KG: Unzulässigkeit der Berufung einer bereits vor Klageerhebung erloschenen GbR

18.11.2009

ZPO § 50; BGB § 705

Unzulässigkeit der Berufung einer bereits vor Klageerhebung erloschenen GbR

KG, Beschl. v. 2. 4. 2009 – 4 U 184/07 (nicht rechtskräftig; LG Berlin)

Leitsatz des Gerichts:

Ergibt sich im Berufungsverfahren, dass die in erster Instanz sachlich unterlegene BGB-Gesellschaft schon seit dem Zeitpunkt der Klageerhebung aufgrund liquidationsloser Vollbeendigung der Gesellschaft durch Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem letzten verbliebenen Gesellschafter nicht mehr existiert, so ist die Berufung wegen des nicht behebbaren Mangels der Parteifähigkeit als unzulässig zu verwerfen, auch wenn hierdurch das gegen die BGB-Gesellschaft als Klägerin ergangene abweisende Sachurteil in Rechtskraft erwächst (in Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 4.11.1999 – III ZR 306/98, ZIP 1999, 2073, LS und Rz. 19 f.)

Gründe:

I. Die Klägerin zu 1) war eine zweigliedrige Anwaltssozietät. Gesellschafter dieser Sozietät waren der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) und die Beklagte. In dem Sozietätsvertrag ist unter § 18 Abs. 1 geregelt, dass der kündigende Gesellschafter aus der Sozietät ausscheidet. Gemäß § 18 Abs. 2 des Sozietätsvertrages geht im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters und Verbleibens nur eines Gesellschafters das Vermögen der Sozietät ohne Liquidation mit Aktiva und Passiva auf den/die verbleibenden Gesellschafter im Verhältnis der bisherigen Anteile über. Unstreitig ist die Beklagte spätestens zum 31. März 2007 aus der Sozietät ausgeschieden.

Mit der am 13. Juni 2007 eingereichten Klage hat die Klägerin zu 1), vertreten durch den verbliebenen Gesellschafter als Prozessbevollmächtigten, die Beklagte auf Rückzahlung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Im Laufe des Prozesses erster Instanz hat der Bevollmächtigte der Klägerin zu 1) lediglich vorsorglich und hilfsweise für den Fall, dass das LG die Aktivlegitimation der Klägerin zu 1) nicht als gegeben ansehen sollte, bedingte Klage auch im eigenen Namen erhoben mit der Maßgabe, dass dann Zahlung an den Prozessbevollmächtigten beantragt werden wird.

Das LG hat die Aktivlegitimation der Klägerin zu 1) bejaht und die Klage im Wege einer Sachentscheidung als unbegründet abgewiesen. Hiergegen hat zunächst nur die Klägerin zu 1) Berufung eingelegt und diese bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 21. Januar 2008 begründet.

Mit Verfügung vom 29. Januar 2009 ist die Klägerin zu 1) durch den Senat darauf hingewiesen worden, dass die Berufung nicht begründet ist, da sie weder partei- noch prozessfähig sei. Im nachgelassenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) erklärt, dass er im eigenen Namen dem Rechtsstreit beitrete und nunmehr im eigenen Namen beantrage, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) den erstinstanzlich geltend gemachten Betrag von 13.250 € zu zahlen, hilfsweise das Urteil des LG aufzuheben und das Verfahren an das LG Berlin zurückzuverweisen. Zugleich hat er für die bisherige Klägerin erklärt, dass diese aus dem Prozess ausscheide.

II. Die Berufungen beider Kläger sind unzulässig.

1. Berufung der Klägerin zu 1)

Die Berufung der Klägerin zu 1) ist unzulässig, da sie nicht parteifähig ist, § 522 Abs. 1, § 50 ZPO.

Gemäß § 50 ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Die Klägerin ist nicht rechtsfähig, da sie nicht mehr existiert.

