BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats): Keine Verfassungsbeschwerde gegen Finanzmarktstabilisierungsgesetz ohne Ausschöpfung fachgerichtlichen Rechtsschutzes („Commerzbank“)

27.04.2009

FMStFG § 7 Abs. 3, § 10 Abs. 2; FMStBG §§ 3, 5; FMStFV § 5 Abs. 2 Nr. 5; GG Art. 14; AktG §§ 245, 249

Keine Verfassungsbeschwerde gegen Finanzmarktstabilisierungsgesetz ohne Ausschöpfung fachgerichtlichen Rechtsschutzes („Commerzbank“)

BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 26. 3. 2009 – 1 BvR 119/09

Leitsätze der Redaktion:

1. Stellt der Finanzmarktstabilisierungsfonds einer AG Eigenkapital (hier: 10 Mrd. €) durch Ausgabe und Übernahme von Stammaktien sowie im Wege einer stillen Einlage zur Verfügung, ist eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde eines Aktionärs unzulässig, wenn nicht zuvor der Rechtsweg zu den Fachgerichten ausgeschöpft worden ist.

2. Wird eine solche Maßnahme ohne Beschlussfassung durch die Hauptversammlung durchgeführt, finden die §§ 245, 249 AktG weder direkt noch analog Anwendung auf die für eine Kapitalerhöhung gem. § 7 FMStFG erforderlichen Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat, so dass Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen ausscheiden.

3. Vor der Handelsregistereintragung der Kapitalerhöhung kann jedoch eine (vorbeugende) Unterlassungsklage erhoben werden mit dem Ziel, dem Finanzunternehmen und insbesondere dessen Vorstand zu untersagen, durch die weitere Durchführung der Kapitalerhöhung in die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs einzugreifen. Nach Vollzug der Handelsregisteranmeldung liegt es nicht fern, eine allgemeine Feststellungsklage für zulässig zu erachten entsprechend der BGH-Rechtsprechung, derzufolge eine Feststellungsklage zulässig ist, soweit es um die Ausnutzung des von der Hauptversammlung genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss nach §§ 203 f. AktG geht.

Gründe:

[1]

 Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Vorschriften des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz und Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz) sowie der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung, die die Möglichkeit einer Beteiligung des Finanzmarktstabilisierungsfonds an der Rekapitalisierung von Unternehmen des Finanzsektors vorsehen. Der Beschwerdeführer ist Aktionär der C. AG, der der Finanzmarktstabilisierungsfonds 10 Mrd. € Eigenkapital durch Ausgabe und Übernahme von Stammaktien sowie im Wege einer stillen Einlage zur Verfügung stellen will. Die Verfassungsbeschwerde wirft in der Sache insbesondere die Frage auf, ob einige der in dem Gesetz und der Verordnung vorgesehenen Regelungen mit dem durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Aktieneigentums vereinbar sind.

 

[2]

 I. 1. Die seit Mitte 2007 anhaltende Finanzmarktkrise (vgl. zu den Hintergründen etwa Bartsch, NJW 2008, 3337 sowie Horn, BKR 2008, 452, 457 ff.) veranlasste die Bundesregierung, am 13. Oktober 2008 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG) zu verabschieden. Dieses Gesetz wurde bereits vier Tage später, am 17. Oktober 2008, von Bundestag und Bundesrat beschlossen und – nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten – am selben Tag im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (abgedruckt in ZIP 2008, 2040). Ziel des Gesetzes ist es, das Vertrauen in das Finanzsystem wiederherzustellen und den Geschäftsverkehr zwischen den Finanzinstitutionen zu normalisieren (Pressemitteilung des BMF v. 20.10.2008).

 

[3]

 Das Artikelgesetz umfasst u.a. in Art. 1 das Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz – FMStFG) und in Art. 2 das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von Unternehmen des Finanzsektors durch den Fonds „Finanzmarktstabilisierungsfonds – FMS“ (bislang nicht amtliche Kurzbezeichnung: Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz – FMStBG); auch eine konkretisierende, am 20. Oktober 2008 erlassene Verordnung (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung – FMStFV) ist Teil des Maßnahmenpakets.

