KG: Zur Haftung des Geldkuriers beim „Phishing“

18.12.2009

BGB §§ 812, 823 Abs. 2; StGB § 261 Abs. 2

Zur Haftung des Geldkuriers beim „Phishing“

KG, Urt. v. 15. 10. 2009 – 8 U 26/09 (nicht rechtskräftig; LG Berlin)

Leitsätze der Redaktion:

1. § 261 Abs. 2 StGB, wonach sich strafbar macht, wer sich unrechtmäßig erlangte Vermögenswerte verschafft, diese verwahrt oder für einen Dritten verwendet, ist Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB.

2. Die Einschätzung des Geldkuriers, bei dem Phishing-Auftrag handele es sich um eine illegale Aktion, möglicherweise um eine „einfache“ Steuerhinterziehung, genügt nicht für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Geldwäsche nach § 261 StGB.

3. Leichtfertigkeit i.S.v. § 261 Abs. 5 StGB kann dem Geldkurier nicht vorgeworfen werden, wenn ihm die Phishing-Problematik nicht bekannt war.

Gründe:

I. Die Beklagte stellte sich auf eine Werbung eines B. von einer Fa. W. per E-Mail/Internet als „Transfermanagerin“ zur Verfügung. Mithilfe von durch „Phishing“ erlangten Daten überwies eine unbekannte Person vom Konto des Kunden N. bei der V. Bank 5.870 € auf das Konto der Beklagten bei der B. Bank. Nachdem die Beklagte von der Zahlung Kenntnis genommen hatte, informierte sie telefonisch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten. Dieser kontaktierte die Staatsanwaltschaft, die ihm nach Rücksprache mit dem LKA mitteilte, dass kein öffentliches Interesse bestehe. Die Beklagte löste ihr Konto auf und transferierte das Geld weisungsgemäß in die Ukraine. Die klagende Versicherung nimmt die Beklagte aus nach ihrer Auffassung übergegangenem Recht wegen eines Schadens der V. Bank in Anspruch.

ZIP 49/2009, 2332

Das LG hat die Beklagte mit dem am 8. Januar 2009 verkündeten Urteil zur Zahlung von 5.870 € zzgl. Zinsen sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Kosten i.H. v. 558,69 € nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung ist auch begründet. Zwar ist das erstinstanzliche Urteil vom gesetzlichen Richter erlassen worden (unten 1.). Auch sind etwaige Ansprüche der V. Bank gegen die Beklagte auf die Klägerin übergegangen (unten 2.). Allerdings bestanden Ansprüche der V. Bank gegen die Beklagte tatsächlich nicht (unten 3. bis 5.).

1. Das erstinstanzliche Urteil ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagten vom gesetzlichen Richter erlassen worden, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. (Wird ausgeführt.)

2. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, weil etwaige Ansprüche der V. Bank gegen die Beklagte gem. § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung auf die Klägerin übergegangen sind. (Wird ausgeführt.)

3. Die Bank hatte keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB.

a) Der Angewiesene (hier: die V. Bank) hat zwar grundsätzlich einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gegen den Anweisungsempfänger, wenn eine wirksame Anweisung fehlt und dem Anweisenden diese auch nicht zuzurechnen ist. In diesen Fällen hat die Überweisungsbank lediglich erfolglos versucht, eine Leistung an den Kontoinhaber zu erbringen. Diesem kann die Zuwendung der Überweisungsbank aber nicht zugerechnet werden, da er sie nicht veranlasst und auch keinen Anschein dafür gesetzt hat, die Zahlung sei seine Leistung. Der Zuwendungsempfänger ist daher in sonstiger Weise auf Kosten der Überweisungsbank bereichert und deshalb ihrem Anspruch aus Nichtleistungskondiktion ausgesetzt. Dies gilt nicht nur, wenn der Anweisungsempfänger das Fehlen einer wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung kannte. In der Rechtsprechung des BGH ist deshalb anerkannt, dass die Vornahme einer Zahlung durch die Bank aufgrund einer Fälschung oder Verfälschung eines Überweisungsauftrags, Schecks oder Wechsels dem vermeintlich Anweisenden nicht zugerechnet werden kann und der Bank in solchen Fällen ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gegen den Zuwendungsempfänger zusteht (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2008 – XI ZR 371/07, ZIP 2008, 1161 = NJW 2008, 2331, dazu EWiR 2008, 431 (Maier)). Nicht anders sind die Fälle zu beurteilen, in denen – wie hier – Unbefugte sich illegal Zugangsdaten zum Online-Banking verschafft („Phishing“) und damit Überweisungen veranlasst haben (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 2.8.2006 – 1 U 75/06, ZIP 2006, 1981 (m. Anm. Borges) = OLGR 2007, 22, 23, dazu EWiR 2007, 77 (Strube); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.1.2008 – 17 U 185/07, ZIP 2008, 1373 = WM 2008, 632, 633 f., dazu EWiR 2008, 613 (Würdinger); Borges, in: Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 2. Aufl., 2009, § 9 Rz. 152; Löhnig/Würdinger, WM 2007, 961, 962).

