LAG Köln: Zur Wirksamkeit von „sozialplanfremden“ Regelungen im Sozialplan (hier: Abfindung für außerhalb des persönlichen Geltungsbereichs des Plans stehende Arbeitnehmer)

06.04.2009

BetrVG § 112; GG Art. 3; BGB § 280

Zur Wirksamkeit von „sozialplanfremden“ Regelungen im Sozialplan (hier: Abfindung für außerhalb des persönlichen Geltungsbereichs des Plans stehende Arbeitnehmer)

LAG Köln, Urt. v. 17. 9. 2008 – 3 Sa 653/08

Leitsätze dces Gerichts:

1. Den Betriebsparteien ist in einem Sozialplan eine Gruppenbildung verwehrt, die dazu dienen soll, dem Arbeitgeber eine eingearbeitete und qualifizierte Belegschaft zu erhalten, da ein derartiges Ziel nicht dem Zweck eines Sozialplans entspricht (BAG v. 6.11.2007 – 1 AZR 960/06, ZIP 2008, 327 = NZA 2008, 232, 234; BAG v. 19.2.2008 – 1 AZR 1004/06, ZIP 2008, 1087 = BB 2008, 1793, 1794 f.).

2. Die vorgenannten Grundsätze gelten nicht bei einer Sozialplanbestimmung, die Abfindungen für Arbeitnehmer vorsieht, die dem persönlichen Anwendungsbereich des Sozialplans nicht unterfallen. Mit derartigen, in einem Sozialplan enthaltenen, „sozialplanfremden“ Regelungen dürfen Zwecke verfolgt werden, die mit der eigentlichen Betriebsänderung nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Sozialplanabfindung.

Der Kläger war in der Zeit vom 1.4.1996 bis 30.10.2007 im T. Konzern beschäftigt, und zwar seit dem 1.2.2000 bei der Beklagten zunächst in H. und seit deren Umzug im Mai 2007 in K. Die Beklagte ist ein Unternehmen des T. Konzerns. Die T.A. erwarb im Frühjahr 2006 die Anteile an der Konzern-Obergesellschaft des ehemaligen G. Konzerns. Zum Zeitpunkt des Erwerbs verfügten sowohl der T. Konzern als auch der ehemalige G. Konzern über einen Konzernbereich Asset Management. Dieser Konzernbereich setzte sich im T. Bereich aus der Beklagten und drei weiteren Gesellschaften mit insgesamt zwei Betrieben in H. zusammen. Die Beklagte führte mit zwei weiteren der in H. ansässigen Asset Management Gesellschaften einen Gemeinschaftsbetrieb. Im G. Bereich bestand das Asset Management aus drei Gesellschaften mit drei Betrieben in K.

Im Herbst 2006 wurden die Asset Management Gesellschaften aus den beiden Konzernbereichen gesellschaftsrechtlich zusammengeführt. Die betriebliche Struktur blieb zunächst unangetastet. Im Frühjahr 2007 wurden die beiden Betriebe in H. und die drei Betriebe in K. dann aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Geschäftsleitung in einem neuen gemeinsamen Betrieb in K. zusammengefasst. Die bisherigen Betriebsorganisationen der Asset Management Gesellschaften in H. und K. wurden aufgelöst. Der Umzug von H. nach K. fand am 21. Mai 2007 statt.

Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der den Arbeitnehmern durch die Umstrukturierungsmaßnahmen entstehenden Nachteile vereinbarten die T.A. und der Konzernbetriebsrat unter dem 12.6.2007 einen Sozialplan. Dieser enthält u.a. folgende Bestimmungen:

„§ 3 Persönlicher Geltungsbereich

1. Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer des T. Konzerns i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG mit Ausnahme leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG.

2. Die zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehenen Leistungen gelten nicht für Arbeitnehmer, ...

e) deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers beendet wird, sofern sie nicht durch den Arbeitgeber veranlasst ist. Dies ist nur der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung mit Beendigungswirkung durch den Arbeitgeber mit Wirkung zu einem früheren Zeitpunkt kündigt, in dem der Arbeitgeber für den betreffenden Arbeitnehmer im Rahmen seines bisherigen Arbeitsverhältnisses und am bisherigen Standort (politische Gemeinde) keinen Beschäftigungsbedarf mehr hat; in diesen Fällen steht eine Aufhebungsvereinbarung der vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung gleich. ...