 

[4]

 Das unter Art. 1 FMStG angeführte Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz sieht neben der Garantieermächtigung (§ 6 FMStFG) und der Risikoübernahme (§ 8 FMStFG) die Rekapitalisierung von Finanzunternehmen durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds (§ 7 FMStFG) vor. Danach besteht für den Fonds die Möglichkeit, sich an einem Unternehmen des Finanzsektors mit bis zu 10 Mrd. € im Einzelfall zu beteiligen. Die Beteiligung kann in jeder geeigneten Form erfolgen. Damit wird insbesondere der Erwerb von Aktien sowie von stillen Beteiligungen ermöglicht. Die Beteiligung an einer Rekapitalisierung soll nur dann erfolgen, wenn ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt und der vom Bund angestrebte Zweck sich nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt (§ 7 Abs. 2 Satz 2 FMStFG).

 

[5]

 Die genannten Stabilisierungsmaßnahmen setzen gem. § 10 Abs. 1 FMStFG voraus, dass die sie in Anspruch nehmenden Unternehmen die Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bieten. Dazu sind in § 10 Abs. 2 FMStFG mehrere Anforderungen bezeichnet, die ihre nähere Ausgestaltung in der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (FMStFV) erfahren haben. Diese ist u.a. auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 sowie § 10 Abs. 2 FMStFG ergangen. Vorgesehen sind in § 5 Abs. 2 FMStFV u.a. die Überprüfung der Geschäftspolitik, die Begrenzung der Vergütungen von Organmitgliedern sowie das Gebot, während der Dauer der Stabilisierungsmaßnahmen keine Dividenden auszuschütten. Diese Bedingungen für die Stabilisierungsmaßnahmen, die dem Unternehmen aufgegeben werden sollen, können vertraglich vereinbart oder durch Abgabe einer Verpflichtungserklärung oder mittels verwaltungsrechtlicher Instrumente festgelegt werden (§ 10 Abs. 2 Satz 3 FMStFG; § 5 Abs. 8 FMStFV).

 

[6]

 Mit dem durch Art. 2 FMStG eingeführten Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG) werden die aktien- und kapitalmarktrechtlichen Rahmenbedingungen insbesondere für die in § 7 FMStFG vorgesehene Rekapitalisierung geschaffen. Eines der Kernelemente ist die Schaffung eines gesetzlich genehmigten Kapitals (§ 3 FMStBG). Danach ist der Vorstand eines als AG verfassten Unternehmens des Finanzsektors bis zum 31. Dezember 2009 ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Grundkapital um bis zu 50 % des bisherigen Kapitals durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen an den Finanzmarktstabilisierungsfonds zu erhöhen, ohne dass es hierfür der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Zugleich ist das Bezugsrecht der Aktionäre für die an den Finanzmarktstabilisierungsfonds auszugebenden Aktien ausgeschlossen (§ 3 Abs. 3 FMStBG). Über den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe, insbesondere den Ausgabebetrag entscheidet ebenfalls allein der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 5 FMStBG). Alternativ zur Erhöhung des Grundkapitals durch Beschluss des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats (gesetzlich genehmigtes Kapital) besteht nach § 7 FMStBG die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung und des Ausschlusses des Bezugsrechts zu Gunsten des Fonds durch Beschlussfassung der Hauptversammlung. Deren Einberufung unterliegt in diesem Falle erleichterten Bedingungen; die Einberufungsfrist beträgt mindestens einen Tag.

 

[7]

 2. Der Beschwerdeführer ist Aktionär der C. AG mit Sitz in Frankfurt/M. Diese verfügt derzeit über ein Grundkapital i.H. v. ca. 2,3 Mrd. €, das in auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt ist.

