LG Bonn: Kein Ordnungsgeld wegen unterlassener Offenlegung des Jahresabschlusses gegen insolvente Gesellschaft bei Leistungsunfähigkeit

22.07.2009

InsO § 155; HGB §§ 325, 335

Kein Ordnungsgeld wegen unterlassener Offenlegung des Jahresabschlusses gegen insolvente Gesellschaft bei Leistungsunfähigkeit

LG Bonn, Beschl. v. 16. 6. 2009 – 38 T 42/08

Leitsatz der Redaktion:

Einer Ordnungsgeldfestsetzung wegen unterlassener Offenlegung des Jahresabschlusses steht mangelndes Verschulden der Gesellschaft entgegen, wenn ihr spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erfüllung dieser Pflicht nicht (mehr) möglich war.

Gründe:

I. Die Beschwerdeführerin zu 2) wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500 € wegen verspäteter Einreichung der Jahresabschlussunterlagen 2006 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Der Beschwerdeführer zu 1) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Beschwerdeführerin zu 2). Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin zu 2) die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 14.2.2008, zugestellt am 18.2.2008, angedroht.

Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 25.7.2008 das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt.

Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin zu 2) am 14.8.2008 sofortige Beschwerde eingelegt. In dem gleichen Schriftsatz hat auch der Beschwerdeführer zu 1) in eigenem Namen sofortige Beschwerde gegen die Ordnungsgeldfestsetzung eingelegt.

II. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführer zu 1) ist unzulässig, wohingegen die zulässige sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) auch in der Sache Erfolg hat.

Hinsichtlich des Rechtsmittels des Beschwerdeführers zu 1) wird zur Begründung zunächst auf die Hinweise in den richterlichen Verfügungen vom 6.1.2009 und vom 8.5.2009 Bezug genommen (Letztere abgedruckt im Anschluss an den Beschluss), die durch die Ausführungen des Beschwerdeführers zu 1) in dem Schriftsatz vom 22.1.2009 nicht entkräftet werden.

Der Beschwerdeführer zu 1) ist weder Adressat der angefochtenen Ordnungsgeldentscheidung noch hierdurch materiell belastet. Es fehlt mithin an der für eine zulässige sofortige Beschwerde erforderlichen (eigenen) Beschwer. Entgegen den Ausführungen des Schriftsatzes vom 22.1.2009 ist das Gericht bei der – in Anbetracht des klaren Wortlautes der Verfügungen des Bundesamtes ohnehin zu keinem anderen Ergebnis führenden – Auslegung der Androhungs- und der Ordnungsgeldverfügung unmissverständlich von der Maßgeblichkeit des dortigen Wortlauts ausgegangen. Die auf den Besonderheiten der öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit eines (Zustands-)Störers für die Gefahrenbeseitigung beruhenden Kommentar- und Rechtsprechungsnachweise des eingangs zitierten Schriftsatzes sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Es fehlt schon an jeder Vergleichbarkeit.

Die beantragte Zulassung der Rechtsbeschwerde war vor diesem Hintergrund, ungeachtet der Frage der Zulässigkeit dieser Verfahrensweise im vorliegenden abschließenden Beschwerderechtszug (§ 335 Abs. 5 Satz 4 HGB), abzulehnen.

Hinsichtlich der erfolgreichen sofortigen Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) wird zur Begründung vollumfänglich auf die ausführlichen Hinweise in der richterlichen Verfügung vom 8.5.2009 (nachfolgend) Bezug genommen, denen das Bundesamt für Justiz nicht entgegengetreten ist. Die dortigen Erwägungen gelten fort.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 335 Abs. 5 Satz 7 HGB). Die Beschwerdeführerin zu 2) hat den Einwand nicht im Einspruchverfahren geltend gemacht. Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig (§ 335 Abs. 5 Satz 6 HGB).

<zwtitel>Hinweisschreiben des LG vom 8.5.2009 an das Bundes- amt für Justiz:</zwtitel>

In Sachen S. GmbH übersende ich die Beschwerdebegründung vom 10.9.2008 nebst den ergänzenden Ausführungen der Beschwerdeführerin. Sie erhalten hiermit Gelegenheit, zu diesen Ausführungen binnen drei Wochen Stellung zu nehmen. In der Sache möchte ich auf folgende Erwägungen hinweisen:

