Schriftsätze durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler sowie die Richter Dr. Klein und Böhm

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25. Oktober 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben sowie das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 28. März 2019 insoweit abgeändert, als festgestellt worden ist, dass sich die Beklagte mit der Annahme des PKW Skoda Yeti, Outdoor 2.0 TDI DSG 4X4 Elegance, FIN: TMBLD75L4E6042396, in Annahmeverzug befinde. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 24 % und die Beklagte zu 76 %, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 39 % und die Beklagte zu 61 % jeweils aus einem Streitwert bis 30.000 €.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger aus einem Streitwert bis 500 €.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger erwarb im März 2014 zu einem Kaufpreis von 32.689,99 € einen Skoda Yeti mit einem Dieselmotor EA189. Die Motorsteuerungssoftware bewirkte, dass eine Prüfungssituation, in der der Abgasausstoß gemessen wird, erkannt und die Abgasaufbereitung für deren Dauer optimiert wurde (Fahrmodus 1). Im normalen Betrieb unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr außerhalb des Prüfstands (Fahrmodus 0) wurde die Abgasaufbereitung abgeschaltet bzw. die Abgasrückführungsrate verringert. Das führte zu einer Erhöhung des Stickstoffausstoßes. Da auf dem Prüfstand die zulässigen Grenzwerte für den Stickstoffausstoß eingehalten wurden, wurde das Fahrzeug in die Schadstoffklasse Euro 5 eingeordnet.

[2] Der Kläger hat die Verurteilung des beklagten Fahrzeugherstellers zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 26.686,28 € (Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung von 6.003,71 €) nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit (am 18. September 2018) Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs sowie für diesen Fall die Feststellung des Annahmeverzugs beantragt, hilfsweise die Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten, mindestens jedoch 6.537,99 € umfassenden Wertminderung nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit begehrt, sowie ferner die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.769,65 € beantragt.

[3] Das Landgericht hat der Klage unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung von 14.561,30 € (basierend auf einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km) im Umfang von 18.128,69 € stattgegeben, festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde und sie zur Freistellung des Klägers von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger sein erfolgloses Klagebegehren weiterverfolgt und beantragt, die Beklagte ferner zur Zahlung von Deliktszinsen im Umfang von 5.767,97 € sowie weiteren Zinsen aus einem Betrag in Höhe von 32.689,99 € in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 11.08.2018 bis zur Rechtshängigkeit sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. Das Oberlandesgericht hat der Klage in Abänderung des landgerichtlichen Urteils unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung von 12.204,26 € (basierend auf einem höheren Kilometerstand und einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km) im Umfang von 20.485,73 € stattgegeben und im Übrigen die weitergehende Berufung des Klägers und die auf Klageabweisung gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

[4] Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen die Feststellung, dass sie sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde.

Entscheidungsgründe:

[5] I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts befindet sich die Beklagte gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 9. Februar 2018 die faktische Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend gemacht und die Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen die Zahlung des Kaufpreises angeboten habe.

[6] II. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zu Recht rügt die Revision der Beklagten, dass das Berufungsgericht den Annahmeverzug nicht hätte feststellen dürfen.

[7] In dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt, dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 2. Februar 2021 - VI ZR 449/20, juris Rn. 9), war das wörtliche Angebot des Klägers auf Rückgabe des Fahrzeugs an eine unberechtigte Bedingung geknüpft, nämlich an die Rückzahlung des Kaufpreises in einem Umfang, der mit 26.686,28 € die Schadensersatzpflicht der Beklagten über 20.485,73 € um mehr als 30 % überstieg. Eine solchermaßen überhöhte Forderung schließt den Annahmeverzug aus (vgl. Senatsurteile vom 14. Dezember 2020 - VI ZR 573/20, WM 2021, 139 Rn. 4; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19, VersR 2020, 1327 Rn. 30; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 85). Ob der Kläger sein Angebot darüber hinaus, wie die Revision meint, von der Zahlung von Deliktszinsen abhängig gemacht hat, kann angesichts dessen dahinstehen.

[8] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Bei der Kostenverteilung für das Berufungsverfahren war unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass geltend gemachte Zinsansprüche in erheblichem Umfang nicht zugesprochen werden konnten (vgl. BGH, Urteile vom 14. Februar 2014 - V ZR 102/13, NVwZ 2014, 976, juris Rn. 20; vom 4. Oktober 1995 - VIII ZR 57/94, juris Rn. 65; vom 4. Juni 1992 - IX ZR 149/91, ZIP 1992, 1256, 1270 f., juris Rn. 108; vom 28. April 1988 - IX ZR 127/87, NJW 1988, 2173, 2175, juris Rn. 28; vom 9. November 1960 - VIII ZR 222/59, LM § 92 ZPO Nr. 7; RGZ 42, 83, 85; Zöller-Herget, 33. Aufl., § 92 ZPO Rn. 3; BeckOK ZPO/Jaspersen, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 92 Rn. 2; Musielak/Voit/

Flockenhaus, 18. Aufl., ZPO § 92 Rn. 4).

Seiters von Pentz Oehler

Klein Böhm

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