 

[8]

 In einer Presseerklärung vom 8. Januar 2009 teilte die C. AG mit, der Finanzmarktstabilisierungsfonds beabsichtige – vorbehaltlich der notwendigen Gremienbeschlüsse –, der aus der Übernahme der D. Bank AG durch die C. AG hervorgegangenen neuen C. zusätzlich Eigenkapital i.H. v. 10 Mrd. € zur Verfügung zu stellen. Dies erfolge durch die Emission von rd. 295 Mio. Stück Stammaktien zu einem Ausgabepreis von 6 € pro Aktie sowie durch eine stille Einlage i.H. v. 8,2 Mrd. €. Durch die Kapitalerhöhung erhalte „der Bund“ 25 % plus eine Aktie am Grundkapital der Bank. Die Konditionen der stillen Einlage würden sich an einer bereits zuvor im November 2008 gewährten entsprechenden Beteiligung orientieren.

 

[9]

 Die Aktien der C. AG wurden am 8. Januar 2009 an der Börse in Frankfurt/M. zu einem Eröffnungskurs von 5,98 € gehandelt. Zwischenzeitlich war der Kurs auf unter 3 € gesunken.

 

[10]

 II. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG durch § 7 Abs. 3 und § 10 Abs. 2 FMStFG, §§ 3 und 5 FMStBG sowie § 5 Abs. 2 Nr. 5 FMStFV. (Wird ausgeführt.)

[14]

 III. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.ZIP 2009, Seite 755

 

[15]

 Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Rechtsnormen bereits selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten verletzt sein kann (vgl. dazu BVerfGE 1, 91, 101 ff.). Insbesondere ist noch offen, ob tatsächlich ohne Beschluss der Hauptversammlung entschieden werden wird. Jedenfalls lässt sich dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht entnehmen, dass er der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde genügt und vor ihrer Erhebung alle ihm zumutbaren Möglichkeiten fachgerichtlichen Rechtsschutzes ausgeschöpft hat (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG; BVerfGE 90, 128, 136 f.). Fachgerichtlicher Rechtsschutz steht hier hinlänglich zur Verfügung (1). Eine Vorabentscheidung des BVerfG ist nicht angezeigt. Auch dem Vortrag des Beschwerdeführers lassen sich keine Umstände entnehmen, die dies rechtfertigen würden (2).

 

[16]

 1. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erfordert, dass der Beschwerdeführer zunächst den hier in Betracht kommenden fachgerichtlichen Rechtsschutz sucht, um auf diesem Wege auch eine inzidente Kontrolle der mit seiner Rechtssatzverfassungsbeschwerde angegriffenen Normen zu erreichen.

 

[17]

 a) Für die Annahme einer bestehenden fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit – auch im Blick auf eine inzidente Normenkontrolle – ist ausreichend, dass eine zulässige Anrufung der Fachgerichte in Betracht kommt und nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Selbst wenn zweifelhaft ist, ob ein Rechtsmittel statthaft ist und im konkreten Fall in zulässiger Weise eingelegt werden kann oder eingelegt werden konnte, ist der Beschwerdeführer grundsätzlich gehalten, von dem etwaigen fachgerichtlichen Rechtsschutz Gebrauch zu machen (vgl. BVerfGE 91, 93, 106 f.). Dabei genügt der Umstand, dass Rechtsprechung zu Gunsten der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs für die gegebene Fallgestaltung noch nicht vorliegt, regelmäßig nicht, um die Anrufung der Fachgerichte für von vornherein aussichtslos zu erachten (vgl. BVerfGE 70, 180, 186).

 

[18]

 b) Hier besteht die Möglichkeit einer Klage zu den Fachgerichten, in deren Rahmen es zu einer wenn auch nicht prinzipalen, also unmittelbaren, so aber doch inzidenten Kontrolle der angegriffenen Vorschriften kommen kann.

