BGH, Urteil vom 21. November 2019 - VII ZR 10/19

02.01.2020

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

21. November 2019

Zimmermann,Justizfachangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


VOB/B 2009 § 2 Abs. 3 Nr. 2; BGB §§ 133 A, 157 D


Der Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B setzt nach dem Wortlaut der Klausel nur voraus, dass die ausgeführte Menge den im Vertrag angegebenen Mengenansatz um mehr als 10 v.H. überschreitet und eine Partei die Vereinbarung eines neuen Preises verlangt. Dagegen ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht, dass eine auf die Mengenmehrung kausal zurückzuführende Veränderung der im ursprünglichen Einheitspreis veranschlagten Kosten Voraussetzung für den Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 8. August 2019 ­ VII ZR 34/18, BauR 2019, 1766 = NZBau 2019, 706).


BGH, Urteil vom 21. November 2019 - VII ZR 10/19 - KG Berlin, LG Berlin


Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter Halfmeier, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit sowie die Richterin Sacher

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 14. Dezember 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 139.853,73 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restwerklohn nebst Zinsen aus einem Einheitspreisvertrag sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Anspruch.

[2] Die Beklagte beauftragte die Klägerin, die sich in dem Vergabeverfahren der Beklagten durchgesetzt hatte, im Juli 2011 unter Einbeziehung der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen ­ VOB/B ­ (2009) mit der Herstellung einer Natursteinfassade einschließlich der Fassadendämmung für das Bauvorhaben "Neubau M. " in B. . Die Klägerin führte die Leistungen aus, die im November 2014 von der Beklagten abgenommen wurden.

[3] Mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 stellte die Klägerin die Schlussrechnung, mit der sie die Fassadendämmung gemäß Abschnitt 5.1.1.3 der DIN 18332 nach den Maßen der von ihr ebenfalls hergestellten Fassadenbekleidung zu den vertraglich vereinbarten Einheitspreisen abrechnete. Im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung nahm die Beklagte Streichungen in Höhe von 162.562,38 € brutto vor mit der Begründung, die Fassadendämmung sei nach den Maßen der ­ geringeren ­ zu bekleidenden Fläche abzurechnen. Für den Fall, dass der von der Klägerin vorgenommenen Abrechnung nach den Maßen der Fassadenbekleidung zu folgen sei, verlangte die Beklagte eine Herabsetzung der Einheitspreise gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009). Sie ist der Auffassung, die Einheitspreise seien um den in ihnen jeweils enthaltenen Anteil der allgemeinen Geschäftskosten herabzusetzen, so dass zumindest eine Kürzung der Werklohnforderung um 22.220,96 € berechtigt sei. Darüber hinaus sei eine weitere Herabsetzung der Einheitspreise auch im Hinblick auf die leistungsabhängigen Kostenanteile gerechtfertigt.

[4] Das Landgericht hat die auf Zahlung des von der Beklagten gestrichenen Betrags abzüglich einer vereinbarten Umlage von 0,3 % gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung die Beklagte zur Zahlung von 162.074,69 € nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit dem Verlangen der Beklagten nach einer im Umfang von 22.220,96 € zur teilweisen Klageabweisung führenden Preisanpassung nicht entsprochen worden ist. Es hat die teilweise Zulassung der Revision damit begründet, dass zu der Frage, ob bei einer Preisanpassung wegen Mehrmengen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009) eine Herabsetzung der Einheitspreise um den Anteil der allgemeinen Geschäftskosten vorzunehmen sei, divergierende obergerichtliche Rechtsprechung bestehe. Mit der im Umfang der Zulassung eingelegten Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

[5] Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils im tenorierten Umfang und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[6] I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe ein Restwerklohnanspruch in Höhe von 162.074,69 € gemäß § 631 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009) zu.

