BGH, Urteil vom 22. Januar 2020 - IV ZR 125/18

26.02.2020

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

22. Januar 2020

HeinekampAmtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


1. Eine Ruptur der Supraspinatussehne ist eine Verletzung "an Gliedmaßen" im Sinne von Ziffer 1.4.1 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2008).


2. Eine Minderung wegen Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen nach Ziffer 3 AUB 2008 kann auch bei einer Sehnenruptur in Betracht kommen.


BGH, Urteil vom 22. Januar 2020 - IV ZR 125/18 - OLG Koblenz, LG Trier


Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen

Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann und den Richter Dr. Götz auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2020

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25. April 2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger nimmt den beklagten Unfallversicherer auf Gewährung von Versicherungsschutz in Anspruch.

[2] Er unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung, der die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 2008 zugrunde liegen (im Folgenden: AUB 2008). Darin heißt es unter der Überschrift "Versicherungsumfang":

"1. Was ist versichert?

...

1.3 Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

1.4 Als Unfall gilt/gelten auch,

1.4.1 wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden;

...

1.5 Auf die Regelungen über die Einschränkungen der Leistung (Ziffer 3) ... weisen wir hin.

...

3. Welche Auswirkungen haben Krankheiten oder Gebrechen?

Als Unfallversicherer leisten wir für Unfallfolgen. Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, mindert sich

- im Fall einer Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades, ...

entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens. Beträgt der Mitwirkungsanteil weniger als 25% unterbleibt jedoch die Minderung."

[3] Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zog sich der Kläger im Oktober 2013 durch das Anheben eines ca. 20 kg schweren Farbeimers, um diesen auf eine höhere Gerüstetage zu stellen, einen Riss der Supraspinatussehne der rechten Schulter zu. Ein von der Beklagten beauftragter Gutachter kam zu dem Ergebnis, die Mitwirkung unfallfremder Erkrankungen betrage 100%, woraufhin die Beklagte Leistungen ablehnte. Der Kläger hatte 2002 eine seinerzeit operativ versorgte Schultereckgelenksprengung rechts erlitten.

[4] Das Landgericht hat die auf Feststellung von Versicherungsschutz ohne Berücksichtigung einer mitursächlichen Vorschädigung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger Versicherungsschutz unter Zugrundelegung einer mitursächlichen Vorschädigung von 90% zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, soweit das Oberlandesgericht zu seinem Nachteil entschieden hat.

Entscheidungsgründe:

[5] Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

[6] I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in juris (OLG Koblenz, Urteil vom 25. April 2018 ­ 10 U 33/16) veröffentlicht ist, hat angenommen, der Geschehensablauf im Oktober 2013 stelle ein versichertes Ereignis im Sinne von Ziffer 1.4.1 AUB 2008 dar. Bei der Beurteilung des Begriffs der erhöhten Kraftanstrengung sei auf einen subjektiven Maßstab abzustellen, wonach entscheidend sei, ob im Einzelfall für den konkreten Versicherten unter Berücksichtigung seiner individuellen körperlichen Verhältnisse eine erhöhte Kraftanstrengung vorliege. Maßgeblich sei, ob ein erhöhter Einsatz von Muskelkraft stattgefunden habe, der über denjenigen hinausgehe, der für den jeweiligen Versicherten mit normalen körperlichen Tätigkeiten und Bewegungen im Alltag verbunden sei. Es komme dabei nicht darauf an, ob die Tätigkeit oder der Vorgang, die oder der zum Schadensereignis geführt habe, zum Lebens- und Berufsalltag des Versicherten gehöre und deshalb von ihm häufiger oder gar regelmäßig ausgeübt werde. Die infolge eines Unfalls im Jahr 2002 bestehenden Vorschäden seien als Gebrechen nach Ziffer 3 AUB 2008 mit einem Mitwirkungsanteil von 90% zu berücksichtigen. Die Anspruchsminderung sei im Rahmen der Unfallfiktion bei Sehnenriss nicht unzulässig. Der Versicherungsschutz werde in einem solchen Fall nicht zwangsläufig beschränkt, da vorbestehende altersbedingte Verschleiß- und Schwächezustände außer Betracht blieben und erst über den allgemeinen alterstypischen Verschleiß hinausgehende Vorschäden als Krankheiten oder Gebrechen zu einer Anspruchsminderung führen könnten.