 

[19]

 aa) Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, dass, wenn es nicht zu einer Beschlussfassung durch die Hauptversammlung kommt, weder eine aktienrechtliche Anfechtungs- noch eine aktienrechtliche Nichtigkeitsklage in Betracht kommen. Die entsprechenden Vorschriften der §§ 245, 249 AktG finden – die bestehende fachgerichtliche Rechtsprechung zugrunde gelegt – keine, auch keine analoge Anwendung auf die für eine Kapitalerhöhung gem. § 7 FMStFG erforderlichen Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat. Eine direkte Anwendung der aktiengesetzlichen Anfechtungsvorschriften scheidet aus, weil der entsprechende Abschnitt des AktG – bereits seiner Überschrift zufolge – nur Hauptversammlungsbeschlüsse betrifft. Auch eine analoge Anwendung ist nicht ohne Weiteres möglich. Sie liefe dem System der Aufgabenverteilung in einer AG zuwider, wonach die Geschäftsführung allein dem Vorstand zugewiesen ist und dessen Kontrolle grundsätzlich dem Aufsichtsrat obliegt (vgl. für die entsprechenden Zustimmungsbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat im Fall einer durch die Hauptversammlung genehmigten Kapitalerhöhung BGHZ 164, 249, 252 f. = ZIP 2005, 2207 (m. Bespr. Krämer/Kiefner, ZIP 2006, 301 u. Waclawik, ZIP 2006, 397), dazu EWiR 2006, 65 (Hirte), sowie BGHZ 122, 342, 347 ff. = ZIP 1993, 1079, dazu EWiR 1993, 809 (Rittner); Dörr, in: Spindler/Stilz, AktG, § 249 Rz. 5; a.A. für die hier in Rede stehenden Beschlüsse im Fall des gesetzlich genehmigten Kapitals – ohne nähere Begründung – Roitzsch/Wächter, DZWIR 2009, 1, 8). Zutreffend ist ebenso, dass dem FMStBG zufolge eine rechtliche Prüfung der Kapitalerhöhung durch den Handelsregisterrichter zu unterbleiben hat (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 4 FMStBG) und eine einmal erfolgte Eintragung auch im Wege des Schadensersatzes nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 5 FMStBG i.V.m. § 246a Abs. 4 Satz 2 AktG).

 

[20]

 bb) Die hieraus vom Beschwerdeführer gezogene Folgerung, es fehle an jeglicher Möglichkeit, die angegriffenen Normen einer Prüfung durch die Fachgerichte im Rahmen einer inzidenten Kontrolle zu unterziehen, greift indessen zu kurz (vgl. § 16 FMStFG). Vielmehr sind andere zivilprozessuale Klagemöglichkeiten naheliegend und nicht offensichtlich unzulässig (für die Zulässigkeit etwa Spindler, DStR 2008, 2268, 2274). Daher kann hier offenbleiben, ob darüber hinaus auch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle im Blick auf die Entscheidungen des Finanzmartkstabilisierungsfonds in Betracht zu ziehen ist.

 

[21]