[7] Die Klägerin habe die von ihr erbrachte Fassadendämmung nach den Maßen der Fassadenbekleidung abrechnen dürfen. Dies ergebe die Auslegung des zwischen den Parteien vereinbarten Vertragswerks. Danach stehe fest, dass die ausgeführte Menge der Fassadendämmung den Mengenansatz, der dem Angebot der Klägerin zugrunde gelegen habe, um mehr als 10 v.H. überschritten habe. Gleichwohl ergebe sich kein zur Reduzierung der Klageforderung führender Preisanpassungsanspruch der Beklagten gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009). Denn Voraussetzung für einen Anspruch auf Herabsetzung des vereinbarten Einheitspreises sei, dass sich aufgrund der Mengenmehrung Kostenersparnisse bei dem Auftragnehmer eingestellt hätten. Die Beklagte, die für die Voraussetzungen ihres Begehrens darlegungs- und beweispflichtig sei, habe indes derartige Kostenersparnisse zugunsten der Klägerin nicht schlüssig vorgetragen.

[8] Dabei komme entgegen der Auffassung der Beklagten ein Abschlag bei dem Einheitspreis für die Fassadendämmung um den Anteil der allgemeinen Geschäftskosten von vornherein nicht in Betracht. Allgemeine Geschäftskosten würden vom Auftragnehmer je Geschäftsperiode geplant und prozentual auf den gesamten Umsatz in dieser Geschäftsperiode umgelegt. Zu der geplanten Jahresgesamtleistung gehörten aufgrund von Erfahrungswerten auch anfallende Mengenmehrungen und ­minderungen. Demzufolge könnten systemgerecht alle Herstellungskosten ­ auch bei Mengenmehrungen anfallende Kosten ­ mit allgemeinen Geschäftskosten beaufschlagt werden, und zwar konkret mit dem kalkulatorisch vorgesehenen Prozentaufschlag. Sofern in dem Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. September 2005 (27 U 120/04) eine gegenteilige Sichtweise zum Ausdruck komme, schließe sich das Berufungsgericht dem nicht an. Auch im Übrigen könnten Kostenersparnisse zugunsten der Klägerin aufgrund der Mengenmehrung nicht festgestellt werden.

[9] II. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

[10] 1. Die Revision ist in dem vom Berufungsgericht betragsmäßig beschränkten Umfang der Zulassung (162.074,69 € - 139.853,73 € = 22.220,96 €) eingelegt worden.

[11] Soweit der Begründung der Teilzulassung im Berufungsurteil entnommen werden könnte, dass die Revision auf einen im Werklohnanspruch für Mehrmengen gemäß § 631 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009) enthaltenen Anteil für allgemeine Geschäftskosten beschränkt worden ist, wäre eine solche Beschränkung im Rahmen der Berechnung des Werklohnanspruchs unzulässig. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teil- oder Zwischenurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - VII ZR 190/14 Rn. 13 m.w.N., BauR 2015, 1515 = NZBau 2015, 477). Bei dem Anteil für allgemeine Geschäftskosten handelt es sich indes nicht um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Werklohnanspruchs.

[12] 2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts steht hinsichtlich der Fassadendämmung fest, dass die von der Klägerin ausgeführte Menge den im Einheitspreisvertrag angegebenen Mengenansatz um mehr als 10 v.H. überschreitet. Die dem zugrunde liegende Vertragsauslegung, nach der eine Abrechnung der im Verbund mit der Natursteinfassade vergebenen Fassadendämmung auf der Grundlage der Ziffer 5.1.1.3 der DIN 18332 nach den Maßen der Fassadenbekleidung berechtigt ist, nimmt die Revision hin. Das Berufungsgericht hat ferner festgestellt, dass die Beklagte für die über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes die Vereinbarung eines neuen Einheitspreises verlangt hat. Von diesen ­ nicht angegriffenen ­ Feststellungen ist daher in der Revisionsinstanz auszugehen.

[13] 3. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Anspruch der Beklagten gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009) auf Vereinbarung eines neuen - im Vergleich zu dem ursprünglich vereinbarten - geringeren Einheitspreises für die über 10 v.H. liegenden Mehrmengen nicht abgelehnt werden.