§ 11 Abfindung

5. Abfindung wegen Arbeitsaufgabe nach Arbeitsplatzwechsel

Hat ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz im Rahmen einer von diesem Sozialplan erfassten Maßnahme aufgrund eines vor Ausspruch einer Änderungskündigung oder einer mit einem Weiterbeschäftigungsangebot verbundenen Beendigungskündigung angenommenen Angebots an einen räumlich weit entfernten Arbeitsplatz i.S.d. § 4 Abs. 1 lit. d verlagert, ohne dass dieser Arbeitsplatz für ihn i.S.d. § 4 Abs. 1 lit. e zumutbar ist, so hat er Anspruch auf Abfindung gemäß den vorangehenden Absätzen dieses Paragraphen auch dann, wenn er das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum Ablauf von 6 Monaten nach Verlegung des individuellen Arbeitsortes unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen kündigt oder es durch Aufhebungsvertrag endet. Die Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Ablauf der 6-Monatsfrist gilt auch zu Gunsten solcher Arbeitnehmer, die arbeitsvertraglich eine längere Kündigungsfrist einzuhalten haben.

Für Mitarbeiter, die zur A. Asset Management G., zur A.I.G. oder zum A.G.I. Management G. nach K. gewechselt sind, gilt der vorangehende Satz mit der Maßgabe, dass Anspruch auf die Abfindung alle Arbeitnehmer haben, die spätestens bis zum Ablauf des 30.9.2007 eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2007 (bei einer vom Arbeitnehmer einzuhaltenden Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monats- oder Quartalsende) bzw. zum Ablauf des 31.3.2008 (bei einer vom Arbeitnehmer einzuhaltenden Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monats- oder Quartalsende) erklären und deren Arbeitsverhältnis aufgrund dieser Kündigung endet. ...“

Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.6.2007 zum 31.10.2007. Mit seiner Klage macht er einen Anspruch auf Zahlung der Sozialplanabfindung geltend. Das ArbG hat mit Urteil vom 13.2.2008 die Klage abgewiesen und einen Anspruch des Klägers auf Zahlung der Sozialplanabfindung im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass die zum 30.10.2007 wirkende Eigenkündigung des Klägers die Voraussetzungen des § 11 Nr. 5 des Sozialplans nicht erfülle.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das ArbG hat die Klage zu Recht abgewiesen und einen Abfindungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint.

ZIP 2009, Seite 534

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrages i.H. v. 40.800,43 € brutto aus dem zwischen der T.A. und deren Konzernbetriebsrat abgeschlossenen Sozialplan.

a) Eine Anwendung dieses Sozialplans auf das Arbeitsverhältnis des Klägers scheitert bereits an der fehlenden persönlichen Anwendbarkeit. Gemäß § 3 Nr. 1 des Sozialplans gilt dieser grundsätzlich für alle Arbeitnehmer des T. Konzerns. Ausgenommen sind gem. § 3 Nr. 2e des Sozialplans u.a. diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung beendet wird, sofern diese nicht durch den Arbeitgeber veranlasst ist. Eine solche, den Sozialplan ausnahmsweise gleichwohl zur Anwendung bringende Veranlassung durch den Arbeitgeber haben die Betriebspartner nur für den Fall angenommen, dass der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Beendigungskündigung das Arbeitsverhältnis seinerseits mit Wirkung zu einem früheren Zeitpunkt kündigt, in dem der Arbeitgeber für den betreffenden Arbeitnehmer im Rahmen seines bisherigen Arbeitsverhältnisses und am bisherigen Standort keinen Beschäftigungsbedarf mehr hat.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Eigenkündigung des Klägers nicht. Der Kläger ist mit der durch seine Eigenkündigung bewirkten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2007 keiner vorher ausgesprochenen Beendigungskündigung der Beklagten, die das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt beendet hätte, zuvorgekommen. Eine solche Beendigungskündigung hat die Beklagte weder vor noch nach dem einvernehmlichen Wechsel des Klägers von H. nach K. ausgesprochen. Im Gegenteil genoss der Kläger nach seinem Wechsel nach K. einen dreijährigen Bestandsschutz. Die Ausnahmebestimmung des § 3 Nr. 2e des Sozialplans greift mithin nicht ein.