Unstreitig ist die zweigliedrige Gesellschaft durch Kündigung der Beklagten spätestens zum 31. März 2007 beendet. Gemäß § 18 Abs. 2 des Sozietätsvertrages ist durch das Ausscheiden der Beklagten das Vermögen der Sozietät ohne Liquidation mit Aktiva und Passiva auf den verbleibenden Gesellschafter, nämlich den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, übergegangen. Eines Übertragsungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedurfte es nicht (vgl. BGH, Urt. v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, ZIP 2008, 1677 (m. Bespr. K. Schmidt, S. 2337), Rz. 9 m.w.N., dazu EWiR 2008, 679 (Vortmann)). Aufgrund der liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft und der Gesamtrechtsnachfolge des letzten verbleibenden Gesellschafters ist die Sozietät im Rechtssinne nicht mehr existent (vgl. BGH ZIP 2008, 1677, Rz. 12 f.). Hieraus folgt, dass die grundsätzlich partei- und prozessfähige GbR (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2002 – II ZR 331/00, ZIP 2002, 614, Rz. 9, juris) aufgrund des Erlöschens nicht mehr partei- und prozessfähig ist, so dass für den Fall, dass die GbR während des Prozesses erlischt, die Regeln der §§ 239 ff., 246 ZPO sinngemäß anzuwenden sind (BGH ZIP 2002, 614, Rz. 5). Da hier bereits die Klägerin spätestens seit dem 31. März 2007 und damit vor Anhängigkeit der Klage am 13. Juni 2007 erloschen ist, finden die Vorschriften über die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens gem. §§ 239 ff., 246 ZPO – auch sinngemäß – keine Anwendung. Weder Klage noch Berufung der Klägerin sind demnach zulässig.

Die Unzulässigkeit der Klage führt jedoch ausnahmsweise nicht zur Aufhebung des Sachurteils des LG und zur Abweisung der Klage als unzulässig. Stattdessen war die Berufung der Klägerin zu verwerfen mit der Folge, dass das Sachurteil des LG in Rechtskraft erwächst, obwohl sich die Abweisung als unbegründet gegen eine nicht existierende Partei richtet.

Grundsätzlich ist eine Berufung nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern die Klage als unzulässig abzuweisen, wenn sich im Berufungsverfahren ergibt, dass der in erster Instanz sachlich unterlegene (Berufungs-)Kläger schon seit dem Zeitpunkt der Klageerhebung prozessunfähig ist (BGH ZIP 1999, 2073 = NJW 2000, 289). Diese Vorgabe des BGH beruht auf dem Grundgedanken, dass zwar für die Zulässigkeit der Berufung grundsätzlich die Prozessfähigkeit des Berufungsklägers als Prozesshandlungsvoraussetzung erforderlich ist, jedoch im Interesse eines vollständigen Rechtsschutzes auch der Prozessunfähige die Möglichkeit haben muss, den Prozess durch seine Handlungen in die höhere Instanz zu bringen, um eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung darauf zu erreichen, ob die Vorinstanz ihn zu Recht als prozessfähig oder prozessunfähig behandelt hat. Dies gilt anerkanntermaßen für das Rechtsmittel der Partei, die sich dagegen wendet, dass sie in der Vorinstanz zu Unrecht sei es als prozessfähig, sei es als prozessunfähig behandelt worden ist. Anderenfalls bliebe ein an dem Verfahrensverstoß leidendes Urteil der unteren Instanz aufrechterhalten, erwüchse in Rechtskraft und könnte nur mit der Nichtigkeitsklage beseitigt werden. Dieser Gesichtspunkt, der der Schutzbedürftigkeit des Prozessunfähigen Rechnung trägt, hat jedoch nicht nur Bedeutung, wenn die prozessunfähige Partei das Rechtsmittel mit dem Ziel einer anderen Beurteilung ihrer Prozessfähigkeit einlegt, sondern auch, wenn die Partei, deren Prozessfähigkeit fraglich ist, sich gegen ZIP Heft 44/2009, Seite 2124das in der Vorinstanz gegen sie ergangene Sachurteil wendet und mit ihrem Rechtsmittel ein anderes, ihrem Begehren entsprechendes Sachurteil erstrebt. Denn auch in diesem Fall würde mit der Verwerfung der Berufung als unzulässig ein möglicherweise fälschlich gegen den Berufungskläger ergangenes Sachurteil bestätigt, obwohl es sich bei der Prozessfähigkeit der Partei um eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung handelt (BGH ZIP 1999, 2073 = NJW 2000, 289, Rz. 20 m.w.N.).

Ergibt sich im Berufungsverfahren jedoch, dass der in erster Instanz sachlich unterlegene (Berufungs-)Kläger schon seit dem Zeitpunkt der Klageerhebung nicht parteifähig ist, so ist ausnahmsweise nicht die Klage als unzulässig abzuweisen, sondern die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn die fehlende Parteifähigkeit nicht wieder hergestellt werden kann.