[14] a) Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, unter welchen Voraussetzungen bei Mengenmehrungen die Vereinbarung eines neuen Preises gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B verlangt werden kann und wie der neue Preis zu bilden ist, wenn sich die Parteien nicht einigen (BGH, Urteil vom 8. August 2019 - VII ZR 34/18, BauR 2019, 1766 = NZBau 2019, 706, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

[15] § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt, dass für eine über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes eines Einheitspreisvertrags auf Verlangen ein neuer Preis vereinbart werden muss. Die Klausel regelt damit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises. Dieser Anspruch setzt ­ wie der Senat in der genannten Entscheidung klargestellt hat ­ nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nur voraus, dass die ausgeführte Menge den im Vertrag angegebenen Mengenansatz um mehr als 10 v.H. überschreitet und eine Partei die Vereinbarung eines neuen Preises verlangt. Dagegen ergibt sich aus der Klausel nicht, dass eine auf die Mengenmehrung kausal zurückzuführende Veränderung der im ursprünglichen Einheitspreis veranschlagten Kosten Voraussetzung für den Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises ist, mag eine solche Veränderung auch der Regelfall sein (BGH, Urteil vom 8. August 2019 ­ VII ZR 34/18 Rn. 16, BauR 2019, 1766 = NZBau 2019, 706).

[16] Liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vor, ist ein neuer Preis zu vereinbaren. Dies begründet einen vertraglichen Anspruch auf Einwilligung in einen neuen Preis, die Parteien sind zur Kooperation verpflichtet. Können sich die Parteien nicht auf einen neuen Preis verständigen, so ist dieser im Streitfall von dem angerufenen Gericht zu bestimmen und kann unmittelbar zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden (BGH, Urteil vom 8. August 2019 - VII ZR 34/18 Rn. 18 f. m.w.N., BauR 2019, 1766 = NZBau 2019, 706).

[17] b) Nach den revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009) für einen Anspruch der Beklagten auf Vereinbarung eines neuen Preises für die über 10 v.H. liegenden Mehrmengen hinsichtlich der Fassadendämmung gegeben, da eine entsprechende Mengenmehrung vorliegt und die Beklagte die Vereinbarung eines neuen Preises verlangt hat.

[18] Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus als Voraussetzung für einen Anspruch der Beklagten auf Vereinbarung eines neuen - im Vergleich zu dem ursprünglich vereinbarten - geringeren Einheitspreises verlangt, dass aufgrund der Mengenmehrung Kostenersparnisse bei der Klägerin eingetreten sind, kann das Berufungsurteil daher keinen Bestand haben. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Vortrag der Beklagten zu derartigen Kostenersparnissen ausreichend war.

[19] III. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie im tenorierten Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

[20] Dieses wird auf der Grundlage des Senatsurteils vom 8. August 2019 (VII ZR 34/18, BauR 2019, 1766 = NZBau 2019, 706) über die von der Beklagten verlangte Bildung eines neuen Einheitspreises für die über 10 v.H. hinausgehenden Mehrmengen hinsichtlich der Fassadendämmung neu zu entscheiden und dabei die in jenem Urteil aufgestellten Grundsätze zur Preisbildung zu beachten haben. Den Parteien ist hierzu zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.

[21] Sofern das Berufungsgericht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Bildung eines neuen Einheitspreises für die Mehrmengen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009) im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nach tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu erfolgen hat, weist der Senat auf Folgendes hin:

[22] Entgegen der auf einem Redaktionsversehen beruhenden Formulierung im Urteil vom 8. August 2019 (VII ZR 34/18 Rn. 36, BauR 2019, 1766 = NZBau 2019, 706) sind Baustellengemeinkosten nicht im Rahmen angemessener Zuschläge zu berücksichtigen.

[23] Bei der Bildung des neuen Einheitspreises auf der Grundlage der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ist ein angemessener Zuschlag für allgemeine Geschäftskosten auf die tatsächlich erforderlichen Kosten der über 10 v.H. liegenden Mehrmengen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Mengenmehrung eine Bauzeitverlängerung verursacht ist.

[24] Hinsichtlich der Höhe des Zuschlags für allgemeine Geschäftskosten ist zu beachten, dass die Angemessenheit des Zuschlags im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht mit dem bloßen

Verweis auf die Kalkulation des Auftragnehmers begründet werden kann. Der Tatrichter ist bei der Bestimmung der Höhe des angemessenen Zuschlags gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zur Schätzung berechtigt.

Pamp Halfmeier Kartzke

Jurgeleit Sacher

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