[7] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

[8] 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht Ziffer 1.4.1 AUB 2008 nicht als intransparent angesehen sowie die Frage, ob der konkrete Bewegungsablauf eine erhöhte Kraftanstrengung im Vergleich zu normalen Abläufen des täglichen Lebens erfordert, nach den individuellen körperlichen Verhältnissen des Versicherten beurteilt und dabei nicht darauf abgestellt, ob die erhöhte Kraftanstrengung nur einmalig oder regelmäßig ausgeübt wurde. Das steht im Einklang mit dem zu einer vergleichbaren Klausel ergangenen Senatsurteil vom 20. November 2019 (IV ZR 159/18, VersR 2020, 95 Rn. 9 f., 11, 13), dessen Erwägungen sich - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens von Revision und Revisionserwiderung - auf den Streitfall übertragen lassen. Von den dort näher dargelegten Grundsätzen ist das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auch im Streitfall ausgegangen. Die insoweit von der Revisionserwiderung erhobenen Gegenrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).

[9] 2. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den Riss der Supraspinatussehne als Verletzung im Sinne von Ziffer 1.4.1 AUB 2008 angesehen. Das ergibt die Auslegung der Klausel.

[10] a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 6. März 2019 - IV ZR 72/18, VersR 2019, 542 Rn. 15; st. Rspr.).

[11] b) Bei der Beurteilung von Verletzungen in Bereichen, in welchen die Gliedmaßen - also Arme und Beine - mit dem Rumpf verbunden sind, wird sich der Versicherungsnehmer zunächst am Wortlaut von Ziffer 1.4.1 AUB 2008 orientieren. Er wird erkennen, dass die Klausel keine Verletzung der Gliedmaße selbst fordert, sondern eine Verletzung an Gliedmaßen. Das wird er dahingehend verstehen, dass auch solche Körperteile erfasst werden sollen, die sowohl mit Gliedmaßen als auch mit dem Rumpf verbunden sind. Dazu wird er die im Streitfall verletzte Supraspinatussehne zählen, die als Teil der Rotatorenmanschette den Oberarm mit Schulter und Rumpf verbindet (vgl. LG Berlin r+s 2010, 253 [juris Rn. 19]; Grimm, Unfallversicherung 5. Aufl. Ziffer 1 AUB 2010 Rn. 53; Jacob, Unfallversicherung AUB 2014 2. Aufl. Ziffer 1 Rn. 29; Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 267. Aufl. Stichwörter Rotatorenmanschette, Rotatorenmanschettenruptur).

[12] Der systematische Zusammenhang der Klausel stützt den Versicherungsnehmer bei diesem Verständnis. Anhaltspunkte dafür, dass nur solche Körperteile Berücksichtigung finden sollen, die in vollem Umfang den Gliedmaßen zufallen, sind für ihn nicht erkennbar. Vergleicht er Ziffer 1.4.1 AUB 2008 mit der Gliedertaxe (Ziffer 2.1.2.2.1 AUB 2008), wird er erkennen, dass dort nicht auf Verletzungen an Gliedmaßen, sondern auf den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit des Armes und des Beins abgestellt wird. Während ihn nichts darauf hinweist, dass der gesamte Schultergürtel bei der Anwendung der Gliedertaxe dem Arm zuzurechnen wäre (vgl. Senatsurteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617 Rn. 16), wird er die auf Verletzungen an Gliedmaßen abstellende Klausel in Ziffer 1.4.1 insoweit als weiter gefasst verstehen (vgl. Hugemann in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht 2. Aufl. Ziffer 1 AUB 2010 Rn. 6; Kloth/Piontek, r+s 2017, 505, 508 f.; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. Ziffer 1 AUB 2010 Rn. 13).

[13] Auf der Grundlage des Wortlauts und des systematischen Zusammenhangs wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer demnach einen Riss der Supraspinatussehne als Verletzung an Gliedmaßen im Sinne von Ziffer 1.4.1 AUB 2008 ansehen (in diesem Sinne auch OLG Saarbrücken r+s 2013, 618 [juris Rn. 30]; OLG Koblenz OLGR 2001, 30 [juris Rn. 11]; LG Berlin r+s 2010, 253 [juris Rn. 18 f.]; MünchKomm-VVG/Dörner, 2. Aufl. § 178 Rn. 108; Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl. Ziffer 1 AUB 2010 Rn. 53; Hoenicke, r+s 2009, 489; Hugemann aaO; BeckOK-VVG/Jacob, § 178 Rn. 56 [Stand: 15. Oktober 2019]; Jacob, Unfallversicherung AUB 2014, 2. Aufl. Ziffer 1 Rn. 29; Kloth, Private Unfallversicherung 2. Aufl. Abschnitt F Rn. 16; Knappmann aaO; Marlow in Veith/Gräfe/?Gebert, Versicherungsprozess 3. Aufl. § 12 Rn. 76; Marlow/Tschersich, r+s 2011, 367, 368; dies., r+s 2009, 441, 443 f.; Naumann/Brinkmann, ZfSch 2012, 69 unter C; a.A. OLG Dresden r+s 2008, 432 [juris Rn. 5]; wohl auch Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 47 Rn. 31 Fn. 100; unklar Leverenz in Bruck/?Möller, VVG 9. Aufl. Ziffer 1 AUB 2008 Rn. 41).

[14] 3. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht eine Vorschädigung im Sinne von Ziffer 3 AUB 2008 angenommen.

[15] a) Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung mitgewirkt, mindert sich gemäß Ziffer 3 Satz 2 AUB 2008 der Invaliditätsgrad entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens. Eine Krankheit in diesem Sinne liegt vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der ärztlicher Behandlung bedarf, während unter einem Gebrechen ein dauernder abnormer Gesundheitszustand zu verstehen ist, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt. Demgegenüber sind Zustände, die noch im Rahmen der medizinischen Norm liegen, selbst dann keine Gebrechen, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2016 - IV ZR 521/14, VersR 2016, 1492 Rn. 22; vom 23. Oktober 2013 - IV ZR 98/12, VersR 2013, 1570 Rn. 28; Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009

- IV ZR 216/07, VersR 2009, 1525 Rn. 14).

[16] b) Die Würdigung des - sachverständig beratenen - Berufungsgerichts, es handle sich bei der beim Kläger infolge eines Unfalls im Jahr 2002 verbliebenen Vorschädigung der Supraspinatussehne um ein Gebrechen im Sinne von Ziffer 3 AUB 2008, das zu 90% an der durch das Ereignis im Oktober 2013 verursachten Gesundheitsschädigung mitgewirkt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Einwand der Revision, die Klausel sei einschränkend dahin auszulegen, dass der Mitwirkungsanteil in Fällen der vorliegenden Art unberücksichtigt zu bleiben habe, weil die Zerrung oder Ruptur einer Sehne ohne entsprechende Vorschädigung bei einem gesunden Versicherungsnehmer nicht auftreten könne und für solche Fälle andernfalls im Rahmen der Unfallfiktion der Ziffer 1.4.1 AUB 2008 eine vollständige Entschädigung nie geschuldet werde (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 1613 [juris Rn. 9 f.];

MünchKomm-VVG/Dörner, 2. Aufl. § 178 Rn. 289; Knappmann in Prölss/?Martin, VVG 30. Aufl. Ziffer 3 AUB 2010 Rn. 3a; Rixecker ZfSch 2004, 574, 575), greift nicht durch. Eine solche Auslegung ist nicht geboten (so auch Jacob, Unfallversicherung AUB 2014 2. Aufl. Ziffer 3 Rn. 9; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Ziffer 3 AUB 2008 Rn. 11).

[17] aa) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut aus und versteht Ziffer 3 Satz 2 AUB 2008 so, dass unfallfremde Krankheiten und Gebrechen grundsätzlich zu seinen Lasten gehen, nämlich zu einer Kürzung des Anspruchs oder einem Abzug von der Gesamtinvalidität führen. Weiter entnimmt er daraus, dass Krankheiten und Gebrechen, wenn und soweit sie Folge eines früheren Unfalls sind, diesem zuzurechnen sind und nicht dem neuen Unfall (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 aaO Rn. 18 m.w.N.). Die Einschränkung seines Versicherungsschutzes wird dem Versicherungsnehmer damit deutlich vor Augen geführt. Anhaltspunkte dafür, dass dies nur für einen Unfall im Sinne der Ziffer 1.3, nicht jedoch für die Unfallfiktion nach Ziffer 1.4.1 AUB 2008 gelten soll, wird er dagegen nicht finden. Vielmehr weist Ziffer 1.5 ihn für beide Fälle auf Ziffer 3 AUB 2008 hin.

