KG: Verfahrensgebühr für Prozessbevollmächtigte einer AG für jede erhobene Anfechtungsklage auch bei späterer Verbindung

16.06.2009

AktG § 246 Abs. 3 Satz 3; RVG § 15 Abs. 2; ZPO § 91

Verfahrensgebühr für Prozessbevollmächtigte einer AG für jede erhobene Anfechtungsklage auch bei späterer Verbindung

KG, Beschl. v. 13. 1. 2009 – 5 W 207/07

Leitsatz des Gerichts:

Werden mehrere Anfechtungsprozesse nach § 246 Abs. 3 Satz 3 AktG später verbunden, so waren die Prozessbevollmächtigten der beklagten AG bis zur Verbindung für jede anhängig gewordene Klage in jeweils verschiedenen Angelegenheiten tätig. Es handelt sich bis zur Verbindung um mehrere Prozesse, d.h. um mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG (Aufgabe der Rechtsprechung des Senats, Beschl. v. 23.1.2008 – 5 W 206/07, KGR Berlin 2008, 486, 487).

Gründe:

I. Die sofortigen Beschwerden der Kläger zu 1) – 3) und der Beklagten sind gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig.

1. Soweit sich die Kläger zu 1) – 3) dagegen wenden, dass die Kosten gegen sie als Gesamtschuldner festgesetzt worden sind, verbleibt es dabei, dass die Kläger nach dem Beschluss des LG vom 8. Januar 2007 die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen haben. An diese Kostengrundentscheidung ist das Kostenfestsetzungsverfahren gebunden (vgl. z.B. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rz. 12).

2. Das LG hat die Verfahrensgebühren hinsichtlich der zunächst selbstständigen Verfahren dem Grunde nach zu Recht, jedoch überhöht festgesetzt.

a) Werden zwei Verfahren, die zunächst selbstständig waren, zu einem verbunden, so bleiben einmal entstandene Gebühren aus den getrennten Verfahren bestehen (§ 15 Abs. 4, 2 Satz 2 RVG; OLG Stuttgart OLGR 2001, 270, Juris-Rz. 7). Gebühren, die ein Anwalt einmal verdient hat, kann dieser nicht mehr verlieren (z.B. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., 3100 VV Rz. 81; zum GKG: Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 35 Rz. 12 „Prozessverbindung“). Soweit der Senat in einem früheren Beschluss die Auffassung erwogen hat, dass es sich bei mehreren Anfechtungsprozessen nach § 246 Abs. 3 Satz 3 AktG für den Anwalt der beklagten AG um eine einzige Angelegenheit handele (KG, Beschl. v. 23.1.2008 – 5 W 206/07, KGR Berlin 2008, 486), wird dies nicht aufrechterhalten. Vielmehr waren die Prozessbevollmächtigten der Beklagten bis zur Verbindung in vier verschiedenen Angelegenheiten tätig (Hartmann, a.a.O., § 15 RVG Rz. 37 m.w.N.; vgl. auch Hansens, RVGreport 2008, 138, 139; OLG Koblenz MDR 2005, 1017 zu den Gerichtsgebühren in aktienrechtlichen Anfechtungsklagen vor der Verbindung). Dies entspricht auch dem Wortlaut des § 246 Abs. 3 Satz 3 AktG. Somit handelt es sich bis zur Verbindung um mehrere Prozesse, d.h. um mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG.

b) Die angefallenen Verfahrensgebühren der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind von den Klägern gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten zu tragen. Soweit der Senat in der o.a. Entscheidung die Auffassung vertrat, es sei ausreichend, dass der Rechtsanwalt dem Gericht die weiteren Verfahren mitteilt, hätte diese Vorgehensweise im vorliegenden Fall nicht zu einer Minderung der Gebührenansprüche geführt. Regelmäßig wird der Rechtsanwalt von seiner Mandantschaft über anhängige Verfahren in Kenntnis gesetzt und hierzu beauftragt. Dies löst bereits eine 0,8 Verfahrensgebühr aus (Abs. 2 der Vorbemerkung 3 VV RVG). Soweit das KG in MDR 1975, 1028 f. die Auffassung vertrat, bei gegenseitig eingereichten Scheidungsklagen reiche es zur sachgerechten Wahrnehmung der eigenen Interessen aus, dass der Prozessbevollmächtigte im Rahmen des bereits erteilten Klagemandats auf die Erwirkung eines Verbindungsbeschlusses hinwirke und dass von einer Doppelgebühren auslösenden Mandatserteilung abgesehen werde, ist dies auf die hiesige Fallkonstellation nicht übertragbar. Dort standen sich von Anfang an die gleichen Parteien gegenüber, während hier jeweils verschiedene Parteien nebeneinander Anfechtungsklage erhoben. Hier durfte es die Beklagte als sachdienlich ansehen, ihre Prozessbevollmächtigten mit der Verteidigung gegenüber jedem einzelnen Kläger zu mandatieren. Von der Beklagten konnte nicht erwartet werden, selbst zu beurteilen, dass die weiteren Klagen keine gesonderte Rechtsverteidigung erforderlich machten. Dies gilt hier umso mehr, als die Klagen ursprünglich zahlreiche, zum Teil auch unterschiedliche Beschlüsse betrafen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann eine 1,3 Verfahrensgebühr (VV 3 100) nur für das Verfahren LG Berlin 90 O 82/06 festgesetzt werden, für die hierzu verbundenen Verfahren dagegen jeweils nur eine 0,8 Verfahrensgebühr, da diese Verfahren i.S.v. VV 3 101 Nr. 1 frühzeitig endeten. Die Beklagte hat vor Verbindung der Verfahren schriftsätzlich lediglich um Fristverlängerung nachgesucht. Insoweit haben die sofortigen Beschwerden der Kläger zu 1) – 3) teilweise Erfolg.

2. Zur Unbegründetheit der Beschwerde der Beklagten wird auf die Gründe des Nichtabhilfebeschlusses des LG vom 9. Oktober 2007 und auf den erwähnten Beschluss des Senats 5 W 206/07 sowie ergänzend auf Müller-Rabe (a.a.O., Rz. 92 m.w.N.) Bezug genommen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

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