Die überzeugenden Ausführungen des BGH beruhen auf dem Grundgedanken, dass eine Partei, die zwar partei-, nicht aber prozessfähig ist, im Regelfall den Mangel der fehlenden Prozessfähigkeit heilen kann, indem ein gesetzlicher Vertreter bestellt wird. Durch eine solche Sachentscheidung wäre die prozessunfähige Partei beschwert und hätte aufgrund der grundsätzlich bestehenden Rechtskraft des Sachurteils nach Behebung der fehlenden Prozesshandlungsvoraussetzung nur eingeschränkte Möglichkeiten (Nichtigkeitsklage), diese Beschwer wieder aus der Welt zu schaffen. Ein vergleichbares Schutzbedürfnis ist gegeben, wenn eine Partei nicht nur prozessunfähig, sondern sogar parteiunfähig ist. So ist anerkannt, dass die Parteifähigkeit einer juristischen Person noch nach ihrer Löschung grundsätzlich bis zur Eintragung auch ihrer Vermögenslosigkeit fortbesteht (BAG, Urt. v. 22.3.1988 – 3 AZR 350/86, NJW 1988, 2637, LS 4; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 67. Aufl., 2009, § 50 Rz. 7 m.w.N.). Die Parteifähigkeit der juristischen Person ist bereits dann gegeben, wenn sie sich noch einer Forderung berühmt (BAG NJW 1988, 2637, LS 5), da im Falle des Bestehens einer Forderung eine Nachtragsliquidation durchgeführt werden kann und in diesem Sinne die bereits erloschene juristische Person wieder auflebt.

Eine vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor. Mit dem Ausscheiden der Beklagten ist die Sozietät voll beendet. Ein Wiederaufleben im Sinne einer Nachtragsliquidation ist hier nicht denkbar, da nach der vertraglichen Regelung sämtliche Aktiva und Passiva dem verbleibenden Gesellschafter zugewachsen sind. Die Gesellschaft hat damit aufgehört zu existieren, so dass alle nachfolgenden gegen die frühere Sozietät gerichteten Rechtshandlungen, wie z.B. eine spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der nicht mehr existierenden Gesellschaft, ins Leere gehen (BGH ZIP 2008, 1677, LS 2, Rz. 13, juris). In diesem Sinne geht auch das mit der Berufung angegriffene Sachurteil des LG ins Leere, da die Klage einer nicht mehr existierenden Klägerin abgewiesen worden ist. Eine Schutzbedürftigkeit der nicht mehr existierenden Klägerin ist auch nicht ersichtlich. Da sie nicht mehr besteht, kann gegen sie – im Gegensatz zu einem Prozessunfähigen – auch keine Zwangsvollstreckung wegen der Kosten betrieben werden. Die Sachentscheidung bindet die Klägerin in einem Folgeprozess nicht, da rechtlich ein Folgeprozess ausgeschlossen ist. Der Mangel der Parteifähigkeit ist dauerhaft, so dass es auch niemanden gibt, der namens der Klägerin Nichtigkeitsklage erheben könnte. Beschwert ist durch das Sachurteil des LG nur die Beklagte, da sie einen Kostentitel gegen eine nicht existierende Person erhalten hat. Eine Berufung seitens der Beklagten wegen der in der Kostenentscheidung liegenden Beschwer mit dem Ziel, die Kostenentscheidung dahin gehend abzuändern, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach dem Veranlassungsprinzip ihre außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, hat sie jedoch nicht erhoben.

Soweit die Klägerin nach dem Hinweis des Senats vom 29. Januar 2009 im nachgelassenen Schriftsatz erklärt hat, dass sie aus dem Prozess ausscheide, ist diese Prozesshandlung aufgrund der fehlenden Parteifähigkeit der Klägerin wirkungslos.

2. Die Berufung des Klägers zu 2) ist nicht zulässig, da sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgte. (Wird ausgeführt.)

<einsender></einsender>Mitgeteilt von Richter am KG B.-D. Kuhnke, Berlin</einsender><//einsender><hinweis></hinweis>

Anmerkung der Redaktion:

Die Rechtsbeschwerde ist anhängig unter dem Az. II ZB 9/09.

</hinweis><//hinweis>

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell