Bundesgerichtshof: Keine „Sperrfrist“ zwischen der Aufklärung des Patienten und seiner Einwilligung

15.02.2023

Der Bundesgerichtshof hat Anfang Februar 2023 sein Urteil vom 20. Dezember 2022 - VI ZR 375/22 - veröffentlicht. Der für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat hat entschieden, dass zwischen der Aufklärung des Patienten und seiner Einwilligung keine einzuhaltende „Sperrfrist“ liegt, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen müsste.

Zwar muss die Aufklärung nach § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Das Gericht hat aber klargestellt, dass sich diese Bestimmung allein auf den Zeitpunkt bezieht, zu dem das Aufklärungsgespräch stattzufinden hat. Zu welchem Zeitpunkt hingegen ein Patient nach ordnungsgemäßer - insbesondere rechtzeitig vor der Behandlung erfolgter - Aufklärung seine Entscheidung über die Erteilung oder Versagung seiner Einwilligung trifft, ist nach den klaren Worten des VI. Zivilsenats „seine Sache“.

Prof. Dr. Patrick Gödicke, RWS-Autor und Richter am OLG Frankfurt a.M.: „Der Senat formuliert deutlich, dass die zur Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts geschuldete Aufklärung den Patienten nicht zum passiven Objekt ärztlicher Fürsorge macht, sondern dieser berufen ist, von seinem Selbstbestimmungsrecht aktiv Gebrauch zu machen.“

Hieraus zieht die Entscheidung gleich zwei praktisch bedeutsame Konsequenzen: So kann aufgrund seines Selbstbestimmungsrechts vom Patienten zum einen verlangt werden, zu offenbaren, wenn ihm der Zeitraum für eine besonnene Entscheidung nicht ausreicht; tut er dies nicht, kann der Arzt grundsätzlich davon ausgehen, dass er keine weitere Bedenkzeit benötigt. Unterzieht sich zum anderen der Patient bewusst der Behandlung, müssen die behandelnden Ärzte dies grundsätzlich so verstehen, dass er mit deren Vornahme unabhängig davon einverstanden ist, ob er hiermit eine zuvor bereits erteilte Einwilligung „bekräftigt“ oder ob er eine zuvor unwirksam erklärte Einwilligung erstmals erteilt.

Zum Urteil im Volltext.

Weiterführende Literatur: Pauge / Offenloch / Gödicke - Arzthaftungsrecht - 15., neu bearb. Auflage 2023

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