 (1) Vor der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister kommt für den Aktionär in Betracht, die Entscheidungen des Vorstands und des Aufsichtsrats und damit inzident auch die zugrunde liegenden Vorschriften über ein gesetzlich genehmigtes Kapital im Wege einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage zur Prüfung zu stellen. Eine solche Klage zielte darauf ab, dem Finanzunternehmen und insbesondere dessen Vorstand zu untersagen, durch die weitere Durchführung der Kapitalerhöhung in die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs einzugreifen (vgl. dazu BGHZ 164, 249, 253 ff. = ZIP 2005, 2207; weiter: BGHZ 136, 133, 141 = ZIP 1997, 1499, dazu EWiR 1997, 1013 (Hirte); BGHZ 83, 122, 133 ff. = ZIP 1982, 568; MünchKomm-Bayer, AktG, 2. Aufl., § 203 Rz. 175; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 203 Rz. 38 f.; Wiesner, in: MünchHdbGesR, Bd. IV, 3. Aufl., § 18 Rz. 8 ff.; Schlitt/Seiler, ZHR 2002, 544, 575 f.; Bayer, NJW 2000, 2609, 2610 f.). Da die Anmeldung der Kapitalerhöhung bei solcher Fallgestaltung unmittelbar bevorsteht und nach erfolgter Eintragung in das Handelsregister nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 5 FMStBG i.V.m. § 246a Abs. 4 Satz 2 AktG), wird eine solche Klage – um wirksamen Rechtsschutz bieten zu können – regelmäßig mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz verbunden werden (vgl. hierzu BGHZ 164, 249, 255 = ZIP 2005, 2207; OLG Frankfurt/M. WM 2001, 206; MünchKomm-Bayer, a.a.O., § 203 Rz. 175; Wamser, in: Spindler/Stilz, a.a.O., § 203 Rz. 116; Hüffer, a.a.O., § 203 Rz. 39; Waclawik, ZIP 2008, 2339; Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245, 2250). Da die Handelsregistereintragung – so der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung – noch nicht vorgenommen worden ist, steht dem Beschwerdeführer seinem eigenen Vortrag zufolge die Option einer vorbeugenden Unterlassungsklage noch offen. Dem steht nicht entgegen, ZIP 2009, Seite 756dass die Eintragung gem. § 3 Abs. 5 Satz 4 FMStBG ohne rechtliche Prüfung zu erfolgen hat. Die genannte Regelung richtet sich an den Registerrichter. Die Unterlassungsklage hingegen wäre gegen die Gesellschaft zu erheben. Eine erfolgreiche, auf Unterlassung gerichtete Klage kann mithin dazu führen, dass die Kapitalerhöhung bereits nicht beim Handelsregister angemeldet wird, so dass es in einem solchen Fall auf das Fehlen einer rechtlichen Prüfung durch den Registerrichter nicht mehr ankommt.

 

[22]

 (2) Auch nach Vollzug der Handelsregisteranmeldung erscheint eine inzidente Kontrolle von §§ 3 und 5 FMStFG auf dem Gebiet des Zivilrechts weiter möglich. Eine solche Kontrolle kommt auch im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage in Betracht. Die Feststellungsklage ist schon nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH zulässig, soweit es um die Ausnutzung des von der Hauptversammlung zuvor genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss nach §§ 203 f. AktG geht (BGHZ 164, 249 = ZIP 2005, 2207; vgl. auch Wamser, in: Spindler/Stilz, a.a.O., § 203 Rz. 110; Hüffer, a.a.O., § 203 Rz. 39; krit. Bungert, BB 2005, 2757, 2758). Es liegt nicht fern, die Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage ebenfalls für das hier unmittelbar durch das Gesetz statt durch die Hauptversammlung genehmigte Kapital zu bejahen (so etwa Waclawik, ZIP 2008, 2339). Denn ein maßgebliches Argument für die Zulässigkeit einer solchen Klage, wonach die Kontrolle des Vorstands in erster Linie zwar dem Aufsichtsrat überlassen sei, diese Kontrolle im Falle des genehmigten Kapitals aber nicht greife, weil Vorstand und Aufsichtsrat gleichermaßen an der Beschlussfassung mitgewirkt haben, beansprucht ebenso Gültigkeit für die hier gegebene Konstellation der nicht durch die Hauptversammlung, sondern durch das Gesetz genehmigten, vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats beschlossenen Kapitalerhöhung.

 

[23]

 cc) Soweit mit Blick auf die Regelung über den Ausschluss der Zahlung von Dividenden die Möglichkeit einer inzidenten Normenkontrolle von § 5 Abs. 2 Nr. 5 FMStFV sowie der Ermächtigungsgrundlagen (§ 7 Abs. 3 und § 10 Abs. 2 FMStFG) in Rede steht, richtet sich ein etwaiger fachgerichtlicher Rechtsschutz auch nach dem rechtlichen Vorgehen des Finanzmarktstabilisierungsfonds im konkreten Fall. Dieser hat nach § 5 Abs. 8 FMStFV die Möglichkeit, die Erfüllung von Bedingungen für die Stabilisierungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 2 FMStFV durch Vertrag, Verwaltungsakt und Nebenbestimmungen oder durch Verpflichtungserklärungen sicherzustellen. Trotz der Bedeutung der Handlungsform für den fachgerichtlichen Rechtsschutz hat der Beschwerdeführer hierzu keine Angaben gemacht und ebenfalls nicht dargelegt, dass und aus welchen Gründen ihm ein entsprechender Vortrag nicht möglich wäre. Die Verfassungsbeschwerde ist deshalb insoweit nicht hinreichend substanziiert (vgl. zur Vortragsobliegenheit im Blick auf das Erfordernis materieller Subsidiarität BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats v. 20.12.2002 – 1 BvR 2305/02, NJW 2003, 418, sowie Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 92 Rz. 19 m.w.N.).