Zwar dürfte mangels Beschwer nach wie vor von einer Unzulässigkeit des zugleich auch im eigenen Namen für den Insolvenzverwalter eingelegten Rechtsbehelfs auszugehen sein. Denn die angefochtene Ordnungsgeldentscheidung ist – wie auch bereits die Androhungsverfügung – ausdrücklich gerichtet an die Beschwerdeführerin, vertreten durch die Geschäftsführung, und wurde an diese Adressatenbezeichnung zugestellt. Die Auslegung dieser Adressatenbezeichnung nach dem objektivierten Empfängerhorizont (§ 133 BGB) trägt in Ermangelung ZIP Heft 29/2009, Seite 1388entsprechender Anhaltspunkte nicht den Rückschluss darauf, dass das Bundesamt für Justiz mit dem Erlass der Ordnungsgeldentscheidung eine Masseverbindlichkeit begründen wollte (vgl. LG Bonn, Beschl. v. 13.11.2008 – 30 T 275/08, ZIP 2009, 332, dazu EWiR 2009, 319 (Holzer); Stollenwerk/Kurpat, BB 2009, 150, 153 m.w.N.). Vielmehr sprechen die aus den Hinweisen an den Insolvenzverwalter ersichtlichen Überlegungen sowie die zu Recht vertretene Auffassung, dass es infolge des spezialgesetzlichen Vorranges von § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO an einer Adressatenstellung des Insolvenzverwalters für eine Ordnungsgeldentscheidung über § 335 HGB fehlt (vgl. LG Bonn NZI 2008, 503; LG Bonn ZIP 2008, 1082 = GmbHR 2008, 593, 594; LG Frankfurt/M. ZIP 2007, 2325 – zu § 335a HGB a.F.; Braun/Dithmar, InsO, 3. Aufl., 2007, § 155 Rz. 9; Kübler/Prütting/Kübler, InsO, Stand: 8/2008, § 155 Rz. 74b; Grashoff, NZI 2008, 65, 69; Stollenwerk/Krieg, GmbHR 2008, 575, 579 unter IV; weitergehend: Weitzmann, EWiR 2008, 443, 444 unter 3) und dass die Verfügungsbefugnis der Gesellschaft für massebezogene Rechnungs- und Offenlegungspflichten mit der Insolvenzeröffnung entfallen ist (§ 80 Abs. 1 InsO), für das Gegenteil.

Allerdings dürfte die zugleich eingelegte sofortige Beschwerde der Gesellschaft begründet sein. Denn insolvenzfreies Vermögen ist nach den Ausführungen in den anliegenden Schriftsätzen nicht vorhanden. Anhaltspunkte, die geeignet wären, diese Ausführungen infrage zu stellen, liegen mir nicht vor.

Daraus folgt zugleich, dass die in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der beschwerdeführenden Gesellschaft zum Ausdruck kommende problematische wirtschaftliche Situation (§§ 17 ff. InsO) einerseits und der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO) andererseits einem Verschulden der Gesellschaft entgegensteht. Denn der Gesellschaft war nach alledem die Erfüllung der Offenlegungspflichten spätestens seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus wirtschaftlichen Gründen nicht (mehr) möglich (vgl. zu diesem Aspekt: LG Hagen ZIP 2007, 1766 = ZVI 2007, 430 = NZI 2008, 112, 113 – für den Insolvenzverwalter, dazu EWiR 2007, 593 (Holzer); Schlauß, BB 2008, 938, 940; Kübler/Prütting/Kübler, a.a.O., § 155 Rz. 74d). Die Feststellung eines derartigen Verschuldens bzw. einer pflichtwidrigen Unterlassung ist indes für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes erforderlich.

Die in diesem Zusammenhang mit beachtlichen Gründen in der Literatur bejahte Frage, ob die Anwendung der §§ 325 ff. HGB und die Einleitung eines Ordnungsgeldverfahrens gegen eine Insolvenzgesellschaft nicht insgesamt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit oder eines Geltungsvorranges der insolvenzrechtlichen Regelungen über die Rechnungslegung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht ausgeschlossen ist (so etwa: Kübler/Prütting/Kübler, a.a.O., § 155 Rz. 73d; Grashoff, NZI 2008, 65, 69; Weitzmann, EWiR 2008, 443, 444; krit. auch: Stollenwerk/Kurpat, BB 2009, 150, 153; a.A.: MünchKomm-Füchsl/Weishäupl, InsO, 2. Aufl., 2008, § 155 Rz. 22, jedoch unter Hinweis auf das Entfallen dieser Verpflichtung bei endgültiger Betriebseinstellung), bedarf daher keiner Vertiefung.

<einsender>Mitgeteilt von RA Achim Kraekel, Köln</einsender>

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