Auch nach der allgemeinen Rechtsprechung des BAG kommt – unabhängig von der konkreten Sozialplanregelung – eine Gleichstellung der vom Kläger ausgesprochenen Eigenkündigung mit einer Beendigungskündigung der Beklagten nicht in Betracht. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG dafür, ob ein Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen wegen einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrags ausgeschlossen werden kann, nicht die rechtstechnische Form der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausschlaggebend, sondern es kommt allein auf den materiellen Auflösungsgrund an. Maßgeblich ist danach, ob ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung „auf Veranlassung des Arbeitgebers“ ausscheidet (vgl. BAG v. 28.4.1993, AP Nr. 67 zu § 112 BetrVG 1972; BAG v. 26.10.2004, AP Nr. 171 zu § 112 BetrVG 1972). Eine derartige Veranlassung liegt nach der Rechtsprechung immer nur dann vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden (BAG v. 19.7.1995, AP Nr. 96 zu § 112 BetrVG 1972; BAG v. 13.12.2005, AP Nr. 179 zu § 112 BetrVG 1972; BAG v. 13.2.2007 – 1 AZR 163/06, ZIP 2007, 1075; BAG v. 15.5.2007 – 1 AZR 370/06, ZIP 2007, 1575, dazu EWiR 2007, 737 (Laskawy/Lomb)). Eine solche Veranlassung durch die Beklagte ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Der Kläger hat vielmehr das Arbeitsverhältnis ohne Einflussnahme seitens der Beklagten einen Monat nach seinem Wechsel nach K. selbst gekündigt. Die so zustande gekommene Beendigung des Arbeitsverhältnisses diente nicht der Vermeidung einer drohenden Kündigung der Beklagten. Sie beruhte vielmehr allein auf dem freien Willensentschluss des Klägers, der an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in K. nicht interessiert war.

b) Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Abfindung gem. § 11 Nr. 5 des Sozialplans.

aa) Diese Sozialplanbestimmung enthält ausweislich ihrer Zwischenüberschrift die Regelung einer Abfindung wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes nach einem durchgeführten Arbeitsplatzwechsel. Ein solcher Abfindungsanspruch besteht nach § 11 Nr. 5 Satz 2 des Sozialplans für Mitarbeiter, die u.a. zur Beklagten nach K. gewechselt sind, wenn sie spätestens bis zum Ablauf des 30.9.2007 eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2007 erklärt haben und ihr Arbeitsverhältnis aufgrund dieser Kündigung endet.