b) Die Beklagte ist jedoch entreichert, § 818 Abs. 3 BGB. Wegen des überwiesenen Betrages hat sie keine Vermögensvorteile mehr, da sie das Geld in die Ukraine transferiert hat.

c) Die Beklagte haftet auch nicht verschärft gem. § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB, da sie keine Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes hatte. Erforderlich dafür ist zumindest bedingter Vorsatz. Der Bereicherungsschuldner muss dafür die zugrunde liegenden Tatsachen kennen und die sich daraus ergebende Rechtsfolge in Kauf nehmen, wobei es ausreicht, wenn sich aufgrund der bekannten Tatsachen die Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs aufdrängt (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1996 – V ZR 117/95, ZIP 1996, 1382 = NJW 1996, 2652, 2653).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da die Beklagte nicht wusste, dass der Inhaber des Kontos, von dem der Betrag überwiesen wurde, mit der Transaktion nichts zu tun hatte, und deshalb schon die maßgeblichen Tatsachen für die Rechtsgrundlosigkeit im Verhältnis zur V. Bank nicht kannte. Das allgemeine Bewusstsein, möglicherweise an einem rechtswidrigen Vorgang mitzuwirken, reicht nicht aus. Sie muss sich auch die Kenntnis der unbekannten Täter des Computerbetrugs nicht entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, da sie diese nicht damit betraut hat, Angelegenheiten bezüglich ihres Kontos wahrzunehmen. Sie hat lediglich gestattet, Geld auf dieses Konto zu überweisen, die Dritten sollten aber nicht befugt sein, hierüber zu verfügen. Die Einzahlung oder Überweisung auf ein Konto ist auch ohne Kenntnis und Mitwirkung des begünstigten Kontoinhabers möglich, so dass es auf die Erlaubnis, Geld auf das Konto zu überweisen, nicht ankommt.

4. Ein Anspruch der V. Bank aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263a StGB bestand nicht, da der hierfür erforderliche Vorsatz der Beklagten fehlt.

5. Es bestand auch kein Anspruch der V. Bank gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 261 StGB.

a) Ob die Voraussetzungen des § 261 Abs. 1 StGB erfüllt sind, kann entgegen der Rechtsansicht des LG dahinstehen, weil diese Vorschrift kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist (a.A. auch AG Bensheim, Urt. v. 26.4.2007 – 6 C 68/07, juris). Schutzgesetz ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Rechtsnorm dann, wenn sie – sei es auch neben dem Schutz der Allgemeinheit – gerade dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen. Dabei kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.1991 – II ZR 204/90, ZIP 1991, 1597 = NJW 1992, 241, 242, dazu EWiR 1992, 33 (Schiemann); BGH, Urt. v. 16.3.2004 – VI ZR 105/03, NJW 2004, 1949). Aus der Begründung zum Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisier-ZIP 49/2009, 2333ten Kriminalität (OrgKG), mit dem § 261 StGB erstmals Gesetz geworden ist, ergibt sich aber, dass mit Abs. 1 die „Aufgabe der inländischen staatlichen Rechtspflege, die Wirkungen von Straftaten zu beseitigen“ geschützt werden sollte (BT-Drucks. 12/989, S. 27). Dies ist ein typisches Interesse der Allgemeinheit. Vom Schutz der Personen, die konkret durch die Vortaten geschädigt worden sind, ist in der Gesetzesbegründung nicht die Rede, was insbesondere im Vergleich zur Begründung des Abs. 2 (dazu s.u.) von Bedeutung ist. Der Individualschutz durch Befolgung der Norm kann nur als ihr Reflex objektiv erreicht werden, liegt jedoch nicht im Aufgabenbereich der Norm, was nicht ausreicht (vgl. BGH NJW 2004, 1949).