 

[24]

 2. Obgleich auch im Fall der bestehenden Rechtsschutzmöglichkeit durch die Fachgerichte dem BVerfG entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG die Option einer sofortigen Entscheidung eröffnet ist, ist vorliegend davon kein Gebrauch zu machen. Es liegt zwar nahe, dass der Verfassungsbeschwerde allgemeine Bedeutung zukommt. Selbst beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG für eine Vorabentscheidung ist das BVerfG jedoch nicht in jedem Falle gehalten, vor Erschöpfung des Rechtswegs – und dementsprechend hier vor Herbeiführung einer inzidenten Normenkontrolle durch die Fachgerichte – in der Sache zu entscheiden; es hat vielmehr auch andere für und gegen eine Vorabentscheidung sprechende Umstände zu berücksichtigen und alle Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerfGE 8, 222, 226 f.; BVerfGE 86, 15, 26 = ZIP 1992, 1025, dazu EWiR 1992, 1083 (Krüger)). Die gebotene Gesamtabwägung führt zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer vorliegend zunächst an die Fachgerichte zu verweisen ist.

 

[25]

 a) Bei der Abwägung fällt – dem Sinn des Subsidiaritätsprinzips entsprechend (vgl. BVerfGE 90, 128, 137) – entscheidend ins Gewicht, dass eine vorherige Klärung der tatsächlichen, namentlich aber der rechtlichen Fragen bei der Auslegung und Anwendung der in Rede stehenden Normen im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG wie auch des Rechts der EG durch die Fachgerichte geboten erscheint.

 

[26]

 So ist es vornehmlich Aufgabe der Fachgerichte, entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Fragen aufzuarbeiten und zu prüfen, ob eine Normenkollision mit europäischem Gemeinschaftsrecht besteht (vgl. BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des Ersten Senats v. 25.2.2004 – 1 BvR 2016/01, NVwZ 2004, 977, 979). Derartige gemeinschaftsrechtliche Fragen stellen sich hier im Hinblick auf die RL 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 „zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften i.S.d. Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der AG sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“.

 

[27]

 Überdies ist die Tatsachengrundlage einer etwaigen Vorabentscheidung des BVerfG bislang ungesichert, soweit es um die Auslegung und Anwendung der angegriffenen Vorschriften im konkreten Fall geht (vgl. BVerfGE 79, 1, 20). So ist nicht verlässlich geklärt, ob und unter welchen Bedingungen eine Beteiligung an der Rekapitalisierung der C. AG bewilligt worden ist. Der Beschwerdeführer selbst hat hierzu nur vorgetragen, über die Struktur und den Inhalt der geschlossenen Verträge sei ihm nichts bekannt. Nicht sicher ist bislang überdies, ob die vornehmlich angegriffene Regelung über die Erhöhung des Grundkapitals durch Vorstandsentscheid mit Zustimmung des Aufsichtsrats, aber ohne vorwegige Befassung der Hauptversammlung (§ 3 FMStBG, gesetzlich genehmigtes Kapital) überhaupt zur Anwendung kommt, oder ob der Weg über eine kurzfristige Einberufung der Hauptversammlung (nach § 7 FMStBG) beschritten werden soll. Des Weiteren sind – über den Inhalt von Pressemeldungen hinaus – die genauen Erwägungen gerade für den in Rede stehenden Weg der Rekapitalisierung der C. AG, die konkrete Ausgestaltung der auszugebenden Aktien und die weiteren Einzelheiten klärungs- und feststellungsbedürftig, um eine justiziable Ent-ZIP 2009, Seite 757scheidungsgrundlage zu schaffen, die eine Prüfung der angegriffenen Normen in ihrer konkreten Fallrelevanz hinreichend zu fundieren vermögen.