bb) Der Kläger erfüllt nicht sämtliche dieser kumulativ erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen. Zwar ist er zu der Beklagten nach K. gewechselt und hat auch vor Ablauf des 30.9.2007, nämlich am 27.6.2007, sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt. Es fehlt jedoch an der dritten Tatbestandsvoraussetzung des § 11 Nr. 5 Satz 2 des Sozialplans. Denn die Eigenkündigung des Klägers ist nicht mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2007 erfolgt. Der Kläger hat vielmehr sein Arbeitsverhältnis zu der Beklagten mit der vorgenannten Eigenkündigung bereits zum 31.10.2007 beendet. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist auch eine derartige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit Ablauf des 31.12.2007 tatbestandliche Voraussetzung für einen Abfindungsanspruch nach § 11 Nr. 5 Satz 2 des Sozialplans. Dies ergibt die Auslegung der vorgenannten Sozialplanregelung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG hat die Auslegung eines Sozialplans wie bei Gesetzen oder Tarifverträgen zu erfolgen, d.h., es ist der objektive Gehalt der streitbefangenen Sozialplanbestimmung zu ermitteln, wie er im Wortlaut wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck kommt (vgl. zuletzt BAG, 11.12.2007 – 1 AZR 953/06). Ein eventuell abweichender Wille der Betriebspartner ist unerheblich (BAG 12.11.2002 – 1 AZR 632/01, NZA 2003, 676). Schließlich ist dem allgemeinen Sprachgebrauch Rechnung zu tragen. Gebrauchen die Partner einer Betriebsvereinbarung einen Begriff, der allgemein in bestimmter Bedeutung angewandt wird, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie ihn gleichfalls in diesem Sinne verstanden haben (BAG v. 17.11.1998 – 1 AZR 221/98, ZIP 1999, 931 = NZA 1999, 609, 610, dazu EWiR 1999, 1037 (Büdenbender); Hauck, AuA 1978, 69, 71).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Wortlaut des § 11 Nr. 5 Satz 2 des Sozialplans im Hinblick auf die dort normierten Zeitangaben eindeutig. Erfasst werden von dieser Regelung ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, die „spätestens bis zum Ablauf des 30.9.2007 eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2007“ erklärt ZIP 2009, Seite 535haben. Diese Sozialplanbestimmung stellt an die erforderliche Eigenkündigung unmissverständlich kumulativ zwei Voraussetzungen. Die Kündigung muss zum einen vor dem 30.9.2007 dem Arbeitgeber gegenüber erklärt werden und sie darf zum anderen das Arbeitsverhältnis nur mit Wirkung zum 31.12.2007 beenden. Nicht erfüllt sind die Anforderungen der Norm daher sowohl dann, wenn die Kündigung erst nach dem 30.9.2007 erklärt wird, als auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vor Ablauf des 31.12.2007 endet. Hieran ändert der Gebrauch des Wortes „spätestens“ nichts. Dieses ist ausschließlich auf das Datum der Kündigungserklärung bezogen. Diese darf spätestens am 30.9.2007 erfolgen. Ein gleichzeitiger Bezug zum Ablaufdatum des 31.12.2007 wird nicht hergestellt. Hierfür wäre nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine nochmalige Verwendung des Begriffs „spätestens“ erforderlich gewesen. Anhaltspunkte für das gegenteilige Normverständnis des Klägers bietet der Wortlaut der Sozialplanbestimmung nicht. Auch der Kläger vermag insoweit keine tragfähigen Anhaltspunkte zu benennen.

Aufgrund des somit eindeutigen Wortlauts der streitgegenständlichen Sozialplanbestimmung scheidet auch die vom Kläger angeführte Unklarheitenregel, wonach Unklarheiten des Sozialplans zu Lasten der Beklagten gehen müssten, aus. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine derartige Unklarheitenregel auf Betriebsvereinbarungsebene überhaupt Anwendung finden kann. Diese besondere Auslegungsregel gehört dem Individualarbeitsrecht an. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass § 305c Abs. 2 BGB auf Betriebsvereinbarungen keine Anwendung findet. Auch die Kammer sieht insoweit deutliche Unterschiede zwischen Individual- und Kollektivarbeitsrecht.

c) Die somit in § 11 Nr. 5 Satz 2 des Sozialplans enthaltene doppelte Stichtagsregelung verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Beide Stichtage beruhen vielmehr auf einer sachlich begründeten Differenzierung.

aa) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Allerdings ist eine Ungleichbehandlung nicht schlechthin verboten, sondern mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz immer dann vereinbar, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt, insbesondere die Unterscheidung nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist. Die Prüfung des sachlichen Grundes für die Ungleichbehandlung muss sich an diesen Zwecken orientieren (st. Rspr. des BAG; vgl. zuletzt BAG v. 11.10.2006 – 4 AZR 354/05, EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 11; BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 420/06, ZIP 2007, 1478 = EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 12, dazu EWiR 2007, 589 (Oetker), jeweils mit umfassenden weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

bb) Die sachliche Begründung für den ersten Kündigungserklärungsstichtag, den 30.9.2007, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Auch der Kläger räumt insoweit ein, dass mit dieser Bestimmung für die Arbeitgeberseite Planungssicherheit hinsichtlich des Personalbestands geschaffen werden sollte.

cc) Anders ist dies hinsichtlich des zweiten Stichtages, nämlich der Mindestbestandsdauer der Arbeitsverhältnisse bis zum 31.12.2007. Zur Begründung dieser Regelung hat die Beklagte im Wesentlichen angeführt, dass auf diese Weise eine gewisse Mindestbestandsdauer der Arbeitsverhältnisse der nach K. gewechselten Arbeitnehmer sichergestellt werden sollte. Die Beklagte hat erstinstanzlich ausdrücklich ausgeführt, dass dieser Bestimmung die Annahme zugrunde liege, dass nur solche Arbeitnehmer in den Genuss der Vergünstigung nach § 11 Nr. 5 des Sozialplans kommen sollten, die am neuen Standort in K. substanziell zur Bewältigung der Übergangsphase beigetragen hätten. Das betriebliche Interesse an einer möglichst reibungslosen Überleitung der Geschäftstätigkeiten nach K. stand mithin deutlich im Vordergrund. Dies hat die Beklagte auch zweitinstanzlich in ihrer Berufungserwiderung nochmals bestätigt.