b) Dagegen ist § 261 Abs. 2 StGB Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.2.2004 – 3 U 123/00, OLGR 2004, 209, 211; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.8.2009 – 1 U 635/09 ; OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.2007 – 14 U 145/06, OLGR 2007, 800; LG Ellwangen, Urt. v. 30.3.2007 – 1 S 184/06, juris; LG Köln, Urt. v. 5.12.2007 – 9 S 195/07, ZIP 2008, 260, dazu EWiR 2008, 243 (Meder/Blissenbach); Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., 2009, § 823 Rz. 69; Schaub, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., 2009, § 823 Rz. 228; Spindler, in: Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar zum BGB, Stand: 1.10.2007, Edition 14, § 823 Rz. 176; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823 Rz. 237; so offenbar auch BGH, Urt. v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, ZIP 2008, 1222 = NJW 2008, 2245, 2249, dazu EWiR 2008, 577 (Lange)). In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/898, S. 27) heißt es, dass ähnlich wie bei der Begünstigung davon auszugehen sein werde, dass Rechtsgut sowohl das durch die Vortat verletzte als auch die Rechtspflege sei. Das zeigt, dass der Gesetzgeber einen entsprechenden Rechtsschutz zu Gunsten der durch die Vortat verletzten Personen jedenfalls mitgewollt hat.

c) Der objektive Tatbestand des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist erfüllt.

aa) Ein in § 261 Abs. 1 StGB bezeichneter Gegenstand liegt objektiv vor. Gegenstände in diesem Sinne können insbesondere Bargeld und Buchgeld sein (vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl., 2009, § 261 Rz. 6). Das Kontoguthaben der Beklagten rührte aus einem Computerbetrug her, § 263a StGB. Dieser ist aber nach § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. a StGB nur dann geeignete Vortat, wenn er gewerbsmäßig oder von einem Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, begangen worden ist.

Eine Bande ist ein Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.3.2001 – GSSt 1/00, NJW 2001, 2266). Das ergibt sich aus dem Sachvortrag der Parteien nicht. Derartige Straftaten können grundsätzlich auch von einem Einzeltäter oder von nur zwei Tätern begangen werden.

Allerdings rührte das Kontoguthaben aus einem gewerbsmäßigen Computerbetrug her. Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1994 – 1 StR 522/94, NStZ 1995, 85). Die entsprechende Absicht der Täter ergibt sich schon aus der E-Mail von B. vom 21. August 2006, in der von einer langen und ständigen Zusammenarbeit mit der Beklagten und einer befriedigenden Einkommensquelle die Rede ist. Ob es noch zu weiteren Taten gekommen ist, ist daher unerheblich.

bb) Die Beklagte hat sich das Buchgeld auch verschafft. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/989, S. 27) gelten die zu § 259 StGB entwickelten Grundsätze auch hier. Deshalb ist hierunter die Verschaffung eigener Verfügungsgewalt auf abgeleitetem Wege im Einverständnis mit dem Vortäter zu verstehen (vgl. Fischer, a.a.O., § 261 Rz. 24; Ruhmannseder, in: Heintschel-Heinegg, Beck'scher Online-Kommentar zum StGB, Edition 9, Stand: 15.6.2009, § 261 Rz. 31; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht, Besonderer Teil 2, 31. Aufl., 2008, Rz. 898; Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., 2006, § 261 Rz. 13; Ruß, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., 2005, § 261 Rz. 14; MünchKomm-Neuheuser, StGB, 2003, § 261 Rz. 66; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, 2. Aufl., 1999, S. 140 f.; a.A. – kein abgeleiteter Erwerb erforderlich – Kindhäuser, Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl., 2008, S. 365; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl., 2007, § 261 Rz. 8; Altenhain, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 2. Aufl., 2005, § 261 Rz. 114). Unerheblich ist, dass die Beklagte das Geld nicht vom Konto des Vortäters, sondern des unbeteiligten Kontoinhabers erhalten hat (anders Neuheuser, NStZ 2008, 492, 496), weil der Vortäter die tatsächliche Möglichkeit hatte, über das Konto zu verfügen, und deshalb einem Vorbesitzer gleichgestellt werden kann.

Dagegen hat die Beklagte das Geld nicht i.S.v. § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB einem Dritten verschafft. Sie hat das Geld zwar in die Ukraine übermittelt. Sie hatte allerdings zwischenzeitlich eigene Verfügungsgewalt erlangt, weil sie tatsächlich die Möglichkeit hatte, mit dem Geld unter Ausschluss des Vortäters nach Belieben zu verfahren. Hinsichtlich der Übermittlung in die Ukraine fehlt es daher an der erforderlichen unmittelbaren Ableitung vom Vortäter. Im Übrigen läge bei der Verwirklichung mehrerer Tatbestandsvarianten des Absatzes 2 nur eine Tat vor (vgl. Fischer, a.a.O., § 261 Rz. 54; Ruhmannseder, a.a.O., § 261 Rz. 75; Lackner/Kühl, a.a.O., § 261 Rz. 19; Stree, a.a.O., § 261 Rz. 28; Altenhain, a.a.O., § 261 Rz. 157), so dass die Weiterleitung nach Vollendung der Tatbestandsvariante des Sich-Verschaffens keine eigenständige Bedeutung hätte.

d) Auch der objektive Tatbestand des § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegt vor. Die Beklagte hat das Geld für einen Dritten verwendet, indem sie es in die Ukraine transferiert hat. Hierunter fällt der bestimmungsgemäße Gebrauch, insbesondere sind Geldgeschäfte erfasst (vgl. Fischer, a.a.O., § 261 Rz. 26; Ruhmannseder, a.a.O., § 261 Rz. 33).

e) Die Beklagte handelte aber nicht vorsätzlich.

aa) Wegen § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB fehlt es am Vorsatz der Beklagten in Bezug auf die Herkunft des Geldes. Erforderlich ist ZIP 49/2009, 2334bedingter Vorsatz; der Täter muss die Herkunft des Gegenstandes aus einer Katalogtat i.S.v. § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB ernsthaft für möglich halten und dies billigend in Kauf nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.1997 – 1 StR 791/96, NStZ 1998, 42, 44). Die Annahme, der Gegenstand habe keine legale Herkunft, reicht nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2003 – 1 StR 393/02, juris). Es genügt aber, wenn sich der Täter eine andere Katalogtat vorstellt als die tatsächlich vorliegende (vgl. Ruhmannseder, a.a.O., § 261 Rz. 56; Altenhain, a.a.O., § 261 Rz. 132).

Die Beklagte hat die Herkunft des Geldes aus einem Computerbetrug nicht für möglich gehalten. Sie hat zunächst angenommen, dass es sich um „etwas Steuerliches“ handeln könne. Die einfache Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ist keine Katalogtat i.S.v. § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB. Als Katalogtat kam aber grundsätzlich eine gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370a AO, der zum Tatzeitpunkt noch in Kraft war) in Betracht, da es sich wegen der Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr um ein Verbrechen handelte, § 12 Abs. 1, § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB. Es ist aber schon zweifelhaft, ob sich der Vorsatz der Beklagten auch auf das Tatbestandsmerkmal des „großen Ausmaßes“ bezog. Ferner war nach Auffassung des BGH (Beschl. v. 22.7.2004 – 5 StR 85/04, NJW 2004, 2990, dazu EWiR 2005, 371 (Ahlbrecht)) § 370a AO wegen Unbestimmtheit dieses Tatbestandsmerkmals nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Jedenfalls ist § 370a AO nach seiner zwischenzeitlichen Aufhebung wegen § 2 Abs. 3 StGB auch auf Altfälle nicht mehr anwendbar. Dann darf die Vorschrift auch als Katalogtat nicht mehr berücksichtigt werden.

Wegen der Vorstellung der Beklagten, es mit der „Russenmafia“ zu tun zu haben, kommen zwar grundsätzlich Katalogtaten gem. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StGB in Betracht. Allerdings hat sie diese Vorstellung erst nach dem behaupteten Anruf vom 24. August 2006 entwickelt, also zu einem Zeitpunkt, als sie durch die Absprache mit dem Vortäter bereits gehandelt hatte und das Geld vereinbarungsgemäß auf ihrem Konto war. Für den Vorsatz kommt es aber allein auf die Vorstellungen des Täters bei Begehung der Tat (§ 16 StGB), also im Zeitpunkt der Handlung (vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – 3 StR 159/03, NStZ 2004, 201, 202), an. Vorstellungen nach Vollendung der Tat sind dagegen bedeutungslos.

bb) Auch bezüglich § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB handelte die Beklagte aus den genannten Gründen nicht vorsätzlich. Maßgeblich ist die Kenntnis der Herkunft des Geldes zu dem Zeitpunkt, zu dem sie es erlangt hatte, also dem Zeitpunkt, zu dem das Geld auf ihrem Konto gebucht war und sie deshalb darüber verfügen konnte. Ob sie zu einem späteren Zeitpunkt von der Herkunft des Geldes Kenntnis erlangt hat, ist unerheblich.

f) Die Beklagte handelte auch nicht leichtfertig hinsichtlich der Herkunft des Geldes, § 261 Abs. 5 StGB. Leichtfertigkeit liegt nur vor, wenn sich die Herkunft des Gegenstands aus einer Katalogtat geradezu aufdrängt und der Täter gleichwohl handelt, weil er dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit außer Acht lässt; es handelt sich hierbei um eine vorsatznahe Schuldform, an deren Feststellung strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH NStZ 1998, 42, 44; BGH, Urt. v. 24.6.2008 – 5 StR 89/08, NJW 2008, 2516, 2517). Hierbei sind auch die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Täters zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 2008, 2516, 2517).

Zwar sprach hier objektiv vieles für eine illegale Herkunft des Geldes. Die Beklagte ist nur über das Internet bzw. per E-Mail geworben worden. Ihr sollten offenbar ohne nähere Prüfung relativ hohe Werte anvertraut werden, sie sollte eine recht hohe Provision von 10 bis 15 % der eingehenden Beträge bei vergleichsweise geringem Aufwand erhalten. Eine nachvollziehbare Begründung für dieses Vorgehen ist ihr offenbar nicht präsentiert worden. Die Geschäftsgestaltung war ebenfalls unseriös, da der E-Mail-Verkehr eines sich W. nennenden Unternehmens nicht über E-Mails einer eigenen Domain (etwa „...@w.com“), sondern über eine E-Mail-Adresse bei „y.de“ abgewickelt wurde und die Beklagte bereits in der E-Mail vom 21. August 2006 mit dem Zusatz zur angeblichen Telefonnummer „ist zeitweilig unerschwinglich“ davon abgehalten werden sollte, telefonisch Kontakt aufzunehmen.

Allerdings ist zu beachten, dass die bloße Einschätzung, es handele sich um eine illegale Aktion, für den subjektiven Tatbestand des § 261 StGB gerade nicht ausreicht. Im Hinblick auf „Phishing“ kann Leichtfertigkeit der Beklagten nicht festgestellt werden, weil sie das Problem unstreitig nicht kannte. Ihr kann unter Berücksichtigung der besonders hohen Anforderungen, die an Leichtfertigkeit zu stellen sind, auch nicht vorgeworfen werden, mit der Annahme, es handele sich „nur“ um Steuervergehen, andere Möglichkeiten aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit außer Acht gelassen zu haben. Die Ausführungen des LG, das Verschieben von Geld auf „sichere“ Banken vorzugsweise in der Alpenregion stelle eine übliche Art der Steuerhinterziehung dar, sind sicherlich zutreffend. Allerdings muss auch bei dieser Variante der Steuerhinterziehung das Geld erst einmal in die Alpen gelangen; der für die Steuerbehörden leicht nachzuvollziehende Weg der Direktüberweisung von einem Konto einer deutschen Bank auf ein Konto in z.B. Liechtenstein dürfte deshalb kaum in Betracht kommen. Im Übrigen besagt die Feststellung des LG, dass Banken in der Alpenregion eine übliche Möglichkeit für Steuerhinterziehungen darstellen, noch nichts darüber, ob nicht auch osteuropäische Länder als Ziel für Steuerhinterzieher in Betracht kommen. Der Senat hat hierüber jedenfalls keine Erkenntnisse; Vorstellungen der Beklagten dazu, wie Steuerhinterziehung üblicherweise funktioniert, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Übrigen spricht es gegen ein besonders leichtfertiges Verhalten der Beklagten, dass sie vor dem Weitertransfer des Geldes Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufnehmen ließ und sich bei der S. – die ihr jedoch die Kontodaten des Überweisers unter Berufung auf das Bankgeheimnis vorenthielt – um eine Rücküberweisung bemühte. Auch Letzteres war ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils zwischen den Parteien in erster Instanz unstreitig und kann von der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr wirksam infrage gestellt werden, denn es war nachlässig i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO, hierzu nicht schon in erster Instanz vorzutragen.

<einsender>Mitgeteilt von Richter am LG Burkhard Niebisch, Berlin</einsender>

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