[18] bb) Auch der dem Versicherungsnehmer erkennbare Zweck der Klausel spricht dafür, Krankheiten oder Gebrechen aufgrund früherer Unfälle anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Er entnimmt schon aus Ziffer 3 Satz 1 AUB 2008, dass der Unfallversicherer Versicherungsschutz für Unfälle und deren Folgen bieten will, nicht jedoch für unfallfremde Ursachen von Gesundheitsschädigungen wie Krankheiten oder konstitutionell oder schicksalhaft bedingte gesundheitliche Anomalien (Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 aaO Rn. 19).

[19] cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist die so verstandene Klausel nicht intransparent und benachteiligt den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (dazu allgemein Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR?201/10, BGHZ 194, 208 Rn. 18 m.w.N.), weil sie ­ ohne dass der Versicherungsnehmer dies erkennen könne ­ dazu führe, dass bei einer Sehnenruptur von vornherein und zwingend eine Minderung in Ansatz zu bringen sei. Das stützt die Revision auf die Annahme, bei einem Muskel- oder Sehnenriss durch erhöhte Kraftanstrengung wirkten stets Vorschädigungen mit (vgl. dazu Appl/Müller, VersR 2000, 427; Hoenicke, r+s 2009, 489, 490; Visé, r+s 2009, 485, 486), so dass stets Krankheiten oder Gebrechen im Sinne von Ziffer 3 Satz 2 AUB 2008 vorlägen mit der Folge, dass in Fällen dieser Art nie eine ungeminderte Entschädigung geschuldet würde.

[20] Das trifft jedoch nicht zu (ebenso OLG Celle NJW-RR 2009, 1693 [juris Rn. 21 f.]; Leverenz aaO; aA OLG Düsseldorf aaO; MünchKomm-VVG/Dörner aaO; Hugemann in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht 2. Aufl. Ziffer 3 AUB 2010 Rn. 8; Knappmann aaO). Zustände, die noch im Rahmen der medizinischen Norm liegen, sind nach dem oben Gesagten selbst dann keine Gebrechen, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2016 - IV ZR 521/14, VersR 2016, 1492 Rn. 22; vom 23. Oktober 2013 ­ IV ZR 98/12, VersR 2013, 1570 Rn. 28; Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 - IV ZR 216/07, VersR 2009, 1525 Rn. 14). Abnutzungs-, Verschleiß- oder Schwächeerscheinungen, die sich innerhalb des altersbedingten Normalzustands bewegen, sind deshalb keine Gebrechen im Sinne von Ziffer 3 AUB 2008 (vgl. OLG Celle aaO; OLG Hamm r+s 2002, 84 [juris Rn. 16]; OLG Karlsruhe VersR 2017, 747 [juris Rn. 56]; OLG Köln r+s 1996, 202 [juris Rn. 11]; OLG Schleswig VersR 2014, 1074 [juris Rn. 37]; MünchKomm-VVG/Dörner aaO Rn. 285; Grimm, Unfallversicherung 5. Aufl. Ziffer 3 AUB 2010 Rn. 3; Gundlach, VersR 2017, 733, 735; Jacob aaO Rn. 4; Knappmann aaO Rn. 5; Leverenz aaO § 182 Rn. 7; Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 47 Rn. 213; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 182 Rn. 2; Rüffer in HK-VVG, 4. Aufl. Ziffer 3 AUB 2014 Rn. 3).

[21] Ob ein alterstypischer Zustand innerhalb der medizinischen Norm oder - wie vorliegend - eine altersvorauseilende Vorschädigung vorliegt, kann nicht pauschal für alle Muskel- und Sehnenverletzungen beurteilt werden. Dies bedarf vielmehr einer Würdigung im Einzelfall, die regelmäßig erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich sein wird. Selbst wenn dabei eine relevante Krankheit oder ein Gebrechen fest-

gestellt wird, führt dies nicht stets zu einer Kürzung der Versicherungsleistung. Beträgt der Mitwirkungsanteil weniger als 25%, unterbleibt die Minderung vielmehr gemäß Ziffer 3 Satz 3 AUB 2008.

Mayen Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller

Dr. Bußmann Dr. Götz

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