 

[28]

 Schließlich ist der Verweis auf den fachgerichtlichen Rechtsweg auch mit Blick auf die im angegriffenen Gesetz den Gerichten eingeräumten Entscheidungsspielräume geboten, da es nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass sie für die Frage seiner Verfassungsmäßigkeit Gewicht erlangen können (vgl. BVerfGE 71, 25, 34 f.; BVerfGE 97, 157, 165). Derartige Spielräume bestehen unter anderem mit Blick auf den Ausschluss der Dividenden nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 FMStFV sowie die konkrete Ausgestaltung der neu zu begebenden Aktien gem. § 5 FMStBG. Vor allem gilt dies auch ganz allgemein hinsichtlich der Voraussetzungen, die vorliegen müssen oder von den Organen der Gesellschaft noch zu schaffen sind, damit die Gesellschaft die Stabilisierungshilfen in Anspruch nehmen kann (vgl. Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245, 2246). Zu denken ist überdies daran, einfachrechtliche Vorgaben für die im Gesetz nicht näher ausgestaltete Wahlmöglichkeit des Vorstands zwischen einer Kapitalerhöhung nach § 3 FMStBG und einer solchen nach § 7 FMStBG zu entwickeln, die die Befassung der Hauptversammlung einschließt.

 

[29]

 b) Den vorstehenden Erwägungen zur Zweckmäßigkeit eines vorgelagerten fachgerichtlichen Verfahrens steht nicht etwa dessen Unzumutbarkeit für den Beschwerdeführer entgegen (vgl. dazu BVerfGE 77, 275, 282 = ZIP 1988, 379; BVerfGE 85, 80, 86). Anhaltspunkte für eine mit einer vorherigen Anrufung der Fachgerichte verbundene unzumutbare Belastung des Beschwerdeführers sind weder seinem Vortrag zu entnehmen noch aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts sonst naheliegend.

 

[30]

 Mangels entgegenstehender Angaben in der Verfassungsbeschwerdeschrift kann davon ausgegangen werden, dass vornehmlich vermögensrechtliche Interessen des Beschwerdeführers betroffen sind, denen hier kein herausragendes Gewicht beizumessen sein dürfte. Anhaltspunkte für ein über das finanzielle Interesse hinausgehendes gewichtiges Anliegen bestehen nicht. Vielmehr kann bei einem Aktionär, der nicht geltend macht, einen namhaften Anteil an der AG zu halten, regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es typischerweise die Vermögenskomponente seines Aktieneigentums ist, die im Vordergrund seines Interesses steht (vgl. BVerfGE 14, 263, 283; BVerfGE 100, 289, 305 = ZIP 1999, 1436 (m. Anm. Wilken), dazu EWiR 1999, 751 (Neye); BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des Ersten Senats v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04, ZIP 2007, 1261 = NJW 2007, 3268, 3270, dazu EWiR 2007, 449 (von der Linden/Ogorek)). Überdies ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass angesichts des finanziellen Zuflusses, den die AG aufgrund der Kapitalerhöhung erhalten und der indirekt auch ihren Aktionären zugute kommen soll, die Maßnahme für den einzelnen Aktionär mit schwerwiegenden finanziellen Einbußen verbunden wäre. Es ist nicht erkennbar, dass die hier – im Blick auf die Frage einer Vorabentscheidung – vornehmlich in Rede stehenden wirtschaftlichen Nachteile für den Beschwerdeführer existenzielles Gewicht hätten und zugleich einen schweren Nachteil i.S.v. § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG zu begründen vermöchten (vgl. BVerfGE 8, 222, 226; BVerfGE 9, 120, 122).

 

[31]

 Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

 

[32]

 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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