Dieses betriebliche Interesse stellt einen nachvollziehbaren, sachlichen Differenzierungsgrund für die ausnahmsweise Gewährung der Sozialplanabfindung an außerhalb des persönlichen Geltungsbereichs des Sozialplans stehende Arbeitnehmer dar.

dd) Dem steht auch nicht die neuere Rechtsprechung des 1. Senats des BAG entgegen. Zwar hat dieser zuletzt ausgeführt, dass Betriebsparteien in einem Sozialplan eine Gruppenbildung verwehrt sei, die dazu dienen solle, dem Arbeitgeber eine eingearbeitete und qualifizierte Belegschaft zu erhalten, da ein derartiges Ziel nicht dem Zweck eines Sozialplans entspreche. Betriebliche Interessen, die personelle Zusammensetzung der Belegschaft bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu sichern, seien dementsprechend nicht geeignet, Differenzierungen bei der Höhe von Sozialplanabfindungen zu rechtfertigen (vgl. BAG ZIP 2008, 327 = NZA 2008, 232, 234, dazu EWiR 2008, 233 (Bieszk); BAG ZIP 2008, 1087 = BB 2008, 1793, 1794 f., dazu EWiR 2008, 483 (Oetker)). Die erkennende Kammer folgt dieser BAG-Rechtsprechung, hält sie jedoch im vorliegenden Fall nicht für einschlägig.

Der 1. Senat des BAG stellt in den vorgenannten Entscheidungen für die Frage der sachlichen Rechtfertigung einer Differenzierung im Rahmen von Sozialplanregelungen auf Sinn und Zweck des Sozialplans ab. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die streitgegenständliche Regelung in § 11 Nr. 5 Satz 2 des Sozialplans stellt jedoch keine Sozialplanbestimmung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des BAG dar. Zwar ist § 11 Nr. 5 Gegenstand des von der T.A. mit ihrem Konzernbetriebsrat abgeschlossenen Sozialplans. Gleichwohl handelt es sich hierbei nicht um eine Sozialplanbestimmung im engeren Sinne.

(1) Dies wird bereits am Wortlaut der Regelung deutlich. Nach der Überschrift sieht § 11 Nr. 5 des Sozialplans eine Abfindung wegen Arbeitsaufgabe nach Arbeitsplatzwechsel vor. Auch der weitere Wortlaut der Regelung zeigt, dass nicht die eigentliche Betriebsänderung und die mit ihr verbundenen nachteiligen Auswirkungen für die Arbeitnehmer auslösender Tatbestand für die Abfindungszahlung nach § 11 Nr. 5 des So-ZIP 2009, Seite 536zialplans sind, sondern allein die vom Arbeitnehmer selbst herbeigeführte Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach einem einvernehmlich durchgeführten räumlichen Wechsel des Arbeitsplatzes. Mit § 11 Nr. 5 des Sozialplans sollen daher keine unmittelbar betriebsänderungsbedingten Nachteile ausgeglichen werden, sondern wechselwillige Arbeitnehmer, die zudem für einen mindestens sechsmonatigen Zeitraum an der neuen Betriebsstätte tätig gewesen sind, sollen für ihre Flexibilität und ihre Bereitschaft, bei der Überleitung der Geschäftstätigkeit mitzuarbeiten, prämiert werden.

(2) Noch deutlicher wird der Charakter des § 11 Nr. 5 des Sozialplans als materiell sozialplanfremde Sonderbestimmung aus der Systematik. Wie bereits oben im Einzelnen dargestellt, findet der Sozialplan nach seinem in § 3 geregelten persönlichen Anwendungsbereich keine Anwendung für solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers endet, wenn nicht der Sonderfall einer arbeitgeberseitigen Veranlassung gegeben ist. Diesen Sonderfall der arbeitgeberseitigen Veranlassung enthält § 11 Nr. 5 des Sozialplans nicht. Da § 11 Nr. 5 des Sozialplans jedoch eine Eigenkündigung der Arbeitnehmer voraussetzt, bedeutet dies gleichzeitig, dass diese Arbeitsverhältnisse nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des Sozialplans fallen. § 11 Nr. 5 des Sozialplans regelt damit offensichtlich eine nicht in den Anwendungsbereichs des Sozialplans fallende Materie.

(3) Bestätigt wird diese Sonderstellung des § 11 Nr. 5 des Sozialplans schließlich auch durch seine Entstehungsgeschichte. Nach den Erläuterungen des Personalleiters der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung ist diese Bestimmung in den Sozialplanverhandlungen als letzte Regelung in den ansonsten bereits fertigen Sozialplan auf ausdrücklichen Wunsch der Betriebsratsseite mit aufgenommen worden. Auch dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um eine nach ihrem materiellrechtlichen Gehalt „sozialplanfremde“ Regelung handelt.

(4) Nach allem enthält somit § 11 Nr. 5 des Sozialplans keine Sozialplanbestimmung im engeren Sinne, sondern ist vielmehr eine vom übrigen Sozialplan unabhängige besondere Abfindungsregelung, die formell eine freiwillige Betriebsvereinbarung darstellt. Hiervon ausgehend finden die Differenzierungsrestriktionen aus der o.g. Sozialplanrechtsprechung des 1. Senats des BAG vorliegend keine Anwendung. Eine an Sinn und Zweck des Sozialplans ausgerichtete Differenzierung kann nur dann in Betracht kommen, wenn es materiell um eine Sozialplanbestimmung geht. Handelt es sich jedoch – wie hier – um eine separate, freiwillige Betriebsvereinbarung, können die Betriebsparteien weitergehend differenzieren und insbesondere auch betriebliche Belange als Differenzierungskriterien zugrunde legen. Die Rechtslage ist somit derjenigen bei sog. kollektiven „Turboprämien“ vergleichbar (vgl. hierzu BAG v. 31.5.2005 – 1 AZR 254/04, ZIP 2005, 1468 = NZA 2005, 997, dazu EWiR 2005, 653 (Wißmann); BAG v. 3.5.2006 – 4 AZR 189/05, NZA 2006, 1420). Allein maßgeblich ist der materielle Gehalt der Regelung. Darauf, dass sie gegenständlicher Bestandteil des Sozialplans ist, kommt es nicht an.

Insgesamt kann somit ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der von ihm begehrten Abfindung aus § 11 Nr. 5 Satz 2 des Sozialplans nicht abgeleitet werden.

2. Der Abfindungsanspruch des Klägers folgt auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Zwar ist dieser im vorliegenden Fall anwendbar, die Beklagte durfte jedoch – wie oben im Einzelnen ausgeführt – zwischen denjenigen Arbeitnehmern unterscheiden, deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung vor bzw. nach dem 31.12.2007 endet. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.

3. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Schadensersatzanspruch in Höhe seines Zahlungsbegehrens. Hierfür fehlt es bereits an der gem. § 280 BGB erforderlichen Pflichtverletzung der Beklagten. Diese trifft im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Klägers aufgrund seiner Eigenkündigung keine besondere Aufklärungspflicht. Vielmehr ist es allein Aufgabe des Arbeitnehmers, der durch eine Eigenkündigung ausscheiden will, sich zuvor über mögliche hiermit verbundene Nachteile zu informieren (vgl. LAG Köln v. 2.11.1999, AP Nr. 134 zu § 112 BetrVG 1972; vgl. ferner BAG v. 16.4.2002, AP Nr. 153 zu § 112 BetrVG 1972; BAG v. 6.8.2002, AP Nr. 154 zu § 112 BetrVG 1972; Richardi/Annuß, BetrVG, 11. Aufl., § 112 Rz. 108).

Demgemäß oblag es im vorliegenden Fall allein dem Kläger, sich vor Ausspruch seiner Eigenkündigung über den Inhalt des Sozialplans zu informieren. Weitergehende Aufklärungspflichten trafen die Beklagte insoweit nicht.

III. Insgesamt musste daher der Berufung des Klägers der Erfolg versagt bleiben.

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2025 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell